DER ELEGANTE MR. EVANS

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»Ich werde mich umsehen, Sir«, sagte er; »da ich zur Zeit etwas knapp bei Kasse bin, kann ich mich nicht so daran beteiligen, wie ich es gerne täte.«

Die Augenbrauen des Inspektors zogen sich zusammen.

»Ein Lügner ist schlimmer als ein Dieb!«, sagte er streng. »Ich weiß zufällig, dass du einen großen Teil deines Geldes bei diesem abstoßenden Tippgebergeschäft verdienst.«

Educated Evans versuchte eine hastige Erklärung.

»Es ist doch so, Mr. Pine...« begann er, aber der alte Mann unterbrach ihn sofort.

»Evans«, sagte er düster, »zwei Dinge treiben einen Mann letztendlich in den Ruin – schlechte Gesellschaft und Pferde! Der Tag wird kommen, wenn du den Anblick eines Pferdes hassen wirst.«

»Ich persönlich stehe eigentlich mehr auf Autos«, sagte Evans, darum bestrebt, den Mann zu besänftigen.

»Der Anblick eines Pferdes wird dich zur Verzweiflung bringen. Du wirst dich schütteln, wenn du eines erblickst. Heute magst du dich noch in deinen illegalen Gewinnen suhlen, aber der Stachel wird kommen!«

»Er ist schon gekommen, Mr. Pine«, erwiderte Educated Evans eifrig; »’Light Bella’ morgen im Zwei-Uhr-Rennen – nehmen Sie den Tipp an, bedienen Sie sich! Für das Rennen hat man ihn aufgespart – sorgen Sie für den Winter vor, Mr. Pine!«

Aber er hatte in den Wind gesprochen. Inspektor Pine war majestätisch seines Weges gegangen.

Aus dem Mund seines Vorgesetzten persönlich und in völliger Übereinstimmung mit dessen Worten hörte Sergeant Challoner, C.I.D., (Criminal Investigation Department; d.Ü.) von Evans’ Halsstarrigkeit.

»Abscheulich, Sir«, stimmte er zu und schüttelte den Kopf. »Wie sagten Sie, war doch gleich der Name des Pferdes, das morgen gewinnen soll?«

»Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, das zu behalten«, sagte der Inspektor mit einem argwöhnischen Unterton. »Warum fragen Sie danach, Sergeant?«

»Einfach nur aus Neugier«, erwiderte der Sergeant.

Mr. Pine kratzte sich nachdenklich das Kinn.

»Das wäre eine tolle Sache«, grübelte er, »wenn man diesen Spielerfluch mit eben diesem Geld bekämpfen könnte, das man von denselben Leuten herauspresst, die daran verdienen, nun, Sergeant?«

Der Müller dachte ebenso.

»Was für ein – äh – Kraftakt – ich bin nicht ganz sicher, ob dies der richtige Ausdruck ist – es wäre so, als würde jemand auf die Information dieses Schurken hin handeln und – äh...«

»Exakt, Sir.« Das Gesicht des Müllers war ausdruckslos. Es fiel ihm extrem schwer, nicht zu lachen.

Sobald er fort konnte, suchte er Educated Evans auf und machte ihn an der Schwelle zur Saloon Bar des »White Hart« ausfindig.

»Nicht nur, dass du das Proletariat von ganz Camden Town demoralisiert hast«, beschwerte sich der Müller, »hast du auch noch die Polizei bestochen – der Inspektor will deinen nächsten 5-Pfund-Spezialtipp haben.«

Educated Evans strahlte.

»Aber ich denke, es ist nur allzu fair, dich zu warnen; denn wenn dein so todsicherer Tipp daneben geht, besorgt er dir zehn Jahre Knast«, sagte der Müller und Mr. Evans war natürlicherweise nicht sehr begeistert.

»Das ist gegen besseres Wissen und Gewissen«, sagte er gereizt; »es ist in der Magna Charta so festgelegt, dass du im Falle eines ausbleibenden Gewinns nicht verlieren kannst. Es gibt historische Instanzen, wie zum Beispiel Oliver Cromwell...«

»Lass den Oliver Cromwell mal beiseite«, unterbrach der Müller. »Wie ist das mit deinem sicheren Tipp für morgen?«

»’Light Bella’«, antwortete Evans prompt: »der Clou der gesamten Saison. Wetten Sie erst in der letzten Minute oder Sie machen den Preis kaputt. Das ist der todsicherste Tipp seit ‚Eager’ gegen ‚Royal Flash’ gewann. Dieses Pferd kann auf seinen Hintern fallen und auf dem Schwanz ins Ziel wackeln. Er wurde um 21 Pfund besser getestet als ‚Captain Cuttle’ – bedienen Sie sich!«

»Ist es ein ‚er’ oder eine ‚sie’?«, fragte der Müller verwirrt.

»Das ist mir egal«, antwortete Evans.

Am folgenden Tag fand das Rennen in Hurst Park statt und Educated Evans kam mit einem verhältnismäßig frühen Zug an. Unverändert reiste er in der Ersten Klasse, denn Mr. Evans hatte eine Schwäche für die »noble« Gesellschaft.

Und an belebten Renntagen kümmerte sich sowieso kein Mensch um das Kontrollieren von Tickets, obwohl die Kontrolleure in letzter Zeit eine wachsende Abneigung dagegen zeigten, Fahrgästen mit abgelaufenen Bahnsteigkarten den Durchgang zu gewähren.

Der Waggon füllte sich ziemlich schnell und Evans hatte es sich (wie üblich) auf einem Eckplatz gemütlich gemacht, mit einer weit aufgeschlagenen Zeitung, die ihn vor den Blicken eines Bahnbeamten schützen sollte. Er befand sich in bester Gesellschaft, denn im Abteil saßen Lecti, der Jockey und Gorf, der Trainer und einige andere Männer, die er für Stewards des Jockey Clubs hielt und ihre Sprache war so eindeutig und autoritätsbewusst. (Tatsächlich waren es Sport- und Rennjournalisten, aber man konnte von Evans nicht erwarten, dies zu wissen.)

Ihm gegenüber saß ein dicker, militärisch aussehender Gentleman, der ihn kalt und unfreundlich musterte.

»Netter Morgen heute, Sir«, sagte Evans munter. Er hatte schon immer ein besonderes Geschick dafür, die Leute froh zu stimmen.

»Wirklich?«, fragte der andere eisig zurück.

»Ganz interessantes Verkaufsrennen, das da um zwei Uhr läuft«, sagte Evans, »und für jedermann ohne Information ein ganz unergründliches Problem. Glücklicherweise kenne ich einen der Jungen, der einen bestimmten Kandidaten betreut...«

»Wenn Sie weiter mit mir reden, hole ich die Polizei!«, sagte der kalte, militärisch aussehende Mann in kältester militärischer Manier.

Educated Evans zuckte die Schultern. Selbst Bildung ist kein Schutz gegen unfeinen Umgang.

Dieser Tag war in vielerlei Hinsicht ein Tag zum Erinnern. Er hatte gut 48 Pfund für sich eingesteckt und es war seine Absicht, auf ‚Light Bella’ 500 : 40 mitzunehmen.

Zwei verschiedene Ereignisse machten diesen Plan zunichte. Zum ersten war da die Tatsache, dass ‚Light Bella’ mit 7 : 4 anfing; zum zweiten kam er wegen eines kräftigen Regenschauers, wo er Unterschlupf suchen musste, recht spät bei Tattersall’s an. ‚Light Bella’ war bei 5 : 4 angekommen, als er sich unter das Volk mischen konnte, das den einzigen Buchmacher umringte, der sich auf diesen Preis einlassen wollte, und er hatte dann 50 Pfund zu 40 Pfund genommen, als die Glocke den Start verkündete.

Er kletterte auf die Tribüne und erlebte den Verdruss, dass ‚Light Bella’ um Kopfeslänge geschlagen und nur Dritte wurde.

»Keine Chance!«, zischte er und alle Umstehenden, die das hören konnten, stimmten ihm zu – bis auf diejenigen, die auf den Sieger gesetzt hatten.

Es gab eine traurige Genugtuung und das drückte er in seiner unnachahmlichen Sprache so aus, dass er nichts übertrieben habe.

Er spazierte des Regens ungeachtet in Richtung Paddock und kam an den Auktionsring, wo soeben der dampfende Sieger seinem Besitzer zugeschlagen wurde.

»Nun verkaufe ich ‚Fairy Feet’, dessen Vater ist ‚Gnome’, die Mutter heißt ‚Pedometer’«, sagte der dicke Auktionator am Rednerpult und Evans erkannte die Stimme. Es war dieser militärisch aussehende Gentleman, der ihn im Zug so unhöflich behandelt hatte. Evans drängte sich durch die Menge, mit einem höhnischen Feixen im ausdrucksvollen Gesicht.

»Wer will mit hundert beginnen?«, rief der Auktionator. »Fünfzig? Nun gut, zehn-?«

»Zehn«, rief eine Stimme und das Bieten um das klapprig aussehende Pferd steigerte sich langsam bis auf 25.

»Fünfundzwanzig?«, sagte der Auktionator und schaute Evans direkt an; und dann, zur Überraschung des gebildeten Mannes, nickte er.

Evans, nichts weniger als echter Gentleman, nickte zurück.

»Dreißig«, sagte der Auktionator. Irgendjemand bot fünfunddreißig und der Mann am Rednerpult nickte wiederum Evans zu.

»Ich habe Sie schon beim ersten Mal gesehen«, sagte Evans und nickte zurück.

»Vierzig«, sagte der Auktionator und ein paar Sekunden später fiel der Hammer. »Wie ist Ihr Name, Sir?«

Evans fiel beinahe um. Der Auktionator sprach tatsächlich zu ihm.

»Educated Evans«, antwortete er wie im Traum.

»Verkauft an Mr. Ted K Evans.«

Später haderte Evans mit sich selber, was er in dem Augenblick hätte tun sollen. Er hätte wegrennen können. Er hätte jede Verantwortung abstreiten können; er hätte so viele Dinge tun können, die man ihm im Nachhinein vorschlug.

Stattdessen, wie betäubt, wie ein Mann unter Einfluss von Narkosemitteln, bezahlte er 42 Pfund.

Und das Schlimmste sollte noch kommen. Kaum hatte er bezahlt, als ihn ein kleiner Junge am Ellbogen anstieß. Der führte ‚Fairy Feet’ an einem Zügel bei sich.

»Wer ist Ihr Trainer, Sir?«

Evans fiel die Kinnlade herunter. Nur für eine Sekunde musste er sich sammeln, dann nahm er den Zügel an sich.

»Frag nicht so viel«, sagte er und führte das hochbeinige Tier weg.

Der Paddock leerte sich allmählich, dem Dauerregen geschuldet.

Evans schaute wild um sich und steuerte dann das Tor an.

»Entschuldigen Sie, Sir«, sagte der neue Pferdebesitzer zu dem Mann am Tor, »können Sie mir zufällig sagen, wo ich dieses Pferd lassen kann?«

Der Torwächter schüttelte den Kopf.

»Wo trainieren Sie denn?«, fragte er.

»Camden Town«, sagte Evans unbestimmt.

»Warum nehmen Sie ihn nicht mit nach Hause?«, schlug der Torwächter vor und das schien ihm eine sehr gute Idee zu sein.

Die Leidenschaft eines Pferdebesitzers kam über Evans, als er mühsam die moddrige Straße in Richtung Hampton Court Station entlang trottete. Letztendlich war es ja gar keine so schlechte Idee. Vor seinem geistigen Auge baute er schon neue Werbesprüche auf.

 

Educated Evans!

Rennpferdbesitzer

und der Welt führender Sportprophet.

Besitzer von FAIRY FEET, Sieger im Steward’s Cup.

Er hielt mitten auf der Straße an und musterte seinen Kauf.

In den Augen von ‚Fairy Feet’ glaubte er einen Schimmer von unbestimmter Traurigkeit zu entdecken. Es schien fast so, als habe das intelligente Tier die erstaunliche Absurdität erkannt, Evans könne ihm jemals einen Sieg zutrauen.

»Komm schon«, sagte Evans und die folgsame Kreatur folgte ihm zum Bahnhof. ‚Fairy Feet’ wäre ihm überall hin gefolgt, außer zu einem Rennplatz, denn ‚Fairy Feet’ hasste Rennplätze und war ein ebenso strikter Gegner von Pferderennen wie Inspektor Pine.

»Ich will dieses Pferd nach Camden Town schaffen«, sagte Evans. Der Stationsvorsteher schaute zweifelnd drein.

»Wir haben keine Pferdebox frei, aber morgen bekommen wir eine«, sagte er.

»Warum laufen Sie nicht mit ihm nach Hause?«

Die Idee war Evans auch schon gekommen und als wolle er ihn dazu ermutigen, hatte der Regen aufgehört. Er überquerte soeben die Kingston Brücke, als der Regen wieder anfing. Seine Füße taten weh, ihm war es nicht gut und Wehmut machte sich breit. Selbst in seinem reichen Wissen um anderes menschliches Leid konnte er keine schlimmeren Beispiele finden.

Um 20 Uhr schlurfte an diesem Abend eine gebeugte und vergrämte Gestalt in die Bayham Mews, gefolgt von einem munteren und leichtfüßigen Vollblut.

Zum Glück hatte der junge Harry Tilder Dienst, der die Pferde von Jones und Bonner, den Pferdemetzgern, betreute; er kam Evans gerade recht.

»Habe hier ein Rennpferd, Harry«, keuchte er. »Tausend Pfund habe ich für ihn bezahlt! Kannst du ihn unterbringen und ihm ein Stück Fleisch oder so was geben bis morgen früh?«

Jung Harry schaute sich ‚Fairy Feet’ in dem abnehmenden Licht an, dann blickte er Evans an.

»Das kann ich nicht machen, Mr. Evans«, sagte er. »Da will ich nicht reingezogen werden.«

»Aber er gehört mir doch!«, jammerte Evans. »ich kaufte ihn für tau – für vierzig Pfund.«

»Sie sagten soeben was von tausend«, sagte Jung Harry. »Kann ich nicht machen. Bringen Sie ihn zu Bellamy’s.«

Aber Mr. Bellamy, der Pferdehändler, ließ sich auf nichts ein.

»Ich bin mein Leben lang ehrlich geblieben«, sagte er, »und das werde ich auch nicht ändern. Ich will nichts gegen Sie sagen, Evans, aber ich weiß, dass Sie schon mal in Schwierigkeiten waren.«

Inspektor Pine hatte schon oft versucht, den Müller zu den Versammlungen der Bruderschaft zu überreden, bislang allerdings ohne Erfolg. Sergeant Challoner hatte seine Art von Humor und Humor ist eine wirksame Schranke gegenüber Scheinheiligkeit. Aber so oft war er seinen Verpflichtungen ausgewichen, dass er nun bei dieser Gelegenheit beschloss, sein Versprechen einzulösen – oft gemacht und ebenso oft gebrochen.

Die Bruderschaft hielt ihre Versammlung in einer kleinen Blechhalle in einer Querstraße zur Great College Street ab. Hier wurden die Programme für die verschiedenen großen Rennversammlungen geplant. Hier malten bleiche und langhaarige junge Männer mühselig Plakate mit heiligen Worten darauf und trugen sie mitten durch eine gleichgültige Menschenmenge und sie waren stolz darauf, nicht wie die anderen Menschen zu sein.

Inspektor Pine saß in einem Stuhl und nach der feierlichen Eröffnung der Versammlung stellte er den Jahresbericht vor.

»Meine lieben Freunde«, sagte er, »es gibt ein schweres Defizit. Vielleicht werden ja einige unsere Freunde, die außerhalb unserer Gemeinde leben, kommen, um ihre Scherflein beizutragen...« er schaute dabei zum Müller hinüber und diesem wurde es unbehaglich zumute. Mit rotem Gesicht wühlte er in seiner Tasche – »aber im Großen und Ganzen müssen wir uns schon auf unsere eigenen Anstrengungen verlassen. Es mag weder Gold noch Silber noch Edelsteine sein, was unsere Brüder uns anbieten wollen. Aber was auch immer sie beisteuern werden – es ist willkommen.«

Die Geldgeschenke waren ziemlich rar gesät, die Naturalien dafür umso mehr vertreten. Unter lautem Beifall brachte ein rotgesichtiger Bruder einen stählernen Kaminschutz auf die Bühne. Ein anderes Mitglied der Bruderschaft schleppte einen Sack Kartoffeln an. Davon fiel eine dem Müller auf die Füße und er hob sie auf. Sie war nicht von der allerbesten Sorte. Und ein weiteres Mitglied aus der Zuhörerschaft brachte einen Topf mit Marmelade – beinahe jeder brachte irgendetwas.

Der Müller erinnerte sich an ein einsames Grammophon aus seinem Besitz, das nur dann funktionierte, wenn es dazu aufgelegt war; er bedauerte, dass er es nicht mitgebracht hatte. Endlich war das letzte Geschenk abgegeben worden und Inspektor Pine erhob sich und blickte strahlend auf die Gemeinde.

»Ich bin glücklich, sagen zu können...«, begann er, als die Tür am Ende der Halle mit einem Knall aufflog und ein Mann in den Raum taumelte.

Er war von Kopf bis Fuß durchnässt und eine Locke seines Haares fiel flott und kess über seine lange Nase. Ihm folgte, nass und glänzend und den Saal und die Anwesenden mit hellen und intelligenten Augen überschauend, ein magerer Vierbeiner.

»Meine Damen und Herren«, sagte der durchnässte Fremde, »ich bin den meisten von Ihnen durchaus bekannt, Educated Evans, der berühmte und vielgepriesene Turfratgeber, und ich habe Ihnen ein kleines Präsent mitgebracht.«

Eine tiefe Stille folgte auf seine bemerkenswerte Ankündigung.

»Es gibt Personen, die sagen, dass man Pferden überdrüssig werden kann«, sagte Educated Evans und strich sich die Locke aus der Stirn, »und diese Leute haben recht! Dieses Pferd hier ist der weltberühmte ‚Fairy Feet’, von Tetrarchen mit Sir angesprochen und von denen verdammt, die jemals mit ihm zu tun gehabt haben – er gehört Ihnen!«

Indem er dies sagte, ließ er die Zügel fallen und glitt aus dem Saal, schlug die Tür hinter sich zu.

‚Fairy Feet’ schaute umher, und dann, als er die niederträchtige Fahnenflucht bemerkte, hob er mit einem angstvollen Wiehern die Hinterbeine und zerschmetterte die ohnehin zerbrechliche Tür vollends.

Indem er hinaus auf die Straße rannte, sah der Müller Educated Evans, heiß verfolgt von einem dunklen Pferd, die Straße entlang fliehen. Wahrscheinlich ist ‚Fairy Feet’ niemals so schnell gerannt wie an diesem Abend.

Kapitel 9: Direkt von der Quelle

Es wird in Somers Town allgemein angenommen, dass ein Polizist seine eigene Tante betrügen würde, um sich vor dem Richter einen Namen zu machen; aber das ist nicht der Fall. Ein richtig menschlicher Polizeibeamter hat bei bestimmten Aufgaben das, was der Portugiese einen »repugnancio« nennt. (Widerwillen; d.Ü.)

Sergeant Challoner, C.I.D., wurde in das Büro seines Vorgesetzten gerufen und mit einem Auftrag betraut, der ihm tief zuwider war – nämlich eine Razzia in Issy Bodd’s florierendem Startpreis-Bargeldgeschäft, das er in seinem Haus nahe der Ossulton Street unterhielt.

Es hatte Beschwerden eines rechtschaffenen Nachbarn gegeben.

»Tibby Cole«, sagte der Müller. »Er ist sauer, weil Issy versucht hat ihm zu drohen, und einer von Issy’s Aufsehern hat ihm ein paar hinter die Löffel gegeben.«

»Mein lieber Sergeant!«, sagte Inspektor Pine schockiert. »Da gibt es nun wirklich keinen Anlass für Sie, sich der Sprache von Somers Town zu bedienen.«

Ziemlich lustlos machte der Müller mit seiner Arbeit weiter. Er war ein zu guter Diener des Gesetzes, eine Warnung vorauszuschicken, und so kam er zu dem schutzlosen Issy in einem äußerst peinlichen Augenblick.

»Es tut mir wirklich sehr leid, Bodd«, sagte er, als er ihn arretierte. »Ich werde alle Belege mitnehmen, die du hast – du wirst doch eine Bürgschaft stellen können, nehme ich an?«

»Sie hätten an keinem besseren Tag kommen können«, sagte der philosophische Mr. Bodd. »Ganz Camden Town ist verrückt nach ‚Sanaband’, und da ich immer um jeden Penny kämpfe, sah es dieses Mal so aus, als sei ich endlich mit allem durch.«

‚Sanaband’, wie die ganze Welt wusste, startete als heißer Favorit im Northumberland Plate und wurde Vorletzter und jeder fragte sich: »Wo sind die Stewards?«

Tausende Leute, die vom Shilling aufwärts bis zu 100 Pfund auf den Favoriten gesetzt hatten, knirschten mit den Zähnen und rauften sich die Haare und sagten Dinge über Mr. Yardley, den Besitzer und Trainer von ‚Sanaband’, die sich sowohl verleumderisch als auch wenig christlich anhörten.

Bill Yardley selbst beobachtete das Finish mit einem launenhaften Lächeln; darauf ging er zu dem in Ungnade gefallenen Pferd hinüber, tätschelte ihm den Hals und gab ihm die verschiedensten Kosenamen. Leute, die diese Darstellung menschlicher Gefühle beobachteten, nickten nur verständnisinnig mit dem Kopf.

»Keine Chance«, höhnten sie und fragten sich, warum er nicht ausgeschlossen wurde.

In Wahrheit hatte Yardley auf ‚Sanaband’ gesetzt, um ein kleines Vermögen zu gewinnen, hatte er doch sein ganzes Leben mit Pferden zugebracht und auf sie gewettet. Er wusste, wenn ‚Sanaband’ ein Mensch wäre, würde er gesagt haben: »Es tut mir wirklich furchtbar leid, Mr. Yardley, ich bin die letzten Tage gesundheitlich nicht auf der Höhe – Sie werden wahrscheinlich gemerkt haben, dass ich heute Morgen nicht wie sonst alles gegessen habe. Ich habe ein wenig Kopfschmerzen und auch mit dem Magen stimmt was nicht; aber in ein zwei Tagen bin ich wieder fit.«

In dieser Gewissheit gab Yardley seinem Pferd auch keinen Tritt und erzählte auch seinen Freunden nichts in der Richtung, ‚Sanaband’ sei ein unverbesserlicher Gauner. Ganz beiläufig erwähnte er, er habe schon 1500 Pfund mit dem Pferd gewonnen, aber niemand glaubte ihm. Trainern glaubt man nie etwas.

»Was ist los mit dir, du alter Satansbraten?«, fragte Mr. Yardley und rieb ihm die Nüstern und das war gleichzeitig Anfang und Ende der gegenseitigen Vorwürfe.

Im entfernten Camden Town bescherten die Neuigkeiten über ‚Sanabands’ Niederlage dem weltführenden Turfratgeber und Propheten eine Menge Kummer und Sorgen, und die Situation wurde keinesfalls besser bei den sanften, ironischen Bemerkungen des Sergeanten Challoner, den man auch den Müller nannte.

»Ich erwarte keine Wunder«, sagte der Müller, »und ich gebe zu, dass es eine Verrücktheit meinerseits war anzunehmen, du könntest in einem Monat zwei Sieger liefern.«

»Reiten Sie nur darauf herum, Mr. Challoner«, sagte Evans bitter. »Wie konnte ich denn wissen, dass der Trainer betrügt? Bin ich denn wie der berühmte Mejusa* und habe überall Augen an meinem Kopf?«

»Medusa ist die Dame, von der du träumst«, sagte der Müller, »und bei ihr waren es Schlangen.«

»Haben Schlangen denn keine Augen?«, entrüstete sich Evans. »Nein, Mr. Challoner, ich bekam diese Information über ‚Sanaband’ von dem Jungen, der ihn betreut. Dieses Pferd wurde trainiert, ‚Elbow Grease’ um zehn Längen zu schlagen. Nach meinen Informationen hätte er stürzen können...«

»Und aufstehen und gewinnen«, beendete der geduldige Mr. Challoner. »Nun, er stürzte aber nicht! Das einzige, was abstürzte, ist dein Ruf als Tippgeber.«

Mit schmerzerfülltem Blick schloss Evans die Augen.

»Turf-Ratgeber«, murmelte er.

Das Ganze war eine schmerzliche Angelegenheit für ihn. Gerade in dem Augenblick, wo er bei seiner Kundschaft das Vertrauen wieder gefunden hatte, wo im gleichen Moment die Zweifler beim Midland Güterbahnhof von Somers Town wieder freundlich mit ihm umgehen wollten, da kam dieser Rückschlag. Und das zu einem Augenblick, als Educated Evans’ Finanzen nicht zum Besten standen.

»Es ist ein langer Weg ohne Umkehr«, sagte Evans mutlos, »und es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass meine bewunderns- und beachtenswerte Serie von elektrisierenden Erfolgen für den Augenblick gestoppt ist.«

Der Müller rümpfte die Nase.

»Die haben mich nie elektrisiert«, sagte er. »Zwei Sieger in zehn Versuchen...«

»Und fünf zweite Plätze, die gewonnen hätten, wären da echte Jockeys gewesen«, erwiderte Evans vorwurfsvoll. »Nein, Mr. Challoner, meine Bildung hat mich gelehrt, nicht gegen eine Mauer zu treten, wie das Sprichwort sagt. Jetzt ist es für mich an der Zeit, mich auf einen langen Schub von Verlierern einzustellen. Wenn ‚Sanaband’ gewonnen hätte – hat er aber nicht. Und ich hätte es wissen müssen. Dass Yardley, dieser Betrüger, das Pferd für das Gatwick-Rennen aufspart.«

 

Der unglückliche Turfratgeber hatte viel Hohn und Spott zu ertragen. Die Undankbarkeit der Kunden und Rennplatzbesucher machte ihn krank und ärgerte ihn sehr. Männer, die sonst um ihn herumscharwenzelten, zeigten ihm nun die kalte Schulter. Hackett, der Gemüsehändler, der ihn erst eine Woche zuvor als den größten unter den Propheten gepriesen hatte, verunglimpfte ihn im Vorbeigehen.

»Du hast mir den Gewinn verdorben«, sagte er giftig. »Ich hatte auf ‚Oil Cake’ gesetzt – mir das gut überlegt und du hast mir diese besch...eidene 5-zu-4-Chance aufgehalst! So Leute wie du sind der Ruin des Rennsports. Die Stewards hätten dich rauswerfen sollen.«

»Es tut mir leid, Sie so etwas sagen zu hören, Mr. Hackett«, sagte Educated Evans milde. »Aber für nächsten Samstag habe ich eine wahre Schönheit für Sie...«

Mr. Hacketts zynisches Lachen gellte ihm nach.

Wenige Yards weiter traf er Bill Gold, einen gelegentlichen Kunden, Busschaffner von Beruf.

»Ich hätte ja gar nichts dagegen, Mr. Evans«, sagte er traurig, »aber ich habe Frau und acht Kinder und diese Wette war meine größte in diesem Jahr. Nur der liebe Gott weiß, wie ich diesen Monat meine Miete bezahle! Sie sollten etwas sorgfältiger arbeiten, das sollten Sie, jawohl!«

Es war seltsam, wie Educated Evans oft feststellen konnte, dass seine Kunden ausgerechnet bei seinen Fehlschlägen stets ihre höchsten Wetten getätigt hatten und entweder vergaßen, auf seine Sieger zu setzen oder wenigstens den geringsten Einsatz zu wagen. Auf diese Weise taten sie es, ohne es zu wissen, allen Personen gleich, die ihnen gegenüber im Rang höher standen. Denn es ist eines der Phänomene des Rennsports, dass nur wenige einen Gewinn öffentlich zugeben, auf der anderen Seite aber ihre Verluste laut bejammern.

Das Pech hat jedoch auch seine Ausgleichsmöglichkeiten, und als er die Stebbington Street entlang ging, traf er auf einen Leidensgenossen.

»Guten Morgen, Mr. Bodd«, sagte Evans respektvoll – er verhielt sich der Buchmacherzunft gegenüber immer achtungsvoll. »Ich nehme an, Sie hatten gestern einen guten Renntag – dieser ‚Sanaband’ war ja nicht zum Laufen zu bewegen.«

Mr. Issy Bodd, schürzte die Lippen.

»Oh, ja, ich hatte einen guten Tag«, sagte er mit sardonischem Lächeln. »Drei Stunden auf der Wache, bevor meine Kaution kam, dann eine Strafe von fünfzig plus den Nebenkosten – und sechshundert Auszahlungsscheine vernichtet und auf jedem stand die Wette für ‚Sanaband’. Ich hatte den ganzen Morgen eine Menschenmenge vor dem Haus, die ihr Geld wiederhaben wollten mit der Begründung dass, wenn du nicht gewinnen kannst, kannst du auch nicht verlieren. Die Öffentlichkeit weiß zu gut Bescheid, was mir wiederum nicht passt. Das kommt alles von dieser allgemeinen Bildung, Evans, und dem Lesen von Romanen. Wenn ich sie nicht ausbezahlt hätte, wäre ich meinen Handel los gewesen. Obwohl jetzt natürlich nur noch der Himmel weiß, wie es weitergehen soll.«

Er schaute Evans forschend an und hörte schweigend zu, wie der gebildete Mann sein eigenes Klagelied erzählte.

»Das ist richtig«, sagte er, als Educated Evans einmal Luft holen musste. »Sie haben eine echte Pechsträhne erwischt. Ich nehme nicht an, dass Sie die kommenden Jahre einen weiteren Sieger bekannt geben können, und für mich glaube ich nicht, dass ich die kommenden Monate eine Gewinnwoche erleben werde.«

Sie starrten einander an, zwei Männer beladen mit allem Elend dieser Welt.

»Es wäre schon etwas anderes, wenn ich bei Kasse wäre«, sagte Evans. »Wenn ich es mir leisten könnte, ein klasse Rundschreiben an all meine Kunden zu verschicken, jung und alt, dann würde ich sie zurückholen. Flyer drucken und Werbung – das macht es aus, Mr. Bodd. Meine gebildete Schreibweise lässt sie mir aus der Hand fressen, um einen Ausspruch Shakespeares zu gebrauchen. Ich bin, wie sie es nennen könnten, der Napoleon Bonaparte der Turfratgeber. Geist und Gehirn – das ist das Entscheidende. Ich habe sozusagen das zweite Gesicht, habe es immer schon gehabt. Ich musste als Junge deswegen sogar eine Brille tragen.« Mr. Bodd nagte nachdenklich an seiner Unterlippe. Er war ein Geschäftsmann und von daher ein schneller Denker.

»Ein paar Pfund hierhin oder dorthin machen für mich keinen Unterschied«, sagte er langsam. »Man muss säen, bevor man ernten kann. Wie wäre es, wenn Sie sich mit mir das Buchen teilen, Mr. Evans?«

Educated Evans konnte seinen Ohren kaum trauen.

»Keine große Sache – sagen wir drei Shilling pro Pfund«, sagte Bodd, immer noch völlig überlegt sprechend. »Ihre Glücksphase ist vorbei, Sie werden für eine lange Zeit keine Gewinner mehr bekannt geben – ich habe das Glück studiert und weiß mehr darum. Die meisten unserer Somer Town Ganoven wetten bei mir. Jener letzte große Sieger, den Sie noch hinausgeschickt haben, gab mir einen Ruck. Und es spielt wirklich keine große Rolle, ob Sie Sieger oder Verlierer hinausgeben – Sie können sich selbst dabei nicht wehtun. Jede Minute wird ein kleiner Wetter geboren. Und ich besorge die Finanzierung für die Werbung.«

Die unheilvolle Absicht des Mr. Issy Bold war klar erkennbar und Educated Evans fühlte, wie er blass wurde.

»Bringen Sie ein wirklich gutes Rundschreiben heraus«, fuhr Issy fort, »mit Bildern. Nichts zieht einen Wetter mehr an als Bilder. Besorgen Sie ein Foto von einem sprechenden Pferd. Diese Idee hatte ich schon vor langer Zeit. Nehmen Sie die Worte ‚Direkt aus dem Munde eines Pferdes!’ Verrückt? Glauben Sie das nicht! Die Hälfte der Leute, die auf ein Pferd wetten, haben noch nie eines gesehen – vor allem, seitdem es Motorwagen gibt. Ich und Harry Jolbing beherrschen den größten Teil des Straßengeschäftes in Camden Town und Harry hatte auch schlechte Zeiten zu bestehen.«

»Meinen Sie also, ich solle Verlierer rausschicken?«, fragte Evans mit dumpfer Stimme.

»Einen oder zwei«, antwortete der andere gelassen. »Sie verschicken ja sowieso Verlierer. Das ist bares Geld für Sie. Wenn Sie Ihre Sache gut machen, und bei Ihrer Bildung sollte das wohl gelingen – dann sollten wir einen guten Gewinn erzielen.«

Evans schüttelte den Kopf.

»Ich habe es einmal versucht, einem Kumpel die Loser zu geben«, sagte er, »sie haben alle gewonnen.«

»Sie könnten keinen Gewinner geben, selbst wenn Sie es versuchten«, sagte Mr. Bodd entschieden. »Ich weiß, was Glück ist.«

An diesem Abend saß Educated Evans in dem, was er Bibliothek nannte, und bereitete das Rundschreiben vor.

Er war Mieter eines einzigen Raumes über einer Werkstatt. Wenn er schlief, war dies sein Schlafzimmer; wenn er etwas aß, sein Esszimmer; aber wenn er schrieb, wurde der Raum zum Arbeitszimmer und zur Bibliothek.

Und das schrieb er hin:

DIREKT AUS DEM MUND DES PFERDES

Das hört sich zunächst einmal lächerlich an, wenn man nicht Bescheid weiß.

EDUCATED EVANS

(Weltweit führender Turf-Prophet)

Aber bei Educated Evans hat dieser Satz eine Bedeutung von höchster Wichtigkeit und Intelligenz!

Er bedeutet, dass er Vermögen und Kapital hat!

Er bedeutet, dass er mit geheimen Informationsquellen in Verbindung steht.

Er bedeutet, dass seine Späher und eine Armee von Spürnasen ein großartiges Turf – Geheimnis gelöst haben!

Was für ein Prachtexemplar!

Was für eine Schönheit!

Was für eine Schönheit!

DIE GRÖSSTE GELEGENHEIT DES JAHRES!

Holen Sie sich alles zurück, was Sie verloren haben!

Verdoppeln Sie Ihre Gewinne!

Vermindern Sie Ihren maximalen Einsatz!

In ähnlicher Weise ging es noch weiter. Mr. Issy Bodd half mit. Er hatte einen Freund, der einen Pferdekopf zeichnen konnte. Es war ein edler Kopf. Der Mund des stolzen Rosses war offen und aus seinem Innern kamen die Worte:

»Ich werde mit 10 : 1 gewinnen!«

Beim Anblick dieses Meisterwerkes waren Educated Evans’ Befürchtungen fast verschwunden.

Das Rundschreiben wurde an rund 2500 Leute verschickt. Die meisten Adressen wurden durch die Herren Bodd und Jolbing versorgt und die Worte »Vermindern Sie Ihren maximalen Einsatz« waren dick unterstrichen.

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