Vorher Plündert Er

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Из серии: Ein Mackenzie White Krimi #9
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KAPITEL DREI

Die Arbeit bot nur Distanz für ein paar weitere Stunden. Auch wenn Mackenzie bei Harrison vorbeischaute, um sicherzugehen, dass er keine Hilfe brauchte bei den kleinen Betrugsfällen, an denen er arbeitete, war sie schon um 18.00 Uhr fertig. Als sie wieder an der Wohnung ankam, war es 18:20 Uhr und Ellington stand hinter dem Herd. Er kochte nicht oft und wenn, dann weil er unruhige Hände hatte und nichts Besseres zu tun hatte.

„Hey“, sagte er und schaute von dem Topf hoch, dessen Inhalt aussah wie eine Art Eintopf.

„Hey“, sagte sie als Antwort und legte ihre Laptoptasche auf das Sofa und ging in die Küche. „Tut mir leid, dass ich vorhin so gegangen bin.“

„Kein Grund sich zu entschuldigen“, sagte er.

“Natürlich gibt es den. Das war unreif. Und wenn ich ehrlich bin, ich weiß nicht, warum mich das so sehr aufregt. Ich bin mehr darüber besorgt, dich als Partner zu verlieren, als darüber was das mit deiner persönlichen Akte machen wird. Wie verrückt ist das?“

Er zuckte die Achseln. „Es macht Sinn.“

“Das sollte es, macht es aber nicht”, sagte sie. „Ich kann nicht darüber nachdenken, dass du eine andere Frau küsst, besonders nicht so. Auch wenn du betrunken warst und selbst wenn sie die Dinge angefangen hat, ich kann mich dich nicht so vorstellen. Und ich will diese Frau am liebsten umbringen, weißt du?“

„Das tut mir total leid“, sagte er. „Das ist eines dieser Dinge im Leben, die ich gerne rückgängig machen würde. Einer dieser Dinge, von denen ich dachte, das sie in die Vergangenheit gehören und ich damit durch bin.“

Mackenzie ging zu ihm und legte zögernd ihre Arme um seine Hüfte. „Bist du in Ordnung“, fragte sie.

“Ich bin nur wütend. Und ich schäme mich.”

Ein Teil von Mackenzie hatte Angst, dass er nicht ehrlich zu ihr war. Etwas an seiner Haltung, etwas an der Art, wie er sie nicht richtig ansehen konnte, wenn er darüber redete. Sie wollte daran denken, dass es einfach war, weil es nicht leicht war, so etwas beschuldigt zu werden, daran erinnert zu werden, an eine Dummheit, die man in der Vergangenheit getan hatte.

Ehrlich, sie war sich nicht sicher, was sie glauben wollte. Seitdem sie ihn aus dem Gebäude hatte kommen sehen mit dieser Kiste in seinen Händen, waren ihre Gedanken durcheinander und verwirrt.

Sie wollte ihm ihre Hilfe beim Abendessen machen anbieten, hoffte, dass ein wenig Normalität ihnen vielleicht helfen konnte, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Aber ehe die Wörter aus ihrem Mund kommen konnten, klingelte ihr Handy. Sie war überrascht und ein wenig besorgt, als sie sah, dass es McGrath war.

“Tut mir leid”, sagte sie zu Ellington und zeigte ihm das Display. „Ich sollte da wahrscheinlich rangehen.“

„Er will dich wahrscheinlich fragen, ob du dich jemals sexuell von mir belästigt gefühlt hast“, sagte er verächtlich.

„Er hatte bereits früher die Chance dazu“, sagte sie, ehe sie von den zischenden Geräuschen der Küche wegtrat, um den Anruf zu beantworten.

„Hier ist White“, sagte sie und sprach klar und schon fast mechanisch, wie immer wenn sie einen Anruf von McGrath beantwortete.

„White“, sagte sie. „Sind Sie schon zu Hause?“

“Ja, Sir.”

“Ich brauch sie hier. Ich muss mit ihnen unter vier Augen sprechen. Ich werde in der Tiefgarage sein. Stockwerk 2 Reihe D.“

“Sir, geht es um Ellington?”

“Treffen Sie mich einfach da, White. Kommen Sie so schnell wie sie können.“

Er beendete den Anruf damit und ließ Mackenzie mit toter Leitung in der Hand stehen. Sie legte das Handy langsam weg und schaute Ellington an. Er nahm die Pfanne vom Herd und ging zum Tisch im Essbereich.

„Ich muss es mitnehmen“, sagte sie.

„Verdammt. Geht es um mich?“

“Er wollte es nicht sagen”, sagte Mackenzie. „Aber ich glaube nicht. Das ist etwas anderes. Er war wirklich geheimnisvoll.”

Sie war sich nicht sicher warum, aber sie ließ die Anweisung ihn in der Tiefgarage zu treffen weg. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, passte etwas daran nicht. Dennoch nahm sie eine Schüssel aus dem Schrank, gab etwas von Ellingtons Abendessen hinein und küsste ihn auf die Wange. Beide wussten, dass es sich mechanisch und gezwungen anfühlte.

„Halt mich auf dem Laufenden“, sagte Ellington. „Und sage mir Bescheid, wenn du irgendetwas brauchst.“

„Natürlich“, sagte sie.

Sie merkte, dass sie nicht einmal ihr Holster und die Glock abgelegt hatte und ging direkt zur Tür. Und erst als sie im Flur war und zum Auto ging, erkannte sie, dass sie eigentlich recht erleichtert war, wegzukommen.

***

Sie musste zugeben, dass es sich ein wenig wie ein Klischee anfühlte, leise um Level 2 in der Tiefgarage herumzuschleichen gegenüber vom Hauptquartier. Treffen in Tiefgaragen war Stoff aus schlechten Polizeifilmen. Und in diesen Dramen führten schattige Tiefgaragentreffs normalerweise zu irgendeiner Art Drama.

Sie sah McGraths Auto und parkte ihr eigenes Auto ein wenig weiter entfernt. Sie schloss ab und ging dorthin, wo McGrath wartete. Ohne eine Einladung ging sie zur Beifahrerseite, öffnete sie und setzte sich.

„Okay“, sagte sie. „Das Geheimnis bringt mich um. Was ist los?”

“An sich ist nichts los”, sagte McGrath. „Aber wir haben einen Fall, ca. eine Stunde oder so entfernt in einer kleinen Stadt namens Kingsville. Kennen Sie die?“

„Habe ich schon mal gehört, war aber noch nie da.“

„Es ist genauso ländlich, wie man es sich vorstellt, liegt in dem letzten Stück der Hinterwälder vor all der Unruhe und den Autobahnen, die nach DC führen“, erklärte McGrath. „Aber vielleicht ist es auch gar kein Fall. Ich möchte, dass Sie das herausfinden.“

“Okay”, sagte sie. “Aber warum konnten wir das Treffen nicht in Ihrem Büro haben?”

„Weil das Opfer der Neffe des stellvertretenden Direktors ist. Zweiundzwanzig Jahre alt. Es sieht so aus, als wenn jemand ihn von der Brücke geworfen hat. Die einheimische Polizei in Kingsville sagt, es ist wahrscheinlich nur Selbstmord aber der Stellvertretende Direktor Wilmoth will sichergehen.“

“Hat er einen Grund anzunehmen, dass es Mord war?”, fragte sie.

„Naja, es ist schon die zweite Leiche in den letzten vier Tagen, die am Grund einer Brücke gefunden wurde. Es ist wahrscheinlich Selbstmord, wenn Sie mich fragen. Aber ich hab den Befehl vor einer Stunde bekommen. Direkt von Direktor Wilmoth. Er möchte sichergehen. Er will auch so schnell wie möglich informiert werden und er möchte, dass das unauffällig vonstatten geht. Daher die Anfrage mich hier, anstatt in meinem Büro zu treffen. Wenn irgendjemand Sie und mich in einem Meeting außerhalb der Bürozeiten gesehen hätte, dann hätten sie angenommen, dass es um Ellington ging oder dass ich Sie für einen Spezialeinsatz brauche.

„Okay … ich fahre also nach Kingsville, versuche herauszufinden, ob es ein Selbstmord oder Mord war, und erstatte dann Bericht?“

„Ja. Und wegen der kürzlichen Vorfälle mit Ellington, werden Sie alleine fahren. Was kein Thema sein sollte, weil ich sie heute Abend wieder zurückerwarte, mit den Neuigkeiten, dass es Selbstmord war.“

„Verstehe. Wann muss ich los?“

“Jetzt”, erwiderte er. “Am besten nicht aufschieben, oder?”

KAPITEL VIER

Mackenzie entdeckte, dass McGrath nicht übertrieben hatte, als er Kingsville, Virgina als Hinterwald beschrieben hatte. Es war eine kleine Stadt, die in Bezug auf ihre Identität, irgendwo zwischen Deliverance und Amityville lag. Es hatte eine unheimliche ländliche Stimmung, aber mit dem rustikalen Kleinstadtcharme, den die meisten Menschen von den kleineren Südstädten erwarteten.

Es war Nacht geworden, als sie am Tatort eintraf. Die Brücke kam langsam in Sicht, als sie ihr Auto vorsichtig eine dünne Schotterstraße hinunter lenkte. Die Straße selbst war keine staatliche Straße, dennoch war sie nicht gänzlich der Öffentlichkeit verschlossen. Als sie weniger als fünfzig Meter von der Brücke entfernt war, sah sie, dass die Kingsville Polizei eine Reihe von Sägeböcken aufgestellt hatte, um Menschen davon abzuhalten, weiter zu gehen.

Sie parkte neben den paar einheimischen Polizeiautos und stieg dann aus. Ein paar Flutlichter waren aufgestellt worden, alle schienen auf das abschüssige Ufer auf der rechten Seite der Brücke zu leuchten. Als sie sich dem Abhang näherte, trat ein jung aussehender Polizist aus einem der Autos.

„Sind Sie Agentin White?“, fragte der Mann und sein südlicher Akzent, durchfuhr sie wie ein Rasiermesser.

„Das bin ich“, antwortete sie.

“Okay. Vielleicht ist es einfacher, wenn Sie über die Brücke gehen und auf der anderen Seite des Ufers hinuntergehen. Diese Seite ist total steil.“

Dankbar für den Tipp ging Mackenzie über die Brücke. Sie nahm ihre kleine Taschenlampe und beleuchtete die Gegend, während sie die Brücke überquerte. Die Brücke war recht alt, sicherlich war sie schon vor langer Zeit für jegliche Nutzung geschlossen worden. Sie wusste, dass es viele Brücken in Virginia und West Virginia gab, die ähnlich wie diese waren. Diese Brücke hieß Miller Moon Brücke laut den Grundinformationen, die sie sich bei Google während Halts an Ampeln unterwegs besorgt hatte, und stand schon seit 1910 dort und wurde für die Öffentlichkeit im Jahr 1969 geschlossen. Und obwohl das die einzige Information war, die sie über die Lage bekommen hatte, gab ihr ihre aktuelle Ermittlung noch mehr Einzelheiten.

 

Es gab nicht viel Graffiti an der Brücke, aber der Abfallberg war bemerkbar. Bierflaschen, Sodadosen und leere Tüten von Chips, die an den Rand der Brücke geschmissen worden waren, drückten sich gegen den Metallrand, welche die Eisenschienen hielt. Die Brücke war nicht so lang; ca. 50 Meter, gerade lang genug, um sich über das abschüssige Ufer und den Fluss darunter zu spannen. Es fühlte sich robust unter ihren Füßen an, aber die reine Struktur davon war in gewisser Weise recht schwach. Sie war sich sehr wohl bewusst, dass sie auf Holzbrettern und Stützbalken in fast zwei sechzig Meter Höhe lief.

Sie ging zum Ende der Brücke und merkte, dass der Polizeibeamte recht gehabt hatte. Das Land war zugänglicher auf dieser Seite. Mit Hilfe der Taschenlampe fand sie einen Trampelpfad, der sich durch das hohe Gras wand. Die Böschung ging in einem neunzig Grad Winkel herunter, aber hier und da ragten Boden- und Felsvorsprünge hervor, die den Abstieg recht einfach machten.

“Warten Sie eine Minute”, sagte eine Männerstimme von unten. Mackenzie schaute nach vorne, in Richtung Glanz der Scheinwerfer und sah einen Schatten hervortreten. „Wer ist da?“, fragte der Mann.

„Mackenzie White, FBI“, sagte sie und suchte nach ihrem Ausweis.

Der Schatten wurde ein paar Sekunden später zu einer Person. Er war ein älterer Mann mit einem riesigen buschigen Bart. Er trug eine Polizeiuniform, die Marke über seiner Brust sagte, dass er der Sheriff von Kingsville war. Hinter ihm konnte sie die Figuren von vier weiteren Beamten sehen. Einer machte Fotos und bewegte sich langsam im Schatten.

„Oh, wow“, sagte er. “Das ging schnell”. Er wartete darauf, dass Mackenzie näher kam, und streckte dann seine Hand aus. Er gab ihr einen herzlichen Händedruck und sagte, „Ich bin Sheriff Tate. Nett Sie kennenzulernen.“

„Gleichfalls“, erwiderte Mackenzie, als sie das Ende der Böschung erreicht hatte und sich wieder auf ebenem Boden befand.

Sie nahm sich einen Moment Zeit, um den Tatort anzuschauen, der professionell von den Fluchtlichtern an den Seiten der Böschung beleuchtet wurde. Das Erste was Mackenzie bemerkte, war, dass der Fluss nicht wirklich mehr ein Fluss war – nicht unter der Miller Moon Brücke auf jeden Fall. Dort gab es nur etwas, was aussah wie übrig gebliebene Pfützen von abgestandenem Wasser, dass sich an die Seiten und scharfen Kanten von Felsen und großen Felsbrocken schmiegte, die das Gebiet eingenommen hatten, durch den der Fluss hätte führen sollen.

Einer der Felsbrocken unter den Trümmern war riesig und hatte leicht die Größe von zwei Autos. Auf der Spitze dieses Brockens lag eine Leiche. Der rechte Arm war sichtbar gebrochen und fast unmöglich unter die Reste des Köpers gebogen. Eine Blutspur lief den Brocken hinunter, schon fast getrocknet, aber dennoch nass genug, dass es aussah, als würde sie noch weiter laufen.

“Schlimmer Anblick, oder?”, fragte Tate und stellte sich neben sie.

„Ja. Was können Sie mir zum jetzigen Zeitpunkt mit Sicherheit sagen?

„Also das Opfer ist ein zweiundzwanzigjähriger Mann. Kenny Skinner. Soweit ich weiß, ist er mit jemand höher gestellten in Ihrem Büro verwandt.“

„Ja. Der Neffe des stellvertretenden FBI Direktors. Wie viele Männer wissen davon im Moment?“

„Nur ich und mein Vorgesetzter“, erwiderte Tate. „Wir haben bereits mit Ihren Kollegen in Washington gesprochen. Wir wissen, dass wir darüber Stillschweigen bewahren sollen.“

„Danke“, sagte Mackenzie. „Soweit ich weiß, gab es eine weitere Leiche, die hier vor ein paar Tagen entdeckt wurde?“

“Vor drei Tagen, ja”, sagte Tate. „Eine Frau namens Malory Thomas.“

„Irgendwelche Anzeichen von Fremdeinwirkung?“

„Naja, sie war nackt. Und ihre Kleidung wurde oben auf der Brücke gefunden. Aber abgesehen davon war da nichts. Man hat angenommen, dass es ein weiterer Selbstmord war.“

„Haben Sie davon viele von hier?“

„Ja“, sagte Tate mit einem nervösen Lächeln. „Das kann man so sagen. Vor drei Jahren haben sich sechs Menschen getötet, in dem sie von dieser Scheißbrücke gesprungen sind. Es war wie eine Art Rekord pro Lage für den Staat Virginia. Das Jahr danach waren es drei. Letztes Jahr waren es fünf.“

“Waren sie Einheimische?”, fragte Mackenzie.

„Nein. Von diesen vierzehn Menschen lebten nur vier innerhalb eines achtzig-Kilometer-Radius.“

„Und wissen Sie, ob es vielleicht eine Art Großstadtlegende oder einen Grund dafür gibt, dass diese Menschen sich ihr Leben an dieser Brücke nehmen?“

“Es gibt natürlich Geistergeschichten”, sagte Tate. „Aber es gibt für jede stillgelegte Brücke im Land eine Geistergeschichte. Ich weiß es nicht. Ich schiebe die Schuld auf die verkorkste Generationslücke. Die Kinder heutzutage werden in ihren Gefühlen verletzt und denken, sie selbst sind die Antwort. Das ist ziemlich traurig.“

„Was ist mit Obdachlosen?“, fragte Mackenzie. „Wie ist die Quote hier in Kingsville?“

„Es gab zwei im letzten Jahr. Und bis jetzt einen in diesem Jahr. Es ist eine ruhige Stadt. Jeder kennt jeden, und wenn Sie jemanden nicht mögen, dann halten Sie sich einfach von ihm fern. Warum fragen Sie? Glauben Sie, der Mörder ist darunter?“

“Ich weiß es nicht”, erwiderte Mackenzie. „Zwei Leichen in einer Zeitspanne von vier Tagen, am selben Ort. Ich denke, es lohnt sich da näher nachzuschauen. Wissen Sie, ob Kenny Skinner und Malory Thomas sich kannten?“

“Wahrscheinlich. Aber ich weiß das nicht so genau. Wie ich gesagt habe … jeder kennt jeden in Kingsville. Aber wenn Sie fragen, ob Kenny sich vielleicht selbst getötet hat, weil Malory das getan hat, dann bezweifle ich das. Es gibt fünf Jahre Altersunterschied und sie haben auch nicht mit denselben Leuten herumgehangen, soweit ich weiß.“

„Darf ich mir das Mal ansehen?“, fragte Mackenzie.

„Natürlich“, sagte Tate und ging sofort von ihr weg und gesellte sich zu den anderen Beamten, welche den Tatort durchkämmten.

Mackenzie näherte sich besorgt dem Brocken und der Leiche von Kenny Skinner. Je näher sie an die Leiche kam, umso mehr wurde sie sich bewusst, wie viel Schaden entstanden war. Sie hatte schon recht grausame Dinge während ihrer Arbeit gesehen, aber das hier war einer der Schlimmsten.

Die Blutspur kam von einer Stelle, in der Kennys Kopf gegen den Stein geschlagen war. Sie machte sich nicht die Mühe, sich das näher anzuschauen, den das beleuchtete schwarz und rot durch die Lichter war nichts, woran sie später noch denken wollte. Der große Bruch am Hinterkopf betraf den Rest seines Schädels und verzerrte die Gesichtszüge. Sie sah auch, wo seine Brust und sein Bauch aussahen, als wären sie von innen aufgeblasen worden.

Sie gab sich Mühe da dran vorbeizuschauen, schaute sich Kennys Kleidung an und suchte auf seiner Haut nach irgendwelchen Zeichen von Fremdeinwirkung. In dem grellen und dennoch unwirksamen Licht der Scheinwerfer war es schwer sich sicher zu sein, aber nach mehreren Minuten konnte Mackenzie nichts finden. Als sie wegtrat, begann sie sich zu entspannen. Anscheinend hatte sie sich angespannt, während sie die Leiche untersucht hatte.

Sie ging zurück zu Sheriff Tate, der mit einem weiteren Beamten sprach. Sie hörten sich an, als wenn sie Pläne darüber machten, die Familie zu benachrichtigen.

„Sheriff, glauben Sie, jemand könnte für mich die Aufzeichnungen dieser vierzehn Selbstmorde in den letzten drei Jahren heraussuchen?“

„Ja, das kann ich machen. Ich werde gleich anrufen und sicherstellen, dass alles auf der Polizeistation auf sie wartet. Und wissen Sie …. Da gibt es jemanden, den Sie vielleicht anrufen wollen. Es gibt eine Frau in der Stadt, die von zu Hause aus als Psychiaterin arbeitet und als Lehrerin für Behinderte. Sie hängt mir schon seit letztem Jahr oder so wegen all der Selbstmorde in Kingsville in den Ohren, die nicht einfach nur Selbstmorde sein können. Sie kann Ihnen vielleicht etwas sagen, was Sie nicht in den Berichten finden.“

“Das wäre toll.”

“Ich werde veranlassen, dass jemand ihre Kontaktinformation in die Berichte beifügt. Ist das in Ordnung?“

„Im Moment, ja. Könnte ich Ihre Nummer haben, um Sie leichter zu kontaktieren?“

„Sicherlich. Aber das verdammte Ding ist störanfällig. Ich muss es mal aktualisieren. Hätte ich schon vor fünf Monaten tun sollen. Wenn Sie mich also anrufen und es direkt zur Mailbox geht, dann ignoriere ich Sie nicht. Ich werde Sie sofort zurückrufen. Es ist ein blödes Ding, das Handy. Ich hasse Handys sowieso.“

Nach seinem Meckern über die moderne Technologie gab Tate ihr seine Handynummer und sie speicherte sie in ihrem Handy.

„Ich sehe Sie dann“, sagte Tate. „Der Gerichtsmediziner ist auf dem Weg. Ich bin verdammt froh, wenn wir diese Leiche entfernen können.“

Es schien unsensibel, so etwas zu sagen, aber wenn Mackenzie zurück schaute und den wunden und gebrochenen Zustand der Leiche sah, konnte sie nicht anders als dem zustimmen.

KAPITEL FÜNF

Es war 10:10 Uhr, als sie in die Polizeistation kam. Der Ort war völlig still, die einzige Bewegung kam von einer gelangweilt aussehenden Frau, die hinter einem Tisch saß, der – wie Mackenzie annahm, als Abfertigung der Kingsville Polizei diente – und zwei Beamte, die animiert auf dem Flur hinter dem Abfertigungstisch über Politik sprachen.

Trotz der glanzlosen Atmosphäre des Ortes schien es gut zu laufen. Die Frau an der Abfertigung hatte bereits alle Akten kopiert, die Sheriff Tate erwähnt hatte und hatte alles in einen Aktenordner geheftet, als Mackenzie ankam. Mackenzie dankte ihr und fragte dann nach einer Motel Empfehlung in dieser Gegend. Wie es sich herausstellte, hatte Kingsville nur ein einziges Motel, weniger als drei Kilometer von der Polizeistation entfernt.

Zehn Minuten später schloss Mackenzie die Tür zu ihrem Raum im Motel 6 auf. Sie war schon an schlimmeren Orten gewesen während ihrer Anstellung im Büro, aber sie wollte ja auch keine tollen Yelp oder Google Berichte schreiben. Sie schenkte dem Zustand ihres Zimmers wenig Aufmerksamkeit, legte die Akten auf den kleinen Tisch neben dem Einzelbett und verschwendete keine Zeit damit, sich darin zu vertiefen.

Sie machte sich eigene Notizen, während sie sich durch die Akten las. Das Erste und vielleicht Alarmierendste, was sie entdeckte, war, dass von vierzehn Selbstmorden, die in den letzten drei Jahren aufgetreten waren, elf von ihnen an der Miller Moon Brücke passiert waren. Die anderen drei beinhalteten zwei Suizide in Verbindung mit einem Gewehr und ein einzelner, hatte sich am Dachbalken erhängt.

Mackenzie wusste genug über Kleinstädte, um den Reiz dieses ländlichen Merkmals, wie die Miller Moon Brücke zu verstehen. Die Geschichte und der insgesamt vernachlässigte Zustand waren ansprechend, besonders bei Teenagern. Und wie die Aufzeichnungen vor ihr zeigten, waren sechs der vierzehn Selbstmörder unter 21 Jahre alt gewesen.

Sie grübelte über den Aufzeichnungen; sie waren nicht so genau detailliert dargestellt, wie sie es gerne gehabt hätte, sie waren über dem Nennwert von dem, was sie bei den meisten Kleinstadtpolizeibehörden gesehen hatte. Sie schaute sich ihr Geschriebenes an und fand eine umfangreiche Liste mit Details, die ihr dabei half, besser zu dem Grund der zahlreichen Tode zu kommen, die mit der Miller Moon Brücke in Verbindung standen. Nach ungefähr einer Stunde hatte sie genug, um ein paar grobe Meinungen zu begründen.

Erstens hatte genau die Hälfte der vierzehn Selbstmörder einen Abschiedsbrief hinterlassen. Die Briefe machten klar, dass sie die Entscheidung getroffen hatten, ihre Leben zu beenden. Jede Aufzeichnung hatte eine Fotokopie des Briefes dabei und alle von ihnen drückten in der einen oder anderen Form Reue aus. Sie sagten ihren Liebsten, dass sie sie liebten und drückten Schmerz aus, den sie nicht überwinden konnten.

Die anderen sieben konnte man schon fast als typische mutmaßliche Mordfälle sehen: Leichen, die aus dem Nichts entdeckt wurden, in schlimmen Zustand. Einer der Selbstmörder war eine siebzehnjährige Frau, die Hinweise auf eine kürzlich stattgefundene sexuelle Handlung gezeigt hatte. Als die DNA ihres Partners an und in ihrem Körper gefunden wurde, hatte er Beweise in Form von Textnachrichten erbracht, dass sie zu ihm nach Hause gekommen war und sie Sex gehabt hatten und sie dann gegangen war. Und so wie es aussah, hatte sie sich ungefähr drei Stunden später von der Miller Moon Bridge gestürzt.

 

Der einzige Fall von den Vierzehn bei denen sie sehen konnte, dass es ein näheres Hinsehen gerechtfertigt hätte, war der traurige und bedauernswerte Selbstmord eines sechzehnjährigen Jungens. Als er auf diesen blutigen Brocken unter der Brücke entdeckt wurde, hatte er Prellungen auf seiner Brust und Arme, die nicht zu den anderen Verletzungen passten, die er vom Fall selbst hatte. Innerhalb von ein paar Tagen hatte die Polizei entdeckt, dass der Junge regelmäßig von seinem alkoholkranken Vater geschlagen worden war, der trauriger weise drei Tage nach der Entdeckung der Leiche seines Sohns einen Selbstmordversuch unternahm.

Mackenzie beendete ihre Ermittlungen mit der neu zusammengestellten Akte über Malory Thomas. Ihr Fall stand ein wenig heraus von den anderen, weil sie nackt gewesen war. Die Berichte sagten, dass ihre Kleidung auf einem ordentlichen Haufen an der Brücke gefunden worden war. Es gab keine Anzeichen von Missbrauch, kürzlicher sexueller Aktivität oder Fremdeinwirkung. Aus irgendwelchen Gründen sah es so aus, als wenn Malory Thomas entschieden hatte, diesen Sprung so zu machen, wie sie auf die Welt gekommen war.

Das scheint merkwürdig, dachte Mackenzie. Fehl am Platz, sogar. Wenn man sich umbringen wollte, warum will man sich so darstellen, wenn die Leiche gefunden wird?

Sie grübelte einen Augenblick und erinnerte sich dann an diese Psychologin, die Sheriff Tate erwähnt hatte. Natürlich war es jetzt wo es Mitternacht war, zu spät um anzurufen.

Mitternacht, dachte sie. Sie sah auf ihr Handy und war überrascht, dass Ellington nicht versucht hatte, sie zu erreichen. Sie nahm an, er spielte den Schlauen – wollte sie nicht stören, bis er dachte, dass sie in einem guten Zustand war. Und ehrlich gesagt, war sie sich nicht sicher, in was für einem Zustand sie war. Er hatte also mal einen Fehler in seinem Leben gemacht, lange, ehe er sie kennengelernt hatte … warum zum Teufel war sie so verärgert darüber?

Sie war sich nicht sicher. Aber sie wusste, dass sie es war … und in dem Moment war das alles, was zählte.

Ehe sie sich ins Bett legte, schaute sie auf die Visitenkarte, welche die Frau in der Polizeistation in die Akte gelegt hatte. Es war der Name, die Nummer und die E-Mail-Adresse der einheimischen Psychologin Dr. Jan Haggerty. Da sie so gut vorbereitet wie möglich sein wollte, schrieb Mackenzie eine E-Mail und ließ Dr. Haggerty wissen, dass sie in der Stadt war, warum sie hier war und forderte so schnell wie möglich ein Treffen. Mackenzie dachte, wenn sie morgen nach 9 Uhr noch nichts von Haggerty gehört hatte, würde sie anrufen.

Ehe sie das Licht ausmachte, dachte sie daran Ellington anzurufen, nur um zu sehen, wie es ihm ging. Sie kannte ihn gut genug; er badete wahrscheinlich im Selbstmitleid und trank mehrere Biere, um hinterher auf der Couch einzuschlafen.

Ihn sich in diesem Zustand vorzustellen, machte die Entscheidung für sie leichter. Sie machte die Lichter aus und in der Dunkelheit hatte sie das Gefühl, das sie in einer Stadt war, die dunkler als andere war. Die Art von Stadt, die hässliche Narben versteckte, für immer im Dunkeln, nicht wegen der ländlichen Lage, sondern wegen eines bestimmten Flecks auf einer Schotterstraße etwa sechs Meilen von dort, wo sie derzeit ihren Kopf ruhte. Und obwohl sie sich Mühe gab, die Gedanken zu beseitigen, schlief sie mit den Bildern von Teenagern ein, die von der Miller Moon Brücke in den Tod sprangen.

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