Читать книгу: «Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43», страница 9
Mich trieb es aber bald weiter, und am 7. Februar morgens machte ich mich wieder auf die Wanderung, nahm herzlichen Abschied von den lieben Leuten und ging in der Richtung nach Südwest in den Wald hinein, in der Hoffnung, bald die fahrbare Straße zu erreichen. Die Sonne verschwand zwar hinter dunkel heraufziehenden Wolken, doch glaubte ich meine Richtung beibehalten zu können und schritt unverdrossen vorwärts. Keineswegs angenehm überrascht war ich freilich, als ich nach ungefähr zweistündigem Marsche plötzlich wieder vor demselben Hause stand, von dem ich ausgegangen war. Das war höchst ärgerlich, doch schlich ich mich, ohne mich weiter bemerkbar zu machen, wieder in den Wald, nahm den Kompass zur Hand und verfolgte nun eine gerade Richtung. Den 9. Februar endlich, lange nach Sonnenuntergang, erreichte ich das Ufer des Arkansas. Von der anderen Seite schimmerten die Lichter von Little Rock herüber, mir aber zeigte sich diesseits des Flusses, als ich aus dem dichten Walde trat, ein fremdartig phantastisches Gemälde, auf das ich mit verwundertem Auge hinstarrte.
Ein indianischer Stamm hatte nämlich sein Lager dicht am Ufer des Arkansas aufgeschlagen. Über großen, prasselnden Feuern, die an dort wild umhergestreuten riesigen Bäumen angezündet waren, hingen Kessel und steckten große Stücke von Hirsch- und Bärenfleisch, Eichhörnchen, Waschbären, Opossums, wilden Katzen und was sonst noch das Jagdglück dem Stamme beschert hatte. Hier waren junge Leute beschäftigt, die Pferde sicher an die umherstehenden Bäume zu befestigen und zu füttern, dort lagen andere – augenscheinlich von dem zu reichlichen Genuss des Feuerwassers betäubt – und sangen mit schwerer Zunge ihre eintönigen und wilden Nationallieder.

Ich lehnte mich auf mein Gewehr und schaute lange dem regen geschäftigen Treiben zu.
Ein großer, kräftiger Indianer, mit Glasperlen und Silberzierat behangen, kam jetzt, in der linken Hand eine leere Flasche, in der rechten eine schöne Büchse haltend, taumelnd auf mich zu und gab mir, indem er beides vorzeigte, zu verstehen, dass er mir die Büchse geben wolle, wenn ich ihm die Flasche füllte.
Die Leute, welche Branntwein ausschenken, dürfen diesen bei harter Strafe „keinem Indianer, keinem Neger und keinem Soldaten“ verkaufen. Die arme Nation der Indianer ist aber durch die niederträchtigen Spekulationen der „blassen Gesichter“ schon so verdorben und heruntergebracht, dass der Indianer das Liebste, was er hat, weggibt, nur um sich das heillose Branntweingift zu verschaffen. Ich hatte nur noch wenig Geld und verweigerte den Tausch, er aber wandte sich um, wahrscheinlich um einem anderen den vorteilhaften Handel anzubieten.
Der arme betrunkene, hilflose Wilde und sein schönes Gewehr dauerten mich; ich nahm ihm die Flasche aus der Hand, ließ sie füllen – mir blieben von meiner ganzen Barschaft nur noch 12 Cents – und gab sie ihm zurück.
Da ich die Annahme seiner Büchse verweigerte, hielt er mich fast mit Gewalt zurück, zog mich zu seinem Feuer nieder, an dem seine Frau und seine drei Kinder in der Ecke des Zeltes saßen und neugierig den Fremdling betrachteten, und nötigte mich, mit ihm zu trinken, aus seiner Pfeife zu rauchen und ein großes Stück Hirschbraten mit ihm zu essen. Dann stand er auf und erzählte in seiner klangvollen Sprache mir und einigen Söhnen des Waldes, die sich um ihn versammelt hatten, eine lange Geschichte, von der ich leider nichts verstand. Endlich, da mir das Getöse zu arg wurde, stahl ich mich leise fort, ein Nachtlager zu suchen. Am anderen Morgen, als ich wieder an die Fähre kam, war das Lager schon abgebrochen und die Indianer auf einem Dampfboote eingeschifft, das sie nach dem Westen bringen sollte.
Ich ging auf die Fähre und brauchte nun, nachdem ich die Überfahrt bezahlt hatte, weitere Geldausgaben nicht mehr zu fürchten, denn meine letzten 12 Cents (ungefähr 5 Groschen) hatte ich ausgegeben. Wohl nicht oft mag ein Reisender mit ebenso leichtem Geldbeutel eine fremde Stadt betreten haben. Meine Lage, in einem wildfremden Orte, war keineswegs beneidenswert, doch verließ mich mein guter Mut auch jetzt nicht, obgleich ich schon seit mehreren Tagen auf den bloßen Strümpfen (die Sohlen meiner Stiefel waren verschwunden), ja auf den nackten Füßen über den gefrorenen Erdboden gelaufen war. Das erste, was ich tat, war nun, mich nach einem Hause umzusehen, in dem ich übernachten konnte, das zweite, meine Stiefel wiederherstellen zu lassen. Logis und Kost fand ich bei einem Deutschen, der mich für 3 Dollars die Woche beherbergen wollte. Obgleich ich nach allem Suchen in meinen Taschen keine 3 Cents mehr zusammenbrachte, ging ich doch den Vertrag ein, gab meine Flinte in Versatz, nahm dann meinen Hirschfänger und ging zum Schuhmacher, bei ihm, der 2½ Dollar für das Besohlen meiner Stiefel verlangte, meine andere Waffe zu verpfänden. Der Preis für Stiefelbesohlen war enorm, dieser Mulatte aber damals auch der einzige Schuhmacher in Little Rock, der mit drei Gesellen, zwei Amerikanern und einem Deutschen, arbeitete. Ich musste den Handel also eingehen, doch lieh mir der Mulatte auch noch ein paar alte Schuhe, bis meine Stiefel gemacht wären. Dann sah ich mich nach Arbeit um.
Dass man, wenn man wirklich Arbeit haben will, keine finden könne, hatte ich bis dahin nicht für möglich gehalten, und dennoch wies es sich so aus. Ich lief an alle Ecken und Enden der Stadt, fragte hier und da, und es war mir dabei ganz einerlei, was für Arbeit ich bekam, ich hätte alles angenommen, denn leben musste ich, und meine Flinte konnte ich auch nicht im Stiche lassen; nirgends aber in der ganzen Stadt fand ich das geringste für mich zu tun. Jung und gesund, verließ mich indes mein guter Mut noch lange nicht, und ich war überzeugt, dass ich zuletzt doch etwas auftreiben müsse.
Den zweiten Tag meines Umhersuchens ging ich mit dem alten Wagenmacher Sprenger, meinem Wirte, vor die Stadt, auf der Farm eines Herrn v. Seckendorf ein paar Bäume umzusägen, die jener zu seiner Arbeit gebrauchen wollte, und verdiente dadurch wenigstens eine Kleinigkeit.
In Little Rock hatten mich mehrere an einen gewissen C. Fischer gewiesen, der unter den Deutschen sehr bekannt sein sollte und mir auf jeden Fall Arbeit zuweisen würde. Er hatte gerade ein großes hölzernes Haus (frame house) errichtet, an dem noch ein kleiner Anbau fehlte. Ich ging an alle Türen dieses Gebäudes, jemand zu finden, der mir sagen könnte, wo ich ihn träfe, aber alles schien wie ausgestorben.
Endlich kam ich an das kleine Gebäude und klopfte. Da niemand antwortete, fasste ich nach dreimaligem Klopfen an die Klinke; die Tür ging auf, und ich trat in den kleinen Raum.
In der einen Ecke dieser elenden Stube stand ein leeres Bettgestelle mit abgebrochenen Füßen. Das Handwerkszeug eines Tischlers lag auf dem Boden und auf dem Tische, und ein fertiger Sarg stand in der Ecke; zu den Füßen des Bettes aber, mit dem Kopfe auf einem der abgebrochenen Bettfüße, lag ein Mann auf der bloßen Erde. Den rechten Arm hatte er unter den Kopf, den linken über das Gesicht gelegt, so dass ich nur die krausen, schwarzen Haare erkennen konnte, und die linke Hand war, wie ich vermutete, vom Färben des Sarges, schwarz und rot befleckt. Ich fragte ihn, ob er nicht wisse, wo C. Fischer wohne. Er antwortete aber nicht, und ich glaubte, er schlafe. Der Mann schien mir krank zu sein. Leise ging ich wieder hinaus und versuchte, noch mehrere andere Türen zu öffnen; alles aber war verschlossen und keine Seele zu finden. Ich ging wieder zu dem Schlafenden zurück, doch obgleich ich ihm mehrere Male stark zurief und ihn gar an die Schulter stieß, antwortete er doch nicht, und ärgerlich verließ ich ihn. Nach langem Suchen fand ich endlich den Verlangten, hatte aber keinen Nutzen davon, denn auch er wusste mir keine Arbeit zuzuweisen.
Im Laufe des Gesprächs fragte ich ihn auch nach dem Manne, der in der kleinen Stube läge, und erfuhr, dass er gestern an den Blattern gestorben wäre.
Es überlief mich kalt bei diesen Worten, und die nachfolgende, ziemlich unbefangen gegebene Erklärung Herrn Fischers machte es nicht besser.
Der herbeigerufene Arzt, der bald ausfand, dass der arme kranke Fremde kein Geld habe, hatte einfach die Krankheit für die Blattern erklärt, die Leute gewarnt, in die Stube zu gehen, und die Tür dann zugeschlossen. So musste der Unglückliche, sich selbst und seinem Elend überlassen, ja ohne jemand um sich zu sehen, der ihm nur einen Trunk Wasser für die fieberheißen Lippen reichte, elend auf der bloßen Erde liegen bleiben und wie ein Hund da sterben.
Little Rock hatte damals überhaupt einen bitterbösen Ruf, und die Schiffer auf dem Mississippi sangen nicht ohne Ursache:
Little Rock in Arkansaw
the damnest place I ever saw! Little Rock in Arkansaw,
der verdammteste Platz, den ich jemals sah.
Da sich keine Arbeit in der Stadt zu finden schien, so ging ich an den Strom auf ein Dampfboot, deren mehrere dort lagen, um vielleicht auf einem von ihnen Beschäftigung zu finden. Die Dampfboote „FOX“ und „HARPE“ lagen beisammen. Ich ging zuerst auf den „FOX“ und bekam sogleich gegen 20 Dollar monatliches Gehalt Arbeit als Feuermann. In einer Stunde ging das Boot ab, und ich war seelenvergnügt. Meine Habe wurde mit leichter Mühe an Bord gebracht.
Wir liefen den Arkansas hinunter bis an die Mündung, dann den Mississippi hinauf bis Memphis und von dort aus wieder zurück nach Little Rock. Die Arbeit als Feuermann ist indes wohl eine der schwersten, die es in der Welt gibt.
Der Feuermann hat zwar nur vier Stunden am Tage und vier in der Nacht zu heizen, aber die Hitze vor den Kesseln, das Hinauslaufen in die kalte, schneidende Nachtluft, während der Körper von Schweiß trieft, die Unmasse von Branntwein, die der Feuermann zu sich nehmen muss, wenn er nicht krank werden will, das eiskalte Wasser, das er auf die glühende Lunge schüttet, müssen auf die Länge der Zeit den kräftigsten Körper zerstören. Ich habe oft nicht begriffen, wie ich, der ich doch nicht an solche Sachen gewöhnt war, es habe aushalten können.
Dazu kommt noch das, besonders in dunklen, nassen Nächten, so gefährliche Holztragen. Mit schweren, 4 Fuß langen Scheiten – man trägt deren oft 6 bis 7 auf der Schulter, steile, schlüpfrige, bei niedrigem Wasserstande 15 bis 20 Fuß hohe Ufer hinunter zu klettern und dann über ein schmale, schwankende, oft mit Glatteis überzogene Planke zu gehen, um vom Ufer ins Boot zu gelangen, ein Weg, auf dem ein einziger Fehltritt den Unvorsichtigen in den schnellen, tiefen Strom hinabwirft, – was mir auch später einmal am Mississippi passierte, – ist wahrlich ein saurer Bissen Brot. Zum Überfluss hat man noch die Aussicht, in die Luft gesprengt zu werden, ein Unglück, das bei der leichtsinnigen Führung der Boote durch die amerikanischen Ingenieure sehr oft geschieht.
In Memphis hätte ich übrigens meinen Dienst beinahe wieder verloren, denn der Steuermann fand dort einen alten Bekannten von sich, der eine Stelle an Bord als Feuermann haben wollte, und schickte mich natürlich ohne weiteres fort. Glücklicherweise lief, gerade eine Stunde vorher, ehe das Boot abfahren wollte, der Koch fort, und ich, der ich noch am Land stand und vom Boot eben sehr niedergeschlagenen Abschied nehmen wollte, denn ich wusste nicht, wie ich wieder nach Little Rock zu meinen Stiefeln und meiner Flinte kommen sollte, wurde gefragt, ob ich kochen könne. Natürlich sagte ich ja, denn so viel hatte ich mich schon amerikanisiert, mir nicht in einem solchen Fall durch zu große Bescheidenheit meine eigene Karriere zu verderben. Allerdings konnte ich damals noch nicht viel mehr als Wasser kochen, mit Hilfe des Stewards lernte ich aber das Nötige schnell. Dem Kapitän konnte ich es freilich nicht verdenken, dass er sich an jedem unterwegs berührten Städtchen die größte Mühe gab, für sich und seine Passagiere einen anderen Koch zu bekommen.
So kam ich zurück nach Little Rock und löste dort nicht allein Flinte und Hirschfänger wieder ein, sondern fand auch meine Wasserstiefel wieder neu und trefflich besohlt und konnte, wenn ich mir nur noch eine kleine Summe verdient hatte, meinen Marsch weiter fortsetzen – wohin, blieb sich gleich.
Hierauf machte ich eine zweite Reise bis an die Mündung des Flusses und wieder zurück, da noch immer kein anderer Koch für das Boot gefunden werden konnte. Das rohe Leben unter der Hefe des Volkes ekelte mich jedoch bald an. Dazu kam noch die Feindschaft des Kapitäns, der mich nicht leiden konnte, wahrscheinlich nur, weil ich ein Deutscher war, vielleicht aber auch wegen meiner Kocherei, was ich ihm weniger hätte verdenken können. Da ich keinen Stellvertreter für mich finden konnte, war ich genötigt, noch eine Reise, und zwar den Fluss hinauf, mitzumachen, doch hatte ich schon eine Ahnung von der Art, in der mein Schiffsdienst enden würde. Ich packte meine Jagdtasche, stellte Flinte, Hirschfänger und einen kleinen Tomahawk, den ich mir gekauft hatte, zusammen und war auf alles gefasst.
Ein paar Tage nach unserer Abfahrt kam der Kapitän zu mir herunter und traf mich, wie ich eben von den Überresten der Mahlzeit einer armen alten Frau etwas gab, die zu ihren Kindern reisen wollte und nicht einmal die Passage bezahlen konnte. Schon vorher hatte er auf mich geschimpft, wie mir ein alter Pennsylvanier erzählte. Dies und die Frage, wer mir erlaubt habe, Lebensmittel wegzuschenken, machte mich ärgerlich, und ich fragte zurück, ob ich sie lieber über Bord werfen solle. Kaum war sein „Ja“ heraus, als Teller und Speise im Arkansas schwammen. Seine Wut brach nun los, und mit einem schnellen Satze hatte er mich bei der Brust gepackt, flog aber, durch einen kräftigen Stoß hinweggeschleudert, an die gegenüberliegenden Planken an. Er raffte sich schnell wieder auf, ergriff ein Stück von einem abgebrochenen Hebebaume, sprang auf mich zu und hätte mich ohne Zweifel zu Boden geschlagen, wenn ich ihn nicht unterlaufen hätte.
Mein kaltes Blut war aber jetzt zu Ende. Mit einem Griffe hatte ich ihn bei der Gurgel und schleppte ihn zum Rande des Bootes, ihn über Bord zu werfen. Sein Geschrei zog indes den Ingenieur und den Bootsmann herbei. Der eine riss den Kapitän bei den Beinen, der andere mich bei den Schultern zurück, und beide brachten jenen, der stark am Kopfe blutete in die Kajüte hinauf.
Ich musste sogleich zum Buchhalter, bekam mein verdientes Geld in schlechten Banknoten, die 37 Prozent Diskonto hatten, ausgezahlt, das Boot hielt an, und ich wurde mit meinen Sachen mitten in der Nacht ans nächste Ufer gebracht. Der Kahn, der mich übergefahren, kehrte zum Boote zurück, und ich befand mich wieder in einer ganz neuen, wunderlichen Lage.
Rings um mich her war einsame Wildnis und hinter mir der Strom. Die Erde war gefroren und mit einem dünnen Schneelager bedeckt; dabei sauste der Wind recht scharf von Nordwest durch die entlaubten Zweige. Ich suchte in der Tasche nach meinem Feuerzeuge. Alles war nass und feucht geworden. In meinem Pulverhorn war kein Körnchen mehr und nur der eine Lauf meiner Flinte geladen. Sollte ich den letzten Schuss daran wenden, Feuer zu bekommen, und dann in dieser Wildnis waffenlos bleiben? Nein! Ich legte mich, nachdem ich den Schnee weggeräumt hatte, unter einen Baum und versuchte zu schlafen; aber der Wind ging zu scharf, die Kälte wurde unerträglich, und ich fürchtete, zu erfrieren.
Ich entschloss mich zum äußersten, schoss die Flinte gegen die Wurzel des Baumes ab und entzündete die feucht gewordenen Schwefelhölzchen an dem glühenden Pfropfen, legte sorgfältig dürres Gras und trockenes Holz darauf, und in fünf Minuten prasselte ein herrliches Feuer empor.
Obgleich ich mehrere Wölfe heulen hörte, beunruhigte mich doch nichts, und ich schlief herrlich. Freilich verfolgte ich am nächsten Morgen meinen Weg etwas mutlos, da ich kein Pulver mehr hatte und mein Magen stark nach etwas Genießbarem verlangte. Ich wanderte am Fluss hinunter, in der Hoffnung ein Haus zu finden.
Nachdem ich ein Stück gegangen war, fand ich ein altes, halb versunkenes Kanu, schöpfte das Wasser mit der Mütze aus und fand den Kahn noch brauchbar. Der alte Gedanke, Texas zu sehen, tauchte in mir auf und gewann die Oberhand. Ich beschloss überzusetzen, am anderen Ufer ein Haus aufzusuchen, Essen und Pulver zu bekommen und dann eine südwestliche Richtung einzuschlagen, die Straße nach Texas zu erreichen.
Kaum war ich am anderen Ufer angelangt, so entdeckte ich ein ganzes Volk wilder Truthühner vor mir. Rasch legte ich die Flinte an und drückte ab, – ich Tor hatte alles vergessen – sie war ja nicht mehr geladen. Die Truthühner flogen bei meinem Näherkommen in die Bäume. Ich litt bei diesem Anblicke Tantalusqual, aber es half nichts, ich musste mit hungrigem Magen an ihnen vorüberziehen. Wie es immer zu gehen pflegt, wenn man nicht schießen kann, sah ich an diesem Tage Wild in Überfluss.
Trübe und kalt brach die Nacht herein, mit ihr der so gefürchtete Nordwind, und ich musste ohne Feuer kampieren.
Um Bären und Panthern auszuweichen, vor denen ich damals noch ziemlichen Respekt hatte, wäre ich gern auf einen Baum geklettert, aber der Wind ging zu scharf, als dass ich es in so luftigem Raume hätte aushalten können. Endlich fand ich einen hohlen Baum, setzte mich hinein, bedeckte die Füße mit der Jagdtasche, stellte die Flinte zur Linken, legte den blanken Hirschfänger zur Rechten und verbrachte so eine der trübseligsten Nächte meines Lebens. Ich hörte die Wölfe heulen und auch einmal in der Ferne einen Panther brüllen, doch störte mich nichts, und die freundliche Morgensonne fand mich schon wieder auf dem Marsche, denn mein Lager war nicht einladend genug, mich lange zu fesseln. Endlich, o welche Musik für mein Ohr und für den gar vernehmlich knurrenden Magen, verkündete ein nicht fernes Hahngeschrei und Hundegebell einen Farmhof. Bald sah ich auch den blauen, dünnen Rauch des Schornsteins in die schöne reine Luft aufsteigen, und mit schnellen Schritten eilte ich darauf zu, Leib und Seele zu stärken.
Die Leute empfingen mich freundlich und tafelten mir so viel zu essen auf, dass ich trotz meines furchtbaren Appetits doch nicht alle Teller leeren konnte. Zum Glück hatte der Farmer auch Schießpulver, und für einen Vierteldollar füllte er mir fast mein ganzes Horn.
Einen langen und mühseligen Marsch hatte ich jetzt vor mir, zuerst noch eine weite Strecke durch wilden, pfadlosen Wald, bis ich die ungeheure Redriverstraße erreichte und dann dieser folgend, durch kaum besseres Land, da dort wieder der Redriversumpf begann. Dennoch erreichte ich diesen am 15. März und ließ mich ohne weiteren Aufenthalt übersetzen.
Jede größere Verbindungsstraße hörte hier auf; das rote Land, wie dieses zwischen Texas und den Vereinigten Staaten liegende und bestrittene Land hieß, bestand aus reinem Schilfbruch und Urwald, und nur einzelne Baumwollplantagen sollten dazwischen verstreut liegen, die Jagd in dieser wilden Gegend aber auch dafür vortrefflich sein.
Einem ziemlich betretenen Pfad folgend, erreichte ich denn auch gegen Abend eine nicht unbedeutende Plantage und wünschte dort zu übernachten. Der Aufseher schien im Anfang keine besondere Lust zu haben, mich bei sich zu behalten, da aber auch weit und breit kein anderes Haus war, willigte er endlich ein, und ich brach am nächsten Morgen ziemlich früh wieder auf, meine Bahn jetzt fast ebenso viel nach dem Kompass wie nach irgend einem begangenen Weg zu verfolgen.
Das Land am Fluss war ungemein sumpfig und mit Schlingpflanzen und dichtem Rohr durchwachsen; doch wurde der Wald lichter und der Boden höher, sobald ich aus der Nähe desselben kam. Am dritten Abend schlief ich zum letzten Mal in einem Hause, und zwar wieder auf einer Plantage.
Der Aufseher wohnte in einem kleinen Blockhause, und rings umher standen die niederen Hütten der Sklaven – für jede Familie eine. Er selbst führte dabei während seiner Dienstgeschäfte eine starke lederne, sogenannte Negerpeitsche, die Sklaven im Zaum zu halten, schien sich aber doch nicht so ganz sicher zwischen ihnen zu fühlen, denn ein paar Pistolen staken vorn in den Halftern seines Pferdes, und am Körper trug er außerdem gewiss noch andere Waffen.
Wie man den Sklaven behandelt, kann man sich nach einer „Heilmethode“ denken, die mir später einmal ein anderer „Negertreiber“ mitteilte. Dieser meinte nämlich, der beste Negerdoktor in der Welt sei die Peitsche. Sobald sich einer von ihnen krank stelle, bekomme er so lange Hiebe, bis er wieder gesund werde. Oft mag es nun wohl geschehen, dass sich die armen Sklaven, unter dem Vorgeben, krank zu sein, ein paar Ruhetage verschaffen wollen, aber wie oft mag auch der wirklich kranke Schwarze auf solche Art von unbarmherzigen Aufsehern misshandelt worden sein.
Von dieser Plantage aus begann, wenigstens in der westlichen Richtung, der ich jetzt folgte, der wilde, durch nichts gestörte Wald, denn der Aufseher sagte mir, wenn ich dem Sonnenuntergang von dort aus zumarschierte, hätte ich 180 englische Meilen zu machen, ehe ich das nächste Haus wieder träfe.
Rasch und fröhlich marschierte ich trotzdem in die schöne, prachtvolle Wildnis hinein, die sich im ersten Frühlingsnahen mit jungem Grün zu decken begann. Die Vögel sangen dabei so lieblich in den Zweigen, und alles knospete und keimte so frisch und wundervoll um mich her, dass es mir wie mit lautem Jubel durch die Seele zog. Nur noch einen einzigen Gefährten hätte ich haben mögen, nur noch einen Menschen, mein Glück mit ihm zu teilen. Das aber sollte nun einmal nicht sein, und so wanderte ich denn allein vorwärts in das Gewirr von Stämmen und Zweigen, in die knospende Pflanzenwelt hinein gen Westen – immer nur gen Westen.
Es war ein wilder, öder, wunderlicher Marsch; Wald, Wald, Wald und ewig Wald. Den ganzen Tag wanderte ich, und abends machte ich mir ein Feuer an, legte mich daneben und schlief bis zum nächsten Morgen.
An Lebensmitteln fehlte es mir dabei nicht, denn Wild gab es damals in jener Gegend noch im Überfluss, aber einesteils war ich noch ein sehr junger Jäger und wusste nicht recht, wie man sich an ein Stück ordentlich anschleichen und ihm den Wind abgewinnen müsse, und dann hatte ich auch nur eine doppelläufige Schrotflinte und konnte natürlich nur in sehr geringen Entfernungen mit Erfolg schießen. Was mir über 60 Schritt weit blieb, war ziemlich sicher.
Ein paar Hirschkälber schoss ich dieser Art und einige Truthühner, aß davon, soviel ich konnte und steckte eine weitere Mahlzeit in meine Jagdtasche. Ein wirkliches Jagdabenteuer hatte ich aber erst den sechsten Tag, wo ich, ruhig meinen Marsch fortsetzend, meist den hier ziemlich lichten Wald, manchmal aber auch eine kleine Prärie durchschneidend, auf einer starken Eiche vor mir, dicht über einer der hier ziemlich zahlreichen natürlichen Salzlecken, einen eigentümlich dunklen Gegenstand entdeckte und bald darauf eine ziemlich starke Pantherkatze, ein sogenanntes catamount, die mich bis dicht unter den Baum ließ, von dem Aste herunterschoss. Es war das erste Stück Raubzeug, das ich in Amerika erlegte, und ich schleppte das ziemlich schwere Fell nicht ohne bedeutenden waidmännischen Stolz noch eine lange Strecke mit mir durch den Wald, die nächste Nacht wenigstens auf dieser Siegestrophäe zu schlafen.
Ich hatte bis jetzt den Plan gehabt, bis zu den ersten östlichen Ansiedlungen von Texas vorzudringen und dann eben weiter zu marschieren, wohin mich die dortigen Ansiedler schicken würden, nach Süden oder Westen.
Das Wetter war bis dahin so ziemlich gut gewesen, und bedeutende Hindernisse in der Verfolgung meines Weges hatte ich auch nicht gefunden. Hier und da traf ich allerdings einen kleinen Wasserkurs, konnte ihn aber meist durchwaten oder fand hinübergestürzte Stämme, die mir als Brücke dienten. Nur ein einziges Mal musste ich eine kurze Strecke schwimmen. Jetzt fing aber das Wetter an schlechter zu werden. Eines Tages gegen Abend fing es an leicht zu regnen, und am nächsten Nachmittag goss es, was vom Himmel herunter wollte. Ich hatte damals ein paar sehr fatale Nächte. Nichtsdestoweniger setzte ich immer noch meinen Marsch fort, bis ich eines Mittags plötzlich und ganz unvermutet an einen angeschwollenen und ziemlich reißenden Fluss kam, der meiner Tagereise ein rasches Ende machte. Wie er hieß, wusste ich allerdings nicht, aber ohne weiteres hinüberzuschwimmen, dazu konnte ich mich auch nicht gleich entschließen, machte mir deshalb ein Feuer dicht am Ufer an und lagerte mit einem an dem Morgen geschossenen wilden Truthahn.
Der amerikanische wilde Truthahn gleicht dem unsrigen zahmen in seiner ganzen Gestalt und Lebensweise auf ein Haar. Er wird 18, 20, ja 22 Pfund schwer und sieht stets bräunlich schwarz mit den eigentümlich schillernden Farben dieser Tiere aus.
Hier nun, behaglich am Feuer hingestreckt, mit dem drohenden Rauschen des angeschwollenen Wassers aber dicht neben mir, überlegte ich, ob ich den Fluss durchschreiten solle oder nicht. Zu tun hatte ich drüben nichts, so viel war sicher, aber wollte ich ihn nicht kreuzen, so musste ich aufgeben, weiter nach Texas hinein zu marschieren – und warum nicht? Hätte ich noch einen Kameraden bei mir gehabt, wir wären weiter gen Westen marschiert, und weder dieser noch irgend ein anderer Strom hätte uns aufgehalten, vielleicht nicht einmal die westlichen Gebirge, von deren jenseitigen Hängen die Quellen ihr Wasser dem Stillen Meere bringen. So aber hatte ich das einsame Wandern doch etwas satt bekommen, und der Gedanke an die Ansiedelungen stieg lockend vor mir auf.
Des Geländes wegen hatte ich dabei keineswegs immer einen rein westlichen Kurs beibehalten können, ja war den letzten Tag schon fast südwestlich gegangen, und wer weiß, wann ich das erste einzelne Haus, den ersten von Menschen begangenen Pfad wieder traf. Der Unterschied zwischen dem jetzt und früher geführten Leben war auch zu groß, ich selber noch nicht an diese furchtbare Einsamkeit gewöhnt; ich wurde mit einem Worte waldmüde und beschloss, diese unbesiedelten Strecken zu verlassen.
Da der Regen aufgehört hatte, schlief ich die Nacht vortrefflich und schlug am nächsten Morgen, statt den Strom zu durchschwimmen, der wieder um einige Zoll gestiegen war, einen Ost-Südost-Kurs ein, irgendwo den Redriver und dort auch wahrscheinlich wieder eine Plantage zu erreichen.
Das Gefühl, wieder zu Menschen zurückzukehren, war dabei ein höchst angenehmes, und ich wanderte, die Flinte auf dem Rücken, rasch, wenn auch aufmerksam überall umhersuchend, durch den Wald.
Meine Schrotflinte hatte ich dabei in ihrem linken Lauf mit einer Kugel geladen, die sie gar nicht schlecht schoss, mit einem halben Truthahn im Jagdranzen als Zehrung dachte ich nicht besonders an Jagd und wollte mich keineswegs durch langsames und vorsichtiges Pirschen aufhalten.
Wenn man nichts schießen will, kommt einem gewiss etwas zum Schuss. Ich mochte etwa eine Stunde an dem Morgen so fortgewandert sein und hatte oben einen kleinen ausgetrockneten Hohlweg durchstiegen, an dessen anderer Seite ein dichtes Gewirr von Schlingpflanzen und durcheinander gestürzten Bäumen mich kaum weiter lassen wollte, als plötzlich etwas dicht neben mir in den Büschen raschelte. Ohne weiteres riss ich die Flinte vom Rücken und entdeckte zu gleicher Zeit, kaum 4 Schritt von mir entfernt, einen jungen zweijährigen Bären, der Reißaus nahm. Auf die Entfernung konnte ich selbst mit der Kugel nicht gut fehlen, und ich schoss ihn durch den Wanst.
Er zeichnete auf den Schuss und sah sich wild nach mir um, wagte aber doch keinen Angriff und glitt in das nächste dichte Gebüsch, wohin ich ihm nicht eher folgte, als bis ich den abgeschossenen Lauf wieder geladen hatte. Seine Spur war, da er stark schweißte, leicht zu verfolgen, und ich holte ihn bald wieder ein; in der Hitze aber, solch edles Wild zum Schuss zu bekommen, und auf ganz geringe Entfernung fehlte ich ihn mit der zweiten Kugel, und Petz wurde jetzt ernstlich böse.
Ob er nur an mir vorbei oder gerade auf mich zu wollte, weiß ich nicht, die Richtung nach mir schlug er aber ein, und mein zweiter Lauf, mit dem ich ihm eine Ladung Rehposten entgegenschicken wollte, versagte. Dass ich gleich nach dem versagten Schuss die Flucht ergriff, mochte den Bär dabei vielleicht dreist machen, denn ich hörte ihn plötzlich dicht hinter mir, und hatte eben nur noch Zeit, hinter einen Baum zu springen und den Hirschfänger aus der Scheide zu reißen, den ich ihm in den Rachen stieß. Dabei war ich aber ebenfalls weder geschickt noch geschwind genug, denn der Bär erwischte mich mit der einen Tatze und riss mir meine grüne, überdies schon etwas lebensmüde Pekesche in Streifen vom Leibe.
Jedenfalls war aber der Bär schon durch meine erste Kugel tödlich getroffen – er hätte sich auch sonst nicht sogleich wieder niedergetan – und mir zum Heil verließen ihn gerade zur rechten Seit die Kräfte. Er ließ mich los, taumelte und verendete bald darauf. Von dem Fleisch nahm ich mit, was ich, ohne mich zu überladen, tragen konnte.
Am nächsten Abend – ich hielt jetzt in gerader Richtung nach Südosten hinunter, dem Redriver wieder zu – hörte ich plötzlich einen Schuss fallen, und wie ein elektrischer Schlag zuckte mir der Ton durch alle Glieder. In dieser Wildnis waren also noch mehr Menschen, und zwar gar nicht weit von mir entfernt, denn der Schütze musste sich hinter dem nächsten Hügel befinden. Schnell eilte ich nach der Richtung vorwärts und hatte kaum die kleine Anhöhe erstiegen, als sich ein buntes wildromantisches Schauspiel meinen überraschten Blicken bot.
Es war ein indianisches Lager, in dem ich eben alles beschäftigt fand, Zelte aufzuschlagen und für die Nacht zu sorgen. Hier hieben einige der Wilden mit ihren Tomahawks Zeltstangen ab, dort schleppten die Weiber Brennholz herbei, daran zu kochen. Dort waren wieder andere beschäftigt, den Pferden die Vorderbeine zu fesseln, und hier streifte einer der wilden Waldsöhne einen Hirsch ab, kurz es war das Leben der Wildnis in seinem höchsten Glanze. Ich konnte mich nicht satt sehen, an den schönen, kräftigen Gestalten mit ihren bemalten Gesichtern, ihren in grelle Farben gekleideten Körpern und mit Federn geschmückten Häuptern, und an Gefahr dachte ich auch nicht dabei, denn mir hatte schon auf der letzten Plantage der Aufseher gesagt, dass ich von den Eingeborenen, die ich etwa auf meinem Wege fände, nichts zu fürchten haben würde.
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