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Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil

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Sie hielt die glänzende Gabe ans Licht, betrachtete sie mit lüsternen Blicken und fragte endlich im Tone des Zweifels:

»Ist’s gut Gold, lieber Junker? Man muß doch wissen, was man trägt von so werther Hand.«

»Gewiß!« betheuerte La Paix. »Aecht Peruanisches! Mein Großvater hat es selbst aus Amerika mitgebracht. O, glaubt mir, himmlische Juliane, so lauter und stark, wie dieses Metall, ist die Liebe, die ich zu Euch im Herzen trage!«

»Charmant!« versetzte die himmlische Juliane, indem sie die schöne Kette mit dem Schaustück behaglich in ihr Mieder schob. »Aber laßt uns Eins würfeln, Herzensjunker! Blos zum Scherz, einen Gulden den Einsatz und wer zuletzt gewonnen hat, der lacht den andern aus! Ich würfle für mein Leben gern. Die Stunden verfliegen, wie Minuten, und das Spiel versetzt in eine so angenehme Spannung, die ich mit Nichts in der Welt vergleichen kann. Kommt her! Da ist mein Satz. Die Sache wird bald abgethan seyn, denn viel darf ich nicht wagen, weil mich der Vater sehr knapp hält im Gelde.«

Sie schüttete ihr kleines Börs’chen auf dem Tische aus. Was hätte La Paix in dem Zustande der Liebe und halber Trunkenheit, in dem er sich befand, dem verführerischen Mädchen abschlagen können? Er setzte und verlor rasch hintereinander. Sie neckte ihn mit seinem Verluste und meinte, er sey nicht stärker im Spielen, wie im Trinken. Diese Neckerei reizte den jungen Mann, der ganz aus seinem gewöhnlichen Geleis gekommen war, immer mehr. Die Sätze wurden verdoppelt, das Glück blieb Julianen getreu. Während des Spiels unterhielt sie ihn mit kurzweiligen Reden, nannte ihn bald ihren Herzensjunker, bald ihr liebstes Studentchen, und ihre freundlichen Blicke verwirrten ihn noch überdem so sehr, daß er gar nicht bemerkte, wie ihr kleiner Finger oft auf den Tisch huschte, einen ihr ungünstigen Wurf in einen günstigen verwandelnd, und wie sie zuletzt sogar ganz andere Würfel unter dem Tischchen hervorbrachte und mit diesen gegen ihn und die schon vorhandenen spielte. Es war noch keine halbe Stunde vergangen, als der letzte Gulden aus des Studenten Börse zu ihr hinüberflog und dieser den leeren Beutel verlegen vor sich hinhielt.

Aber das laute Gelächter, das Juliane, indem sie aufstand, erschallen ließ, brachte ihn einigermaßen zur Besinnung. Der dumme Streich, den er gemacht hatte, wurde ihm klar; allein noch ließ ihn die Liebe nicht aus ihren Schlingen.

»Herrliches Mädchen!« rief er aus und schritt ihr mit geöffneten Armen nach: »Alles was ich besitze gehört Euch, aber nehmt auch mein Herz an und laßt unsere Lippen diesen süßen Bund besiegeln!«

Da veränderte sich mit einemmale Julianens ganzes Wesen. Ihre Blicke wurden finster, ihre Züge streng und ernst, sie sah den Jüngling von oben bis unten mit einer geringschätzigen Miene an und sagte wegwerfend:

»Was fällt Euch ein, Junker? Ihr müßt wohl wenig mit ehrsamen Jungfrauen umgegangen seyn, daß Ihr eine Freundlichkeit, wie sie das gesellige Leben mit sich bringt, für eine Aufmunterung zu unanständiger Aufdringlichkeit nehmt. Ich habe Euch Höflichkeit erwiesen und dafür gebt Ihr mir Schimpf zurück. Ich dürfte das meinem Vater entdecken und er würde diese Beleidigung auf eine Weise bestrafen, die Euer unerlaubtes Liebesfeuer wohl abkühlen sollte! Doch ich will großmüthig seyn. Ich verzeihe Euch, Euere große Jugend mag Euch entschuldigen! Wenn Ihr einmal aus den Knabenjahren heraus seyd, dann wird ein tugendhaftes Mädchen wohl eher, ohne Gefahr für ihre Ehre, bei Euch verweilen können.«

Die himmlische Juliane warf noch einen durchbohrenden Blick auf den betretenen La Paix. Dann rauschte sie schnellen Schrittes aus dem Closett, die Treppe hinauf nach dem Verdeck hin. Der Student sah ihr dumm nach. Endlich erst begriff er – zu spät – die ganze Größe seiner Albernheit. Er sah ein, daß er in das Netz einer listigen Betrügerin gefallen sey, daß er, der sonst so weise und besonnene La Paix – einen Gimpelstreich begangen habe, vor dem sich selbst der so oft getadelte Le Vaillant zu hüten gewußt haben würde. Er hatte Alles verspielt bis auf den letzten Heller, das immer so treu bewahrte Angedenken seiner Mutter war auch dahin und – was hatte er dafür? Ein hölzernes Büchschen, das stark nach Moschus und Wachholder roch. Ingrimmig riß er es hervor, schleuderte es zu Boden und zertrat es.

»Mußte ich darum Latein und Griechisch lernen, Philologie und Physiologie studiren, Anatomie und Medecin treiben, um mich auf eine so bejammernswürdige Weise anführen zu lassen?« rief er gegen sich selbst erbittert aus. »Wenn Le Vaillant die Sache merkt, wie wird er triumphiren! Doch Ruhe, La Paix, Fassung, Frieden! Es ist nicht das erstemal, daß dir die Moneten ausgingen. Ein braver Bursch verzagt nicht!«

Der Rausch von Liebe und Rosoli war verflogen. Er ging gefaßt auf das Verdeck. Sein Antlitz zeigte Ruhe und Heiterkeit. Er warf nur einen Seitenblick auf Juliane, die jetzt neben Le Vaillant am Vordertheile des Schiffes stand und diesen ebenso freundlich anlockend beäugelte und besprach, wie sie es früher ihm selbst gemacht hatte. Le Vaillant aber blickte noch immer verdrießlich und gab ihr kurze Antworten.

»Den will sie auch kirren!« sagte La Paix zu sich selbst. »Ich werde ihr aber den Spaß verderben. Französisch versteht die Schlange, aber jetzt soll mir mein Latein helfen, wenn es mir auch gegen ihre Künste nichts genützt hat.«

Der lustige Freier von Rotterdam befand sich jetzt zwischen den Inseln des Biesbosches und Capitän Jonas hatte mit dem Auswerfen des Senkbleies, mit mancherlei Wendungen des Schiffes, um den Untiefen zu entgehen, so Viel zu thun, daß er nicht auf das Töchterlein achten konnte, wenn er es überhaupt auch für Noth gehalten hätte.

Mit freiem Anstande und ungetrübter Stirn trat La Paix zu seinem Freunde, der eben anfing durch Julianens fortgesetzte Freundlichkeit erwärmt zu werden und seine auf dem Geländer ruhende Hand dicht neben die ihrige gerückt hatte. Die listige Gaunerin schien betroffen über seine Gegenwart und sein unbefangenes Wesen. Nach einem Augenblicke aber lächelte sie zu ihm hin, als wenn nichts vorgefallen wäre. Die goldene Kette prangte an ihrem Halse und La Paix mußte einen Seufzer über seine Thorheit, dieses Kleinod an eine Unwürdige verschleudert zu haben, unterdrücken. Mit wenigen Worten hatte er dem staunenden Le Vaillant seine Abentheuer berichtet. Dieser verschluckte ein Cadédis, das ihm auf der Zunge schwebte. Dann besann er sich einen Moment, sah bedeutungsvoll nach seinem Cameraden und wandte sich nun mit einer sehr höflichen Gebehrde zu Julianen, die vergebens bemüht gewesen, etwas von der französisch klingenden Mittheilung zu verstehen.

»Prangende Schönheit, deren Reize des Aeußern noch weit übertroffen werden von denen des Innern,« begann er in einem ernsten und ehrerbietigen Tone, hinter dem sich aber der Spott schlecht versteckte: »wie ich so eben vernehme, so liebt Ihr ein kurzweiliges Spiel und seyd auch nebenbei dem Rosoli nicht abhold! Sandis! Das sind auch eben meine Passionen und ich habe bis jetzt vergebens versucht, sie auch meinem Freunde da werth und theuer zu machen. Der Rosoli bringt ihn herunter, aber er nicht jenen. Das Spiel kann ihn nur ergötzen, wenn er verliert, weil er so gar mildthätig ist und lieber gibt, denn nimmt. Ihr seht, wie ihm die Freude über seinen Verlust die Wange geröthet hat, wie er noch einmal so heiter in die Welt blickt, als früher, da er noch nicht verloren hatte! Ihr habt ihn glücklich gemacht, aber mich unglücklich! Nach jenem Kettlein mit der Schaumünze, die nur eine schlechte Zierde Euerer vortrefflichen Person ist, stand schon lange mein Gelüst. Cadédis! Ich habe ihm Geld, ich habe Alles geboten für dieses Kleinod. Jetzt besitzt Ihr es. Aber hört noch, Dame sonder Gleichen! Seht diesen Diamant an meinem Finger! Ich setze ihn gegen die Kette mit dem Schaustück, wir spielen d’rum und wem Fortuna wohl will, dem wird Beides!«

Die Blicke der Dame sonder Gleichen ruheten mit großer Begehrlichkeit auf dem köstlichen Ringe. Die Strahlen des Diamants drangen bis in ihr Herz: er hatte gewiß den vierfachen Werth der Kette und des Schaustücks. Wie herrlich mußte er sich nicht an Julianens zarter Hand ausnehmen? Ein solches Kleinod besaß sie noch gar nicht. Sie konnte dem lockenden Vorschlag nicht widerstehen.

»Gern, edler Junker!« erwiederte sie. »Harret nur einen Augenblick, bis ich die Würfel heraufhole!«

»Was Würfel!« entgegnete Le Vaillant, sie zurückhaltend. »Wir thun es kürzer ab. Hier ist mein Ring, Ihr legt das Kettlein daneben. Diesen Reichsthaler werf ich in die Höhe: rex oder Schrift! Auf was haltet Ihr?«

Die Begierde, den schönen Ring zu besitzen, überwog bei der edeln Juliane jede Bedenklichkeit.

»Rex!« rief sie, die diese Spielweise recht wohl verstand, mit zitternder Stimme und glühenden Blicken. Der Thaler flog in die Höhe und wieder zur Erde. Schon glaubte sie gewonnen zu haben, schon streckte sie die Hand nach beiden Kleinoden aus. —

»Schrift!« sagte da stark und kaltblütig Le Vaillant, indem er auf das liegende Silberstück wies. Die Kette war sein, er gab sie mit einem triumphirenden Lächeln seinem Freunde zurück.

»Ihr müßt weiter mit mir spielen!« eiferte die treffliche Jungfrau. Ihre Wangen färbten sich dunkelroth, ihre Augen blitzten. »Ihr müßt mir Revange geben,« fuhr sie fort, »Ihr müßt mir einen Satz halten im Würfelspiele, das auch weit unterhaltender ist, als Euer erbärmlicher Rex, mit dem ich nichts zu thun haben mag!«

»Ein andresmal, hochedle Jungfrau!« versetzte mit einer tiefen Verbeugung der Gascogner: »wenn wir uns einmal wieder treffen in der Welt!«

Bei diesen Worten nahm er La Paix unter den Arm und zog ihn nach einem anderen Theile des Schiffes.

 

»Das vergesse ich dir nicht, Le Vaillant!« sagte dieser, indem er dem Freunde herzlich die Hand drückte. »Du hast nun viel zu gut bei mir: einige Grobheiten und einen unbezahlbaren Freundschaftsdienst.«

Juliane aber sah den zwei jungen Männern mit boshaften Blicken nach. Sie bedachte sich ein Wenig. Dann wurde ihre Miene wieder heiter und lachend und singend hüpfte sie nach dem Vater zum Steuerruder hin. Sie sprach mit diesem eifrig und bedeutungsvoll, das eine Auge des Alten richtete sich oft nach den Studenten, er lächelte hämisch und gab der Tochter eine kurze Antwort, die diese jedoch ganz zufrieden zu stellen schien.

Noch immer schwebte der Kutter in den Gewässern des Biesbosches. Bald aber mußten sie ins Offene kommen und die Syrene, die unmöglich einen großen Vorsprung haben konnte, mußte sich ihnen zeigen. Da rollte es mit einemmale, wie Kanonendonner über die Wellen heran, die durch einen Wind, der sich erhoben hatte, bewegt wurden, da folgten dem ersten Schuße in geringer Entfernung mehrere andere, ein dunkler Rauch stieg hinter einer Insel, dem Kutter zur Rechten, auf, der Himmel hatte sich verdunkelt und eine schwarze Wolke hing drohend herab.

»Alle Segel auf!« befahl des Capitäns Stimme. »Das ist ein Tanz zwischen Geusen und Spaniern oder Franzosen. Wir müssen auch dabei seyn. Frisch, ihr Jungen! Das kann gute Beute geben, wenn wir noch bei Zeiten anlangen!«

Schreiend flog Juliane, die nur Muth hinter’m Würfelbecher besaß, in die Cajüte hinab. In wenigen Minuten hatte sich eine stolze Wucht von Segeln über dem Kutter entfaltet. Er schoß wie ein Pfeil über die Wogen hin. Schuß folgte jetzt auf Schuß, das Gefecht konnte keine halbe Meile entfernt seyn.

»Morgué.« sagte Le Vaillant zu La Paix, indem er seinen Degen in der Scheide lüpfte. »Es wird etwas Warmes setzen! Sind es Spanier, so mache ich gemeinschaftliche Sache mit dem lustigen Freier von Rotterdam; sind es aber Landsleute, so falle ich ihm in den Rücken.«

Man kam dem Orte des Gefechtes immer näher. Jetzt schwieg das Feuer des groben Geschützes, aber deutlich wurden die Schüße der Hakenbüchsen, das Geschrei der Kämpfenden vernommen.

»Leewärts!« commandirte Jonas nach dem Steuermanne hin. Die Bewegung wurde vollzogen, das Fahrzeug schoß nur noch einige Schiffslängen weit vor sich hin, die Spitze der Insel war erreicht, der überraschten Mannschaft des Kutters zeigte sich die spanische Schebecke in Flammen und Jansen’s wohlbekannte Barke, die in einer Stellung, welche sie als Siegerin verkündete, dem brennenden Fahrzeug gegenüber hielt.

»Victoria!« jubelten Alle und die zwei lebhaften Jünglinge von Leyden konnten sich nicht enthalten miteinzustimmen.

Da erblickte Le Vaillant, der ein sehr scharfes Auge besaß und mit großer Aufmerksamkeit das ihm neue Schauspiel betrachtete, durch den heranziehenden Rauch hindurch einen kleinen Nachen, der gerade auf den Kutter zuruderte. Er kam näher. Er schwankte hin und her auf den Wellen, er schien beschädigt und dem Untersinken nahe. Der Gascogner unterschied fünf Menschen in dem kleinen Fahrzeuge, von denen zwei emsig die Ruder bearbeiteten, die andern drei ebenso eifrig den Nachen von dem Wasser zu entleeren suchten, das durch alle Fugen eindrang.

»Sandis!« rief er dem Capitän zu, indem er ihn auf die Gefahr der Menschen im Nachen aufmerksam machte. »Die gehen unter, wenn ihnen nicht bald geholfen wird.«

Der Kutter war dem Nachen jetzt so nahe, daß man die herbeirudernden Leute erkennen konnte. Einer von ihnen schwang ein weißes Tuch nach dem lustigen Freier von Rotterdam hin.

»Ich will mit dem Spagnol in die Luft fahren,« brach Jonas in wilder Heftigkeit aus, »wenn das nicht Herrmanneke von Jansens Barke ist und neben ihm – wahrhaftig – das ist mein alter Freund, Heer Cornelius van Daalen, des dicksten Mannes Sohn in Rotterdam! Wie kommt der Landläufer in das Seehundsgebiet, was hat er zu fischen im Biesbosch

Die Jölle lag am Kutter, aber sie war auch im Begriff unterzugehen. Taue und Leitern flogen nach den befreundeten Männern herab. Sie kletterten an Bord, während ihr Fahrzeug versank. Die Gesichter von Pulverdampf geschwärzt, die Kleider halb verbrannt, von Wasser triefend, standen sie, munter um sich blickend, vor dem staunenden Capitän des Kutters. Auch Le Vaillant und La Paix hatten sich herbeigedrängt. Mit Blicken der Neugierde sahen sie auf Cornelius, der sich durch seinen Anstand und seine Kleidung vor den übrigen auszeichnete. Sie erblickten ihren Feind in ihm, den Gegner, dem sie eine kostbare Beute abnehmen wollten; aber sie konnten zugleich nicht umhin, seine kriegerische Haltung, den Muth, den er eben bei einem wahrscheinlich sehr gefährlichen Unternehmen bewiesen, zu bewundern.

Herrmanneke war der erste an Bord Gekommene, welcher die Stille unterbrach.

»Gebt mir ein Glas Brandwein!« sagte er. »Wir haben es wohl verdient. Aber dem Heern Cornelius gebt zwei, denn er hat mehr gethan, als wir andern alle.«

Er erhielt was er verlangte. Zu Cornelius war schon Capitän Jonas getreten. Er wollte eben sprechen, da flog die Schebecke in die Luft, und in starrem Verstummen stand Alles auf dem Kutter. Das Wasser wogte ungestüm. Aus der verdunkelten Luft flogen einzelne Trümmer der zerschmetterten Schebecke herab. Den zwei Studenten von Leyden, die dergleichen noch nie gesehen, trat das Blut zum Herzen.

»Das haben wir gethan!« hob mit stolzem Selbstbewußtseyn der Bootsmann der Syrene an. »Oder,« setzte er verdrießlich hinzu, »Junker Cornelius hat eigentlich dem Don den rothen Hahn aufgesteckt und wir haben nur die Jölle unter seinem Spiegel gehalten, damit der verwegenste Streich, der je in diesen Gewässern erlebt worden, ausgeführt werden konnte!«

»Ihr, Myn Heer van Daalen?« sagte im Tone zweifelhaften Erstaunens Capitän Jonas. »Ihr habt Euch auf das Element gewagt, das keine Balken hat? Ihr habt dem Spagnol ein Autodafé angezündet auf seinem eigenen Schiffe, so daß er als ein geläuterter Christ gen Himmel gefahren? Auf Seemannsehre, dann muß nächstens der Landheld Marlborough die Flotte kommandiren und Prinz Eugenius ihm als Vice-Admiral beigegeben werden!«

»Nassau und Oranien!« erwiederte lachend Cornelius, indem er sich von einem Matrosen seinen Uniformrock säubern ließ. »Ihr macht viel Aufhebens um nichts! Die spanischen Butterschläuche waren alle am Vorsteven mit Entern beschäftigt, da kletterte ich ungesehen im Pulverdampfe auf ihr Schiff, schlich in die Nähe der Pulverkammer und machte das glimmende Brandwerk fest – das ist Alles! Dergleichen Dinge kommen uns Landsoldaten zu hunderten vor, aber wir halten sie für nichts Besonderes und reden nicht viel davon.«

Jonas schwieg verblüfft, aber durch die Reihen seiner Leute lief ein Gemurmel des Beifalls. Le Vaillant drückte dem La Paix die Hand. Beide verstanden sich. Sie theilten das Gefühl der Achtung vor dem jungen Helden, aber sie dachten auch daran, daß es ihnen um so größere Ehre bringen würde, dem kühnen Cornelius die entführte Clelia wieder abzunehmen.

»Sandis!« flüsterte der Gascogner seinem Freunde zu. »Das ist ein wackerer Bursche, allein eben darum müssen wir unserm Plane getreu bleiben und ohne Furcht auf das Ziel los gehen.«

»Gewiß!« entgegnete La Paix. »Wir haben unser Wort gegeben.«

In diesem Augenblicke kehrte der erste Gedanke an die Geliebte in Cornelius Seele zurück. Es gewährte ihm eine süße Empfindung, auch ihr, durch den kühnen Streich, der ihm gelungen, Freiheit, Ehre und wahrscheinlich das Leben selbst gerettet zu haben. Aber in welcher Sorge, in welcher entsetzlichen Beängstigung um ihn konnte sie schweben, während er ruhig und sicher hier verweilte und die Zeit mit unnützen Dingen hinbrachte!

»Schafft mich schnell zurück auf die Barke!« sagte er hastig zu dem Kutter-Capitän. »Verliert keinen Augenblick! Jeder kann dem theuersten Leben Gefahr bringen!«

Jonas sah ihn erstaunt an, aber auf seinen Wink ward sogleich ein Boot in’s Wasser gelassen. »Und wohin führt Euch Euer Weg weiter von Antwerpen?« rief er dem Forteilenden nach.

»Nach Mastricht, Capitän!« erwiederte Cornelius hinabspringend. Die vier Matrosen von der Syrene und einige Leute des Kutters folgten ihm.

»Jetzt ist es Zeit!« sagte La Paix zu seinem Freunde und Beide drängten sich vor, um auch das nach der Barke abgehende Boot zu besteigen.

»Halt da!« donnerte die Stimme des Kutter-Capitäns sie an, indem er ihnen in den Weg trat. »Ihr bleibt zurück! Ihr seyd Franzosen, ihr seyd meine Gefangene!«

Wüthend griffen die zwei Studenten nach den Degen, um sich mit Gewalt freie Bahn zu machen; aber im nämlichen Augenblicke schon sahen sie sich ihrer Waffen beraubt. Einige Matrosen hatten sie von hinten ergriffen, kein Widerstand war möglich.

Das Boot stieß ab. Mit einem schallenden Gelächter ließ Jonas die entwaffneten Jünglinge stehen. Der laute Spott der Matrosen verwundete sie bis in das tief Innerste.

»Das ist Julianens Werk!« knirschte Le Vaillant im verbissenen Ingrimm. »Corbleu! Ich werde mich an ihr rächen.«

»Nur ruhig!« ermahnte La Paix. »Mit Gewalt ist hier nichts zu thun.«

Der Kutter zog stolz an der Barke vorüber. Die Capitäne begrüßten sich. Auf der Bank am Steuerborde lag bleich und, wie es schien, in tiefer Ohnmacht eine weiß gekleidete Frauengestalt. Man war so nahe, daß man ihre schönen, regelmäßigen Züge erkennen konnte. Le Vaillant und La Paix mußten sehen, wie Cornelius hastig an Bord der Syrene stieg, wie er sich in unruhiger Bewegung der Ohnmächtigen näherte und sie mit dem Feuer, mit der Besorgniß eines Liebenden an seine Brust schloß.

»Das ist Clelia van Vlieten!« sprach mit einiger Erbitterung La Paix. »Sie sind glücklich vereint und wir – «

»Sandis!« unterbrach ihn der Gascogner mit dem Fuße aufstampfend. »Ich gönne ihm das Mädchen, aber unsere Ehre gebietet uns, sie ihm zu entreißen.«

»Wenn wir uns erst selbst dem Capitän Jonas und seiner verschmitzten Juliane entrissen haben werden!« setzte La Paix kaltblütig hinzu. »Mastricht heißt die Losung: dort finden wir sie wieder!«

Von günstigen Winden getragen, schwebte der lustige Freier von Rotterdam dem Hollands-Diep zu. Bald sah man die Barke nur noch wie einen kleinen schwarzen Punkt, in weiter Entfernung hinter sich. Noch einige Minuten lang konnten die scharfsichtigen Blicke der Leydener Studenten sie erreichen. Dann war sie ganz verschwunden.

2

In Cornelius Armen erwachte Jungfrau Clelia van Vlieten aus tiefer Bewußtlosigkeit. Noch war sein Gesicht von Pulverdampf geschwärzt, versengte Haare hingen auf die Stirn herab. Als sie ihn erkannte, fuhr sie erschrocken zurück. Die Erinnerung des Geschehenen erwachte in ihrer Seele. Welchen schrecklichen Gefahren hatte sich nicht der Geliebte blos gestellt, wie leicht konnte er nicht von den ergrimmten Feinden bemerkt, von ihnen auf das Grausamste behandelt, wie leicht konnte er nicht selbst in das Verderben mit hineingerissen worden seyn, das er jenen durch seine verwegene That bereitet! Aber war diese denn nicht auch um ihretwillen unternommen worden? Ach, aus der Tiefe ihres Herzens erklang eine Stimme, die ihr die Versicherung gab, daß nur die Liebe zu ihr den jungen Mann zu einem so kühnen Werke habe begeistern können! Sie sah Jansen in ihrer Nähe, sie sah sich und den Geliebten von Seeleuten umgeben, die neugierig auf Beide blickten. Ihre ganze Lage wurde ihr jetzt deutlich. Schüchtern schlug sie die Blicke nieder.

»Führt mich in die Cajüte!« sagte sie leise zu Cornelius, aber in einem so zärtlichen Tone, wie sie noch nie zu ihm gesprochen hatte. Entzücken ergriff seine Seele. Er sah ein, daß jetzt erst Clelia’s Liebe zu ihm ihre ganze Stärke gewonnen habe, daß sie in ihrer ganzen Macht ihr selbst klar geworden sey. Bisher war das Mädchen noch mehr Kind als Jungfrau gewesen, sie hatte mit den Gefühlen ein leichtes, ihr wohlgefälliges Spiel getrieben, sie hatte den beschränkten Blick nicht über den Kreis ihres Hauses erstreckt. Der heutige Tag mit seinen vielfachen, wunderlich verschlungenen Begebenheiten hatte sie gereift. Sie erkannte die Kraft der Liebe, sie fühlte sich ihr unterthan, sie wußte nun, daß die Empfindungen, die ihr früher ein Spiel gewesen, ihre Beherrscher geworden waren.

 

»Nehmt mir das Schwesterlein wohl in acht!« rief Frau Beckje, die eben vom Cajütendache herab, nach ihrem Manne hinsprang, ihm zu. »Ihr habt doch kein Feuerwerk mehr bei Euch, womit Ihr dem Kinde Schaden thun könntet, etwa unter’m Kleide in der Gegend des Herzens?«

Cornelius befand sich nicht in der Stimmung, diese Neckerei zu beantworten. Hätte er aber auch gewollt, so würde seine Rede nur vergebens gewesen seyn, denn Beckje war rasch wie der Wind an ihm vorübergeflogen, um ihrem lieben Jansen ihre Freude über den Sieg und sein Wohlergehen an den Tag zu legen.

In der Cajüte fand Junker van Daalen und seine schöne Begleiterin die beängstigte Philippintje auf den Knieen liegend und sinnlose Gebete vor sich hin plappernd. Sie hatte nicht den Muth sich umzuwenden, um die Eintretenden zu betrachten und ihre guten Freunde in ihnen zu erkennen.

»Sie kommen, sie kommen!« zeterte sie im Tone des Entsetzens. »Sie sind da die spanischen Belialssöhne und wollen mich und mein himmlisches Theil. Warum habe ich doch immer auf den Schiwa geschimpft und ihm nicht Ehre erwiesen, wie der hochmögende Heer van Vlieten gethan aus guten Gründen und in weiser Absicht! Jetzt könnte mir der Heidengott beistehen gegen die satanischen Spagnols, die kein Erbarmen haben und alle Ketzer brennen, wie wir daheim in Rotterdam die liebliche Caffeebohne – «

»Ruhig, ruhig, Jungfrau Philippintje!« unterbrach sie Cornelius. »Wir sind es ja: Clelia und ich!«

Die Knieende starrte betäubt zu ihnen auf. Sie schien jetzt zu wissen, wer vor ihr stand, aber ihre Angst wollte nicht weichen, ebensowenig wie der Irrthum, der sich ihrer bemächtigt hatte. Sie betastete mit zitternder Hand Cornelius verbrannte Kleider. Dann sagte sie gepreßt:

»Er hat uns, das ist gewiß! Den edeln Junker hat er schon angefangen zu braten und dann mit Wasser wieder das Feuer gelöscht, damit die Qual desto länger dauere, da sind die deutlichsten Spuren: die verbrannte Krause, die geschwärzte Stickerei am Rocke, die Wasserflecken am ganzen Leibe. Die Männer werden gebraten, die Frauen in’s Kloster gesteckt. Ach, Clötje, mein Kind, du siehst schon aus, wie eine unglückliche Nonne, bleich und abgezehrt, schmachtend und verschmachtend! Wir werden nimmermehr den würdigen Domine schauen, nie mehr den süßen Ton seiner Rede hören: ein Mönch, ein entsetzlicher Mönch mit Kutte und Strick angethan, wird an unserer unsterblichen Seele zerren, bis er sie hinabgezerrt hat in den höllischen Schwefelpfuhl – «

»Holland und England!« fiel jetzt der ungeduldig werdende Junker mit rauhem, lautem Tone ein! »So nehmt doch nur Vernunft an! Der Spagnol kann uns nichts mehr thun, er wird uns weder braten noch sieden, im Gegentheile ist er halbgebraten auf gen Himmel und wieder hinab in die Wogen gefahren. Wir haben ihn in die Luft gesprengt.«

»In die Luft,« – sagte die staunende Philippintje, indem einige Röthe auf die gefurchten Wangen zurückkehrte und sie sich halb vom Boden erhob. »Ihr habt ihn gesprengt,« fuhr sie zweifelnd fort, »ganz auseinander gesprengt, den Spagnol, so daß nichts mehr von ihm da ist, auch nicht ein Stückchen, ein Arm oder ein Bein, mit dem er uns ein Uebles thun könnte?«

»Weder Arm, noch Bein, noch Fuß und Hand!« versetzte lachend der junge Kriegsmann. »Die Winde haben sich in ihn getheilt, und jeder hat seinen Antheil mit sich geführt.«

»Das vergelte Euch Gott!« stöhnte, wie sich von einer schweren Last erleichtert fühlend, aus tiefer Brust die Hausjungfer und stand ganz auf. »Ihr habt ein gutes Werk gethan, indem Ihr einen Spagnol gesprengt. O, ich hätte wohl sehen mögen, wie der gottlose Dieb, der uns das Bischen Caffee und Zucker nicht gönnt und in seiner Bosheit den edeln Thee vertheuert, auseinander gefahren ist! Ich habe wohl Thüren und Schlösser sprengen sehen, aber einen Spanier noch nicht. Clötje, wie sah er denn aus? Hat er Hörner und Bocksfüße gehabt, wie der Leibhaftige? Sind ihm Flammen aus dem Rachen hervorgegangen, blauer Dunst und übelriechender Rauch?«

»Besinne dich doch, Philippintje!« ermahnte Clelia und ließ sich bei diesen Worten erschöpft nieder. »Wir haben ein Seegefecht bestanden und das ist siegreich zu Ende gebracht worden durch den Muth des Junker van Daalen, der das feindliche Schiff in Brand gesteckt.«

»Richtig, Clötje, richtig!« erwiederte zu sich kommend das Mädchen. »Ich besinne mich darauf. Also angesteckt hat er den Spagnol, wie ein Schwefelhölzchen? Das war ein gescheidter Streich. Ja, ja, sie brennen gut die Spagnols, denn sie sind fett von vielem Oeltrinken und Butteressen! Aber hatte ich nun Unrecht, als ich dir den hochedlen Junker anrühmte als einen, dem man wohl sein Schicksal vertrauen dürfe? Wer kann in diesen wilden, kriegerischen Zeiten ein schwaches Frauenbild besser beschirmen, als er, der zu Lande Admiral und auf der See General seyn könnte? Ja, lacht nur, aber Philippintje hat doch recht! Es ist keine Kleinigkeit, einem Spagnol so nahe zu kommen, daß man ihm den brennenden Zunder an den fetten Leib halten kann, besonders wenn er sich widersetzt, wie das so in seiner Art liegt. Meine Großmutter selig hat mir erzählt, daß so ein Don von der ganzen Stadt Leyden belagert und beschossen worden ist, daß er sich durch Zauberspruch und Amulett feuerfest gemacht habe und zuletzt unter Wasser gesetzt werden mußte, vor dem die Hexenkünste nicht bestehen können. Das war die berühmte Belagerung von Leyden. Und mein Balthasar – was ist nicht meinem Balthasar Alles begegnet mit ihnen – «

»Erzählt uns das ein andermal, gute Philippintje!« fiel ihr Cornelius in die Rede. »Geht lieber hinauf zu Frau Beckje und laßt Euch eine Stärkung geben. Ihr scheint derer zu bedürfen.«

»Ihr habt Recht!« antwortete Philippintje, indem sie der Thüre zuwankte. »Es ist mir schwach um’s Herz und auf der Brust. Der Bootsmann besitzt ein treffliches, stärkendes Elixir. Den will ich um einige Tröpflein ansprechen. Halte dich wacker, mein Clötje! Denk’ an den gesprengten Spagnol und an die treue Liebe des hochedlen Junkers!«

Sie schlich seufzend und stöhnend die Treppe nach dem Verdecke hinauf. Cornelius setzte sich an Clelia’s Seite, nahm ihre Hand und sagte mit zärtlichen Blicken:

»Habt Ihr Euch erholt von Euerem Schrecken, von der mir so theuern Besorgniß um mich? O Clelia, könnt Ihr mir verzeihen, daß ich aus Euerm stillen freundlichen Leben Euch herausgerissen habe in dieses unruhige gefährliche Welttreiben? Wenn Ihr meine Liebe billigt, so könnt Ihr mir nicht zürnen, denn sie hat mich zu Thorheit und Unbesonnenheit fortgerissen, und – ich muß es voll Scham gestehen – zu Lüge und Betrug. Ich will mich nicht entschuldigen. Ihr mögt mich richten, wie Ihr wollt. Gebietet mir, Euch zurückzuführen, Euch nie wieder zu sehen, Euch auf ewig zu entsagen – ich werde diese Strafe nicht ertragen, aber ich werde mich ihr unterwerfen ohne Murren.«

»Ihr kennt meinen Entschluß, Junker Cornelius!« antwortete mit einem sanften Lächeln Clelia und er glaubte einen leisen Druck ihrer Hand wahrzunehmen. »Ihr kennt auch meine Gesinnungen. Ich weiß nicht, ob mein Vater unter den eingetretenen Umständen je das Bündniß zwischen uns billigen wird, aber das weiß ich, daß ich nie einem anderen Manne, als Euch, meine Hand reichen werde. Ja, lieber Cornelius, ich gelobe Euch das! Ihr habt freilich auf eine unbesonnene Weise mich thörigtes Mädchen verleitet, allein Ihr habt auch wiederum Euer Leben gewagt um meinetwillen und eine Heldenthat vollbracht, von der man erzählen wird im Vaterlande. Noch gestern war ich ein blödes Kind von geringer Einsicht, fremd in Welt- und Kriegshändeln, glaubend einem jeden Worte und fügsam in Alles, was man mir vorschlug. Ich bin eine andere geworden seitdem. Ich überlege, ich handle selbst. Ich habe nicht allein meinen Vater, ich habe auch meine Ehre zu bedenken. Wir gehen nach Mastricht zur Muhme. Wie wir es schon verabredet, suchen wir von dort aus um des Vaters Einwilligung nach. Ach, Cornelius, das werden lange Tage der Erwartung seyn, bis wir seine Antwort erhalten! So stark ich mich auch zu machen suche, so bin ich doch nur ein schwaches Mädchen, das in ängstlichen Zweifeln fürchten und schwanken wird. Welches Glück, wenn ich als Euere Braut, von unsern Vätern willkommen geheißen, nach Rotterdam zurückkehren dürfte! Nur so oder nimmer sieht mich die Vaterstadt wieder. Wird mir des Vaters Verzeihung nicht, versagt er seine Erlaubniß zu unserm Glücke, in seinem leider gerechten Zorne, dann bleibe ich ganz bei der Muhme und bringe meine Tage einsam und verlassen hin, von jeder Weltfreude geschieden, zur Buße meines kindischen Leichtsinns.«

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