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Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil

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»Clelia, ich verdiene Euch nicht;« sagte erbittert auf sich selbst der Junker, stand auf und ging bewegt im Zimmer auf und nieder. »Ihr seyd wahrhaftig zu gut für einen tollen Jungen, der sich arg an Euch versündigt. Nicht genug, daß Ihr mir verzeiht, daß Ihr mir Euere Liebe schenkt – Ihr wollt auch duldsam und ergeben büßen für meine Thorheiten, für Sünden, die ich, die aber nicht Ihr begangen habt. O, ich erkenne Eueren ganzen Werth und meinen eigenen Unwerth! Aber ich will auch ein anderer werden, als ich bisher war. Ihr sollt sehen, daß ich den Leichtsinn hinter mir lasse und wenigstens strebe Euerer würdig zu werden.«

Der Entschluß, den er in diesem Augenblicke faßte, war in der That der erste Schritt zu seiner Besserung. Er wollte nicht nur Clelia während der Reise für seine Schwester gelten lassen, er wollte sie auch als eine solche halten, doch ohne die Vertraulichkeit eines Bruders gegen sie zu üben, immer in den Schranken der Ehrerbietung, die ihre Gesinnung ihm einflöste. Mit diesem Vorsatze reifte auch der Gedanke in seiner Seele, daß es unrecht von ihm gehandelt sey, Clelien noch länger auf dem trügerischen Elemente den Gefahren auszusetzen, welche dieses selbst und der lebhaft auf ihm geführte Krieg bot. Zu Land schien ihm die Reise weit sicherer. Waren auch an manchen Stellen feindliche Haufen vorgedrungen, so konnte man ja das voraus erfahren und seine Maßregeln darnach treffen. Cornelius kannte aus seinen früheren Feldzügen alle Wege und Stege. Er war mit allen Kriegslisten vertraut, er konnte darauf rechnen, an den meisten Orten, die der Landweg berührte, Bekannte zu finden. Aber auf dem Schiffe? Hier war ringsum eine Schranke gezogen, die niemand überschreiten konnte. Wer einmal in diesen Kreis gebannt war, der mußte jedem Geschicke stehen, das sich in seine Bahn warf. War es der entsetzliche Sturm, der verwüstend heranstürzt und Alles vernichtet, was sich ihm entgegenstellt, war es die furchtbare Wasserhose, die in ihren Wirbel Segel, Masten und Schiffe wüthend hineinreißt, war es ein übermächtiger Feind, der das unbedeutende Fahrzeug unter der Last seines Gewichtes verächtlich in die Nacht der Wogen hinabdrücken konnte! Freilich hätte der verwegene Muth des jungen Kriegsmannes allen diesen Dingen Hohn gesprochen, aber Clelia – Nein! Nein! Ihr Leben, ihre Ehre durfte nicht länger diesen Gefahren ausgesetzt bleiben.

Die Abenddämmerung fing schon an, das kleine Gemach in Schatten zu hüllen. Sie befanden sich nicht weit von der Festung Willemstadt. Wie Jansen schon früher geäußert hatte, sollte die Barke bei einigen einsam stehenden Häusern in der Nähe dieses Ortes anlegen und es stand dann einem jeden frei, die Nacht am Lande, oder an Bord des Fahrzeuges zuzubringen.

Cornelius eröffnete Clelien seine Absicht. Er that dieses auf eine zarte und ehrerbietige Weise, die von ihr sehr wohl aufgenommen wurde und welche ihn selbst in einem vortheilhaften Lichte erscheinen ließ.

»Wie Ihr es für gut findet, lieber Junker!« entgegnete traulich und ungezwungen das Mädchen. »Ich habe immer nur still in meinem väterlichen Hause gelebt und bin unbekannt mit den Regeln der Vorsicht, die man auf Reisen beobachten muß. Ich verlasse mich ganz auf Euch in dieser Angelegenheit und ich glaube, ich kann es auch jetzt.«

Ein freundlicher und liebevoller Blick begleitete diese Worte.

»Bei dem Degen des großen Marlborough!« rief feuerig der junge Mann: »ich wäre nicht werth, unter König Wilhelm gefochten zu haben, wenn ich jemals Euer Vertrauen wieder zu täuschen vermöchte. Ihr habt ganz über mich zu gebieten, wie über einen Diener, der Euch den vollkommensten Gehorsam schuldig ist. Ja, Clelia, ich will Euch durch meine Ehrfurcht, durch Gehorsam und Treue dahin bringen, daß Ihr vergessen sollt, wie ich einmal diese Gefühle außer Augen gesetzt und Euch tief gekränkt habe durch schmählichen Betrug! Ihr sollt in Cornelius van Daalen einen neuen Menschen kennen lernen, der von dem alten nichts übrig behalten hat, als eben das wenige Gute, was an ihm war. Ich glaubte glücklich zu werden durch jenen unbesonnenen Streich, aber wie sehr habe ich mich geirrt! Es gibt kein entsetzlicheres Gefühl, als das des eigenen Unwerths, das fort und fort am Herzen nagt.«

»Ihr müßt nicht so Viel denken!« tröstete gutmüthig lächelnd Clelia. »Sonst war ja das Denken Euch zuwider, wie unserer Philippintje der Schiwa; warum wollt Ihr Euch jetzt in quälende Gedanken versenken, die doch nichts bessern können?«

»Mich können und sollen sie bessern;« entgegnete Cornelius mit einem Ernst, der ihm seltsam anstand. »Ich habe ihnen nur zu oft und zu lange meine Seele verschlossen, ich habe die köstlichsten Gaben des Menschen von mir verbannt, um ganz den Thorheiten zu leben, die ich aus dem wilden Kriegstreiben mitheimgebracht.«

»Nein, nein!« bat Clelia. »Ihr dürft Euere heitere Laune nicht verbannen, sie muß uns die Beschwerden der Reise erleichtern, sie wird uns unvermerkt und freundlich an den Ort unserer Bestimmung führen. Und weil Ihr mich doch einmal zu Euerer Gebieterin erkoren habt,« setzte sie schalkhaft und bedeutungsvoll hinzu, »so befehle ich Euch hiermit, jeden düsteren, unangenehmen Gedanken von Euch fern zu halten und fortan als ein freundlicher Gesellschafter mir zur Seiten zu bleiben!«

Sie stand auf und näherte sich der Thüre. Cornelius betrachtete sie mit Blicken voll Entzücken. Das war dieselbe Clelia nicht mehr, die mit kindischer Blödigkeit durch die Straßen von Rotterdam zur Kirche geschritten, die, wie einem Bibelspruche, den Worten Glauben geschenkt, welche der Leichtsinn ihr vorgeplaudert, die nichts kannte als den engen Raum des Hauses, als den Weg zur Kirche und wieder zurück, die mit großer Wichtigkeit jede Kleinigkeit behandelt, ohne der Dinge eigentliche Bedeutung zu erkennen. Wie verständig, wie schonend, wie zart und liebevoll zugleich begegnete sie nicht ihm, der doch so schwer gegen sie gefehlt! Welche Selbstbeherrschung wußte sie über sich zu üben, mit welcher Güte suchte sie ihn zu trösten und zu erheben und wie schön, wie unvergleichlich und reizend stand ihr nicht Alles an, was sie sagte und that!

»Sie ist ein Engel!« rief er aus, als sie durch die Thüre verschwunden war. »Und ich – ich – o! ich will den Himmel zu erringen suchen, den sie nur allein bereiten kann!«

Er eilte ihr nach und erreichte sie noch, ehe sie das Verdeck betrat. Auf diesem hatte indessen Alles eine andere Gestalt gewonnen. Die kriegerischen Rüstungen waren verschwunden, das Bord war von Waffentrümmern und Blut gesäubert worden, die Verwundeten befanden sich unter sorgsamer Pflege im Raume: Alles hatte ein friedliches Ansehen, nur der drohende Besen prangte noch an der Spitze des Mastes.

Auf dem Vorder- und Hinterverdecke erblickte man Gruppen fröhlicher Seeleute. Jansen war ein strenger, aber dabei auch ein gutmüthiger und jovialer Befehlshaber. Seine Leute hatten sich gut gehalten, sie hatten ihm einen großen Dienst geleistet, indem die reiche, von ihm verbürgte Ladung vor dem Spanier gerettet worden war. Er wollte ihnen nun auch vergelten, er wollte ihnen einen lustigen Abend machen. Ein Fäßchen Genever ward ihnen preißgegeben, die Mundrationen an Käse und Häring wurden verdoppelt und Tabak erhielt ein jeder soviel, daß er auf mehrere Wochen hin genug hatte. Was konnte das Herz eines holländischen Matrosen mehr begehren? Die Seeleute überließen sich auch einer Freude, die sie ganz aus der Ruhe und Stille, welche auf holländischen Schiffen gewöhnlich herrscht, herausriß. Sie scherzten und lachten, sie sangen allerlei Spottlieder auf die spanischen Dons, Volksgesänge, die damals im Gebrauche und in den Niederlanden allgemein verbreitet waren.

Als Cornelius auf dem Verdeck erschien, ward ihm von den Matrosen, die in einem Kreise am Vordertheile versammelt waren, ein lautes Vivat gebracht. Alle stürmten auf ihn zu. Er mußte mit jedem trinken, aber er nippte von dem Inhalte der dargebotenen Gläser nur zum Scheine und um keinen der fröhlichen Seeleute durch eine Weigerung zu kränken.

»Ein wackerer Junge!« rief der eine. »Er hat die Syrene gerettet. Ohne ihn hingen wir dem Spagnol im Schlepptau!«

»Schade, daß er kein Seehund ist!« schrie ein anderer. »Er würde das Meer rein halten von spanischen Don’s und französischen Mosje’s!«

»Er ist so tapfer, wie seine Schwester schön ist;« jubelte ein dritter, der dem Genever etwas mehr zugesprochen hatte, als seine Cameraden. »Auch seine Schwester soll leben!«

»Hoch!« stimmten die Uebrigen ein. Clelia wandte sich erröthend ab und ging mit dem Junker nach dem Platz am Steuerruder, wohin Jansens mächtige Stimme sie rief.

»Backbord und Bramsegel! Da ist unser unzertrennliches Geschwisterpaar;« empfing er sie in spöttischem Tone. »Der Held des Tages erscheint und die Heldin, denn ich wette zehn holländische Linienschiffe gegen ein Treekschujt, ohne die Schwester hätten wir uns noch mit dem Hidalgo herumbalgen können, bis mit Gotteshülfe der Kutter herbeigekommen wäre, um uns Beistand zu bringen! Kommt! Setzt Euch zu uns! Beckje hat einen warmen Würzwein gebraut, der sich wohl trinken läßt auf solche Arbeit und an Neuigkeiten zur Unterhaltung wird’s auch nicht fehlen.«

Clelia war in einem so hohen Grade betroffen über den Anblick, den die hier befindliche Gesellschaft gewährte, daß sie von Jansens Rede wenig vernahm. Beckje saß recht behaglich auf der Bank neben ihrem Manne und – rauchte ihr Pfeifchen mit dem Anstande einer Raucherin, die längst die ersten Beschwerden dieses Vergnügens überwunden und das Lehrgeld der edeln Kunst abgetragen hat, nun aber sie in ihrem ganzen Umfange, in allen ihren Feinheiten zu würdigen und zu genießen versteht. Sie dampfte mit Jansen und dem Bootsmanne Herrmanneke, der auf der anderen Seite neben ihr saß, um die Wette. So wenig Jungfrau van Vlieten diesen Genuß dem zarten Geschlechte angemessen hielt, so war ihr doch recht wohl bekannt, daß viele Frauen in Holland, die durch ihren Beruf meistens im Freien beschäftigt sind, sich so an ihr Pfeifchen gewöhnen, daß es ihnen oft werther ist, als selbst der sonst so sehr beliebte Thee. Deshalb mochte sie auch der Frau des Capitäns nicht grollen über die Uebung einer Neigung, die ihr auch gut anstand und die sie mit vieler Zierlichkeit zu treiben wußte. Aber Clelia traute kaum ihren Augen, als sie auch Philippintje in einer recht traulichen und hingebenden Stellung neben dem Bootsmanne erblickte, ein großes Glas mit dampfendem Würzwein vor sich und zwischen den ängstlich zusammengekniffenen Lippen – ein dampfendes Stummelchen. Sie hatte das Gesicht widerwärtig verzogen, als kämpfe sie zwischen ihrem Willen und dem Uebelgeschmack der ungewohnten Sache. Sie wollte diesen aber mit Gewalt verbergen und der Zwang, den sie sich anthat, eine Behaglichkeit zu zeigen, die in diesen Augenblicken ihr ganz fremd war, gab ihr ein höchst lächerliches Ansehen. Sie schien übrigens gar nicht bestürzt, von ihrer jungen Gebieterin in dieser Beschäftigung betroffen zu werden. Sie sah sie so keck und sicher an, daß Clelia wohl ahnete, es müsse hinter dieser Gemüthsruhe noch etwas anderes stecken, als der bloße Weinmuth.

 

»Holland und England!« rief mit einem lauten Gelächter Junker Cornelius, indem er zu Philippintje trat. »Ihr raucht ja wie die spanische Schebecke, ehe sie gen Himmel fuhr! Nehmt Euch in acht! Wer das Kräutlein noch nicht kennt, soll nicht mit ihm scherzen. Die erste Bekanntschaft führt immer ihr Unangenehmes mit sich.«

»Stört mir das liebe Kind nicht!« legte sich Beckje eifrig dazwischen. »Sie weiß wohl, was sie thut und warum sie es thut. Auch hat sie schon treffliche Anlagen gezeigt und bis morgen – dafür ist mir gar nicht bange – hält sie mit Herrmanneke gleichen Schritt, der den ganzen Tag über an seinem Stummel kauet und den Schlaf nur deshalb nicht leiden kann, weil er sich mit dem Rauchen nicht verträgt.«

»Man muß sich an Alles gewöhnen!« sagte mit erzwungener Ruhe Philippintje, während eine leichte Blässe über ihre gefurchten Wangen flog. »Man weiß nicht, wo man es nöthig hat und wenn man es einmal kann, so braucht man wenigstens nicht zurückzustehen in einer guten Gesellschaft, wie die hier gegenwärtige.«

Mit einem tüchtigen Schlucke des dampfenden Getränkes suchte sie alle häßlichen Empfindungen, die sich ihr vorübergehend aufdrängten, hinabzuspülen. Der Bootsmann nickte ihr vertraulich und ermunternd zu. Es schien sich zwischen beiden ein Verständniß entsponnen zu haben, das Clelien neu war und das sie sich noch nicht erklären konnte.

»Du wirst dich krank machen, Philippintje;« sagte in gutmüthig ermahnendem Tone die Jungfrau. »Leg’ die Pfeife weg! Für dich ist das Rauchen eine überflüßige Sache und im Hause meines Vaters würde dir es auf keine Weise gestattet werden.«

»Versuche es nur selbst einmal, Clötje!« erwiederte Philippintje und bot der abwehrenden Herrin die Pfeife dar. »Es ist etwas Köstliches. Es prickelt und pizgelt so angenehm auf der Zunge, daß ich es mit nichts vergleichen kann. Nur einen Zug, Clötje, und du wirst ganz anders sprechen.«

Clelia wandte sich mit Widerwillen zur Seite.

»Du magst nicht?« fuhr Philippintje fort. »Auch gut! Ich will dich nicht zwingen. Wenn du aber meinst, daß ich das Rauchen nicht nöthig hätte, so lebst du in einem großen Irrthume. Auch ist es ein löblicher und christlicher Gebrauch, denn unser Domine in Rotterdam raucht auch und noch dazu aus einer Pfeife, so groß wie eine Theekanne. Freilich würde in deines Vaters Hause der Tabaksrauch die Vorhänge schwärzen, die schöne weiße Wäsche verderben und dem hochmögenden Heern selbst wohl zur Last fallen; aber mein Haus wird in Zukunft ein anderes seyn. In freier Luft, zwischen Himmel und Wasser werde ich leben, das Steuerbord wird meine Küche, das Backbord mein Kämmerlein seyn. Ich werde keinen Caffee mehr brennen, keinen Zucker mehr stoßen, keine Rosinen mehr belesen. Alle diese Kleinigkeiten bleiben mir fern; nur die herrlichen Meereswogen werden mich umrauschen, der Sturm wird über mein Haupt hintoben – aber das ist mir Alles nur Spaß, das gilt mir jetzt nicht mehr, wie das Gebroddel im Theekessel, wenn das Wasser kocht. Vivat das Seeleben!«

Clelia stand erstarrt. Die Begeisterung, zu der Philippintje erhoben war, konnte nichts anderes, als eine Folge des reichlichen Genusses von Beckje’s geistigem Getränk seyn. Sie entwickelte Ansichten und eine Lebendigkeit, die bisher bei ihr geschlummert hatten. Jansens und seiner Frau heimliches und bedeutungsvolles Lachen ließen Cornelius vermuthen, daß irgend ein seltsames Geheimniß hinter der ganzen Sache verborgen sey. Nur Herrmanneke bewahrte seinen Gleichmuth, sah ernsthaft vor sich hin und ließ im Uebrigen seinem Glase Gerechtigkeit widerfahren.

»Rauchen muß sie, wenn ich sie heirathen soll!« begann jetzt der Bootsmann mit fester und ruhiger Stimme. »Was hilft mir aller Caffee, aller Zucker, aller Thee und selbst die Fäßlein Genever, die sie, wie sie sagt, ihrem Heern verschlampt hat, wenn sie nicht mit mir eine Pfeife rauchen kann und wenn ich sie nicht vom Dampfe verschönert sehe, der wie ein Schleier um ihr Antlitz schwebt und die Runzeln unkenntlich macht. Ja, sie muß rauchen! Hundert Dukaten jährlichen Einkommens fallen ihr einmal heim, wie sie versichert, aber an dem Gelde ist mir nichts gelegen, denn ich lebe und sterbe am Borde der Syrene mit dem Stummel im Munde. Mann und Weib sind ein Leib; deshalb muß sie rauchen. Ich habe ihr die Ehe versprochen und ihr einen halben Ruyter auf die Hand gegeben gegen einen silbernen Reif, den sie mir verehrt; aber Alles unter der Bedingung, daß sie Tabak raucht und gleich im Augenblicke anfängt zur Probe. Sie hat es rechtschaffen gethan und Blixen! es soll ihr gut gehen, als eines Bootsmanns Frau, wenn sie gut raucht.«

»So ist es, mein Clötje!« bestätigte die liebenswürdige Braut Herrmanneke’s, indem sie von Neuem die Pfeife zu den bleichen, zuckenden Lippen führte, die sie einige Augenblicke lang hatte ruhen lassen. »Ich bin noch früher in den lieben Brautstand gekommen, als du, Kind, und das ist nicht mehr als recht und billig, da ich einige Jahre älter bin. Aber sey nicht traurig deshalb, Clötje! Auch dich wird die Reihe treffen und wir Beide werden dann glücklich seyn, du zu Land und ich zu Wasser. Habe ich ihm denn widerstehen können, dem Schalk von Bootsmann, wie Ihr ihn da seht? O, er besitzt Ueberredungskünste, mit denen er nur zu leicht ein unerfahrenes Mädchenherz bezwingt! Und dann – ach, Clötje! Gott hat ihn gezeichnet, aber nicht zum Bösen sondern zum Guten. Er hat ihn gezeichnet mit der Gestalt, mit den Gebehrden und den Gesichtszügen meines seligen Balthasar! Es war mir als kehre dieser aus dem Grabe zurück und begehre die Liebe, die ich ihm gelobt. Und das Rauchen! Hat denn nicht der liebe Balthasar auch seine Pfeife geliebt und den amerikanischen Canaster, den ich ihm aus des Heern Gewölbe oft zugesteckt, wie sein Leben? Wer kann für sein Herz, Seelen-Clötje? Es ist ein schwaches und wankelmüthiges Ding, wie schon die Schrift sagt und die Schrift Lügen strafen, wäre sündlich! Habe ich nun die ersten Tage meiner Jugend als Jungfrau Philippintje in Ehren verlebt, so will ich nun die schönste Zeit meines Lebens als Frau Bootsmann auf der Syrene genießen.«

»Aber Philippintje,« flüsterte Clelia, die hinter sie getreten war, ihr in’s Ohr, »denkst du denn gar nicht mehr an mich, an meine Lage, an mein Verhältniß mit Junker Cornelius, an dein Versprechen uns zu begleiten zu der Muhme und dort das Weitere zu erwarten?«

»Ja, ja! Ich erinnere mich wohl!« entgegnete die glückliche Braut und blies eine dicke Dampfwolke vor sich hin. »Umstände verändern die Sache. Ich hatte Unrecht, so etwas zu versprechen, denn der Mensch steht in Gottes Hand und soll nicht eigenmächtig über sich verfügen; ich würde noch größeres Unrecht haben, wenn ich ein so sündiges Versprechen halten wollte. Führe mich nicht in Versuchung, Clötje! Du warst sonst immer ein frommes Kind und wirst deiner Herzensfreundin nichts Schlechtes zumuthen wollen. Weißt du was, Kind? Heirathe du deinen Bruder, den Junker Cornelius: dann ist uns allen geholfen!«

Erglühend trat Clelia zurück und wandte ihr Gesicht ab, indem sie auf das Ufer mit den gastlichen Wohnungen blickte, dem sich die Barke näherte. Beckje und Jansen hatten sich bei Philippintje’s unbedachtsamer Aeußerung bedeutungsvolle Blicke zugeworfen, als sähen sie nun bestätigt, was sie bereits geahnt.

»Philippintje,« sagte jetzt Cornelius, der Clelias Stelle hinter dem Sitze der schmauchenden Hausjungfer eingenommen hatte, mit erbittertem und verbissenem Tone: »Ihr kennt unsern Vertrag. Hundert Dukaten jährlich auf Lebenslang, wenn Ihr bei uns bleibt, bis alles geschlichtet ist, zwischen uns und Heern Tobias; keinen Deut, wenn Ihr früher uns verlaßt!«

»Was frag’ ich viel nach Geld und Gut, wenn ich zufrieden bin!« erwiederte das Mädchen und trank einmal dazu. »Behaltet Euere Dukaten und ich behalte meinen Bootsmann. Herrmanneke macht sich nichts aus dem Gelde, wie Ihr selbst gehört habt, und mir geht jetzt seine Liebe über Alles. Ja, das eigentliche Leben soll nun erst recht anfangen! In der Küche und in der Rauchkammer ist meines Bleibens nicht mehr, ich muß hinaus in die frohe, weite Welt. Niemand soll mich davon abhalten und gegen Gewalt wird mich mein Bootsmann schützen.«

»Das wird er!« versicherte Herrmanneke, indem er die geballte Rechte drohend vor sich hinstreckte und mit der Linken an das Messer in seinem Gürtel griff. »Wenn sie raucht und mich haben will, so sollen sie tausend Teufel nicht von mir losreißen. Galgen und Rad schneide ich dem ins Gesicht, der sich dagegen auflehnt und trüge er einen Bratspieß an der Seite, so lang wie die große Raa eines Dreideckers, und wäre er noch dazu der beste Freund meines Capitäns! Abspenstig lasse ich mir meine Braut nicht machen, notabene: wenn sie raucht.«

In diesem Augenblicke stieß die Barke an’s Land. Es war völlig dämmerig geworden. Aus den Häusern am Ufer schimmerten freundliche Lichter herüber. Auch schien es ziemlich lustig dort herzugehen. In einer der Wohnungen, die am Hellsten erleuchtet war, ertönte Musik: eine Sackpfeife und eine Geige, die sich in den schreiendsten Mißlauten zu überbieten suchten. Am Strande war Niemand zu sehen. Irgend ein Ereigniß im Innern ihrer Häuser mochte den Bewohnern in diesem Augenblicke wichtiger erscheinen, als die Ankunft eines Fahrzeuges, das sie schon oft bei sich gesehen hatten und dessen Mannschaft ihnen genau bekannt war.

Jenes Haus, aus welchem die Musik herüberschallte, wurde dem fragenden Cornelius von Jansen als das bezeichnet, wo er Bewirthung und Nachtlager finden könne.

»Beckje, ich und meine Leute, wir bleiben an Bord,« setzte der Capitän hinzu. »Wir sind das so gewohnt und überdem müssen wir jetzt noch besonders auf unserer Hut seyn. Morgen früh um sechs Uhr werden die Anker gelichtet, die Böller geben das Zeichen und wer dann nicht an Bord ist, der bleibt am Lande: so will es die Schiffsregel. Gute Nacht, Cornelius

Dieser war schon Clelien nachgeeilt. Das Mädchen empfand eine besondere Sehnsucht, den festen Boden zu betreten und in der gewohnten Umgebung häuslicher Gegenstände sich von den Abentheuern des Tages zu sammeln und zu erholen. Sie stand dicht am Rande des Schiffes, der das Ufer berührte. Cornelius hatte sie erreicht und ergriff ihren Arm, um ihr an’s Land zu helfen.

»Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!« rief da Philippintje’s Jammerstimme. »Ist das recht und fromm von dir gehandelt, Clötje, daß du Diejenige, die Mutterstelle bei dir vertreten hat, zurücklassen willst, wenn du zu Musik und Freude gehest? Warte nur, Kind! Ich komme schon, ich komme.«

Sie warf dem überraschten Bootsmann die Pfeife hin und stand eilig auf. Aber das Schiff, Himmel, Wasser und Land dreheten sich um sie in wirbelnden Kreisen. Vor ihren Augen flammten Blitze auf, sie durchzuckten schmerzhaft ihr Haupt, sie verwirrten sie, so daß sie kaum wußte, wohin sie ihre Schritte richten sollte. Wie das Hohngelächter höllischer Geister tönte ihr dazwischen der Spott Jansens und Beckje’s in die Ohren, die ihren Zustand erkannten und eine Lust daran fanden, die bei Leuten ihres Gewerbes wohl zu entschuldigen war. Dem entsetzlichen Schiwa gleich starrte Herrmanneke’s Angesicht aus einer dicken Rauchwolke ihr entgegen. Taumelnd entfloh sie. Sie griff sich an dem Schiffsgeländer fort bis zu dem Junker van Daalen hin. Diesem, der eben Clelien an’s Land gehoben hatte, sank sie in die Arme.

 

»Die nehme ich nicht!« sprach ganz ruhig der Bootsmann hinter ihr her. »Sie lernt das Rauchen nimmermehr. Der Tabak verträgt sich nicht mit ihrer Natur und eine so bejahrte Natur läßt sich nicht zwingen.«

Indessen hatte sich Philippintje, von tödtlicher Beängstigung ergriffen, fest an Cornelius geklammert. Ihr Antlitz brannte in Fiebergluth, sie zitterte an allen Gliedern.

»O nehmt mich mit, Herzensjunker!« flehete sie. »Ich bin elend, ich bin krank, der Tod sitzt mir schon auf der Zunge und ich fühle es, ich überlebe die Nacht nicht! Ihr habt mich fortgelockt aus dem Hause, wo alle Herrlichkeiten der Welt, Caffee, Zucker, Thee und Rosinen mir im Ueberflusse zu Gebote standen, Ihr müßt nun auch für mich sorgen und mir ein ruhiges Sterbestündlein bereiten, mit dem Siechentröster, und ein ehrliches Begräbniß mit dem schwarzbeflorten Ansprecher1 und dem stattlichen Leichenkonducte. Auf einmal ist mir’s an’s Herz geschossen eiskalt und in den Kopf siedend heiß und ich weiß nun, daß es aus ist und ich bald Rechenschaft geben muß von jedem Stückchen Canel, von jedem Loth Zucker, von allen Dingen, die ich dem hochmögenden Heern Tobias van Vlieten ungetreu vertragen. Und wie wird’s mir gehen, wenn die Rede kommt auf den gottlosen Schiwa, daß ich ihn alle Sonnabende gewaschen und gebürstet habe? Aber, nein! Das fällt mir nicht zur Last, das war im Herrendienste und der geht vor Gottesdienst.«

Cornelius sah ein, daß Philippintje auf dem Wege war, in einer freilich schmerzhaften und quälenden Weise, von ihrer Verirrung geheilt zu werden. Es mußte ihm viel daran gelegen seyn, sie als Cleliens Gesellschafterin beizubehalten. Er war überzeugt, daß sie, wenn sie wieder völlig Herrin ihrer Besinnung geworden, ihren Vortheil zu sehr in Anschlag bringen werde, um noch weiter an die tolle Heirath mit Herrmanneke zu denken. Rasch schwang er die Jammernde auf seinen Arm und schritt, von der unbedeutenden Last wenig gehemmt, Clelien nach, die indessen sich den hell erleuchteten Häusern genähert hatte.

»Sie ist krank,« sagte er in gedämpftem Tone zu der erschreckenden Geliebten: »aber es wird vorübergehen und keine schlimmen, sondern für uns die besten Folgen haben.«

»Ja, Clötje, mein Kind, ich bin elend zum Sterben;« wimmerte Philippintje von Cornelius Schulter herab. »Die Strafe folgt der Sünde auf dem Fuße und ich muß nun sterben an der Pfeife Tabak, die ich dem verführerischen Bootsmann zu Gefallen geraucht. Aber verlaß mich nicht in meiner letzten Stunde! Denke daran zurück, wie ich deiner gepflegt, als du im Scharlachfieber und in den Blattern lagst, wie ich Tag und Nacht bei dir hingebracht und jeder Bissen, den du genossest, jeder Trunk, der dir Kühlung brachte, durch meine Hand gegangen ist. Gehe auch mit zu meiner Leiche, Kind! Lege mir einen Kranz von weißen Blumen auf das Grab, wie er mir gebührt, als einer heimgegangenen Jungfrau.«

Clelia, in deren Seele sich mitleidige Theilnahme in einem hohen Grade regte, wollte die Bedrängte trösten, aber diese hörte nicht darauf. Ihre Klage verlor sich in ein unartikulirtes Weinen, das nur durch einzelne Ausrufungen ohne besondere Bedeutung gestört wurde. Sie rührte sich nicht, sie schien aller Herrschaft über ihre Glieder beraubt.

Als die Reisenden das Haus betraten, nach dem sie Jansen hingewiesen hatte, fanden sie den Hausflur festlich geschmückt. Es glänzte Alles von Reinlichkeit, der rothe Backsteinboden war mit farbigem Sand in allerlei zierlichen Figuren bestreut, an den Wänden hingen Kränze von künstlichen Blumen aus buntem Papier geschnitten, zwischen diesen Schildereien von unterschiedenem Werthe.

Die Musik tönte aus der Küche, die in vielen Häusern auf dem Lande auch zugleich das Prunkgemach ist, in dem man die Gäste empfängt. Cornelius und Clelia waren zu vertraut mit den Gewohnheiten ihres Vaterlandes, um nicht sogleich den Zweck der nahe an der Hausthüre aufgestellten großen Filzschuhe zu erkennen und sie über die ihrigen zu ziehen, damit der saubere Hausgang und der Porzellanboden der Küche, in der sie nun die Hausfrau aufsuchen mußten, nicht befleckt würden.

Es ging sehr lustig her in der Küche, nämlich in so weit es die holländischen Anstandsregeln erlaubten. Vor dem blankstrahlenden Heerdte thronte auf einem erhabenem Sitze die Wirthin des Hauses, eine Frau von mittlerem Alter, die mit unerschütterlicher Gemüthsruhe in die Tasse Thee blickte, die eben die eine Hand zum Munde führte, während die andere eine Butterschnitte mit geräuchertem Stockfisch hielt. Ihre Stirn wurde von einer ungeheueren Spitzenhaube beschattet, bis zum Halse steckte sie in der reichbeblumten Calamankjacke, deren mächtige Schöße weit über die Kniee hinabreichten. In ähnlicher Beschäftigung und Haltung saßen in einem Halbkreise ihre Freundinnen und Nachbarinnen ihr zur Seite. Alle sahen starr in die dampfenden Theetassen und auf den duftenden Stockfisch des Butterbrotes. Nur zeichneten sich die Gäste von der Hausfrau dadurch aus, daß sie sämmtlich die großen schwarzen Regentücher, deren Zipfel den Boden berührten, um den Kopf geschlungen hatten, welche die Holländerinnen auf dem Lande, sobald sie nur die Schwelle ihrer Wohnungen übertreten, bei Sonnenschein und Schneegestöber, bei Windstille und Sturm, nicht verlassen. Im Uebrigen schien sich die ganze Gesellschaft sehr behaglich zu fühlen. Keiner der Theetrinkenden fehlte das beliebte, sanft von unten erwärmende Feuerstövchen und jede hatte zu gelegentlicher Dienstleistung das zierliche Quispeldöschen neben sich. Es war eine Gesellschaft von Freundinnen im höchsten Grade der geselligen Freude: keine sprach ein Wort, aber alle Bedürfnisse holländischer Bequemlichkeit waren befriedigt und das blank gescheuerte, funkelnde und strahlende Messing- und Kupfergeschirr, der glänzende Reichthum des englischen Zinns, des japanischen Porzellans in den gebohnten Glasschränken erquickte noch überdem die Augen der versammelten Frauen, wenn sie diese einmal von der Theetasse und vom Stockfische aufschlugen. Je weniger aber die Gesellschaft sich laut machte, desto mehr glaubten die zwei Musikanten für eine lärmende Unterhaltung sorgen zu müssen. Der Dudelsackbläser, eine hagere bleiche Figur, schien die letzten Odemzüge aufwenden zu wollen, um durch seine melodischen Töne über die schwer zu erschütternden Herzen seiner Zuhörerinnen zu siegen. Der Geiger, noch kleiner und hagerer, rang mit ihm um den Preis des Sieges. Beide saßen in einem Winkel der Küche auf einer umgestürzten Tonne und hatten einen ungeheueren Bierkrug zwischen sich.

Wenn der Zweck, der diese muntere Gesellschaft hier vereinigt hatte, nicht durch sie selbst und ihre Aeusserungen klar wurde, so befand sich doch ein Gegenstand in der Küche, der jedem Eingebornen sogleich einen vollständigen Aufschluß gab. Es war nämlich Kuh-Visite bei der gastfreien Wirthin und die geschlachtete, ausgeweidete, zierlich mit Bändern und goldpapiernen Blumen geschmückte Dulderin, die den Bedürfnissen des nahenden Winters zum Opfer gefallen war, hing an einem eigenen Gestelle von hell polirtem Nußbaumholz der Hausfrau gerade gegenüber, so daß sie von allen Anwesenden fortwährend angeschaut und bewundert werden konnte. Sie hatte das treue Haupt nach ihrer ehemaligen Herrin hingewendet und sah diese aus den lichtlosen Augenhöhlen ebenso geistreich an, wie sie wiederum von ihr in einzelnen Augenblicken der Trennung von Thee und Stockfisch, angeblickt wurde. Es lag wirklich etwas Rührendes in dem Umtausche dieser Blicke. Beide waren gewiß Herzensfreundinnen gewesen, aber das unerbittliche Schicksal hatte geboten und die eine mußte fallen, wenn auch nicht unter der Hand der Freundin, doch unter ihren Augen und auf ihr Geheiß.

1Aanspreeker. Dieser ladet die Gäste zum Leichenbegängnisse ein und führt den feierlichen Zug an.

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