AUF MESSERS SCHNEIDE (The End 6)

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Из серии: The End #6
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25. Dezember 2015

»Oft liegt der Unterschied zwischen einem erfolgreichen und einem erfolglosen Menschen nicht in den Fähigkeiten oder Vorstellungen verborgen, sondern im Mut, für seine Vorstellungen einzustehen, kalkulierte Risiken einzugehen und zu handeln.« – Maxwell Maltz

Alte Filiale der United States Post, Geneva, Idaho, Republik Kaskadien

»Du machst dir einen Spaß daraus, etwas aufs Spiel zu setzen und Gratwanderungen zu vollziehen, aber ich schwöre, das geht zu weit«, sagte John Steele zu Gordon, der auf der zugefrorenen Straße stand und stoisch zu den verschneiten Spitzen der Berge im Osten aufschaute.

Er antwortete nicht, sondern ließ seinen Blick unerschrocken an den Höhenzügen entlang schweifen. »Was meinst du – befindet sich dieses Gebirge in Wyoming?«, fragte er schließlich.

»Hm?«, erwiderte John, der zunehmend missmutiger wurde.

»Gleich dort, wenn du nach Osten schaust – diese Berge, das muss Wyoming sein«, fuhr Gordon ruhig fort.

John baute sich vor ihm auf und entgegnete: »Das ist eine schlechte Idee. Woher weißt du, dass wir ihm vertrauen können?«

Während Steele ihm die Sicht versperrte, antwortete Gordon. »Man erhält nicht für alles im Leben eine Garantie, das ist dir doch klar.«

»Es war leichtsinnig, uns zu diesem Treffen bereit zu erklären. Lass uns zum Wagen zurückgehen und sofort umkehren, bevor es zu spät ist«, drängte John.

»Nein.«

»Gordon, bitte.«

»Nein.«

In einiger Entfernung kam ein einzelner Humvee um eine Ecke und näherte sich mit laut brummendem Motor.

»Er kommt.« Van Zandt schaute John wieder ins Gesicht. »Es ist an der Zeit, dass du verschwindest … los.«

»Gordon, bitte denk noch mal darüber nach.«

Er zog den Reißverschluss seiner Jacke auf, fasste hinein und nahm zwei weiße Briefumschläge heraus. Nachdem er sie Steele gegeben hatte, erklärte er: »Der eine ist für dich. Öffne ihn, wenn du losgefahren bist.«

»Tu das nicht«, flehte John.

»Deine Nase sieht gut aus – nach all den Querelen, die du damit hattest, meine ich«, bemerkte Gordon mit Bezug auf den Bruch, den sich Steele beim Kampf gegen Charles und dessen Männer zugezogen hatte. »Und was deine Lippe angeht, bin ich der Ansicht, dass man auf dieser Welt nicht umhinkommt, sich Narben einzuhandeln.« Damit meinte er eine wulstige Wunde an Johns Unterlippe, eine weitere Verletzung, zu der es im Gemenge gekommen war. Der Kommentar erinnerte Steele an die Narbe und deren Ursprung.

»Hörst du mir überhaupt zu? Du laberst dummes Zeug. Was da auf uns zugerollt kommt, könnte dein Ende, deinen Untergang bedeuten.«

Gordon schaute ihm in die Augen. »Ich habe keine Angst davor, zu sterben, wirklich nicht. Allerdings möchte ich es nicht in dem Wissen tun, dass meine Familie ohne mich in dieser Welt zurückbleibt. Wir gehen täglich Wagnisse ein, und heute ist das nicht anders. Wenn ich mir nichts einfallen lasse, haben wir alle das Nachsehen, und ich lande in irgendeinem Gefängnis oder werde als Verräter hingerichtet.«

»Und was genau willst du damit sagen?«

Gordon hatte genug von dieser Diskussion. »Hau ab. Ich halte mich an meine Abmachung mit ihm.« Da John nicht gehorchte, wurde er wütend. »Sofort!«

»Du Dummkopf«, schoss John zurück, riss ihm die Umschläge aus der Hand und stapfte zu seinem Wagen.

Van Zandt konnte nicht absehen, wie alles ausgehen würde, doch so war es abgesprochen, und dieser eine Augenblick mochte das Schicksal seines jungen Staates besiegeln.

Steele raste davon und verschwand am Horizont.

Von Norden her frischte der Wind auf, sodass Gordon schauderte. Er verdrängte die Kälte und rückte die Wollmütze auf seinem Kopf zurecht. Wäre er gebeten worden, die Temperatur zu schätzen, hätte er auf einen zweistelligen Minuswert getippt. Das war für Idaho nicht unüblich, dass es kaum geschneit hatte, hingegen schon. Abgesehen von mehreren Stürmen herrschte mehr oder weniger Trockenheit. Vielen Bewohnern von McCall und der Mittelregion Idahos machte es nichts aus, weniger Schnee zu haben, weil das Räumen gelinde gesagt schwierig war.

Gordon wurde auf ein Funkeln in der Ferne aufmerksam. Er kniff die Augen zusammen, um etwas zu erkennen, doch es gelang ihm nicht, obgleich er sich ziemlich genau denken konnte, woher oder von wem es rührte.

Der Geländewagen kam langsam näher.

Die Windschutzscheibe reflektierte das Licht und verhinderte, dass Gordon die Insassen sah. Auf einmal wurde er nervös. Selbstzweifel kamen in ihm hoch. War es tatsächlich eine schlechte Idee?

Der Fahrer bremste abrupt. Dann öffnete er seine Tür, stieg aber nicht aus.

Gordon stellte jetzt das ganze Unterfangen infrage. Er hatte sein Versprechen gehalten, sich unbewaffnet zu dem Treffen einzufinden; mittlerweile wünschte er sich, etwas zu haben, womit er sich wehren konnte. Er schaute sich um. Das alte Postamt stand zwanzig Yards links von ihm. Er könnte hinüberlaufen, falls er musste.

Endlich erschien ein Bein an der Tür des Fahrers. Er stellte einen Fuß auf den Boden.

Die aufgehende Sonne im Osten wurde Gordon zusehends zum Ärgernis. Er neigte seinen Kopf zur Seite und blinzelte, während er gespannt wartete, wer aussteigen würde.

Zwei Hände wurden ausgestreckt, dann sprach der Mann. »Ich bin wie abgesprochen nicht bewaffnet.«

»Ich auch nicht«, antwortete Gordon und hob seine Hände mit den Innenflächen nach vorn. »Steigen Sie schon aus, Mr. President, außer Ihnen und mir ist niemand hier.«

Cruz zeigte sich zögerlich neben dem Humvee. Er behielt seine Arme ebenfalls oben.

Gordon erkannte an der verkrampften Haltung, dass der Mann nervös war. Er musterte ihn noch einmal, bevor er sich wieder nach allen Richtungen umsah. Er war nicht so töricht, wie von Steele behauptet. Mit äußerster Vorsicht hatte er diese Begegnung organisiert, den Treffpunkt ausgesucht und darauf geachtet, das überschaubare, gemeindefreie Areal zwei Wochen auskundschaften zu können. Seine Beobachter hatten Cruz' Männer kommen und gehen sehen, doch diese waren wie sie darauf aus gewesen, die Sicherheit vor Ort zu überprüfen, und zwar mit angemessener Sorgfalt. Freilich wusste Van Zandt, dass es wie auch vor John dargelegt keine Garantien gab und er womöglich in eine Falle tappte – ging sein Plan jedoch auf, war es das Risiko wert.

Cruz trat vor die offene Tür und kam mit ausgestreckter rechter Hand auf ihn zu. »Mr. President, Sie wiederzusehen, freut mich. Ich wünschte bloß, wir könnten uns unter anderen Umständen treffen«, begann er.

»Mr. President, sie sprechen mir aus der Seele«, gab Gordon zurück. Den Präsidententitel auf ihn selbst bezogen zu hören war ein merkwürdiges Gefühl. Er hielt dieses Amt nicht offiziell im Sinne eines Staatsoberhaupts inne; vielmehr fungierte er als Vorsitzender des Rates, bei dem es sich um die Regierungsinstanz des jungen Landes handelte. Man sah vor, freie Wahlen abzuhalten, sobald die Republik in der Lage dazu sei, und Gordon hatte sich noch nicht festgelegt, ob er für den Posten kandidieren würde, dessen Titel ihm bereits zufiel.

»Ich muss schon sagen, als Sie mich vor vierzehn Tagen angerufen und dieses außergewöhnliche Treffen vorgeschlagen haben, tat ich es als Unfug ab. Doch je länger ich darüber nachgedacht habe, desto mehr wurde mir bewusst, dass es nicht das Dümmste ist. Wir sind die Anführer zweier gegensätzlicher Parteien, also spricht nichts dagegen, sich zusammenzusetzen und zu verhandeln. Lassen Sie uns versuchen, unsere Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen.«

»Noch mal: Sie sprechen mir aus der Seele«, wiederholte Van Zandt. Er zeigte auf das Postgebäude. »Wie wäre es, wenn wir aus der Kälte verschwinden, uns irgendwo zusammensetzen und reden?«

Cruz warf einen Blick hinüber an die Ziegelsteinfassade, die durch die direkte Sonneneinstrahlung über Jahre hinweg ausgebleicht war. Dann richtete er sich wieder an Gordon und fragte: »Kann ich Ihnen trauen?«

»Ich schätze, die Frage könnte ich auch Ihnen stellen, Mr. President.«

»Nennen Sie mich einfach Andrew«, bot Cruz in freundlichem Tonfall an.

»Sich mit dem Vornamen ansprechen, das gefällt mir.« Gordon lächelte. Er streckte einen Arm aus. »Dort entlang … Andrew.«

Die beiden Männer gingen nebeneinander her, doch Gordon betrat das Postamt zuerst.

Cruz zierte sich zunächst, den Schritt über die Schwelle in das nur schwach erhellte Gebäude zu machen.

»Ich verspreche, dass Sie nichts zu befürchten haben. Ich möchte nur reden. Sie werden sogar mögen, was ich Ihnen zu sagen habe.«

Cruz grinste betreten und folgte ihm schließlich.

»Meine Männer haben diesen Ort vor Wochen gründlich unter die Lupe genommen, und ich weiß, dass Ihre das auch getan haben. Ich habe diesen Tisch von den Jungs aufstellen lassen.« Gordon zeigte darauf, ein kleines, quadratisches Klappmöbel wie zum Kartenspielen.

Cruz ging an ihm vorbei und nahm auf einem von zwei Stühlen Platz.

»Ich hätte sie auch um einen Heizstrahler gebeten, doch mir war klar, dass es dann Stunk mit Ihren Männern gegeben hätte, die uns ja jetzt bewachen.« Gordon wusste also von der Soldateneinheit, die sein Gegenüber im Osten postiert hatte.

Cruz schauderte. »Wir hätten uns absprechen sollen, dann wäre vielleicht etwas daraus geworden.«

»Ich fand aber, je weniger Mitwisser wir haben, desto besser.«

»Da stimme ich zu.«

Cruz redete nicht lange um den heißen Brei, sondern kam umgehend zur Sache: »Während unseres ersten Telefongesprächs haben sie ein Geschenk für mich erwähnt, richtig?«

 

»Ja, aber bevor Sie es bekommen, will ich Ihnen dafür danken, dass Sie mir genug Vertrauen entgegenbringen, um sich überhaupt hier mit mir an einen Tisch zu setzen.«

»Sie müssen mich nicht an unsere Schwierigkeiten miteinander erinnern, aber seit unserer ersten Begegnung bin ich zu der Einsicht gelangt, dass Sie ein liebenswürdiger, vertrauenswürdiger Mensch sind.«

»Liebenswürdig?« Gordon lachte. »Wenn das meine Frau hören könnte.«

»Sie sind zwar ein wenig schroff, aber ein ehrenwerter Mann. Ich glaube, dass Sie im besten Interesse der Menschen handeln, die Ihnen folgen. Unsere Nation macht gerade eine harte Zeit durch, die wir nur überstehen werden, indem wir uns zusammenschließen und auch zusammenbleiben. Voneinander getrennt droht uns ein Kollaps, von dem sich weder Ihre noch meine Seite erholen kann.«

»Andrew, dieser Kollaps liegt bereits hinter uns.«

»Ich weigere mich, das für gegeben anzunehmen. Auf uns warten Herausforderungen, aber nur, wenn wir aufgeben, fällt alles zusammen.«

Gordon nickte.

»Was sollen wir tun, um die Wogen zu glätten?«, fragte Cruz. »Wie können wir Sie und Ihre Leute dazu bewegen, sich den Vereinigten Staaten wieder anzuschließen?«

»Ich bin nicht hier, um darüber zu diskutieren. Eigentlich stand es für mich nicht einmal am Rande zur Debatte.«

»Würden Sie mir wenigstens Ihre Beweggründe erklären?«

»Unser Volk hat sich schon lange vor dem Zusammenbruch von den Machthabern in Washington entrechtet gefühlt. Es hat nur jenes einzelnen Ereignisses bedurft, um den Bruch endgültig zu vollziehen.«

»Das stimmt nicht. Wir alle sind Amerikaner.«

»Ich war einmal Idealist; dann wurde ich während eines Krieges, den zu gewinnen mein Land nie vorgesehen hatte, mit Politik und politischer Korrektheit konfrontiert. Korrupte Strippenzieher und ihre Lobbyisten haben mich als strategisches Bauernopfer benutzt, indem sie mich aus dem Verkehr zogen wie einen Verbrecher, als sie mich nicht mehr gebraucht haben. Die Vereinigten Staaten haben mich und das kaskadische Volk im Stich gelassen. Tut mir leid, aber mein Beschluss steht fest. Wir sind jetzt eine freie, unabhängige Republik.«

Cruz neigte sich ihm zu und seufzte. »Gordon, die Hälfte Ihrer Armee wurde zerschlagen, und die Hälfte Ihrer geliebten Republik ist besetzt. Wir haben Ihr Kapitol, und wenn ich wollte, könnte ich Sie vernichtend schlagen, ja im Bombenhagel untergehen lassen, doch wie Sie sehen, halte ich nichts von solchen Methoden. Insgeheim bin ich fest davon überzeugt, dass wir eine Einigung erzielen können.«

Van Zandt verzog das Gesicht; er mochte Cruz und zog den Hut vor seinen Überzeugungen. Auch war der Mann nicht ganz im Unrecht: Kaskadien hing in den Seilen, und die Vereinigten Staaten saßen am längeren Hebel. Allerdings verfügte die Republik über einen Trumpf, und Gordon schickte sich an, Cruz einen Eindruck davon zu vermitteln.

Der seufzte wieder. »Warum bin ich hier? Warum haben Sie auf diesem Treffen bestanden, falls es sonst nichts zu besprechen gibt? Ich darf diese Bundesstaaten nicht aufgeben. Die Bevölkerung der USA hat mein Wort darauf. Ich habe einen Eid geschworen und werde alles Notwendige tun – sei es auch, dass ich Sie zwingen muss –, um unsere Nation letztendlich wieder zu vereinen. Ich habe mehr als genug guten Willen und Geduld gezeigt, doch nun vergeuden Sie meine Zeit. Indem ich die Sicherheitszone von Cheyenne verlassen habe, um mich mit Ihnen zu treffen, habe ich mich großer Gefahr ausgesetzt. Ich habe mein Kabinett belogen und in die Irre geführt, um hier bei Ihnen zu sein, aber wozu? Eigentlich hatte ich gehofft, mit etwas Handfestem zurückzukehren, doch anscheinend wollen Sie nur dasitzen und haben nichts zu bieten außer den altbekannten schwachen Argumenten.«

Gordon stützte sich auf den Tisch und fragte: »Falls ich Ihnen meine Hilfe anbieten würde – bei etwas wichtigem –, könnte ich dann auch auf Ihre Hilfe zählen?«

»Was meinen Sie?«

»Ich möchte Ihnen helfen, indem ich Ihnen wertvolle Informationen gebe; Informationen von unschätzbarem Wert, genauer gesagt.«

Cruz runzelte die Stirn und ließ sich zu dem Anflug eines Lächelns hinreißen. »Sie können mir nur auf eine Weise helfen, nämlich indem Sie mit mir zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass sich Kaskadien den Vereinigten Staaten wieder anschließt.«

Gordon lehnte sich über den Tisch. »Tragen Sie irgendein Kommunikationsmittel bei sich?«

Cruz blickte ihn erstaunt an; er war sich nicht sicher, was er darauf antworten sollte.

Gordon blieb gelassen. »Klar tun Sie das; ich auch.«

»Wieso?«

Er schaute auf seine Uhr. »Ich vermute mal, in fünf Minuten wird Ihr Telefon oder Funkgerät Sie auf eine Notfallsituation in Cheyenne hinweisen.«

Cruz' Gesicht nahm angespannte Züge an. »Hängt das mit der Bedrohung zusammen, vor der Sie mich gewarnt haben?«

»Ja, falls meine Informationen korrekt sind, wird heute in Cheyenne ein Anschlag auf Sie verübt.«

»Man bedroht mich ja ständig.«

»Aber ich glaube, die Quelle, von der ich das erfahren habe, sagt die Wahrheit.«

»Als Sie letzte Woche angerufen haben, um mich darauf hinzuweisen, habe ich mich zunächst gefragt, warum ich eine Warnung Ihrerseits ernst nehmen sollte. Da ich so etwas aber generell nicht einfach so abtue, habe ich strengere Sicherheitsmaßnahmen angeordnet. Wir sind der Sache auf den Grund gegangen, doch dabei ist nichts herausgekommen.«

»Das steht noch abzuwarten«, deutete Gordon an.

Das machte Cruz mit einem Mal paranoid; er zog eine tiefe Tasche an der Vorderseite seines Mantels auf und nahm ein Satellitentelefon heraus. Das Display zeigte keine verpassten Anrufe. »Was ist das für ein Spiel, das Sie hier treiben?«

»Ich treibe kein Spiel«, stellte Gordon klar.

»Sollte sich bewahrheiten, was Sie behaupten, aus welchem Grund möchten Sie mir helfen?«, fragte Cruz weiter. »Wir sind Gegner.«

»Weil ich Sie von jeher für einen vernünftigen Mann halte. Sie sind weder naiv noch für Ideologien empfänglich, sondern pragmatisch, und im Augenblick brauche ich jemanden in Ihrer Position als Oberhaupt der Vereinigten Staaten. Ich kann mit Ihnen zusammenarbeiten, mich zu einer Abmachung mit Ihnen bereit erklären. Mit Conner war das nicht möglich. Er war fest entschlossen, dass alles nach seinen Vorstellungen laufen muss. Ich konnte ihm nicht vertrauen, Ihnen aber sehr wohl. Sollten wir eine Einigung finden, besteht für mich kein Zweifel, dass Sie sich daran halten werden.«

Cruz schaute wieder auf sein Telefon und drückte eine Taste, um sich zu vergewissern, dass es noch eingeschaltet war.

Fünf Minuten waren vergangen, doch niemand hatte angerufen.

»Das kommt Ihnen sicherlich seltsam vor, aber ich suche händeringend nach einer Lösung für unser gemeinsames Problem«, betonte Gordon.

»Und das wäre?«, fragte Cruz.

»Sie und ich, wir sind gar nicht so verschieden; wir beide wünschen uns einen sicheren Ort für unsere Familien, damit unsere Kinder behütet aufwachsen können. Und wir möchten beide damit aufhören, unsere Mittel im Kampf zu verschwenden, und unsere Energien auf den Wiederaufbau konzentrieren. Ich weiß, dass Sie das wollen, doch Sie fühlen sich auch verpflichtet, das Land wieder zusammenzuführen. Die Sache ist bloß: Das schaffen Sie nicht. Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Es war schon vor der Katastrophe gespalten; dieses einzige Unglück hat ausgereicht, um die Trennung endgültig zu machen. Fast sofort haben Menschen und Regionen, die ihre eigene Kultur oder Lebensart haben, gemeinsame Sache gemacht, um am Leben zu bleiben. Ihre Bemühungen in allen Ehren, doch da war und ist nichts zu machen, weder von Conner, Ihnen noch Ihrem Nachfolger, wer auch immer das sein wird. Sie haben den Osten fallen lassen, auf dass er zugrunde geht, ihn abgestoßen; dann sind Sie in Ihr Versteck abgehauen und haben den Versorgungsstrom abgebrochen, sodass der Rest des Landes praktisch auf sich allein gestellt blieb, woraufhin sich weitere Fragen bezüglich Ihrer Einstellung erübrigt haben. Alles, was leben soll, braucht Zuwendung und Unterstützung. Mit ihrer Weigerung, weiterhin Hilfe zu leisten, haben Sie dazu beigetragen, die letzten Verbindungen zu kappen, die das Land geeint haben.«

Cruz blieb sitzen und ließ Gordons Schelte über sich ergehen. Der Mann urteilte durchaus nicht falsch; ehrlich gesagt musste er ihm bis zu einem gewissen Grad recht geben.

Er fuhr mit seiner Zurechtweisung fort. »Die Vereinigten Staaten werden niemals vergehen, doch das Land, so wie Sie es bislang kannten, existiert nicht mehr. Passen Sie auf das Gebiet auf, das Sie halten, machen Sie es stark; dann, nachdem Sie bewiesen haben, dass Sie eine Vereinigung sind, die es wert ist, Anschluss zu ihr zu suchen, ziehen Sie los und wenden Sie sich an jene, die sich abgewandt haben, und finden Sie heraus, ob sie freiwillig zurückkehren möchten.«

»Kein Anruf«, sagte Cruz, indem er das Telefon hochhielt. »Es sind jetzt zehn Minuten, vielleicht mehr.«

Gordon schaute wieder auf seine Uhr. »Es kann sich nur um eine Verzögerung handeln, da meldet sich schon noch jemand.«

»Ich habe mir alles angehört und kann es verstehen, stehe aber wie erwähnt unter einem Eid. Nicht jeder in jenen Bundesstaaten ist ein Rebell; einige halten uns nach wie vor die Treue. Ich kann sie nicht aufgeben.«

»Die dürfen bleiben oder gehen; die Wahl steht ihnen frei.«

Endlich läutete das Telefon, wobei Cruz zusammenzuckte. Er fummelte hektisch daran herum, bevor er den Anruf entgegennahm. »Ja.« Ein Nicken, dann fragte er: »Wie schlimm?« Noch ein Nicken. »Mit mir ist alles in Ordnung, ja. Mir geht es gut.« Während er Gordon anschaute, wiederholte er dies. »Mir geht es gut.«

Sein Gegenüber nickte ebenfalls.

»Nein, Sie brauchen mich nicht abzuholen; lassen Sie mich diese Besprechung ordentlich zu Ende führen. Oh, haben Sie erwähnt, dass ich hier bin? Nein. Gut. Tun Sie es auch nicht; das muss geheim bleiben, um jeden Preis.« Damit trennte er die Verbindung. Nachdem er das Gerät auf seinen Schoß gelegt hatte, rieb er mit einem Daumen über die Anzeige. Dabei kaute er auf seiner Unterlippe, ohne den Kopf anzuheben, und sagte: »In der katholischen Kirche St. Mary's wurde eine Bombe gezündet. Einundfünfzig Menschen sind tot, womöglich mehr; im Moment kann man die Zahl nicht genau bestimmen.«

»Ich habe Sie gewarnt.«

Nun schaute Cruz auf. »Ich wäre zur Weihnachtsmesse dort gewesen, wenn Sie nicht darauf bestanden hätten, sich hier mit mir zu treffen.«

»Tut mir leid«, entgegnete Gordon betrübt.

»Woher weiß ich, dass das kein Trick ist, kein kranker, ausgeklügelter Plan, den Sie sich ausgedacht haben?«

»Seien Sie sich dessen einfach sicher.«

»Mehr Informationen haben Sie nicht? Nur dass ein Attentat auf mich unmittelbar bevorstand?«

»Das ist alles, was ich erfahren habe. Meine Quelle gab an, man wolle Sie unschädlich machen, und dies sei der Erste von mehreren Anschlägen.«

»Wer ist ›man‹?«

»Das ist der Haken, ich weiß es nicht«, antwortete Gordon. Er kannte die Kontaktperson wirklich nicht, die sich Monate zuvor an ihn gewandt hatte und sich seitdem regelmäßig mit ihm kurzschloss.

Cruz stand enttäuscht auf und begann, hin und her zu gehen. »Was Sie also mit mir abmachen möchten, beruht darauf, dass Sie uns Informationen geben? Zudem gehe ich davon aus, dass Sie mehr mit uns zu teilen haben.«

»Das sollte ich, ja.«

»Sollte?«

»Was ich Ihnen heute erzählt habe, bekam ich sozusagen auf Treu und Glauben gesagt«, erklärte Van Zandt, »oder als Beweis dafür, dass meine Quelle über solche Informationen verfügt.«

»Und im Gegenzug für diese Informationen verlangen Sie was von mir?«

»Ich verlange, dass Sie alle Streitkräfte aus Olympia und dem Westen Washingtons abrücken. Ferner will ich einen Vertrag mit Ihnen schließen, in dem Sie die Republik Kaskadien als freie, unabhängige Nation anerkennen.«

Cruz blieb stehen und drehte sich zu Gordon um. »Versichern Sie mir noch einmal, dass Sie nicht selbst hinter dem Angriff gerade eben stecken. Wie kann ich da sicher sein?«

»Gar nicht, schätze ich; ich kann nur beteuern, nichts damit zu tun zu haben. Es war ohnehin nicht der erste Anschlag auf Cheyenne.« Hiermit erinnerte Gordon an bisherige Konfrontationen der USA mit Terroristen und Widerständlern.

Cruz spürte, dass sein Gesprächspartner die Wahrheit sagte; darum hatte er seine Familie auch in den Cheyenne Mountain zurückkehren lassen. »Wer war es dann?«, fragte er nun.

 

Gordon lehnte sich zurück. »Ich weiß es nicht – noch nicht.«

Cruz kam mit großen Schritten auf ihn zu und blieb dicht vor dem Tisch stehen. Er schaute Van Zandt von oben herab an und sprach: »Eben ist eine Bombe in einer Kirche explodiert und hat Dutzende getötet. Geben Sie mir die Telefonnummer Ihrer Quelle, ich will selbst mit ihr reden.«

»Die Nummer bringt Ihnen nichts«, erwiderte Gordon. »Ich habe diesbezüglich bereits selbst nachgeforscht. Wenn man sie anruft, meldet sich niemand.«

»Uns stehen mehr Hilfsmittel zur Verfügung als Ihnen, also geben Sie sie mir«, beharrte Cruz.

»Und was bekomme ich dafür?«

»Jemand ermordet mehr als fünfzig Menschen, und ich muss diese Informationen erkaufen?«

»Ja. Ich bin hier, um für meine Unterstützer Freiheit auszuhandeln, und der Preis dafür sind Informationen.«

Der Stehende brauste auf. »Sie spielen mit mir.«

»Das tue ich nicht«, gab Van Zandt in entsprechendem Ton zurück. »Es ist tragisch, was heute passiert ist, und Sie müssen sich auf mehr gefasst machen, doch ich bin nicht bereit, einfach so etwas derart Wertvolles ohne Gegenleistung weiterzugeben.«

Cruz rieb erneut mit den Zähnen an seiner Unterlippe und wandte sich ab. Er kochte vor Wut, weil sein Gegner mit ihm feilschte und schacherte.

»Kommen wir nun ins Geschäft?«, drängte Gordon.

»Warum versucht man mich umzubringen?«

»Weil Sie der Präsident der Vereinigten Staaten sind.«

»Aber was ist der Grund dafür? Warum sollte mich jemand loswerden wollen? Ich bin nicht Conner, ja sogar das Gegenteil von ihm. Die Widerstandsbewegung kann es nicht sein; soweit ich gehört habe, nähert sie sich mir allmählich an.«

»Ich glaube aber, dass es die Widerstandsbewegung ist, vermutlich irgendein radikaler Flügel, dessen Mitglieder denken, ein Neubeginn sei nur möglich, indem man sich vom alten Regime befreit, und Sie, mein Freund, repräsentieren dieses Regime noch.«

»Was wollen die?«, fragte Cruz.

»Ihren Tod.«

»Nein, das meine ich nicht. Worauf zielen sie ab? Wollen sie, dass unsere Ordnung zusammenbricht? Dass wir uns zurückziehen und hinter dem Stacheldraht, den Betonwänden und Barrikaden von Cheyenne verstecken?« Cruz Stimme klang klagend. Er ließ sich wieder auf einen Stuhl fallen und starrte ins Leere.

»Vielleicht ist es etwas Persönlicheres«, spekulierte Gordon.

Cruz dachte darüber nach. Wer würde ihn am liebsten tot sehen? Wer hasste ihn persönlich?

»Hören Sie, das ist alles, was ich weiß. Ich habe sechsmal mit dieser Person gesprochen, einem Mann. Er nannte mir seinen Namen nicht, ist im Bild über Ihr Tun und muss gewusst haben, dass Sie diesen Gottesdienst besuchen würden.«

»Das dürfte jeder wissen, ich gehe jeden Sonntag in diese Kirche«, merkte Cruz an.

»Das wäre schon mal Ihr erster Fehler; Sie müssen Ihre Gewohnheiten ändern«, legte Gordon nahe, eher er auf seinen Informanten zurückkam. »Wer auch immer dieser Mann ist: Er weiß sich zu helfen, allerdings nur bis zu einem gewissen Grad, denn mittlerweile bittet er mich um Unterstützung.«

»Und wieso geben Sie sie ihm nicht? Wir befinden uns im Krieg miteinander.«

»Wie ich schon sagte, Sie sind ein vernünftiger Mensch. Ich habe gesehen, was Sie getan und vor allem unterlassen haben. Sie hätten McCall dem Erdboden gleichmachen können, haben sich aber stark zurückgehalten. Ihnen liegt viel daran, diese Angelegenheit diplomatisch zu klären. Falls ich Ihnen schaden wollte wie diese Bombenattentäter, würde ich Sie zu aggressivem Handeln zwingen. Sie möchten genauso wie ich eine friedliche Schlichtung. Davon abgesehen töte ich keine unschuldigen Frauen und Kinder. Einige Hardliner in Cheyenne nennen mich einen Terroristen und Rebellen, doch ich bin weder das eine noch das andere. Ich bin ein Soldat – ein Kämpfer – und halte immer noch große Stücke auf Ehre.«

Cruz blickte gedankenversunken auf.

»Dieser Krieg muss aufhören. Lassen Sie uns im Frieden auseinandergehen, um unsere lückenhafte Infrastruktur wiederherzustellen, damit unser Volk ohne Angst vor Bombenangriffen leben kann und keine Panzer mehr durch die Straßen rollen. Sollten Sie uns angreifen, etwa indem Sie Bomben werfen, wird uns dies nur in unserer Entschlossenheit bestärken. Wir werden niemals Ruhe geben, und Sie auch nicht.«

Cruz ging nicht darauf ein. Er ließ sich alles durch den Kopf gehen, was Gordon gesagt hatte und was in Cheyenne geschehen war.

»Wir sind Gegner, aber nicht verfeindet, Andrew. Lassen Sie sich von mir helfen. Ich finde heraus, wer den Anschlag verübt hat.«

»Das passt zu gut zusammen«, entgegnete Cruz. »Sie beraumen ein Treffen an, weisen mich auf ein bevorstehendes Attentat hin, es geschieht tatsächlich, und jetzt soll ich mir nichts, dir nichts drei Staaten an Sie abtreten. Auf mich wirkt das schlicht zu praktisch, aalglatt.«

»Ich würde vermutlich das Gleiche denken, kann aber nur noch einmal beteuern, nichts damit zu tun zu haben. Mein Gefolge war in keiner Weise an dem Anschlag beteiligt. In Cheyenne sind Sie von Personen umgeben, die sich Ihren Tod wünschen und Ihre Regierung stürzen wollen. Der Punkt ist, dass ich das nicht will – und Andrew, die Vereinigten Staaten zu zerstören liegt mir fern. Ich möchte lediglich, dass das alles aufhört und Kaskadien ein unabhängiger Staat wird. Ich habe angeboten, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Sollte es die USA nicht mehr geben: Was tritt an ihre Stelle? Darauf darf ich es nicht ankommen lassen. Sie sind für mich das kleinere Übel, um es mal so auszudrücken.«

»Spielen wir das Ganze einmal durch. Lasse ich mich auf Sie ein, erhalte ich weitere Informationen zu zukünftigen Anschlägen von Ihnen?«

»Sollte ich diese selbst bekommen, ja. Sie stehen aber nur dann zu hundert Prozent auf der sicheren Seite – und umso wichtiger: Finden heraus, wer die Fäden zieht –, wenn Sie Maulwürfe haben, angeführt von mir, die sich bei den Attentätern einschleusen.«

»Sie erwarten, dass ich Ihnen und einer kleinen Gruppe Ihrer Leute Einlass in Cheyenne gewähre, in die Grünzone?«, fragte Cruz.

»Ja. Dann – und nur dann – werde ich in der Lage sein, mich dem Verantwortlichen zu nähern. Er soll erkennen, dass ich es ernst meine, also müssen Sie mich frei walten lassen, sonst funktioniert es nicht.« Im Folgenden listete Gordon weitere Einzelheiten auf, die eine reibungslose Operation gewährleisten würden.

»Sie verlangen, dass ich das tue, ohne meinen Stab, mein Kabinett in Kenntnis zu setzen?«

»Sie wissen nicht, wem Sie trauen können; das muss unter der Hand ablaufen.«

»Aber falls ich mich in Ihnen täusche und alles herauskommt, macht man mir selbst den Prozess wegen Verrats.«

»So weit wird es nicht kommen.«

»Sie klingen arg selbstbewusst. Was macht Sie da so sicher?«

»Dass ich diesen Einsatz selbst leiten werde und mich nicht erwischen lasse«, behauptete Van Zandt.

Plötzlich läutete das Satellitentelefon wieder.

»Nur zu«, sagte Gordon.

Cruz hielt sich das Gerät ans Ohr und meldete sich. »Was?«, rief er und stand wieder auf.

Dass er aufgebracht war, erkannte man an seiner Körpersprache und Stimme. »Worum geht es?«, fragte Van Zandt.

Nun klingelte auch sein Telefon, und er ging ran. »Gordon hier.«

»Verschwinde schnell von dort.« Es war John, sein Tonfall klang dringlich.

Auf einmal hörten sie deutlich knatternde Rotorblätter am Himmel.

Als die beiden Männer aus dem Gebäude schauen wollten, schreckten sie zurück, denn ein Black-Hawk-Helikopter landete auf der Straße.

Gordon sah zwei kleinere Maschinen über ihnen, Modelle vom Typ Little Bird.

»Scheiße.«

»Was wird das nun?«, wollte Cruz wissen.

»Keine Ahnung, verdammt«, fluchte Gordon. Es entsetzte ihn, was gerade geschah.

Die Tür des Black Hawk wurde aufgezogen, und heraus sprangen mehrere bewaffnete Männer, die sofort auf das Postamt zuliefen. »Hände hoch, Hände hoch!«

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