Luves - Die Magier von Cimala

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Из серии: Luves #1
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Luves - Die Magier von Cimala
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Bianca Schäfer

Luves - Die Magier von Cimala

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Nachwort

Impressum neobooks

Prolog

Bianca Schäfer

Luves

Die Magier von Cimala

Fantasy

Die Kunst bestand nicht darin, den Schmerz und die Erschöpfung zu erdulden, sondern vielmehr anzunehmen und zu akzeptieren. Wenn man diese Stufe erreicht hatte, konnte man all dies abwerfen wie einen Mantel und hinter sich lassen. Mit jedem Schritt, den Luves tat, entfernte er sich von den Qualen. Er nahm weder die auf ihn niederbrennende Sonne noch seinen trockenen Atem wahr, der seine Kehle zerkratzte. Seit Stunden umrundete er den staubigen Übungsplatz hinter dem Gildenhaus der Jäger, ohne dass er eine Rast eingelegt hatte. Der Durst war übermächtig und ließ seinen Körper gegen ihn rebellieren. Jede Faser seines Leibes war erschöpft und der Schweiß rann ihm von der Stirn in die Augen. Mühsam blinzelte er, um seinen verschleierten Blick zu klären. Er erlaubte sich einen kurzen Seitenblick auf die übrigen Schüler und Anwärter der Jägergilde, die bereits ausgeschieden waren. Sie versammelten sich unter den schattigen Bäumen auf der grasbewachsenen Fläche neben dem Übungsplatz. Schweigend sahen sie zu, wie er sich abmühte.

Es wäre leicht, einfach stehenzubleiben und aufzugeben. Das kam für ihn nicht infrage. Seine Willenskraft trieb Luves dazu an, bis an seine Grenzen zu gehen und sie zu überschreiten. Zwar zählte er nicht zu den Größten oder Stärksten unter den Schülern. Aber er besaß Ehrgeiz und versuchte jeden Tag aufs Neue, diese Prüfung zu meistern. Wenn es ihm gelang, war er mit seinen zehn Jahren das jüngste Mitglied der Gilde, das jemals das Siegel erhalten hatte und so vom Schüler zum Anwärter aufstieg. Er musste seine letzten Kräfte gut aufteilen und Stärke beweisen, wenn er diese Aufgabe bewältigen wollte. Luves konzentrierte sich auf die von unzähligen Jungen ausgetretene Strecke aus rötlichem Lehmboden vor sich. Etliche Schritte vor ihm lief Reget, der mit seinen achtzehn Jahren zu den Ältesten unter den Anwärtern zählte. Er war als einziger Gegner übrig geblieben und ihn galt es zu überwinden.

Kurz bevor die Strecke einen Bogen beschrieb, hob Meister Zudu seine Hand als Zeichen, dass sie eine weitere Runde gemeistert hatten, wenn sie ihn erreichten. Reget passierte ihn und Luves biss die Zähne zusammen, als er ihm folgte. Der Ältere erreichte ein Spalier aus sechs erwachsenen Jägern, von denen jeder einen langen Holzstab bei sich trug. Der Junge ließ sich auf die Knie fallen und krabbelte zwischen ihnen hindurch. Seine Bewegungen waren schwerfällig und ungelenk durch die Erschöpfung, die auch ihn zu plagen schien. Das machte ihn zu einer leichten Zielscheibe, als die Jäger auf ihn einschlugen. Ein Hieb traf ihn am Kopf und er schrie auf, bevor er bewusstlos zu Boden sank. Damit war Luves' letzter Gegner ausgeschaltet und ein Gefühl des Triumphs stieg in ihm auf, gab ihm neue Kraft. Er brauchte nur noch die Jäger passieren und seinen Ausbilder erreichen. Der Erhalt des Siegels lag in greifbarer Nähe, wenn er nur durchhielt. Er erreichte die Gruppe und kroch auf allen vieren zwischen ihnen hindurch. Die Schläge trafen ihn hart und fuhren durch seinen ganzen Leib. Tränen verschleierten seinen Blick, den er starr auf das Ende des Durchganges gerichtet hielt. Regets regungsloser Körper versperrte ihm den Weg und er musste über ihn klettern, doch dann hatte er es geschafft.

Luves versuchte sich zu erheben, aber seine Arme und Beine verwehrten ihren Dienst. Verzweifelt und wütend zugleich schluchzte er auf. Er war seinem Ziel niemals zuvor so nahe gekommen und jetzt sollte alles umsonst gewesen sein. Dann hörte Luves die Stimme. Von den Bäumen her schrie Toge, ein Schüler, der mit ihm eine kleine Kammer teilte, seinen Namen, worauf weitere Jungen mit einstimmten. Verwirrt sah er sich um, als die Stimmen: »Lauf, Luves! Lauf!«, riefen. Taumelnd kam er hoch und setzte sich in Bewegung. Benommen stolperte er vorwärts, um das nächste Rund herum, dann auf die Gerade, wo ihn sein Meister erwartete. Der hob bereits seine Hand und blickte ihm mit steinerner Miene entgegen. Die Anwärter am Rand des Übungsplatzes erhoben sich und jubelten ihm zu, als er seine letzten Kräfte zusammennahm. Er passierte den Ausbilder, der seinen Arm senkte und die Prüfung somit als beendet erklärte.

Luves ließ sich erschöpft zu Boden sinken. Sein Herz schlug schmerzhaft in der Brust und sein Atem ging in kurzen Schüben. Er schaffte es irgendwie, sich auf den Rücken zu drehen und schloss die Augen, als die Sonnenstrahlen ihm schmerzhaft in die Augen stachen. Er drehte den Kopf zur Seite und sah, wie ein Jäger Reget einen Eimer voll Wasser über den Kopf schüttete. Der regte sich stöhnend, als er wieder zu Bewusstsein kam. Luves konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Mochte Reget ihm auch an Jahren, Kraft und Wissen überlegen sein, so hatte der Jüngere ihn mit Ehrgeiz übertreffen können. Und auch mit Glück, das musste er sich eingestehen. Die übrigen Anwärter stürmten auf den Übungsplatz, zogen ihn auf die Füße und gratulierten ihm zu seinem Sieg. Luves schwankte und eifrige Arme stützten ihn, führten ihn zum Haus der Gilde, wo er sich erholen konnte. Heute Abend würde er das Brandzeichen des Siegels der Gilde der Jäger erhalten und er würde vom Schüler zum Anwärter aufsteigen. Der Stolz auf seine Leistung und die Vorfreude über die kommende Auszeichnung ließ ihn alle Schmerzen vergessen.

Kapitel 1

Ein weißes Blatt Papier ist unschuldig und rein. Es sind die Worte, die darauf geschrieben stehen, die ihm sein Gewicht verleihen, denn schon ein kurzer Satz kann ein Leben auf ewig verändern. Doch davon ahnte der Jungmagier Luves nichts, als er die Nachricht entgegennahm, die sich auf einem unscheinbaren Stück Pergament befand, das man sorgsam gefaltet hatte. Er musterte es skeptisch, da es in der Regel nichts Gutes für einen Anwärter der Magiergilden verhieß, wenn er ein solches Schreiben erhielten. Meistens handelte es sich um den Befehl, sich bei einem der Ausbilder zu melden, um die Bestrafung für das Übertreten von einer der vielen Regeln zu erhalten. Doch er war sich keines Vergehens bewusst. Mit gerunzelter Stirn musterte er die akkurate Handschrift mit ihren harten, kantigen Zügen. Er las die Nachricht, die eher einer Notiz glich, da sie nur aus einem Satz bestand.

»Ich soll mich umgehend zum Ältestenrat der drei Gilden begeben«, sagte er halblaut zu Toge, einem Jungmagier, der ihm die Botschaft überbracht hatte. »Hat Meister Zudu eine Andeutung gemacht, warum ich bei den Veteres vorsprechen soll?«

Toge schüttelte nur den Kopf und widmete seine Aufmerksamkeit dem Treiben auf dem Platz, wo die Anwärter der Gilde der Jäger sich im Schwertkampf übten. Um sie herum klirrten die aufeinanderprallenden Klingen und in ihrem Eifer wirbelten die Kämpfenden Wolken von Staub auf, die den ganzen Platz überzogen. Doch das beeindruckte die beiden Achtzehnjährigen wenig.

 

Luves hielt in der einen Hand sein Schwert, in der anderen das Blatt und sah Toge an, der gelangweilt in den Staub spuckte.

»Ich sollte dir nur die Nachricht überbringen. Das war alles. Aber du scheinst sie nicht zu verstehen, obwohl sie nur aus einem einzigen, kurzen Satz besteht.«

»Wie meinst du das?« Mit dem Handrücken strich er sich das schweißnasse braune Haar aus der Stirn.

»Steht dort nicht etwas davon, dass du dich umgehend in das Hauptquartier begeben sollst? Soweit ich mich erinnere, bedeutet das, dass du dich sofort auf den Weg machen musst.«

Luves zuckte zusammen. Hastig faltete er das Papier und steckte es ein, während er zu dem Waffenmeister lief, der die Übungen überwachte. Toge beobachtete ihn grinsend, wie er umständlich erklärte, warum er den Unterricht abbrechen musste und dann in Richtung der Quartiere davoneilte.

»Wo willst du hin?«, rief er Luves nach, der sich im Laufen zu ihm herumdrehte und dabei beinahe über seine eigenen Füße stolperte. »Nach Cimala geht es in die andere Richtung!«

»Schau mich doch an«, erwiderte er und deutete auf seine verschwitzte und schmutzige Kleidung. »So, wie ich aussehe, kann ich den Ältesten nicht gegenübertreten.«

Kaum hatte Luves das Gebäude betreten, rannte er durch die Korridore zu den Quartieren, um in die Kammer, die er mit drei weiteren Schülern bewohnte, zu gelangen. Am Fußende seines schmalen Bettes stand eine abgenutzte Holztruhe. Eilig entnahm er ihr seine saubere Ersatzkleidung und zog sich um. Seine staubige Kleidung warf er achtlos auf sein Bett. Atemlos verließ er das Haus der Jägergilde, stürmte zwischen den Kämpfenden hindurch auf das Tor zu. Zu seiner Überraschung wartete Toge dort auf ihn und erklärte, dass er ihn auf einem Stück seines Weges begleiten würde.

»Du darfst dich nicht unerlaubt von diesem Gelände entfernen«, wies Luves ihn zurecht.

»Ich entferne mich nicht unerlaubt, sondern gehe in das Dorf der Kesselrührer, um mein Werkstück abzuholen. Meister Riudan hat es bewertet und entschieden, ob ich die Prüfung in der Herstellung von magischen Amuletten bestanden habe«, entgegnete Toge.

Mit einem überlegenen Grinsen sah Luves ihn an und er rollte mit den Augen.

»Ich weiß, du hast diese Prüfung schon vor Jahren abgelegt und du warst bereits ein Anwärter, als ich noch ein Schüler war. Nicht jeder erhält mit zehn Jahren das Siegel der Gilde, sondern erst mit zwölf oder dreizehn Jahren.«

Luves setzte zu einer Erwiderung an, um seinen Begleiter zurechtzuweisen, doch er schluckte sie herunter und schwieg.

Mit eiligen Schritten bewegte er sich entlang der scheinbar endlosen Karawane aus Menschen und Fuhrwerken über die staubige Landstraße. Die Bauern, Händler und Hausierer beachteten die jungen Männer nicht, die sich trotz der sommerlichen Hitze mit dunklen Wollumhängen verhüllten. Darunter waren sie ähnlich schlicht gekleidet wie die Menschen, die sie passierten. Sie trugen schmal geschnittene braune Hosen, lederne Stiefel und weiße Leinenhemden, so wie es alle Anwärter der Gilde der Jäger taten. Mit halbem Ohr lauschte Luves auf das Geschwätz der Leute, während er sich am Straßenrand an den Gespannen vorbeibewegte. Er bereute es, sich nicht alleine auf den Weg gemacht zu haben, doch er sah auch keine Möglichkeit, Toge loszuwerden.

»Ich glaube, ich weiß, warum die Veteres dich zu sich rufen«, sagte Toge plötzlich munter und riss ihn aus seinen Gedanken.

»Dann verrate mir, was der Grund sein könnte. Mir fällt nämlich keiner ein«, murmelte Luves.

»Du sollst bestimmt zu ihnen kommen, weil du ein Buch aus der Bibliothek gestohlen hast.«

»Ich habe es nicht gestohlen, sondern nur mitgenommen, weil die Studienzeit beendet war und ich das angefangene Kapitel beenden wollte.«

»Aber das ist trotzdem verboten. Erzähl mir die Geschichte, wie Meister Bukov dich dabei erwischt hat.«

»Jeder kennt sie«, entgegnete Luves barsch. »Ich habe sie dir bereits erzählt, als du wissen wolltest, warum ich als Strafarbeit alle Regale in der Bibliothek abstauben musste. Außerdem ziehen du und die anderen Schüler mich seit Wochen damit auf.«

»Aber es ist viel lustiger, wenn du sie erzählst.«

»Also schön …«, begann Luves seufzend, wohlwissend, dass sein Begleiter ihn mit dieser unleidigen Angelegenheit nicht in Frieden lassen würde. »Ich habe das Buch über Wüstenzauber unter meinem Umhang verborgen, um im Haus unserer Gilde meine Studien fortzusetzen. Kurz bevor ich den Ausgang erreichte, fing mich Meister Bukov ab, weil Sand aus dem Buch, unter meinem Umhang hindurch, unbemerkt zu Boden rieselte. Er ist der Spur gefolgt und hat mich ertappt.«

Toge brach in lautes Gelächter aus und konnte sich kaum halten.

»Das ist beinahe noch besser als damals, als du das Pergament mit den Feuerzaubern entrollt und dabei dein Hemd in Brand gesetzt hast.«

»Als ob dir noch nie ein Missgeschick unterlaufen wäre«, knurrte Luves.

»Natürlich ist es das, aber deine haben dich zu einer lebenden Legende gemacht.« Toge wischte sich die Lachtränen aus den Augen.

Aufmunternd wollte er Luves auf die Schulter klopfen, doch der schob seine Hand unwirsch beiseite und sah ihm zornig in die Augen.

»Es ist mir gleich, ob ihr euch über mich lustig macht und euch die Mäuler zerreißt. Meine Fähigkeiten in der Beherrschung der Elemente sind nicht die mächtigsten, aber ich habe nie aufgegeben und stets hart an mir gearbeitet. Was man von vielen anderen nicht behaupten kann!«

Energisch stieß Luves ihm den Zeigefinger vor die Brust. Er war es leid, das ständige Ziel des Spottes der anderen Anwärter und Schüler zu sein, die ihn für seine Wissbegierde und seinen Ehrgeiz verabscheuten. Sie ignorierten seine Erfolge und amüsierten sich über seine Fehlschläge. Toge war einer der wenigen Jungen, die sich überhaupt mit ihm abgaben. Trotzdem weigerte er sich, ihn als Freund zu bezeichnen. Zu tief hatte ihn all der Hohn über die Jahre getroffen. Er empfand nichts als Misstrauen, sobald jemand versuchte, sich ihm zu nähern. Zudem war er davon überzeugt, dass ein Magier aus der Gilde der Jäger nicht dazu bestimmt war, eine Freundesschar um sich zu sammeln. Bisher war er sehr gut alleine ohne die Unterstützung anderer zurechtgekommen, und so sollte es auch bleiben.

»Wolltest du nicht zum Dorf der Kesselrührer gehen?«, erinnerte er seinen Begleiter verstimmt an dessen Vorhaben, doch der verzog keine Miene.

»Ich gehe durch die Stadt.«

»Aber wenn du an der Stadtmauer außen entlanggehst, anstatt dich durch die Straßen zu drängen, bist du viel schneller dort.«

»Ich habe es nicht eilig. Viel lieber mache ich zuvor noch einen kleinen Abstecher und hole mir meine Belohnung ab.« Er zwinkerte Luves schelmisch zu.

»Was für eine Belohnung?«

»Das wirst du dir denken können, wenn wir dort sind.«

Rasch überholten sie die Wagenschlange und näherten sich den gewaltigen, grauen Mauern, die die Hauptstadt Cimala umschlossen. Auf den Zinnen thronten gleichmäßig verteilt riesige, von Wind und Wetter gezeichnete Statuen. Der bloße Anblick dieser befremdlich wirkenden Gestalten, mit ihren deformierten Körpern, die sowohl einem Menschen als auch einer Echse glichen, jagte Luves noch heute einen Schauer über den Rücken. Bedrohlich reckten sie den Ankömmlingen ihre Klauen entgegen und riesige Hauer ragten aus den weit aufgerissenen Mäulern. Der größte dieser stillen Wächter prangte über dem Haupttor. Mit weit ausgebreiteten Schwingen erhob er sich auf seinen Hinterläufen, den massigen Kopf zum Himmel gerichtet, das Maul wie zu einem stummen Schrei geöffnet. Diese Statuen hatte man derart detailliert gearbeitet, dass Luves glaubte, ihr kampflustiges Brüllen zu hören.

Die vor den Toren postierten Wachen kontrollierten jedes Gefährt und jeden Korb. Die mitgeführten Waren wurden von einem Zahlmeister aufgelistet, der die zu entrichtenden Steuern erhob, noch bevor die Händler in das Innere der Stadt eintreten durften. Ein Händler beschwerte sich lautstark, als die Wache, die wortlos durch das Tor trat, die jungen Männer vorbeiwinkte. Die meisten der Magier lebten nicht innerhalb der Stadtmauern, sondern außerhalb auf dem Gelände ihrer Gilden und sie waren den Soldaten vom Sehen her bekannt. Zudem konnten sie sich, wenn es erforderlich war, mittels des in die Haut eingebrannten Siegels ausweisen. Hinter der Mauer lag die Straße im Schatten und es kühlte merklich ab. Grobe Pflastersteine lösten die Landstraße aus festgefahrener Erde ab, verschmutzt vom Dung der Zugtiere und anderem Unrat. Dumpfer Gestank lag zwischen den Häusern, die sich dicht aneinanderdrängten.

Menschen und Karren schoben sich lärmend durch die enge Gasse in die Richtung des Marktplatzes. Toge riet Luves dazu, lieber einen Umweg zu nehmen, um an sein Ziel zu gelangen. Dafür mussten sie zwar einen längeren Fußweg in Kauf nehmen, aber so konnten sie das Gedränge umgehen. Sie scherten aus dem Pulk aus und wechselten in eine schmale Seitengasse. Dieses Viertel zählte zu den ärmsten und zwielichtigsten der Hauptstadt. Kein anständiger Bürger wagte sich in die Kneipen, die nicht mehr als billige, heruntergekommene Kaschemmen waren. Erst recht nicht in die Hurenhäuser, die von der Obrigkeit nur solange geduldet wurden, wie sie horrende Abgaben entrichteten. Vor einer Hauswand lag ein regloser Mann, den Luves erst für einen Haufen Lumpen hielt, so fest, wie er in seinen Mantel eingewickelt war. Erleichtert bemerkte er, dass die Gestalt sich leicht regte, als er sie passierte. Zwar hatten die Soldaten der Stadtwache ein Auge auf das Treiben in diesem Bezirk. Dennoch fand man immer wieder einen nächtlichen Zecher tot und ausgeraubt in einer Nische zwischen den Häusern. Der Mann gab ein paar unverständliche Laute von sich und versuchte unbeholfen, sich aufzusetzen. Über so viel Dummheit konnte Luves nur den Kopf schütteln. Immerhin war es kein Geheimnis, dass man diese Gegend besonders nach Einbruch der Dämmerung mied, wenn einem Leib und Leben lieb war.

Aus einem Hauseingang trat eine junge Frau, die schwungvoll einen Eimer voll schmutzigem Wasser auf der Straße ausleerte. Die jungen Magier konnten ihr gerade noch rechtzeitig ausweichen, bevor der Wasserschwall sie traf. Aus dem Haus hinter ihr schallte lautes Gelächter und Gesang heraus.

»So früh schon auf den Beinen?«, rief sie ihnen lächelnd zu. »Oder sucht ihr nur ein warmes Bett, um eure Nachtruhe fortzusetzen?«

»Da sage ich nicht nein«, entgegnete Toge heiter und klopfte Luves auf die Schulter. »Viel Glück bei den Veteres.«

Der packte ihn am Ärmel und versuchte ihn zurückzuhalten.

»Du weißt genau, dass es uns verboten ist, die Hurenhäuser aufzusuchen. Was ist, wenn man dich erwischt?«

»Wer soll mich denn dabei ertappen?«, lachte Toge. »Du hast doch selbst gesagt, den Magiern sei der Kontakt zu den Dirnen untersagt. Selbst wenn mich einer der Meister drinnen sehen sollte, schweigt er, damit er sich nicht selbst verrät.«

»Bleib hier!«

Doch der junge Mann machte sich von ihm frei und ging auf die Tür zu.

»Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss!«, rief er seinem Begleiter über die Schulter zu, dann war er im Inneren des Hauses verschwunden.

Die Dirne winkte Luves zu, es ihm gleichzutun, doch er schüttelte verlegen den Kopf.

»Für Anwärter der Gilde haben wir besonders weiche Lager. Wenn du etwas Hilfe für deine Studien benötigst, dann findest du hier geduldige Lehrerinnen, die dich gerne in ihren Künsten unterweisen, die nicht weniger zauberhaft sind als deine Fertigkeiten.«

Sie zwinkerte ihm verschwörerisch zu und zog ihre Bluse ein Stück herunter, so dass der Ansatz ihrer Brüste zu sehen war.

»Ein andermal vielleicht«, murmelte Luves und wich ihrem Blick aus.

Sie zog einen Schmollmund und wiegte aufreizend ihre Hüften. Der Kopf eines kleinen Mädchens lugte hinter ihren Röcken hervor und es musterte ihn neugierig. Die Kleine wischte sich mit dem Handrücken über ihre verschmierte Nase und schob ihr langes, strähniges Haar zurück.

»Schade. Dabei seid ihr alle solche hübsche Burschen und ich würde gerne eines deiner Kunststückchen sehen«, sagte die Frau. »Ihr Magier zeigt doch gerne, wie geschickt ihr mit den Fingern seid.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sie sich von ihm ab und verschwand hinter Toge in dem Haus. Nur das kleine Mädchen in den zerlumpten Kleidern sah ihn erwartungsvoll an.

 

»Oh, bitte! Zeig mir ein kleines Kunststück«, bettelte sie.

In ihren Augen leuchtete es hoffnungsvoll und Luves schluckte schwer. Voller Unschuld sahen die Kinderaugen zu ihm auf und er brachte es nicht über sein Herz, die Kleine zu enttäuschen. Mit einem theatralischen Seufzen streckte er seine Rechte aus und ballte die Hand zur Faust.

»Mulego«, murmelte er und streckte seine Finger.

Auf seiner Handfläche tanzte eine kleine Flamme, die sich sanft windend in die Höhe schraubte, bevor sie erlosch. Entzückt schrie das Kind auf und klatschte ihm Beifall.

»Mylady, ich hoffe, Euch hat meine Vorführung zugesagt.« Luves verbeugte sich leicht vor ihr.

»Das war wundervoll! Du bist ein großer Magier.«

Kichernd deutete sie einen Knicks an.

Er ließ das Mädchen ohne ein weiteres Wort zurück. Seine Hand brannte, große Blasen bildeten sich auf der Haut. Luves zog sich die Kapuze seines Umhanges tiefer über das Gesicht, damit niemand sehen konnte, wie er vor Schmerzen die Miene verzog. Ein Ziehen und Kribbeln zog sich durch seinen ganzen Arm, als seine Kräfte die Brandwunde heilten. Die Blasen zerplatzten und die Haut schälte sich, um neue zu bilden. Als er das Ende der Gasse erreichte, bewegte er vorsichtig die Finger. Erleichtert atmete er auf, als er feststellte, dass der Schmerz verging und frische, weiche Haut seine Handfläche überzog.

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