Vorher Plündert Er

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Из серии: Ein Mackenzie White Krimi #9
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KAPITEL SECHS

Sie wurde von dem Klingeln ihres Handys geweckt. Die Nachttischuhr sagte ihr, dass es 6:40 Uhr war, als sie danach griff. Sie sah McGraths Namen auf dem Display und hatte gerade noch genug Zeit sich zu wünschen, dass es stattdessen Ellington wäre, und beantwortete den Anruf.

„Hier ist Agentin White.“

„White, wo sind wir bei dem Fall mit Neffen von Direktor Wilmoth?“

„Naja, im Moment sieht es wie ein eindeutiger Selbstmord aus. Wenn es sich so herausstellt, wie ich mir denke, dann werde ich heute Nachmittag wieder in DC sein.“

„Keine Fremdeinwirkung?“

„Nicht, dass ich sehen kann. Wenn es Ihnen nichts ausmacht zu fragen … sucht Direktor Wilmoth nach Fremdeinwirkung?“

„Nein. Aber lassen Sie uns ehrlich sein … ein Selbstmord in der Familie für einen Mann in seiner Position wird nicht gut aussehen. Er will einfach nur Einzelheiten ehe die Öffentlichkeit diese bekommt.“

„Einverstanden.“

„White, habe ich Sie geweckt?“, fragte er schroff.

„Natürlich nicht, Sir.“

“Halten Sie mich auf dem Laufenden”, sagte er und beendete den Anruf.

Was für eine tolle Art geweckt zu werden, dachte Mackenzie, während sie aufstand. Sie ging duschen, und als sie fertig war, lief sie mit einem Handtuch um sich herumgeschlungen aus dem Bad, als ihr Handy klingelte.

Sie erkannte die Nummer nicht, also ging sie gleich ran. Mit noch nassem Haar antwortete sie: „Hier ist Agentin White.“

„Agentin White, hier ist Jan Haggerty“, sagte eine düster klingende Stimme. „Ich habe gerade ihre E-Mail gelesen.“

“Danke, dass Sie mich so schnell zurückrufen”, sagte Mackenzie. „Ich weiß, es ist viel für jemanden in Ihrem Beruf, aber gibt es eine Chance, dass wir uns irgendwann heute noch für ein Gespräch treffen können?“

„Das ist kein Problem“, sagte Haggerty. „Mein Büro ist in meinem Zuhause und mein erster Termin ist erst um halb 10 heute Morgen. Wenn Sie mir eine halbe Stunde oder so geben, um mich auf den Tag vorzubereiten, dann habe ich heute Morgen Zeit. Ich mache Kaffee.“

„Hört sich gut an“, sagte Mackenzie.

Haggerty gab Mackenzie ihre Adresse und beendete den Anruf. Mit einer halben Stunde Freizeit entschied Mackenzie sich etwas Erwachsenes zu tun und rief Ellington an. Es würde keinen von ihnen gut tun, sich vor dem Thema zu verstecken und einfach zu hoffen, dass der andere es einfach vergessen hatte oder es unter den Teppich kehrte.

Als er den Anruf beantwortete, hörte er sich müde an. Mackenzie nahm an, dass sie ihn geweckt hatte, was nicht überraschend war, da er an freien Tagen ausschlief. Aber sie war sich ziemlich sicher, dass sie auch ein wenig Hoffnung in seiner Stimme hörte.

„Hey“, sagte er.

„Guten Morgen“, erwiderte er. “Wie gehts dir?”

“Ich weiß nicht”, sagte er fast sofort. “Verstimmt würde es wohl am ehesten beschreiben. Aber ich werde es überleben. Je mehr ich darüber nachdenke, umso sicher bin ich, dass dies vorübergehend ist. Ich habe einen Fleck in meiner persönlichen Akte, aber solange ich zurück zur Arbeit kann, werde ich das glaube ich schaffen. Wie geht es dir? Wie ist der supergeheime Fall?“

“Ziemlich vorbei, denke ich”, erwiderte sie. Als sie ihn letzte Nacht auf dem Weg nach Kingsville angerufen hatte, hatte sie nicht zu viele Informationen mit ihm geteilt, sie hatte ihn einfach nur wissen lassen, dass es kein Fall war, bei dem sie in Gefahr sein würde. Sie war vorsichtig gewesen, nicht zu viele Informationen preiszugeben. Manchmal passierte das unter Agenten, wenn ein Fall abgeschlossen war oder nahe dran war, abgeschlossen zu werden.

„Gut“, sagte er. „Weil ich mag es nicht, wie die Dinge zwischen uns waren, als du gegangen bist. Ich weiß nicht … naja, ich weiß nicht, wofür ich mich entschuldigen soll. Aber ich fühle mich trotzdem so, als wenn ich dir damit einen schlechten Dienst erwiesen habe.“

„Es ist, wie es ist“, sagte Mackenzie und hasste den Klang bei solch einem Klischee, der aus ihrem Mund kam.

„Ich sollte heute Abend wieder da sein. Dann können wir darüber reden.“

„Hört sich gut an. Sei vorsichtig.“

“Du auch”, sagte sie mit einem erzwungenen Kichern.

Sie beendeten den Anruf, und obwohl sie sich ein bisschen besser fühlte, jetzt wo sie mit ihm gesprochen hatte, konnte sie die Anspannung nicht ignorieren, die sie immer noch spürte. Sie fuhr hinaus nach Kingsville auf der Suche nach etwas zu essen, um sich die Zeit zu vertreiben, ehe sie zu Dr. Haggertys Haus fuhr.

***

Dr. Haggerty lebte alleine in einem zweistöckigen Kolonialstil Haus. Es lag im Zentrum eines wunderschönen Gartens. Eine dichte Gruppe von Ulmen und Eichen im Garten schwebten hinter dem Haus, wie die natürliche Form der Schlagschatten. Dr. Haggerty wartete an der Tür auf Mackenzie mit einem Lächeln und dem Geruch von frisch aufgebrühtem starken Kaffee direkt hinter ihr. Sie sah aus wie in den späten Fünfzigern mit einem Haaransatz, der immer noch den größten Teil seines Kastanienbrauns enthielt. Ihre Augen schauten Mackenzie aus einer kleinen Brille an. Als sie Mackenzie einlud hineinzukommen, winkte sie sie mit ihren dünnen Armen und einer Stimme, die ein wenig lauter als Flüstern war, durch die Vordertür.

“Danke, dass Sie sich mit mir treffen”, sagte Mackenzie. „Ich weiß, dass es kurzfristig ist.“

„Kein Problem“, sagte sie. „Unter uns gesagt, ich hoffe, wir können einen guten Grund finden, damit Sheriff Tate endlich dem Landkreis in den Ohren liegen kann, um endlich diese verdammte Brücke zu demolieren.“

Haggerty goss Mackenzie eine Tasse Kaffee ein und die zwei Frauen setzten sich an einen kleinen Tisch in einer idyllischen Frühstücksnische in der Küche. Durch ein Fenster an der Seite konnte man auf die Eichen und Ulmen im Hof sehen.

„Ich nehme an, Sie wurden über die Neuigkeiten von gestern Nachmittag informiert?“, fragte Mackenzie.

„Das wurde ich“, sagte Haggerty. „Kenny Skinner. Zweiundzwanzig Jahre alt, stimmt’s?“

Mackenzie nickte, während sie von ihrem Kaffee trank. „Und Malory Thomas sieben Tage vorher. Also … können Sie mir sagen, warum Sie an dem Sheriff Fall um die Brücke dran sind?“

“Naja, Kingsville hat wenig zu bieten. Und auch wenn niemand in dieser Kleinstadt es zugeben will, es gibt nichts in Kleinstädten für Teens und junge Erwachsene. Und wenn das passiert, dann werden solche krankhaften Denkmäler wie die Miller Moon Brückee zur Ikone. Wenn Sie sich die Stadtverzeichnisse anschauen, dann sehen Sie, dass schon seit 1956 Menschen von dieser Brücke gesprungen sind, als sie noch in Nutzung war. Junge Menschen sind heutzutage so viel Negativität und Selbstwert Themen ausgesetzt, dass so etwas Ikonisches wie diese Brücke so viel mehr werden kann. Kinder suchen nach einem Weg aus der Stadt bis hin ins Extreme und dann geht es nicht mehr länger darum, aus der Stadt zu flüchten … es geht darum, dem Leben zu entkommen.“

„Sie glauben also, die Brücke bietet Selbstmördern einen einfachen Weg?“

“Keinen einfachen Weg”, sagte Haggerty. „Es ist schon fast wie ein Leuchtfeuer für sie. Und die, die schon vorher von der Brücke gesprungen sind, haben ihnen den Weg gezeigt. Die Brücke ist nicht einfach mehr nur eine Brücke. Es ist eine Selbstmordplattform.“

„Letzte Nacht hat Sheriff Tate auch gesagt, dass Sie es kaum glauben können, dass diese Selbstmorde einfach alles nur Selbstmorde sind. Können Sie das ausführen?“

“Ja … und ich glaube, ich kann Kenny Skinner als Beispiel nehmen. Kenny war ein beliebter Typ. Unter uns gesagt, er würde eigentlich nichts Ungewöhnliche machen. Er wäre wahrscheinlich völlig zufrieden gewesen, den Rest seines Lebens hier zu verbringen und bei Kingsville Reifen und Traktor Zubehör zu arbeiten. Aber er hatte ein gutes Leben hier, wissen Sie? Soweit ich weiß, war er so eine Art Frauenschwarm und in einer Stadt wie dieser – man in so einem Land wie diesem – garantiert das spaßige Wochenenden. Ich persönlich habe letzten Monat mit Kenny gesprochen, als ich über einen Nagel gefahren bin. Er hat es für mich repariert. Er war höflich, hat gelacht ein gut erzogener Mann. Es fällt mir schwer zu glauben, dass er sich auf so eine Art umbringt. Und wenn Sie sich die Liste der Menschen ansehen, die in den letzten drei Jahren von dieser Brücke gesprungen sind, dann gibt es mindestens ein oder zwei mehr, die ich verdächtig finde … Menschen die ich niemals mit Selbstmord in Verbindung gebracht hätte.“

“Sie glauben also, es gibt Fremdeinwirkungen?”, fragte Mackenzie.

Haggerty nahm sich einen Moment Zeit. „Das ist nur eine Ahnung, die ich habe, aber ich würde mich nicht wohlfühlen, das mit absoluter Sicherheit zu sagen.“

„Und ich nehme an, dieses Gefühl basiert auf ihrer professionellen Meinung und nicht nur von jemandem, der von so vielen Selbstmorden in der kleinen Stadt betroffen ist“, fragte Mackenzie.

„Das ist korrekt“, sagte Haggerty, aber sie schien schon fast ein wenig beleidigt von der Natur dieser Frage.

“Haben Sie vielleicht zufällig mal Kenny Skinner oder Malory Thomas als Klienten gehabt?”

„Nein. Und auch keins der anderen Opfern bis ins Jahr 1996.“

„Haben Sie denn wenigstens einen der Selbstmörder von der Brücke getroffen?“

 

„Ja, einmal. Und bei dem, habe ich es kommen sehen. Ich habe alles getan, was ich konnte, um die Familie zu überzeugen, dass sie Hilfe braucht. Aber als ich sie endlich dazu gebracht hatte, das überhaupt in Erwägung zu ziehen, ist sie von der Brücke gesprungen. Sie sehen also … in dieser Stadt steht die Miller Moon Brücke für Selbstmord. Und deswegen hätte ich es gerne, wenn die Gemeinde sie abreißt.“

“Weil Sie glauben, dass es alle mit Selbstmordgedanken anzieht?”

„Genau.“

Mackenzie spürte, dass das Gespräch praktisch vorbei war. Und das war in Ordnung für sie. Sie konnte direkt sagen, dass Dr. Haggerty nicht der Typ dafür war, etwas zu übertreiben, nur um sicherzugehen, dass man sie endlich anhörte. Obwohl sie versuchte hatte, es herunterzuspielen, aus Angst falsch zu liegen, war Mackenzie sich ziemlich sicher, dass Haggerty wirklich daran glaubte, dass zumindest einige der Fälle keine Selbstmorde waren.

Und das wenige an Skepsis war alles, was Mackenzie brauchte. Wenn es auch nur die kleinste Chance gab, dass einer dieser letzten Leichen keine Selbstmörder waren, dann wollte sie das mit Sicherheit wissen, ehe sie zurück nach DC fuhr.

Sie trank ihren Kaffee aus und dankte Dr. Haggerty für ihre Zeit und ging dann wieder nach draußen. Auf dem Weg zu ihrem Auto schaute sie auf den Wald, der fast ganz Kingsville umgab. Sie schaute nach Westen, wo die Miller Moon Brücke lag, hinter einer Reihe von Nebenstraßen und einer Kieselstraße, die allen Reisenden zu sagen schien, dass sie am Ende von etwas angekommen waren.

Während sie noch über diese blutbeschmierten Brocken unten an der Brücke nachdachte, schickte der Vergleich einen kleinen Schauer durch Mackenzies Herz.

Sie schob das beiseite, startete den Motor und zog ihr Handy hervor. Wenn sie eine endgültige Antwort haben wollte, dann musste sie das so behandeln, als wenn es ein Mordfall wäre. Und mit dem Gedanken nahm sie an, musste sie mit den Familienmitgliedern der kürzlich Verstorbenen sprechen.

KAPITEL SIEBEN

Ehe sie die Familie von Kenny Skinner besuchte, holte Mackenzie sich die Erlaubnis von McGrath. Seine Antwort war kurz, klar und auf den Punkt gewesen: Es ist mir egal, ob Sie mit jemandem aus dem Scheiß Kleine Liga Baseball Team sprechen, finden Sie es einfach heraus.

Die Bestätigung drängte sie in die Richtung des Hauses von Pam und Vincent Skinner. So wie McGrath es erklärte hatte, hieß Pam Skinner früher Pam Wilmoth. Eine ältere Schwester des stellvertretenden Direktor Wilmoth, die von zu Hause aus als Angebotsspezialistin für eine Umweltagentur arbeitete.

Vincent Skinner war der Besitzer von Kingsville Reifen und Traktor Zubehör und hatte seinem Sohn Kenny einen Job angeboten, als er fünfzehn war.

Als Mackenzie an die Tür klopfte, kam niemand von den Skinners, um sie zu begrüßen. Stattdessen war es der Pastor der Kingsville Presbyterianischen Kirche. Als Mackenzie ihm ihren Ausweis zeigte und ihm sagte, warum sie hier war, ließ er sie hinein und bat sie im Foyer zu warten. Die Skinner Familie lebte in einem netten Haus in einer Ecke, von der sie annahm, dass man sie als Kingsville Downtown bezeichnete. Sie konnte riechen, dass jemand kochte, der Duft zog über den Flur. Irgendwo im Haus konnte sie ein Handy klingeln hören. Sie hörte auch die gedämpfte Stimme des Pastors, die Pam und Vincent Skinner wissen ließ, dass dort eine Dame vom FBI war, die ihnen ein paar Fragen über Kenny stellen wollte.

Es dauerte ein paar Minuten, ehe Pam Skinner kam, um sie zu treffen. Die Frau war ganz rot im Gesicht vom Weinen und sah aus, als wenn sie die Nacht zuvor nicht geschlafen hätte. „Sind Sie Agentin White?“, fragte sie.

“Das bin ich.”

“Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, mein Bruder hat mir gesagt, dass Sie irgendwann kommen werden.“

„Wenn es zu früh ist, kann ich auch –“

„Nein, nein ich möchte dass gerne hinter mich bringen“, sagte sie.

„Ist Ihr Mann zu Hause?“

„Er soll im Wohnzimmer mit unserem Pastor bleiben. Vincent hat das unglaublich schwer genommen. Er ist letzte Nacht zwei Mal umgekippt und hat diese kleinen Momente, in denen er sich weigert zu glauben, was passiert ist und –“

Wie aus dem nichts entwich Pam ein lautes Schluchzen und sie lehnte sich gegen die Wand. Sie hielt den Atem an und schluckte es herunter, Mackenzie nahm an, dass es Trauer war, die herauskam.“

“Frau Skinner … ich kann auch später wiederkommen.“

„Nein, jetzt Bitte. Ich musste die ganze Nacht für Vincent stark bleiben. Ich kann ein paar weitere Minuten für Sie schaffen. Kommen Sie einfach in die Küche.“

Mackenzie folgte Pam Skinner in den Flur und in Richtung Küche, wo Mackenzie den Geruch wieder erkannte, den sie schon vorhin bemerkt hatte. Anscheinend hatte Pam ein paar Zimtrollen in den Ofen getan, vielleicht in einer Bemühung, ein wenig ihre Sorgen um ihren Mann zu vergessen. Pam überprüfte sie halbherzig, während Mackenzie sich auf einen Stuhl an der Küchentheke setzte.

„Ich habe heute Morgen mit Dr. Haggerty gesprochen“, sagte Mackenzie. „Sie hat sich dafür ausgesprochen, die Miller Moon Brücke abzureißen. Der Name Ihres Sohnes kam dabei auf. Sie sagte, sie findet es schwer zu glauben, dass Kenny sich selbst das Leben genommen hat.“

Pam nickte empathisch. „Sie hat recht. Kenny würde sich niemals selbst töten. Der Gedanke ist total verrückt.“

“Haben Sie irgendwelche starken und glaubhaften Gründe anzunehmen, dass jemand Ihrem Sohn Schaden zufügen wollte?“

Pam schüttelte ihren Kopf, genauso wütend, wie sie ihn vorhin geschüttelt habe. „Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht. Und es hatte einige harte Wahrheiten über Kenny hervorgebracht, das ist sicher. Es gab einige Männer, die vielleicht nicht allzu gut auf ihn zu sprechen waren, weil Kenny dazu neigte, Frauen ihren Freunden auszuspannen. Aber es ist nie irgendwas Ernstes daraus geworden.“

„Und in den letzten Wochen haben Sie nicht gehört, wie Kenny irgendetwas sagte oder auf bestimmte Art reagiert hat, die andeuten könnte, dass er irgendwelche Gedanken darüber hatte, sich selbst zu verletzten?“

“Nein. Nichts dergleichen. Sogar wenn Kenny schlechte Laune hatte, hat er es geschafft, den Raum zu erhellen. Er wurde fast nie wütend über irgendwas. Er war kein perfektes Kind bei Weitem nicht, aber ich glaube nicht, dass es eine einzige Unze Wut oder Hass in ihm gab. Für mich ist es absolut unverständlich, dass er sich selbst hätte töten wollen.“

Ein weiteres Schluchzen kam in ihr hoch zwischen den Worten töten und sich selbst.

„Wissen Sie, ob er irgendwelche Verbindungen zu der Brücke hatte?“, fragte Mackenzie.

„Nicht mehr als die anderen Teenager und jungen Erwachsenen in der Stadt. Ich bin mir sicher, dass er dort getrunken oder geflirtet hat, aber nichts Außergewöhnliches.“

Mackenzie konnte spüren, wie der Damm in Pam Skinner brach. Eine weitere Minute oder zwei und sie würde zusammenbrechen.

„Eine weitere Frage und bitte, ich muss das fragen. Aber wie sicher sind Sie, dass Sie ihren Sohn gut kannten? Glauben Sie, dass er vielleicht heimlich ein zweites Leben geführt hat, dass er vor Ihnen und Ihrem Ehemann versteckt hat?“

Sie dachte einen Moment nach, während Tränen aus ihren Augen traten. Langsam sagte sie, „Ich nehme an, alles ist möglich. Aber wenn Kenny irgendeine Art zweites Leben vor uns versteckt hat, dann hat er das mit der Kunst eines Spions getan. Und obwohl er ein tolles Kind war, war er nicht sehr engagiert bei den Dingen. Und so etwas zu verstecken wäre für ihn …“

„Ich verstehe“, sagte Mackenzie. „Ich werde Sie jetzt alleine lassen. Aber bitte, wenn Ihnen noch irgendwas in den folgenden Tagen einfällt, rufen Sie mich sofort an.“

Damit stand Mackenzie auf und legte ihre Visitenkarte auf die Theke. „Es tut mir so leid für Ihren Verlust, Frau Skinner.“

Mackenzie ging schnell, aber nicht auf unhöfliche Art. Sie konnte das Gewicht des Verlustes der Familie auf sich spüren, bis sie draußen war und die Tür hinter sich schloss. Und selbst dann auf dem Weg zu ihrem Auto konnte sie die Geräusche von Pam Skinner hören, die endlich ihre Trauer herausließ. Es war mehr als bewegend und brach Mackenzies Herz ein wenig.

Sogar als sie auf der Einfahrt war, war ihr das Geräusch von Pam Skinners Schluchzen noch im Kopf, wie eine fallende Brise, die tote Blätter über eine verlassene Straße fegte.

KAPITEL ACHT

Es gab keinen Gerichtsmediziner im gesamten Landkreis. Sogar das Büro des Gerichtsmediziners lag eineinhalb Stunden von Kingsville entfernt in Arlington. Anstatt direkt nach DC zu fahren, nur um höchstwahrscheinlich direkt nach Kingsville zurückzukehren, ging Mackenzie in ihr Motel und machte eine Reihe von Anrufen. Zehn Minuten später hatte sie eine Skype Sitzung mit dem Gerichtsmediziner der Malory Thomas und Kenny Skinners Leichen untersucht hatte. Kenny Skinners Leiche war noch nicht vollständig präpariert und nicht bereit zum Untersuchen, das erschwerte die Dinge ein wenig.

Trotzdem rief Mackenzie an und wartete auf eine Antwort. Der Mann am anderen Ende war einer, mit dem Mackenzie schon ein paar Mal zusammengearbeitet hatte, ein Mann mittleren Alters mit drahtigem Haar namens Barry Burke. Es war schön ein bekanntes Gesicht zu sehen, nach dem Morgen, den sie gehabt hatte. Sie konnte immer noch nicht ganz die Geräusche des Verlusts abschütteln, die aus Pam Skinner gekommen waren, als sie ihr Haus verlassen hatte.

“Hi Agentin White”, begrüßte sie Burke.

„Hey. Mir wurde gesagt, dass es nicht viel bei der Leiche von Kenny Skinner zu sehen gibt, richtig?“

„Tut mir leid, das ist richtig. Auch wenn ich mich geschmacklos anhöre, es ist ein ziemliches Durcheinander. Wenn Sie mir sagen, wonach Sie suchen, kann ich es auf die Spitze meiner Prioritätenliste setzen.“

„Irgendwelche frischen Kratzer oder Prellungen. Jedes Anzeichen, dass er vielleicht in einen Kampf verwickelt war.“

„Okay, das mach ich. Jetzt … nehme ich an, wollen Sie dasselbe über Malory Thomas wissen, oder?“

“Das stimmt. Haben Sie etwas?”

„Vielleicht. Ich hasse es, dass zu sagen, aber wenn wir eine Leiche haben, bei der es recht offensichtlich ist, dass es ein Selbstmord war, gibt es bestimmte Dinge, die sofort ganz unten auf die Prioritätenliste fallen. Also ja … wir haben etwas bei Malory Thomas gefunden, dass um ehrlich zu sein, nichts sein könnte. Aber wenn Sie nach Kratzern suchen …“

„Was haben Sie?”, fragte sie.

“Geben Sie mir eine Sekunde und ich schicke Ihnen ein Foto”, sagte er. Er klickte eine Weile herum und dann poppte das Büroklammerzeichen im Skype Fenster auf.

Mackenzie klickte darauf und ein JPEG öffnete sich auf ihrem Bildschirm. Sie schaute auf die Unterseite der rechten Hand von Malory Thomas.

Mackenzie zoomte das Foto ein wenig heran und sah sofort, wovon Burke gesprochen hatte. Zwischen dem ersten und zweiten Knochen von drei Fingern gab es offensichtliche Schnitte und Schürfwunden. Die Schnitte sahen sehr zerlumpt aus und waren zwar nicht blutig, sahen aber roh und grausig aus. Es gab zwei sehr große Kratzer am oberen Teil ihrer Handfläche, die aussahen, als wenn sie erst kürzlich da waren. Zu guter Letzt schien sich im Fleisch ihrer Hand genau über der Handfläche eine Art sehr blasser Einschnitt zu befinden, der eine kleine Halbkreisform bildete. Aus einigen Gründen hob sich diese mehr hervor, als die anderen. Es schien merkwürdig und normalerweise hieß das, dass es der Hinweis war, den sie suchte.

“Hilft das?”, fragte Burke.

“Weiß ich noch nicht”, erwiderte Mackenzie. “Aber es ist mehr, als ich vor einer Minute hatte.”

„Auch das könnte von Bedeutung sein … eine Sekunde.“ Burke rollte für ungefähr zehn Sekunden vom Tisch weg und kam dann wieder ins Blickfeld. Er hielt eine kleine Plastiktüte in der Hand. Drinnen war etwas, was aussah wie ein Stück Baumrinde. Er hielt es näher in die Kamera. Mackenzie sah ein Holzstück, das ungefähr zweieinhalb Zentimeter breit und vier Zentimeter lang war.

„Das war in ihrem Haar“, sagte Burke. „Und der einzige Grund, warum ich das interessant finde, ist, weil es das einzige Stück in ihrem Haar war. Wenn man so etwas normalerweise an einer Leiche findet, besonders im Haar, dann eine ganze Menge davon. Hobelspäne, Mulch und solche Sachen. Aber das war nur ein Stück.“

 

“Eine merkwürdige Frage an Sie”, sagte Mackenzie. „Können Sie ein Foto davon machen und mir das an meine E-Mail schicken?“

“Hey, das ist einer der wenigsten seltsamen Anfragen, die ich diese Woche bekommen habe. Vorteile des Jobs, wissen Sie…“

„Danke für das Gespräch“, sagte Mackenzie. “Haben Sie eine Ahnung, wann Sie einen genaueren Blick auf Kenny Skinner werfen können?”

„Ich hoffe in ein paar Stunden.“

„Ich hoffe, dass ich heute Abend wieder in DC bin. Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich wieder da bin und dann schaffe ich es hoffentlich vorbeizukommen.“

Mit diesen Plänen beendeten sie den Anruf. Mackenzie schickte das Bild von Malory Thomas Handfläche auf ihr Handy und ging dann hinaus. Sie dachte an die Kratzer und den kaum vorhandenen Einschnitt an der Hand der Frau sowie das einzelne Stück Holz. Es bedeutete alles etwas … sie konnte spüren, wie es in ihrem Kopf versuchte, zu klicken.

Anstatt es im Motel auszutüfteln, dachte sie, gäbe es keinen besseren Ort darüber nachzudenken, als an dem Tatort des mutmaßlichen Verbrechens. Ihre einzige Hoffnung war, dass die Miller Moon Brücke weniger düster und unheimlich bei Tageslicht war.

***

Als sie die Abzweigung erreichte, die auf den Kieselweg führte, der an der Miller Moon Brücke endete, war sie erleichtert zu sehen, dass ein Polizeiauto des Landkreises am Rand parkte. Der gelangweilte Beamte schaute hoch, als sie mit ihrem Auto an ihm vorbeifuhr. Sie zog ihr Abzeichen und er winkte ihr zu, ohne wirklich darauf zu schauen.

Innerhalb von einem Kilometer erreichte sie das KEINE INSTANDHALTUNG Zeichen. An diesem Punkt wurde die Straße zu Kieseln. Sie fuhr langsam, hörte auf das Knirschen der Steinchen unter dem Auto, während Staub hochwirbelte. Nach eineinhalb Kilometern oder so kam die erste weiße Stütze der Miller Moon Brücke in Sicht, hob sich leicht in einem schrägen Winkel in die Luft. Sie fuhr um die Kurve und sah dann das ganze Ding, ausgestreckt über den steilen Abhang unter dem sich ein trockenes Flussbett befand. Obwohl es bei Tageslicht nicht so gruselig aussah, zeigte die Struktur sein Alter.

Sie parkte mehrere Meter entfernt davon, wo die Holzbretter begannen. Sie versuchte sich vorzustellen, vor dreißig oder vierzig Jahren ein Auto auf die andere Seite zu fahren und schon der Gedanke daran, beängstigte sie. Als sie auf die Bretter trat, schaute sie auf die andere Seite. Es gab zwei Zementgrenzen, die ungefähr einen Meter hochstanden zwischen dem Ende der Brücke und dem Beginn einer Straße, die scheinbar lange nicht mehr benutzt worden war. Es fühlte sich wortwörtlich an, als wenn sie auf das Ende der Welt trat, wo alles zu einem Ende kam.

Während sie langsam über die Brücke lief, suchte sie das Foto von Malorys Handfläche. Sie öffnete auch den Anhang in der E-Mail, die Burke ihr nach dem Skype Anruf geschickt hatte. Sie öffnete das Bild des kleinen Holzstücks und hatte beides bereit. Sie hatte keine Ahnung, nach was sie suchte, aber sie war sich sicher, dass sie es wissen würde, wenn ihre Augen darauf fielen.

Wie sich herausstellte, dauerte das nicht so lange.

Sie war gerade drei Meter über die Brücke gegangen, als sie die Anordnung der Balken und Streben bemerkte, die an den Seiten der Brücke entlangliefen. Alle liefen natürlich darunter als Stütze, aber auf der anderen Seite der weißen Schienen, welche die Brücke von der offenen Fläche dahinter trennten, gab es eine einzelne Eisenstrebe, die ca. einen halben Meter breiter als die Brücker war. Es war gerade breit genug, sodass sich jemand daraufstellen konnte.

Sie schaute auf die Länge der Brücke und zählte drei verschiedene Streben. Sie ging zu den Schienen und kniete sich hin, um einen besseren Blick zu bekommen. Die Streben vor ihr unterstützten ebenfalls fünf kleinere Streben, die unter der Brücke verliefen. Diese kleineren waren mit den größeren durch große Schrauben verbunden. Die Schrauben waren mit etwas verdeckt, was wie glatte Metallklappen aussah, abgetragen und vom Alter verrostet.

Mackenzie schaute sich das Foto von Malorys Handfläche an und zoomte es heran auf die Einkerbung auf ihrer Haut. Leicht rund sahen die Kurven ziemlich wie der Umfang der Metallkappen an der Strebe aus.

Sie ließ ihre Finger vorsichtig über die Metalkappe gleiten. Ja, es war glatt – wahrscheinlich dort angebracht, um die rauere Endung von irgendeiner Schraube, die auch immer benutzt wurde, um die Strebe anzuhängen, zu verdecken – aber der Rand der Kappen war ein wenig rau an den Ecken.

Mackenzie stand wieder auf und lief langsam ein wenig weiter die Brücke herunter. Sie sah denselben Entwurf einer nach dem anderen. Fünf Schrauben, die Enden davon waren von diesen glatten Eisenkappen verdeckt. Es gab dann einen Bruch in dem Leerraum der Kappen und es gab fünf weitere. Sie zahlte drei Sets von fünf in der ersten Eisenstrebe und dann fünf in der Nächsten.

Sie kam nicht zur dritten Eisenstrebe am letzten Teil der Brücke. Als sie die Hälfte der Brücke erreicht hatte, kam sie zu einer Stelle, wo die hölzerne Basis des Brückenrahmens nur ein kleines Stück hinter der Eisenstrebe hervorschaute. Nicht viel … vielleicht sieben Zentimeter. Aber es war genug für Mackenzie, um zu bemerken, dass die Balken und Streben unter der Brücke teilweise aus Holz gemacht waren – vielleicht nur der Originalrahmen oder zusätzliche Konstruktionen.

Sie ging wieder auf die Knie und lehnte sich ein wenig über das Geländer. Sie ließ ihre Hand ein wenig an dem Holz entlanglaufen. Es war alt und brüchig, aber recht hart. Sie verglich die Farbe und die Textur des Holzes mit dem kleinen Stück, dass Burke eingepackt und ihr gezeigt hatte. Sogar mit dem Blick auf ihrem Handy, konnte sie sagen, dass es dasselbe war.

Aber wenn sie gesprungen ist, wie hat sie das in ihr Haar bekommen?

Sie war sich ziemlich sicher, dass das Foto von Malorys Handfläche die Frage beantwortete.

Wenn die Einkerbung auf ihrer Handfläche von einer dieser Kappen stammte, dann ist sie nicht gesprungen. Sie hing von der Brücke … vielleicht hat sie versucht, sich selbst zu retten. Und der Holzsplitter in ihrem Haar … wenn sie an dieser Stelle gehangen hat, dann ist es nicht schwer sich vorzustellen, dass dieses alte Holz in ihr Haar gesplittert ist, als sie versucht hatte ihren Griff zu verfestigen.

Sie ließ ihren Daumen über die fünf Kappen entlang der Strebe vor sich gleiten, einer nach dem anderen. Am zweitletzten fühlte sie die Raue der Kappe. Es war sicherlich grob genug, um Malory die hauchdünnen Schürfwunden zu verpassen.

Mit dem Herz in ihrer Brust hämmernd, schaute Mackenzie nach unten über die Schiene. Die Steine die Malory Thomas und Kenny Skinner getötet hatten, hatten hier unten gewartet. Sogar von dieser Höhe aus konnte sie die Verfärbung sehen, wo noch vor weniger als zwölf Stunden Blut gewesen war.

Ich stehe hier, wo sie gestanden haben, dachte Mackenzie. Sie standen direkt hier, Momente vorher, ehe sie starben.

Dann schaute sie wieder auf die Fotos der Einkerbung in Malorys Handfläche und dann wieder auf die Schraubenkappen. Und sie korrigierte ihren Gedanken: Sie standen hier, Momente ehe sie getötet wurden.

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