Cannabis und Cannabinoide

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Inhalt

I Historie

1 Kulturgeschichte des Hanfes

Michael Carus

2 Kulturgeschichte der medizinischen Verwendung

Manfred Fankhauser

3 Die Geschichte eines Gesetzes: Von der Ausnahme zur regulären Verschreibung von Cannabis

Franjo Grotenhermen

II Grundlagen

1 Zahlen und Fakten zum Cannabiskonsum in Deutschland

Bernd Werse

2 Klassifizierung und Botanik von Cannabis

Markus Berger und Robert Connell Clarke

3 Das Endocannabinoid-System

Beat Lutz

4 Pharmakokinetik der Cannabinoide

Franjo Grotenhermen

III Wirkungen und Nebenwirkungen

1 Psychische Wirkungen von Cannabis und cannabisbasierten Medikamenten

Kirsten R. Müller-Vahl

2 Körperliche Wirkungen von Cannabis, THC und CBD

Franjo Grotenhermen

3 Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Kirsten R. Müller-Vahl

4 Wechselwirkungen

Franjo Grotenhermen

IV Medizinische Verwendung

1 Indikationen für Cannabis und Cannabinoide

Kirsten R. Müller-Vahl

2 Verschreibungsfähige cannabisbasierte Medikamente

Kirsten R. Müller-Vahl und Franjo Grotenhermen

V Rechtliche Lage

1 Verschreibungsmöglichkeiten und Kostenerstattung in Deutschland

Franjo Grotenhermen und Kirsten R. Müller-Vahl

2 Verschreibungsmöglichkeiten und Kostenerstattung in Österreich

Kurt Blaas

3 Verschreibungsmöglichkeiten und Kostenerstattung in der Schweiz

Manfred Fankhauser

VI Juristische Fragen, Führerschein und Arbeitswelt

1 Abriss der Geschichte des Cannabisverbots

Lorenz Böllinger

2 Strafbarkeitsrisiken im Rahmen der Verschreibung von Cannabis zu therapeutischen Zwecken

Mustafa Temmuz Oglakcioglu

3 Medizinische Versorgung mit Cannabis – Hinweise zum Umgang mit § 31 Abs. 6 SGB V

Oliver Tolmein

4 Cannabis und die Teilnahme am Straßenverkehr

Franjo Grotenhermen

5 Cannabis als Medizin und Fahrerlaubnis

Sebastian Glathe

6 Cannabis und Arbeitswelt

Jürgen Fleck

VII Kontroverse Themen und häufig gestellte Fragen

1 Cannabinoide bei Kindern

Sven Gottschling

2 Hilft Cannabis gegen Krebs?

Burkhard Hinz und Robert Ramer

3 Wie können Cannabisblüten oral eingenommen werden?

Franjo Grotenhermen

4 Pharmakologische Unterschiede von Cannabissorten jenseits von CBD und THC

Franjo Grotenhermen

5 Mitnahme von cannabisbasierten Medikamenten ins Ausland

Franjo Grotenhermen

6 Wie groß ist das Abhängigkeitsrisiko bei der ärztlich überwachten Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten?

Franjo Grotenhermen

VIII Kurzleitfaden: Die Verschreibung cannabisbasierter Medikamente für Ihre ersten Patient/-innen

Franjo Grotenhermen und Kirsten R. Müller-Vahl

1 Besteht eine Indikation für eine Behandlung mit einem Betäubungsmittel?

2 Besteht eine Indikation für eine Behandlung mit einem cannabisbasierten Medikament?

3 Wann übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die Kosten und wie beantrage ich die Kostenübernahme?

4 Welches cannabisbasierte Medikament soll in welcher Darreichungsform eingesetzt werden?

5 Wie führe ich die Behandlung konkret durch?

6 Worüber muss ich den Patienten informieren?

IX Fachlich-medizinischer Ausblick

1 Cannabinoid-Modulatoren und zukünftige Entwicklungen

Christoph Schindler

X Fazit

Kirsten R. Müller-Vahl und Franjo Grotenhermen

Sachwortregister

I
Historie
1Kulturgeschichte des Hanfes

Michael Carus

Die Menschen haben eine sehr lange und komplexe Beziehung zu Hanf. Archäobotanische Beweise für den Anbau von Hanf, die Nutzung der Hanfnüsse als Lebensmittel und der Fasern für technische Zwecke gehen 5.000 bis 10.000 Jahre zurück und sind vor allem in Asien, Japan und China, zu finden (Clarke u. Merlin 2013). Cannabis spielte als vielseitige antike Ressource eine wichtige, manchmal entscheidende Rolle bei grundlegenden kulturellen Veränderungen, die sich nach dem Eiszeitalter des Pleistozäns ereigneten. Darüber hinaus war der Mensch im Laufe der Zeit wahrscheinlich für einen großen Teil der Verbreitung und der großen geografischen Reichweite von Hanf maßgeblich verantwortlich.

1.1 Erste Verwendung von Hanf

Hat der Mensch Hanf zuerst als Faserquelle zur Herstellung von Tauwerk und Kleidung oder als Samenquelle zur Nahrungsversorgung verwendet? Oder könnte Hanf ursprünglich als Heilpflanze verwendet worden sein? Es besteht auch die Möglichkeit, dass Hanf ursprünglich als psychoaktive Substanz für spirituelle Zwecke genutzt wurde. Es besteht die faszinierende Möglichkeit, dass der frühe Anbau von Hanf durch religiöse oder zeremonielle Motive inspiriert wurde (Clarke u. Merlin 2013).

In ihrer unaufhörlichen Suche nach Nahrung hätte der Mensch zuerst das psychoaktive Potenzial von Cannabis erkennen können und zwar durch das Essen seiner Samen. Die kleinen, mit Harz bedeckten Brakteen, die die Samen umgeben, sind potenziell psychoaktiv und könnten zusammen mit den Samen aufgenommen worden sein. Ebenso kann der starke Rauch, der eingeatmet wird, wenn Cannabispflanzen verbrannt wurden, bewusstseinsverändernde Erfahrungen ausgelöst haben (Clarke u. Merlin 2013).

 

Wenn auch nur vorübergehend, hätte das bewusstseinsverändernde Harz den frühen Völkern neue „Türen der Wahrnehmung“ öffnen können. Der Gebrauch des psychoaktiven Harzes kann zu einer wichtigen psychischen und physischen Zuflucht vor häufig monotonen und anstrengenden Lebensmustern geworden sein (Clarke u. Merlin 2013).

Frühe Jagd- und Sammelgruppen bewachten und überlieferten „Mysterien“ oder kosmologische Erklärungen, die als Interpretationen der Realität dienten, und diese spirituellen Erklärungen halfen ihnen, Leben und Tod in ihrem eigenen kulturellen Kontext zu verstehen. Die ekstatische, visionäre Wirkung der Cannabiseinnahme mag diese Mysterien in ein neues System von Überzeugungen und Symbolen verwandelt haben, die die Erfindung und Interpretation unsichtbarer Geister, sowohl bösartiger als auch wohlwollender Art, psychisch auslöst. Wenn ja, dann betrachteten diese frühen Menschen die Pflanze als ein Geschenk ihrer Vorfahren und ihrer Götter, um sie als Vehikel für den Übergang zu höheren Bewusstseinsebenen zu nutzen. Im Wesentlichen hätte Cannabis ein Mittel zur Verfügung gestellt, mit dem sie mit ihren Gottheiten kommunizieren konnten – eine frühe „Pflanze der Götter“ (Schultes und Hofmann 1992, Clarke u. Merlin 2013).

1.2 Hanf als Schlüsselrohstoff

Wenden wir uns nun aber vor allem den Fasern und Samen zu, die auch jenseits aller medizinischen, spirituellen und entspannenden Nutzungen der Cannabinoide eine wichtige Rolle in der Geschichte der Menschheit spielten.

„In früheren Zeiten hatte der Hanf eine der heutigen Petrochemie vergleichbare Tragweite. Seinetwegen wurden Kriege geführt, weil die Kontrolle über den Rohstoff Hanf eine Voraussetzung zu wirtschaftlicher Machtentfaltung war. Bevor in Europa Kohle, Erdöl und Gas im industriellen Maßstab abgebaut werden konnten und man in der Lage war, Massengüter wie Baumwolle, Jute, Sisal und Ramie aus Übersee einzuführen, hatte die Hanfverarbeitung die Funktion einer Schlüsselindustrie.“ (Hingst u. Mackwitz 1996)

Die Hanfpflanze (Cannabis sativa) ist eine der ältesten und vielseitigsten Kulturpflanzen der Menschheit. Über viele Jahrhunderte (oder gar Jahrtausende) hinweg wurde Hanf fast überall in Europa angebaut und stellte eine wichtige, zum Teil die wichtigste Rohstoffquelle für die Herstellung von Seilen, Segeltuch, Bekleidungstextilien, Papier und Ölprodukten dar.

Die geschichtliche Bedeutung von Hanf beruht vor allem auf der Nutzung der Hanffaser als technisches Textil. Die besonders reißfeste und witterungsbeständige Hanffaser war geradezu prädestiniert für technische Anwendungen. Die Nutzung von Hanf war historisch immer wieder eng mit dem technischen Fortschritt verknüpft.

Um etwa 2.800 v. Chr. wurden in China die ersten Seile aus Hanffasern gedreht. In der Urzeit benutzte der Mensch pflanzliche Ranken zum Binden. Bis zur Herstellung von Hanfseilen dienten allgemein Lederstreifen und Lederriemen, in Ägypten zum Teil auch Papyrusfasern diesem Zweck. Die neuen chinesischen Seile erwiesen sich als sehr reißfest und witterungsbeständig. Sie wurden vielfältig eingesetzt und erwarben sich aber vor allem in der Schifffahrt – als Takelage der Segelboote – rasch einen festen Platz.

Das erste Papier der Welt wurde aus Hanffasern hergestellt. Eine in der Nähe von Xian (China) gefundene Papierprobe aus der Zeit 140 bis 87 v. Chr. bestand aus Hanffasern und dürfte das älteste Papier der Welt sein. Hergestellt wurde es mit einem schwimmenden Sieb, aus dem sich das Schöpfsieb entwickelte. Erst im 13. Jahrhundert gelangte die Technik der Papierherstellung über den Vorderen Orient nach Italien und breitete sich von da aus in ganz Europa. Im 14. Jahrhundert erreichte die Kunst der Papierherstellung Deutschland. Verwendet wurden meistens „Hadern“ als Rohstoff, dies sind abgerissene oder abgeschnittene Stücke Stoff, auch Lumpen oder Fetzen genannt (deutsche Wikipedia, letzter Zugriff 2018-06-24). Die Hadern bestanden vor allem aus Flachs-, Hanf- und Nettelfasern.

Auch die Nutzung von Hanffasern für Bekleidungs- und Heimtextilien kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Otto Heuser schreibt 1927 hierzu: „Die älteste uns überlieferte Nutzung des Hanfes finden wir nach Dewey in China. Angeblich soll in einem chinesischen Werk der ,Sung‘-Dynastie um 500 v. Chr. der Hinweis zu finden sein, dass bereits im 28. Jahrhundert v. Chr. der Kaiser Shen Nung das chinesische Volk gelehrt hat, ,Ma‘ (Hanf) anzubauen, um Kleider daraus zu fertigen.“ Weitere Hinweise zu Hanftextilien aus dieser Zeit finden sich bei Abel 1980: Im Jahre 1972 wurde in einer Grabstätte der Chou Dynastie (1122–249 v. Chr.) u.a. ein Textilfragment gefunden. Es ist das älteste erhaltene Hanfprodukt der Welt.

Die ältesten Funde in Europa stammen laut Körber-Grohne vom Beginn der vorrömischen Eisenzeit (Hallstattzeit, 800–400 v. Chr.). Einer der Funde stammt aus dem Grabhügel des keltischen Fürsten von Hochdorf bei Stuttgart, datiert auf etwa 500 v. Chr. Von den gewebten Stoffen spielten solche aus Hanfbast eine große Rolle. Sie waren nicht aus den aufbereiteten, reinen Fasern hergestellt, sondern die Stängelrinde war in schmalen Streifen abgezogen, versponnen und dann gewebt worden, sogar in unterschiedlichen Mustern. Der früheste gewebte Stoff aus voll aufbereiteten Hanffasern ist im Grab der Merowinger-Königin Arnegunde gefunden worden, die in der Zeit zwischen 565 und 570 in der Kathedrale St.-Denis in Paris bestattet wurde.

Im 17. Jahrhundert, zu den Hochzeiten der Segelschifffahrt, erlebte der Hanf in Europa seine Blütezeit und war eine wichtige Ackerkultur. Fast alle Schiffssegel und fast alles Takelwerk, Seile, Netze, Flaggen bis zu den Uniformen der Seeleute wurden aufgrund der Reiß- und Nassfestigkeit der Faser aus Hanf hergestellt. Handel und Kriegsführung waren vom Hanf abhängig; 50 bis 100 Tonnen Hanffaser wurden für die Grundausstattung eines Schiffes benötigt und mussten alle ein bis zwei Jahre ersetzt werden.

Bis ins 18. Jahrhundert waren feld- bzw. wassergeröstete und dann mechanisch aufgeschlossene Hanffasern zusammen mit Flachs, Nessel und Wolle die Rohstoffe für die europäische Textilindustrie. Aufgrund seiner gröberen und inhomogeneren Faserbündel wurden Hanfgarne vor allem für Oberbekleidung und Arbeitskleidung eingesetzt, Flachs und Nessel für die feineren Gewebe und Wolle, wenn die Kleidung gut wärmen sollte. Hanfsamen waren Lebens- und Futtermittel; Hanföl wurde sowohl als Lebensmittel als in technischen Anwendungen verwendet.

1.3 Niedergang des westeuropäischen Hanfanbaus

Als im 18. Jahrhundert die Baumwollspinnerei mechanisiert wurde („spinning jenny“), die die Verarbeitung der Baumwollfaser wesentlich erleichterte und preiswerter machte, wurden die heimischen Pflanzenfasern, deren Fasergewinnungsprozess arbeitsaufwendig blieb, mehr und mehr vom Textilmarkt verdrängt.

Im 17. Jahrhundert wurden in Europa etliche 100.000 ha Hanf angebaut. In Konkurrenz zur preiswerteren Baumwolle und dem Niedergang der Segelschifffahrt im 19. Jahrhundert, ging die Anbaufläche kontinuierlich zurück, Aber auch im Jahre 1850 wurden in Frankreich immer noch 130.000 ha und in Italien 140.000 ha Hanf angebaut.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren die wichtigsten technischen Anwendungsbereiche der Hanffaser Taue, Seile und Bindfäden sowie das sog. Segeltuch, das als strapazierfähigstes technisches Gewebe eine Vielzahl von Einsatzgebieten aufwies. Aber bereits im 19. Jahrhundert verlor Hanf auch im technischen Bereich an Bedeutung. Zusätzlich zu der Konkurrenz durch Jute, Sisal und Manila geriet der europäische Hanf infolge preisgünstiger Hanffaserimporte aus Russland unter Druck.

Die beschriebenen Entwicklungen führten dazu, dass der deutsche Hanfanbau, der Mitte des 19. Jahrhunderts noch ca. 30.000 ha betragen hatte, bis 1910 mit 600 ha praktisch zum Erliegen kam. Ähnlich verlief die Entwicklung in Frankreich, von 176.000 ha im Jahr 1840 auf knapp 9.000 ha im Jahr 1915. Nur in Italien hielt sich der Hanfanbau bis in die 50er-Jahre auf recht hohem Niveau.

1.4 Wiederentdeckung während der Weltkriege

Während der beiden Weltkriege wurde der Hanf in Deutschland zum Kriegsgewinner. Abgeschnitten von den überseeischen Importfasern besann man sich wieder auf den Hanf und verbesserte Anbau-, Ernte- und Nutzungstechniken. Über die sog. Kotonisierung gelang es, aus den langen Hanffasern einen kurzfaserigen, hochwertigen Baumwollersatz herzustellen. In den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts gab es Überlegungen, die gesamte Baumwolleinfuhr durch kotonisierte Hanffasern zu ersetzen, wozu eine Anbaufläche von etwa 1 Million Hektar notwendig gewesen wäre. Sicher entsprang dieses Szenario vor allem dem deutschen Autarkiebestreben – dennoch zeigt es das Potenzial, welches damals dem Hanf zugesprochen wurde. Heute sind es vor allem ökologische Gesichtspunkte und neue Perspektiven für die europäische Landwirtschaft, die den Hanf zurück auf die Äcker holen.

In den letzten Kriegsjahren des 2. Weltkrieges wurden in Deutschland ca. 21.000 Hektar angebaut, womit etwa 20% des Bedarfs gedeckt wurden. Der Rest wurde vor allem aus Italien importiert. Auf deutschen Baumwollmaschinen wurde gegen Ende des Krieges mehr kotonisierter Hanf als Baumwolle verarbeitet.

1.5 Nach den Weltkriegen – erneuter Rückgang und erstmalig Anbauverbote

Nach dem Krieg war der Hanf in Deutschland schnell wieder vergessen. Die preiswerten Baumwollimporte drängten wieder auf den Bekleidungstextilmarkt und bei den synthetischen Fasern konnte die Chemie- und Kunststoffindustrie entscheidende Fortschritte erzielen. Sie übernahmen vor allem den technischen Textilbereich.

Entsprechend schrumpfte der Hanfanbau in Westdeutschland wie in den meisten anderen westeuropäischen Ländern rasch auf unbedeutende Größe. In der ehemaligen DDR hielt sich der Hanfanbau noch bis Ende der 60er-Jahre. Auch die Hanfforschung kam mehr und mehr zum Erliegen. Allerdings wurden in Westdeutschland in den 50er- und 60er-Jahren noch neue Hanfsorten mit niedrigem Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) und hoher Faserausbeute gezüchtet, die dann zum Teil in Frankreich weiter gezüchtet wurden und in die französischen Sorten aufgingen.

Viele europäische Länder sprachen in den 80er-Jahren Anbauverbote für Hanf aufgrund seiner Nähe zur Schwesterpflanze Marihuana aus. So auch in Deutschland: Mit der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zum 1.1.1982 drohte dem Anbau von Faserhanf in Westdeutschland zunächst das endgültige Aus. Seitdem war der Anbau von Hanf unabhängig von THC-Gehalt und Nutzungsziel untersagt. Ausnahmen durften nur zu wissenschaftlichen Zwecken genehmigt werden oder wenn ein öffentliches Interesse am Anbau vorlag. Bis Anfang 1996 verhinderte diese Gesetzesfassung jeglichen kommerziellen Hanfanbau. Mit den Anbauverboten erlosch auch das Interesse der Agrarforschung an Hanf.

Infolge dieser Entwicklungen brach der europäische Hanfanbau im Jahr 1990 auf etwa 5.000 Hektar in Frankreich zusammen.

1.6 Bei der Wiederentdeckung der nachwachsenden Rohstoffe übersehen

Als in den 80er-Jahren nachwachsende Rohstoffe wie Flachs und Raps als Option für die europäische Agrarwirtschaft und die verarbeitende Industrie neu entdeckt wurden, wurde der Hanf schlichtweg übersehen. Obwohl es schon seit mehreren Jahrzehnten Faserhanfsorten gab, die aufgrund ihrer sehr geringen Mengen des Wirkstoffes THC nicht als Droge missbraucht werden können, wurde Hanf in vielen Ländern unabhängig von seinem THC-Gehalt von der Agrarforschung und -wirtschaft links liegen gelassen und oftmals sogar der Anbau verboten. Lediglich in Frankreich – als einzigem Land in Westeuropa – sowie in Osteuropa wurden die Hanfindustrien weiterbetrieben. Während in Osteuropa bis zum Zusammenbruch der UdSSR und des Warschauer Paktes die Produktion von groben technischen Textilien wie Planen und Uniformen für den russischen Markt dominierte, wurde der Hanf in Westeuropa auf kleinen Anbauflächen zum Lieferanten hochwertiger Spezialzellstoffe vor allem für die Zigarettenpapierindustrie.

 

1.7 Mittel- und Osteuropa setzen Hanfanbau fort

Im Gegensatz zu den meisten westeuropäischen Ländern war der Hanfanbau in Mittel- und Osteuropa nie eingestellt worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war hinsichtlich der Anbaufläche die Sowjetunion mit 140.000 Hektar das führende Hanfanbauland. Diese Fläche verringerte sich bis 1990 auf 40.000 Hektar. Auch Rumänien hatte bis in die 80er-Jahre einen bedeutenden Hanfanbau (1989: 46.000 ha) und eine entwickelte Hanfindustrie, vom Faseraufschluss bis hin zu speziellen Spinner- und Webereien. Bedeutend war der Hanfanbau außerdem in Polen, Ungarn und im ehemaligen Gebiet Jugoslawiens. Im wenig bewaldeten Ungarn wurden die als Nebenprodukt des Faseraufschlusses anfallenden Schäben als Holzersatz verwendet und zwar sowohl als Brennstoff als auch in der Möbelindustrie, insbesondere für Leichtbau-Spanplatten.

Mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Marktes 1991 gingen die Hanfanbauflächen in den mittel- und osteuropäischen Ländern, die große Teile ihres Hanfes in Form von technischen Textilien in die Sowjetunion exportieren, schlagartig zurück. Die Anbauflächen in Ungarn und Rumänien sanken auf weniger als 1.000 ha.

Wie es der Zufall oder das Glück wollten, begann die weltweite Wiederentdeckung des Hanfes noch bevor die hanfindustriellen Strukturen dieser Länder endgültig zerbrochen waren. Das neue Interesse aus den USA und Westeuropa an Hanfgeweben insbesondere für den Bekleidungstextilbereich konnte wichtige Verarbeitungsstrukturen retten. Rumänien war nach China der wichtigste Lieferant für hochwertige Hanfgewebe. Heute werden in Rumänien Hanffasern für Dämmstoffe und Biokomposite produziert, wie sie vor allem im automobilen Bereich eingesetzt werden.

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