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2.Hundertfaches Drohpotenzial – Ein fast alltägliches Phänomen
Keine Stille vor dem Sturm – Wer mit schwerer Gewalt droht, will seine Schule, die Lehrer und Mitschüler maximal einschüchtern. Doch beim genaueren Blick auf Amokdrohende wird klar: So unberechenbar, wie sie sich inszenieren, sind sie nicht.
2.1Der Begriff der schweren zielgerichteten Gewalt – School-Shooting
Wie bereits in Kapitel 1 erwähnt, versuchen die Begriffe Delinquenz, Amoklauf und School-Shooting, das zu umreißen, was unter schwerer zielgerichteter Gewalt zu verstehen ist. Nachfolgend soll auf diese Begriffe noch einmal eingegangen werden.
Delinquenz ist das zugrunde liegende Verhalten einer schweren Gewalt. Während Delinquenz nur den strafrechtlich relevanten Teilausschnitt sozial abweichenden Verhaltens im Blick hat – die Neigung, rechtliche Grenzen zu überschreiten –, wird unter schwerer zielgerichteter Gewalt jeder gezielte Angriff auf mehrere Opfer verstanden, bei dem ein schulisches Umfeld (oder eine ähnliche Einrichtung) bewusst als Tatort ausgewählt wird.
Die intentionale Tötung und/oder Verletzung mehrerer Personen – ohne Abkühlungsperiode und mit einzelnen Tatsequenzen im öffentlichen Raum – ist die engere Definition des Amoklaufs. Das Wort Amok stammt ursprünglich vom malaiischen Begriff meng-amok ab, der eine im indonesischen Kulturkreis kriegerische Aktion bezeichnet, die beinhaltet, den Feind in blinder Wut anzugreifen und zu töten. Die „Amoucous“, Krieger, stürzten sich dabei auf ihre Gegner und kämpften ohne Rücksicht auf das eigene Leben, um die Schlacht zu gewinnen. Es wird vermutet, dass die Krieger eine Elitetruppe des Nayros-Volkes bildeten, die den Feind auf Befehl des Königs bedingungslos und blindwütig attackierte. Der Amokbegriff erreichte die westlichen Kulturkreise erst im Zeitraum vom 17. bis 19. Jahrhundert und erfuhr einen Bedeutungswandel, denn ursprünglich handelte es sich dabei um keine persönliche Einzeltat, sondern eine unter Raserei stattfindende kriegerische Handlung.
Amok ist immer eine psychische Extremsituation, welche durch ungetrübte Gewaltbereitschaft und Unberechenbarkeit des Täters gekennzeichnet ist. Heute bezeichnet der Begriff meist eine plötzliche, willkürliche, nicht provozierte Gewaltattacke mit starkem fremdzerstörerischem Verhalten. Oft folgen ein fehlendes Erinnerungsvermögen, Erschöpfung des Täters und Suizid. Täter, die in einer solchen Ausnahmesituation Straftaten begehen, nennt man Amokläufer oder auch Amokschützen (bei Gebrauch von Schusswaffen).
Der Amokläufer fällt in die Kategorie Massenmörder und handelt „in der Regel in einem plötzlichen, einmaligen und rauschähnlichen Akt der Verzweiflung oder Rache, der die Opfer teilweise zufällig trifft, und kann darin münden, dass sich der Täter am Ende selbst tötet oder von der Polizei töten lässt“11. Er muss von dem Begriff Serienmörder abgegrenzt werden. Lediglich die Anmaßung, über Leben und Tod entscheiden zu können, ist beiden gemein.
Allerdings gilt es, den Begriff Amok zu spezifizieren, da er den Charakter des Plötzlichen/Eruptiven trägt. Er lässt sich mit folgendem Satz präzise beschreiben: Jemand war blind vor Wut. Nach der Definition des ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) handelt es sich um Amok, wenn eine willkürliche, anscheinend nicht provozierte Episode mörderischen oder erheblich destruktiven Verhaltens, gefolgt von Amnesie oder Erschöpfung stattfindet.12
Dadurch wird diese Definition den Taten an Schulen mit schwerer zielgerichteter Gewalt nicht ganz gerecht, denn diese zeichnen sich durch Planungs- und Entwicklungsvorgänge aus. Die Öffentlichkeit und die Medien werden in erster Linie als Publikum gesehen, um Rache und Aufmerksamkeitstaten entsprechend zu inszenieren. Da es sich vorwiegend um jugendliche Täter handelt, wird oft die Schule zum Ort des Geschehens.
In der Wissenschaft wurde deshalb in jüngster Zeit eine neue Begrifflichkeit eingeführt, in der der Amoklauf an Schulen durch die Bezeichnung School-Shooting ersetzt wurde. Dieser Begriff beinhaltet den Ankündigungscharakter, der typisch für diese Art des Amoks ist. Er schließt den Aspekt, blind vor Wut zu sein, aus, gleichwohl es in der Tat selbst zu einer Raserei oder einem Blutrausch kommen kann. Deswegen ist die Bezeichnung des Amokläufers auch bei School-Shootings in den westlichen Industrienationen im allgemeinen Sprachgebrauch immer noch präsent – unter dem Gesichtspunkt, dass es sich dabei um Personen handelt, die schwere Gewalttaten scheinbar wahllos gegen andere Personen begehen.
Im Vergleich gab es im Jahr 2009 in Deutschland ca. 11.000 Suizide und 100.000 Suizidversuche, 4.500 Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang und 720 Morde.13 School-Shootings sind dagegen sehr selten. Sie haben jedoch überproportional weitreichende und schreckliche Folgen, die über die Anzahl der Opfer der jeweiligen Tat hinausragen.
Neben den Morden und Verwundungen an Lehrern und Schülern werden bei solchen Anschlägen viele psychische Wunden hinterlassen, deren Heilung im Vergleich zu Schuss- oder Stichverletzungen viel aufwendiger und oft irreparabel ist. Sie sind ein wahrgewordenes Zeichen für den unverhofften Einbruch in die heile Welt, geschehen an als sicher geglaubten Orten wie Schulen, Behörden, Gerichtssälen. Dort verbreiten sie Angst und Schrecken und können zu Nachahmung einladen. Die Klärung der Frage, ob solche Gewalttaten im Zusammenhang mit einer Psychose, einer Störung der Impulskontrolle, einer narzisstischen oder einer Borderline-Störung stehen, ist schwer zu beantworten und wirft erhebliche Probleme auf, da sich die Täter nach der Tat oft selbst töten.
Im allgemeinen Sprachgebrauch, in den Medien und in den Schuldrohungen wird fortwährend das Wort Amok gebraucht, deshalb ist eine klare, konstante begriffliche Unterscheidung schwer möglich. Obwohl die Begriffe Amok an Schulen und School-Shooting synonym verwendet werden, sind sie auf der Bedeutungsebene klar abzugrenzen: Amok beinhaltet im eigentlichen Sinne immer eine spontane, eruptive Handlung. School-Shooting versteht jedoch im Gegensatz dazu einen zielgerichteten, geplanten Anschlag. Wird im Folgenden der Begriff Amok als Synonym für School-Shooting gebraucht, ist er als gleichbedeutend anzusehen – als ein geplanter, zielgerichteter Anschlag auf eine Schule.

Amok = spontane, eruptive Handlung
School-Shooting = zielgerichteter, geplanter Anschlag
2.2Darstellung des Phänomens: Leaking
Leaking [likin:] kommt aus dem Englischen und bedeutet Leck sein, etwas durchsickern lassen, eine undichte Stelle. Leakings sind Vorzeichen, die immer der Tat voranschreiten. Eine Vorplanung ist Teil des Ganzen, Teil des School-Shootings und somit der Weg zur Handlung selbst. School-Shootings sind nie impulsiv, sondern immer konstruiert und vorbereitet.

Leaking = Vorzeichen einer Tat
Die Aufarbeitung vergangener Schulanschläge zeigt, dass es in der Vorplanung immer zu diesen undichten Stellen (engl.: lecks) durch Informationen, Schriftstücke und Provokationen gekommen ist. Es wird davon ausgegangen, dass die Absicht, eine derart schwere Gewalttat zu begehen und damit im negativen Sinn berühmt zu werden, gegenüber Gleichaltrigen erstaunlich oft angedeutet wird – sowohl ungewollt als auch bewusst. Leider liegt dem School-Shooting eine gewisse Faszination für Nachahmer zugrunde, die aus der Unfassbarkeit einer solchen Tat in all ihrer Schrecklichkeit entsteht. Ein Amoklauf, insbesondere an einer Schule mit jungen Schülern, ist der Albino unter schwerer zielgerichteter Gewalt: selten, mysteriös, umgeben von einer außergewöhnlichen Aura, beobachtet und gefürchtet zugleich.
Zur Einführung in die Darstellung des Phänomens sollen einige aktuelle empirische Befunde aufgezählt werden. Tendenziell sind eher Männer dazu geneigt, Konflikte mit Gewalt zu lösen. Auch empfinden Jungen, besonders im schulischen Umfeld, soziale Aberkennung als unangenehmer und bewältigen diese Art von Krisen eher mit Gewalt.
2.2.1Ungewollte Vorankündigungen
Wie in Kapitel 1 bereits angedeutet, existiert keine Checkliste, mit deren Hilfe ein potenzieller Schulattentäter frühzeitig identifiziert werden kann. Es lassen sich jedoch wiederkehrende Muster erkennen, die sich beispielsweise in Form unbewusster Vorankündigungen zeigen.
Ein typischer Kleidungsstil wird von der Gruppe der Amokaffinen bevorzugt. Der schwarze, meist militärische Look ähnelt dem der Helden aus den bekannten Kinofilmen, wie Terminator und Matrix, und wird mit T-Shirts kombiniert, die mit aussagekräftigen Sprüchen bedruckt sind. Einige der Täter trugen Shirts mit dem Spruch „The World is overrated“ oder „Natural Selection“. Dies ist kein Zufall, sondern bewusste Identifikation mit Vorbildern und deren Stil. Kennzeichnend sind Zurückgezogenheit, Waffenaffinitäten, bestimmte Überzeugungen und gewaltverherrlichende Musikstücke, ebenso ein Realitätsverlust, der darin gipfelt, als Rächer für ihre subjektiv empfundene Benachteiligung handeln zu dürfen. Potenzielle Gewalttäter neigen oftmals dazu, erst einmal ihre Mitmenschen von ihren Einstellungen zu überzeugen, z.B. dass Schützenvereine das Beste und eine Pflicht für junge Männer seien. Steckt in den vorgebrachten Inhalten eine übermäßige Leidenschaft, lösen sie bei vielen Menschen gesunderweise Widerstand aus. Diese Erkenntnisse legen den Schluss nahe, dass vermehrt auf diese Personen geachtet werden muss.
2.2.2Bewusste Vorankündigungen
Eine Motivation, eine solche Tat überhaupt erst auszudenken und zu planen, ergibt sich aus dem verführerischen wie unreflektierten Gedanken, Gott gleich sein zu können. In mehreren, voneinander unabhängigen Täterrecherchen wurde der Ausdruck des „natürlichen Selektierers“ genannt. Die potenziellen „Grenzüberschreiter“ sehen sich demnach als Richter über Leben und Tod.
Möglichkeiten der Vorankündigungen:
•Androhungen verbaler Art: jegliche Formulierung, die auf eine Vorbereitung und ein Vorhaben eines School-Shootings hindeutet
•Verschriftlichung: Briefe, Zettel, Schmierereien an öffentlichen Gegenständen und Wänden, schriftliche Äußerungen in Chaträumen
•Musik: das Hören und Kundtun bestimmter Musikstücke, die Gewalt thematisieren
•Internetpräsenzen: Identitäten und Seiten aufsuchen, die in Verbindung mit einem potenziellen Schulanschlag stehen
•Stil: demonstrative Kleidung, die der Gruppenzugehörigkeit von Tätern vorangegangener Amoktaten zugeordnet werden kann
•Zeitungsartikel/Berichte zu Amokläufen und Tätern sammeln
Die Chance, das Vorhaben aufzudecken und frühzeitig eingreifen zu können, ist durch diese bewussten oder unbewussten Lecks gegeben. Problematisch ist jedoch die mangelnde Erkennung der Vorzeichen auf diesem Gebiet der Gefahrendrohung und die fehlende Wirkkraft von Sanktionen bei möglichen Amoktätern. Das Androhen von Bestrafung bleibt bei dieser Art von Tätern wirkungslos. Meist liegen Defizite in der Empathiefähigkeit und in der Sozialisation vor. Nicht selten ist ein Suizid geplant, durch den der Täter ohnehin keine Strafe für sein Handeln befürchten muss.
Allen bisherigen School-Shootings ist gemein, dass sie nicht ohne Vorwarnung verübt wurden. Das eröffnet die Chance einer frühzeitigen Erkennung des Vorhabens und seiner Abwendung. Manche Zeichen sind versteckt, viele offensichtlich. – Sie existieren, denn Andeutungen sind Vorläufer einer möglichen Tat und gehören mit zum Konzept der Affinität zu Macht. Sie geben dem Täter das befriedigende Gefühl, andere Menschen zu ängstigen. Das ist völlig beabsichtigt und zählt zu den bewussten Vorzeichen. Es muss weit vor der fortgeschrittenen Tatplanung reagiert werden, um potenzielle Täter schon im Vorfeld zu entdecken und dadurch ein bevorstehendes School-Shooting zu verhindern. Es gilt, Gleichaltrige und Mitschüler zu sensibilisieren und solche Vorzeichen frühestmöglich Erwachsenen mitzuteilen. Bei dem letzten School-Shooting in Deutschland (Winnenden 2009) kam es kurz vor der eigentlichen Tat zu regelrechten Inszenierungen und Selbstdarstellungen, wie die Veröffentlichung von inszenierten Fotos mit Waffen und Drohungen über das Internet.
Wissenschaftler sind sich einig, dass sich durch bessere Früherkennung schwere Schulgewalt vorbeugen lässt. Ziel der Wissenschaft sollte sein, den Schulen zu helfen, psychosoziale Notlagen bei Schülern frühzeitig zu erkennen, um besser darauf reagieren zu können. Die Gründung eines Krisenpräventionsteams (KP-Team) an jeder Schule ist ein Anfang, der gemacht werden muss. Darüber hinaus müssen Fortbildungen angeboten werden, in denen die Lehrkräfte für solche Extremsituationen und für die Früherkennung von Krisensituationen bei Schülern geschult werden. Das KP-Team muss in akuten Fällen von der Erziehungsberatungsstelle und der Polizei unterstützt werden.
2.3Einbettung in Kriminalitätstheorien
In der Kriminalpsychologie wird der Täter mit seinem zugrunde liegenden psychologischen Muster betrachtet, um Erklärungen für die daraus resultierende Devianz zu finden. Ansätze, die sich nur auf eine Ursache zur Begründung des abweichenden Verhaltens stützen, sind nicht hinreichend, denn es entwickelt sich aus der Verbindung verschiedener Kriterien – sozialer, biologischer und psychologischer –, die aufeinander einwirken. Daraus ergibt sich das Zusammenspiel dreier Variablen:
1. Täterpersönlichkeit
2. Soziale Problematiken
3. Gewaltaffinitäten
Innerhalb dieser Variablen präsentieren Lösel und Bliesener14 (2003) ein umfangreiches Ergebnis zum Thema Delinquenz und Aggression unter jugendlichen Gewalttätern in schulischen Umgebungen. Die Autoren evaluierten in einer Untersuchung straffällig gewordener Jugendlicher folgende Risikofaktoren, die einen Einfluss (in Prozent dargestellt) auf das deviante Verhalten der Täter ausübten (die Gesamtzahl der Prozentzahlen ist höher als 100%):
•Soziale Informationsverarbeitung: 31,4%
Dieser Faktor erwies sich als der Wichtigste für die Entstehung von Schul-Bullying. Die aggressiven Jugendlichen gaben sich gegenüber ihren Gesprächspartnern erheblich weniger Mühe, eine Klärung der Situation zu finden, und neigten in ihrem Handlungsspielraum stark zu impulsiven Reaktionen. Auch bewerteten sie die Konsequenzen aggressiver Handlungen positiver.

Schul-Bullying: Aggression unter Schülern, neuerdings als Bullying oder als Mobbing bezeichnet, ereignet sich über einen längeren Zeitraum als systematische und wiederholte Aggression gegenüber Schwächeren. Das kann sowohl körperlich als auch verbal und indirekt geschehen.
•Medienkonsum: 21,5%
Medienkonsum im Allgemeinen ging eher weniger mit Aggression und Delinquenz einher. Bei gewalthaltigen Filmen war es allerdings ein ausgeprägter Faktor.
•Substanzengebrauch: 22,9%
Der Konsum von Substanzen wie Alkohol, härteren Drogen und auch Medikamenten beeinflusste die Aggression gegenüber Mitschülern und delinquentes Verhalten.
•Peergroupmerkmale: 20,9%
Aggressive Jugendliche suchten Cliquen auf, die sich prügelten und häufig ziellos herumhingen. Hingegen zeigten Opfer öfter soziale Isolationen.
•Freizeitverhalten: 18,5%
Die gewaltbereiten Jugendlichen hatten weniger strukturierte und besinnliche Freizeitaktivitäten wie Lesen und Spielen (Tableplay). Sie beschäftigten sich mehr mit gewalthaltigen Filmen oder Computerspielen.
•Soziale Kompetenz/Coping: 18,5%
Soziale Kompetenz umfasst eine Vielzahl von Fertigkeiten, die für die soziale Interaktion nützlich bzw. notwendig sind. Coping beschreibt Prozesse, die dazu dienen, erwartete oder bereits eingetretene Belastungen emotional und kognitiv auszugleichen und zu meistern.
•Psychische und Persönlichkeitsprobleme: 16,8%
Bullies traten dominanter und impulsiver auf. Sie hatten außerdem Aufmerksamkeitsdefizite.
•Schul-/Klassenklima: 11,9%
Das Klima beschrieb die Stimmung innerhalb einer Einrichtung oder Gruppe; wobei Aggression oder Einigkeit, Konsens oder starke Differenzen wahrgenommen und gewichtet wurden.
•Familienklima: 6,8%
Der Familienfaktor fiel nicht so sehr ins Gewicht wie die anderen Risikofaktoren. Allerdings wurde sehr wohl weniger Wärme, verbunden mit mehr Aggression und Strenge, in der Erziehung von gewalttätigen Jugendlichen gefunden. Es konnten mehr Streit und eine geringere Anregung für eine positive Lebensführung nachgewiesen werden. Familiäre Probleme konnten für Mädchen bedeutsamer ausfallen als für Jungen, besonders wenn eine Alkoholerkrankung der Eltern bekannt war.
•Schulleistung: 4,9%
Nach dem Erfurter Amoklauf gab es Äußerungen, dass die Schulleistung als Ursache für die Tat in Betracht gezogen werden könnte. Lösel und Bliesener (2003) kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass die Leistung keinen übergroßen Einfluss auf das Gewaltverhalten hat.
•Biographische Familienbelastung: 2,8%
Gemeint ist der genetische Anteil, der vorgibt, für Gewalttaten eher anfällig zu sein.
Die Untersuchung von Lösel und Bliesener zeigten, dass viele Risikofaktoren Einfluss auf deviantes Verhalten von Jugendlichen haben. Hauptergebnis war, dass die soziale Informationsverarbeitung der entscheidende Faktor für die persönlichen Gewalttendenzen in Schule und anderen Lebenssituationen war. Der Medienkonsum und der Substanzgebrauch (Alkohol, Drogen) waren wichtige Einflusskriterien, ebenso die Peergroupmerkmale und das Freizeitverhalten der Jugendlichen. Wie junge Menschen mit sozialen Kompetenzen bestimmte Situationen kompensieren oder auffangen müssen, wurde durch den Einflussfaktor Coping dargestellt.
Auch der Wissenschaftler Hans Thomae15 befasst sich in seinem Buch Die Psychologie der Affekte mit diesem Problem. Der Affekt meint im Allgemeinen eine Steigerungsform von Gefühlszuständen. Es wird von Affekten gesprochen, wenn die Äußerungen lebhaft sind und sichtlich der ganze Körper daran beteiligt ist.16 Dies geschieht in Lebenslagen, die enorme Bedeutung haben und durch ängstigende, einschneidende Änderungen der Umgebung hervorgerufen werden. Thomae versteht darunter ein „rasch anspringendes, große Intensität erreichendes Gefühl“.17 Nach ihm erfolgt unter den Bedingungen extremer Erregung nicht nur eine Ausschaltung der Orientierung der Gesamtlage, sondern auch eine Außerkraftsetzung der normorientierten Instanzen innerhalb der Persönlichkeit.

Exkurs: Auf biologischer Ebene besteht immer ein Austausch zwischen dem Hirnstamm (primitivere Vorgänge) und der steuernden Hirnrinde (geleitetes Handeln). Speziell involviert sind das Frontalhirn (an der Stirn) und der Thalamus (Emotionszentrum), die in einem ständigen Informationsaustausch zwischen reinen Emotionen und Hemmungsmechanismen stehen. Kortikale Bewertungen (durch die Hirnrinde gesteuert) regeln eine Hemmung oder eine Aktivierung der Gefühle und definieren ihre Gewichtung. Kommt es zu einer Übergewichtung eines aufsteigenden Systems, also zum reinen Affekt (in die höheren Regionen der Hirnrinde), kann es zur Folge haben, dass diese „funktional dekortisiert“ werden. In diesem Stadium ist eine Verhaltensteuerung und Anpassung an aktuelle Normen und Situationen nicht mehr völlig gewährleistet. Der Mensch kann dann „wie von Sinnen“ reagieren.
2.4Darstellungen der bisher angedrohten School-Shootings im Hellfeld
Wie viele Androhungen von School-Shootings wurden in Deutschland im Zeitraum von 2005 bis 2010 erfasst und gespeichert? Wer sind die potenziellen Täter? Wie, wann und wo finden Drohungen statt – und welche Präventionsmaßnahmen können entwickelt werden?
Diese grundlegenden Fragen sollen in der nachfolgenden Untersuchung beantworten werden, da die deutsche kriminologische Literatur bisher keine ausreichenden Antworten bieten kann. Die derzeitige Forschung hat solche Fragen erst in Ansätzen zur Grundlage empirischer Analysen gemacht. Daher greift die vorliegende Untersuchung diesen Bereich des Forschungsbedarfs auf.
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