Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018

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„So sind meine Geschäftsbedingungen. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, suchen Sie sich jemand anderen.“

„Schon gut. Wann treten Sie in Aktion?“

„Sobald Sie das Geld eingezahlt haben. Aber Sie sollten sich damit nicht allzuviel Zeit lassen.“

„Gut. Ich werde das gleich morgen früh veranlassen. Geben Sie mir jetzt die Nummer durch!“

Robert gab die Nummer durch und hängte dann den Hörer ein. Wenn alles gutging, würden sie nie wieder voneinander hören, er und Mendez. Robert trat aus der Telefonzelle heraus und atmete tief durch. Jetzt hieß es erst einmal abwarten, bis Mendez das Geld überwiesen hatte. Aber in der Zwischenzeit konnte er bereits ein paar Vorbereitungen treffen.




7


Elsa war mit dem Landrover nach Tanger gefahren.

Eigentlich hatte sie nicht das geringste Verlangen danach, von Menschen umgeben zu sein. Im Geiste sah sie sich bereits von aggressiven Händlern und bettelnden Kindern umringt.

Sie dachte kurz an das Erlebnis am Strand, als die drei Marokkaner es auf sie abgesehen hatten... Die Erinnerung genügte völlig, um ein Gefühl der Beklemmung in ihr auszulösen.

Elsa hatte auch erwogen, gar nicht in die Stadt zu fahren, aber dann war ihr klargeworden, dass sie unbedingt fahren musste, schon um nicht völlig den Verstand zu verlieren.

Der Pass, die Schminkutensilien, Robert...

Alles drehte sich in ihrem Hirn wild durcheinander. Verzweifelt versuchte sie, einen Sinn in die Sache hineinzubringen. Aber wie sie es auch drehte und wendete: Was dabei herauskam, gefiel ihr nicht.

Sie trat energisch auf das Gaspedal, und der Landrover fegte rasant durch die Kurve. Ein klappriger, uralter Citroen kam von vorne und musste ein paar Meter ausweichen. Der Fahrer hupte und zeigte ihr einen Vogel.

Verdammt! Elsa ärgerte sich.

Sie musste sich mehr auf den Verkehr konzentrieren. Sie durfte ihre Gedanken nicht einfach so davontreiben lassen.

Geschäfte!, dachte sie bitter. Geschäfte, über die er nicht reden wollte! Was konnte dahinter stecken? Drogen? Irgendeine Scheußlichkeit?

Vielleicht sollte ich ihn zur Rede stellen, wenn er wieder zurück ist, überlegte sie. Dann würde es sich ja herausstellen.

Möglicherweise war alles ganz harmlos und es gab vernünftige Erklärungen für das, was Elsa jetzt noch schlaflose Nächte bereitete. Und wenn nicht? Elsa wagte nicht, daran zu denken.

Unterdessen hatte sie die Stadt erreicht. Sie stellte den Landrover in einer Seitenstraße ab und stieg aus. Sorgfältig verschloss sie den Wagen.

Als sie sich noch einmal umdrehte, sah sie ein paar Jungen, die sich um den Landrover geschart hatten.

Sie stierten ihn an, als wäre er ein exotisches Tier. Wenig später erreichte Elsa eine der belebteren Geschäftsstraßen des modernen Tanger. Sie kam bei einem Zeitungsverkäufer vorbei und nahm ihm ein paar Blätter ab. Es gab sogar deutsche Zeitungen. Sie klemmte sie unter den Arm und bezahlte. Als sie ein paar Schritte weitergegangen war, trat ihr jemand in den Weg.

Es war ein unrasierter, dunkelhaariger Mann mit schiefen gelben Zähnen und einem ziemlich abgewetzten Jackett. Dazu trug er Turnschuhe, die wohl irgendwann einmal weiß gewesen waren.

Er fragte Elsa zuerst auf Französisch und dann auch sicherheitshalber auf Englisch, ob sie an Haschisch interessiert sei. Elsa verneinte.

Nein, sie habe kein Interesse und wollte damit auch nichts zu tun haben. Sie versuchte, an ihm vorbeizugehen, aber er stellte sich ihr erneut in den Weg. Er sah sich kurz um und öffnete sein Jackett, um ihr sein Sortiment zu zeigen.

„Are you interested?“

„No!“

Sie ging energisch an ihm vorbei und machte dann ein paar schnelle Schritte, ohne sich dabei umzudrehen. Hinter sich hörte sie, wie er ihr folgte. Er schien noch immer nicht aufgegeben zu haben.

In einiger Entfernung sah sie dann einen Polizisten, der an seiner gebügelten Uniform herumzupfte und sich wohl furchtbar wichtig vorkam.

Sie drehte sich zu ihrem Verfolger herum und er begann erneut, auf sie einzureden. Aber sie drohte mit der Polizei, und das wirkte. Er ließ von ihr ab und schlich sich wie ein getretener Hund davon. Auch er hatte den vornehmlich mit seiner Uniform beschäftigten Beamten gesehen.

Der Polizist schlenderte heran und spielte dabei mit seinem Schlagstock.

Elsa registrierte mit Genugtuung, dass das den Abgang ihres Verfolgers noch ein wenig beschleunigte. Er machte ein paar rasche Schritte, warf noch einen unsicheren Blick zurück und war bald darauf hinter einer Straßenecke verschwunden.

Elsa atmete auf. Denken die eigentlich von jedem blassgesichtigen Europäer oder Nordamerikaner, dass er Drogen konsumiert? fragte sie sich, während sie innerlich den Kopf schüttelte.

Später ging sie noch ins MARCO POLO, um etwas zu essen. An einem der Nachbartische saßen drei Marokkanerinnen, allesamt europäisch gekleidet, vornehmlich in Leder. Eine von ihnen trug sogar einen Minirock.

Elsa musste unwillkürlich an die bis zu den Augen verschleierten Frauen denken, die man ebenfalls in Tanger antreffen konnte.

Die drei Frauen schienen viel Spaß miteinander zu haben. Sie kicherten unentwegt. Elsa verstand kein Wort von dem, was sie sagten, aber dennoch hörte sie ihnen fasziniert zu.

Als sie später wieder in dem Landrover saß und zurück zu Roberts Haus fuhr, erfüllte sie ein zwiespältiges Gefühl, von dem sie nicht so recht wusste, was sie davon zu halten hatte.

Sie hatte sich etwas beruhigt, was sie für ein gutes Zeichen hielt. Aber die düsteren Schatten, die ihr Inneres schon den ganzen Tag mehr oder weniger im Griff gehabt hatten, waren noch da. Sie lauerten im Hintergrund, wie Schauspieler, die nur auf ihr Stichwort warteten, um sich auf der Bühne zu zeigen.

Elsa fuhr sehr schnell. Der Motor des Landrovers heulte laut auf, während sich ihre Gedanken wieder in atemberaubendem Tempo zu drehen begonnen hatten.

Elsa stand vor einem Abgrund aus Depressionen, und sie wusste das. Schließlich war es nicht das erste Mal, aber früher waren die Anlässe geringfügiger gewesen.

Die Stadt, die Menschen, selbst der Haschischhändler, das alles hatte sie für kurze Zeit etwas abzulenken vermocht. Aber nun war sie wieder allein mit sich und ihren Gedanken.

Es war schon später Nachmittag, als sie den Wagen vor Roberts Haus parkte. Sie schloss die Haustür auf, und mit ein paar Schritten war sie im Wohnzimmer. Die Zeitungen, die sie mitgebracht hatte, flogen auf den niedrigen Tisch.

Aus den oberen Räumen hörte sie Stimmen. Frauenstimmen. Sie schwatzten schier ohne Unterlass auf Arabisch und lachten zwischendurch hell.

Aziz' Frau und seine Töchter, dachte Elsa. Wenig später kam eine der Frauen die Treppe herunter und dann Wohnzimmer. Sie grüßte sehr höflich.

Elsa nickte ihr zu. Es gab keine Möglichkeit für sie, sich mit ihr zu verständigen. Die Frau sprach nur ihren eigenen arabischen Dialekt, sonst nichts.

Die beiden anderen Frauen kamen auch die Treppe herunter. Als auch sie das Wohnzimmer betraten und ihr Blick auf Elsa fiel, schwiegen sie augenblicklich. Am nächsten Tag hatte Elsa das Gefühl, dass Aziz ihr auszuweichen versuchte.

Er erledigte seine Pflichten so gewissenhaft wie immer, aber er schien deutlich darauf bedacht zu sein, sich nicht zu lange in Elsas Nähe aufzuhalten. Manchmal, wenn sie in seine Richtung sah, wich er ihrem Blick aus.

Elsa ließ das gestrige Gespräch noch einmal Revue passieren. Sie hatte Aziz nach Strich und Faden ausgefragt, und vielleicht gefiel ihm das nicht. Aber Elsa wollte noch mehr wissen.

Schließlich erwischte sie ihn, als er sich in der Küche eine Tasse Kaffee aufbrühte.

„Ich möchte Sie gerne noch etwas fragen, Aziz... Vorausgesetzt, Sie haben nichts dagegen...“

Er murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Dann meinte er mit gespielter Gleichgültigkeit: „Was sollte ich dagegen haben?“

Elsa zuckte mit den Schultern. „Hätte ja sein können!“

Er sah sie jetzt offen an und forderte: „Also, was wollen Sie wissen?“

„Haben in diesem Haus schon andere Frauen gelebt - mit Robert zusammen?“

Aziz war deutlich anzumerken, wie unangenehm ihm die Frage war. Wahrscheinlich bereute er seine Bereitwilligkeit schon wieder.

„Ich weiß nicht...“

„Ich möchte, dass Sie offen zu mir sind, Aziz!“

„Wollen Sie das wirklich wissen?“

„Ja!“ In ihrer Stimme klang ein hohes Maß an Entschlossenheit mit, dass ihr Gegenüber ein wenig zu überraschen schien.

„Ich verstehe, dass Sie das interessieren muss...“ Aziz versuchte sich zu drehen und zu wenden, aber Elsa ließ nicht locker.

 

„Es hat Vorgängerinnen gegeben, nicht wahr?“

„Ja.“

Als er das sagte, sah er sie nicht an. Es schien ihm peinlich zu sein. Vielleicht hatte er auch ein wenig das Gefühl, den Mann, für den er arbeitete zu verraten.

„Sie kennen Mister Jensen doch jetzt eine ganze Weile“, meinte er dann. „Warum fragen Sie ihn nicht all die Dinge, die Sie mich fragen?“

Elsa ging nicht darauf ein. „Was waren das für Frauen?“, erkundigte sie sich.

„Meistens Europäerinnen, die wie Sie hierher kamen, um sich das Land anzusehen und sich zu amüsieren. Es hat nie lange gedauert.“

„Aber sie haben hier gewohnt.“

„Manche. Und auch höchstens für ein paar Tage, maximal eine Woche. Solange wie Sie ist keine geblieben. Ich weiß nicht warum. Es geht mich auch nichts an.“

Elsa überlegte.

Sie hatte realistischerweise nicht erwarten können, die erste oder gar einzige Frau in Roberts Leben gewesen zu sein. Er war schließlich 38, wenn man seinem Pass glauben konnte. Wenn...

Plötzlich fragte sie sich, ob in dem britischen Pass wohl dasselbe Geburtsdatum eingetragen war, wie in dem dänischen, in den sie hineingeschaut hatte.

Es war nur ein Gedanke, aber das, was eigentlich dahintersteckte, war die Frage, was an diesem Mann tatsächlich so war, wie es zu sein schien.

Elsa sah, wie Aziz die Kaffeetasse abstellte. Er würde die nächste Gelegenheit nutzen, um ihr wieder zu entwischen, soviel war ihr klar.

„Seit wann geht das so?“, wandte sie sich an ihn, bevor Gelegenheit dazu bekam, die Küche zu verlassen.

Er schien nicht recht zu verstehen.

„Was?“

„Dass Robert – Mister Jensen - mit keiner Frau länger als eine Woche zusammengelebt hat!“

„Solange ich für ihn arbeite. Also seit annähernd drei Jahren. Vielleicht hat er irgendwo anders noch eine Beziehung unterhalten, die länger andauerte.“

„Warum nehmen Sie das an?“

„Ich nehme es nicht an, ich sage nur, dass es vielleicht möglich wäre.“

„Weshalb?“

„Weil ihr Ausländer im allgemeinen eine lockere Moral in diesen Dingen habt. Lockerer jedenfalls, als es hierzulande üblich ist.“

„Verachten Sie Robert deswegen nicht?“

„Nein. Jeder muss selbst wissen, was er tut.“ Er zuckte mit den Schultern. Elsa glaubte nicht, dass er diese Weisheit dem Koran entliehen hatte. Dann meinte er: „Mister Jensen bezahlt mich gut für meine Arbeit. Wie könnte ich ihn da verachten?“

Das war ein deutlicher Hinweis darauf, wem im Zweifelsfall seine Loyalität gehörte.

„Hat Robert eigentlich irgendwelche Freunde? Bekannte, mit denen er sich trifft?“

Die Frage war einer plötzlichen Eingebung entsprungen, und ehe sie darüber nachgedacht hatte, war sie auch schon heraus gewesen.

Die ganze Zeit über, in der sie nun schon mit Robert zusammenlebte, hatte er sie nie irgend jemandem vorgestellt. Es hatte sie nicht gestört. In ihrem Rausch aus blinder Verliebtheit hatte sie ohnehin kein Verlangen nach anderen Menschen gehabt. Roberts Gesellschaft hatte ihr vollkommen genügt, und so war ihr nicht aufgefallen, dass sie beide wie auf einer Insel gelebt hatten.

„Wie soll ich die Frage verstehen, Miss?“ Elsa zuckte mit den Schultern. „Am besten so, wie ich sie gestellt habe. Was ist unklar daran? Ich meine, er lebt hier schon seit ein paar Jahren. Er muss doch irgendwelche Bekannte haben! Leute, mit denen er sich trifft...“

Er machte eine hilflose Geste.

„Ich weiß es nicht, Miss. Am besten, Sie fragen ihn selbst und lassen mich jetzt wieder meine Arbeit tun!“

Dann ging er an ihr vorbei.

Ja, dachte sie, sie würde Robert eine Menge Fragen zu stellen haben, sobald er zurückgekehrt war. Die nächsten Stunden verbrachte Elsa mit der Lektüre ihrer Zeitungen, die sie aus der Stadt mitgebracht hatte. Aber sie überflog nur die Überschriften und blätterte lustlos die Seiten hin und her.

Sie war mit den Gedanken nicht bei dem, was vor ihr lag. Sie dachte an Robert und fragte sich zum tausendsten Mal, was sie von diesem Mann eigentlich halten sollte.

Sie liebte ihn, das schien ihr das einzige zu sein, woran es keinen Zweifel gab.

Ist es nicht im Grunde genommen gleichgültig, wer oder was er ist?, fragte sie sich. Mit der Hand fuhr sie sich nervös über das Gesicht.

Durch die offenstehende Tür, die hinaus zur Terrasse führte, trat Aziz ein.

„Ich mache Schluss für heute“, meinte er.

Sie blickte auf und nickte.

„Gut.“

„Auf Wiedersehen, Miss...“

Sie erwartete jetzt eigentlich, dass er sich zum Gehen wenden würde. Aber er tat es nicht. Er blieb in der Tür stehen, mit einem Bein im Wohnzimmer, mit dem anderen auf der Terrasse. Elsa hob die Augenbrauen.

„Ist noch etwas, Aziz?“

„Ja, wegen unseres Gesprächs...“

Elsa stand auf, ließ die Zeitungen liegen und machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Vergessen Sie es, Aziz.“

„Meinetwegen. Aber das ist es nicht.“

Sie runzelte die Stirn und musterte ihn überrascht.

„Was dann?“

„Ich will mich keineswegs in Ihre Angelegenheiten mischen, aber vielleicht sollte ich es doch sagen...“

„Was meinen Sie?“

„Lieben Sie Mister Jensen, Miss?“

Elsa starrte ihn einen Augenblick lang wie entgeistert an. Dann nickte sie.

„Ja, natürlich.“

„Gibt es Liebe ohne Vertrauen?“

Sie sah ihn an, und das war ihm offenbar unangenehm. Dann zuckte Aziz mit den Schultern. „Vielleicht gibt es das: Liebe ohne Vertrauen“, meinte er dann. Er schmunzelte und setzte dann hinzu: „Meine Frau vertraut mir ja schließlich auch nicht!“

Sein Blick war nach innen gewandt, als er vor sich hin lächelte. „Sie reimt sich die dollsten Sachen zusammen. Meistens verdächtigt sie mich, irgendwo etwas mit anderen Frauen zu haben... Wie gesagt, sie traut mir nicht über den Weg. Aber wir sind seit 30 Jahren verheiratet! Als wir uns erst ein paar Wochen kannten, so wie Sie und Mister Jensen...“ Er brach ab und zuckte mit den Schultern.

„Na ja, vielleicht liegt es daran, dass wir unterschiedlichen Kulturen angehören.“

„Nein, das glaube ich nicht.“

„Wenn Sie Mister Jensen lieben, dann vertrauen Sie ihm doch ein klein bisschen. Er ist ein ehrenwerter Mann.“

„Nun, ich...“

„Ein sehr ehrenwerter Mann. Davon bin ich überzeugt, auch wenn ich nicht viel über ihn weiß!“

„Vielleicht haben Sie recht, Aziz...“

„Bestimmt habe ich das, Miss!“ Am Abend kam endlich ein Anruf von Robert. Seine Stimme klang, als wäre er sehr weit weg. Aber das mochte an den schlechten Leitungen liegen oder ganz einfach Einbildung sein.

Er sagte, dass er von Madrid aus anrufe.

Sie fragte, ob er ihr eine Nummer durchgeben könnte, unter der er zu erreichen wäre.

„Nein“, meinte er. „Ich rufe dich wieder an.“

„Und wann?“

„Ich werde sehen...“

Einen Augenblick lang wollte sie ihn fragen, weshalb er zwei Pässe besaß und warum zum Teufel er ihr nicht offen und ehrlich sagen konnte, womit er sein Geld verdiente! Es war ein einziger, törichter Augenblick, mehr nicht.

Und dann fragte sie sich auf einmal, ob sie eigentlich ihrer eigenen Wahrnehmung noch trauen konnte. Sie versuchte, die Dinge im Kopf zusammenzubringen, die ihr Misstrauen begründeten.

Aber da schien auf einmal nichts mehr zu sein. Gar nichts.

Sie hörte seine ruhige, sichere Stimme, und die Schatten in ihrem Inneren lösten sich auf.

„Ich liebe dich, Robert“, sagte sie in das Telefon hinein.

„Ich dich auch, Elsa.“

Die Antwort klang etwas hölzern, aber Elsa hatte das Gefühl, dass sie ehrlich gemeint war. Robert hatte Madrid per Zug verlassen.

Er hatte einen Schlafwagen genommen, und jetzt, am Morgen, fühlte er sich ausgeruht. Das Rattern der Schwellen hatte ihn geweckt. Er zog sich rasch an und schaute auf die Uhr. Es waren noch mehr als zwei Stunden bis zum Gare d'Austerlitz in Paris.

Es blieb ihm also noch mehr als genug Zeit, um zu frühstücken. Er quetschte sich durch die engen Korridore an den Abteilen vorbei. Einige Fahrgäste kamen ihm entgegen. Schließlich hatte er den Speisewagen erreicht.

Er aß ein Croissant mit Milchkaffee und sah dabei nachdenklich aus dem Fenster.

Später, nachdem der Zug im Gare d'Austerlitz eingefahren war und Robert den Zug verlassen hatte, verstaute er sein Gepäck in einem der Schließfächer. Er würde nicht lange in Paris bleiben. Ein paar Stunden, wenn alles glattging.

Und wenn das, was er vorhatte, doch mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als er ursprünglich eingeplant hatte, dann konnte er sich immer noch ein Zimmer in der Nähe des Bahnhofs suchen.

Er nahm die Metro und musste ein paarmal umsteigen. Den Weg, den er zu nehmen hatte, kannte er in- und auswendig. Schließlich erreichte er ein heruntergekommen wirkendes, kleines Geschäft in einer Seitenstraße. Die ganze Gegend war nicht besonders fein.

In dem kleinen Laden, der sich im Souterrain eines Mietshauses mit bröckelnder Fassade befand, wurde Second-Hand-Ware angeboten. An- und Verkauf, vom Plattenspieler bis zum Lexikon.

Aber das alles war letztlich nichts weiter, als eine Tarnung - eine Tarnung für wirklich lukrative Geschäfte.

Robert öffnete die Tür, und als er eintrat, ertönte ein Klingelzeichen. Hinter dem Tresen saß ein kleiner dicker Mann, der kaum ein einziges Haar auf dem Schädel hatte. Er las in einer Illustrierten und hob den Blick.

„Tag, Bernard“, sagte Robert. „Lange nicht gesehen, was?“

Der Mann hinter dem Tresen klappte die Illustrierte zu und schien im ersten Moment ein wenig überrascht. Dann zeigte er ein breites Lächeln, das fast von einem Ohr zum anderen ging.

„Du hast dich lange nicht blicken lassen“, meinte er und reichte Robert in einer fast freundschaftlichen Geste die Hand.

Robert zeigte ein dünnes Lächeln.

„Kann schon sein...“

Robert blickte sich um. Das Innere des Ladens glich einem einzigen Chaos. Ein Judo-Anzug hing von der Decke herab. Robert sah ein paar alte Röhren-Radios neben einem hochmodernen CD-Player, der fast wie neu aussah. In einer Glasvitrine hatte Bernard sogar Armbanduhren und Schmuck. Selbst ein paar Eheringe waren darunter.

Bernard, der bemerkt hatte, dass Roberts Blick an der Glasvitrine hängengeblieben war, meinte mit einem schelmischen Grinsen: „Interesse?“

„Heiße Ware?“

„Für wen hältst du mich!“

„Ich denke nicht, dass ich mich in dir täusche, Bernard!“

Der Mann hinter dem Tresen machte eine hilflose Geste und zuckte mit den Schultern.

„Woher soll ich wissen, woher die Sachen kommen, die mir angeboten werden?“

Robert musste unwillkürlich lachen.

„Ich schätze, du hast auch noch nie jemanden danach gefragt, oder?“

„Hätte das denn irgendeinen Sinn?“

Bernard kam hinter dem Tresen hervor und trat nahe an Robert heran.

„Was hast du auf dem Herzen?“

Robert ließ noch einmal den Blick umherschweifen, so als suchte er etwas. Eine Spur von Misstrauen stand in seinem Gesicht.

„Alles wie gehabt, Bernard?“

„Alles wie gehabt!“

Robert zog einen Zettel aus seiner Jackentasche und reichte ihn Bernard.

„Lies dir die Sache durch und sag mir, ob du die Sachen besorgen kannst!“

Bernard trat hinter den Tresen zurück und holte aus irgendeiner der unzähligen Schubladen eine Lesebrille hervor, deren Bügel er sich hinter die Ohren klemmte. Er überflog kurz die Liste und hielt sie dabei ins Licht. Dann hob er den Blick und nickte.

„Ich denke, das wird gehen.“

„In drei Tagen komme ich wieder nach Paris.“

„Das wird knapp.“

„Ja oder nein?“

Bernard zögerte.

„Ja, aber es hat seinen Preis.“

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