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La San Felice

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Und der König ging, das Licht aus Acton's Händen nehmend, voran.

Alle Uebrigen folgten ihm.

Nicht blos die neapolitanische Flotte war verurtheilt, sondern der König hatte nun auch seine eigene Verurtheilung unterzeichnet.

Wir haben seit jenem 21. Dezember 1798 so viel königliche Fluchten gesehen, daß es heutzutage beinahe nicht mehr der Mühe verlohnt, sie zu beschreiben. Ludwig der Achtzehnte, der am 20. März die Tuilerien verließ; Carl der Zehnte, der am 29. Juli die Flucht ergriff; Ludwig Philipp, welcher am 24. Februar dasselbe that, haben uns eine dreifache Varietät dieser gezwungenen Abreisen gezeigt.

Auch vor nur erst wenigen Jahren haben wir in Neapel den Enkel denselben Corridor wie der Großvater passieren, dieselbe Treppe hinabsteigen und den geliebten Boden des Vaterlands gegen die bittere Verbannung umtauschen gesehen.

Nur sollte der Großvater zurückkehren, während der Enkel aller Wahrscheinlichkeit nach auf immer verbannt ist.

Zu jener Zeit aber war es Ferdinand, welcher zu dieser nächtlichen verstohlenen Abreise den Weg zeigte.

Schweigend ging er entlang, aufmerksam horchend und mit pochendem Herzen.

Auf der Mitte der Treppe, an einem auf den sogenannten Riesenhügel gehenden Fenster angelangt, glaubte er Geräusch auf diesem Hügel zu hören, welcher ziemlich steil von dem Palaisplatze nach der Straße Chiatamone hinabführt.

Er blieb stehen, und da dasselbe Geräusch zum zweiten Mal an sein Ohr schlug, so blies er sein Licht aus, und Alle befanden sich nun im Finstern.

Man mußte demgemäß tastend und Schritt um Schritt die schmale, schwierig zu begehende Treppe weiter hinabsteigen. Sie war sehr steil und, da sie kein Geländer hatte, gefährlich. Indessen man gelangte ohne Unfall bis auf die letzte Stufe hinab und fühlte den freien feuchten Hauch der äußeren Luft.

Man war nun blos noch wenige Schritte von den Einschiffungsplatz entfernt.

In dem Kriegshafen war das zwischen den Steindämmen des Molo und denen des Handelshafens gefangen gehaltene Meer ziemlich ruhig.

Man fühlte aber, daß der Wind heftig wehte, und hörte das Tosen der Wogen, welche sich wüthend an den Gestade brachen.

Als man auf die Art Kai gelangte, welcher sich an den Mauern des Schlosses hinzieht, warf der Graf von Thurn einen raschen fragenden Blick gegen Himmel.

Dieser war mit schweren, rasch und tiefgehenden Wolken bedeckt. Es war als ob ein Luftmeer über dem der Erde rollte und sich herabsenkte, um seine Wogen mit dem des letzteren zu mischen.

In dem engen Zwischenraume, der zwischen den Wolken und dem Wasser vorhanden war, brausten die Stöße jenes furchtbaren Südwestwindes, welcher die Schiffbrüche und Unfälle veranlaßt, deren Zeuge der Golf von Neapel in den schlimmen Tagen des Jahres so oft ist.

Der König bemerkte den unruhigen Blick des Grafen von Thurn.

»Wenn das Wetter zu ungünstig ist,« sagte er, »so sollten wir uns in dieser Nacht nicht einschiffen.«

»Aber es ist Mylords Ordre,« antwortete der Graf »Indessen wenn Eure Majestät sich durchaus weigern –«

»Es ist Mylords Ordre! es ist Mylords Ordre!« wiederholte der König ungeduldig. »Wenn aber nun Lebensgefahr dabei ist? Wollen Sie uns für uns stehen, Graf?«

»Ich werde Alles, was in der Macht eines mit Wind und Meer kämpfenden Menschen steht, thun, um Sie an Bord des »Vanguard« zu bringen.«

»Aber zum Teufel, das ist keine Garantie. Würden Sie sich wohl in einer solchen Nacht einschiffen?«

»Eure Majestät sehen, daß ich blos auf Sie warte, um Sie an Bord des Admiralschiffes zu bringen.«

»Ich meine, wenn Sie an meiner Stelle wären?«

»Wenn ich an Euer Majestät Stelle wäre und Befehle nur von den Umständen und von Gott zu empfangen hätte, dann würde ich mir die Sache allerdings noch reiflicher überlegen.«

»Nun, fragte die Königin ungeduldig, ohne jedoch – so mächtig ist das Gesetz der Etikette – vor ihrem Gemahl in das Boot zu steigen zu wagen, »nun, worauf warten wir?«

»Worauf wir warten?« rief der König.

»Hören Sie nicht, was der Graf von Thurn sagt? Das Wetter ist schlecht, er bürgt nicht für unser Leben und sogar Jupiter gibt mir, an seiner Leine zerrend, den Rath, in den Palast zurückzukehren.«

»Nun, so kehren Sie doch dahin zurück, Sire, und lassen Sie uns Alle in Stücke reißen, wie Sie heute einen Ihrer treuesten Diener in Stücke reißen gesehen haben. Was mich betrifft, so ist mir das Meer mit seinen Stürmen immer noch lieber als Neapel mit seiner Bevölkerung.«

»Meinen treuen Diener beklage ich mehr als irgend Jemand, ich bitte Sie, mir dies zu glauben – besonders jetzt, wo ich weiß, was ich von seinem Tode zu denken habe. Was jedoch Neapel und seine Bevölkerung betrifft, so bin nicht ich es, der etwas davon zu fürchten hätte.«

»Ja, ich weiß das. Da dieses Volk in Ihnen einen Repräsentanten sieht, so betet es Sie an. Ich aber, die ich nicht so glücklich bin, mich dieser Sympathien zu erfreuen, ich gehe.«

Und trotz des der Etikette gebührenden Respects stieg die Königin zuerst in das Boot.

Die jungen Prinzessinnen und der Prinz Leopold, welche daran gewöhnt waren, der Königin mehr als dem König zu gehorchen, folgten ihr, wie junge Schwäne ihrer Mutter folgen.

Nur der kleine Prinz Albert ließ Emma Lyonnas Hand los, lief auf den König zu, faßte ihn am Arme und sagte, indem er ihn nach dem Boote fortzuzerren suchte:

»Komm mit, Papa!«

Der König war gewohnt, nur dann Widerstand zu leisten, wenn er von Jemand anders unterstützt ward. Er schaute sich um, ob Jemand da wäre, der ihm Beistand leisten könnte. Aller Augen senkten sich aber vor seinem Blick, obschon in demselben mehr der Ausdruck einer Bitte als einer Drohung lag.

Die Königin hatte bei den Einen die Furcht, bei den Andern den Egoismus zu Bundesgenossen.

Er fühlte sich vollständig allein und verlassen, senkte das Haupt, ließ sich von dem kleinen Prinzen führen, zog seinen Hund, den Einzigen, der wie er der Meinung war, daß man das Land nicht verlassen solle, nach, stieg seinerseits in das Boot und setzte sich auf eine besondere Bank, indem er sagte:

»Da Ihr es einmal Alle wollt – komm, Jupiter, komm!«

Kaum hatte der König Platz genommen, so commandierte der Lieutenant, welcher für das Boot des Königs die Stelle des Hochbootsmannes versah:

»Abstoßen!«

Zwei mit Stangen bewaffnete Matrosen stießen das Boot von dem Kai ab, die Ruder senkten sich und die Barke schwamm nach dem Ausgange des Hafens.

Die zur Aufnahme der übrigen Passagiere bestimmten Boote näherten sich eins nach dem andern dem Einschiffungsplatz, empfingen ihre edle Ladung und folgten der königlichen Barke.

Diese verstohlene Flucht in der Nacht, trotz Sturmgeheul und Wogengebraus, bildete einen schroffen Gegensatz zu jenem Freudenfest des 2. September, wo man unter den glühenden Strahlender Herbstsonne, auf dem spiegelglatten Meer, unter den Tönen von Cimarosa's Musik, bei Glockengeläute und Kanonendonner, dem Sieger von Abukir entgegengefahren war.

Kaum waren drei Monate vergangen und schon sah man, um diesen Franzosen zu entfliehen, deren Niederlage man allzufrüh gefeiert, sich genöthigt, um Mitternacht, im Finstern, bei hochgehendem Meer, die Gastfreundschaft desselben »Vanguard« in Anspruch zu nehmen, den man damals im Triumphe empfangen.

Jetzt handelte es sich vor allen Dingen darum, zu wissen, ob man ihn erreichen könnte.

Nelson hatte sich dem Eingange des Hafens so weit genähert, als die Sicherheit seines Schiffes ihm erlaubte. Dennoch war immer noch zwischen dem Kriegshafen und dem Admiralschiffe eine Viertelmeile zurückzulegen. Während dieser Fahrt konnten die Boote zehnmal umschlagen und untergehen.

In der That, je mehr die königliche Barke – und man wird uns erlauben, daß wir unter diesen ernsten Umständen uns ganz besonders mit dieser beschäftigen – je mehr die königliche Barke sich dem Ausgange des Hafens näherte, desto wirklicher und drohender erschien die Gefahr.

Das Meer warf, wie wir bereits bemerkt, unter der Gewalt des Südwestwindes, der von den Küsten Afrikas und Spaniens kommt, zwischen Sicilien und Sardinien, zwischen Ischia und Capri durchgeht, ohne von den Balearischen Inseln bis zum Fuße des Vesuv auf irgend ein Hinderniß zu stoßen, ungeheure Wellen, welche, indem sie sich dem Lande näherten, sich auf sich selbst zurückwarfen und diese gebrechlichen Fahrzeuge in ihren nassen Wölbungen zu verschlingen drohten, welche in der Finsterniß wie die Rachen gefräßiger Ungeheuer erschienen.

Als man sich der Grenze näherte, wo man aus einem verhältnißmäßig ruhigen in ein wüthendes Meer übergehen sollte, fühlte selbst die Königin, wie ihr der Muth zu entsinken und ihr Entschluß wankend zu werden drohte.

Der König saß stumm und unbeweglich, hielt seinen Hund zwischen den Knien und krampfhaft am Halse gefaßt, während er mit starrem, von der Furcht erweitertem Auge die langen Wogen betrachtete, welche wie eine Heerde Seerosse gegen den Molo anrannten, an dieser granitenen Schranke zerschellend einen unheimlichen Klageton hören ließen und einen ungreifbaren, zitternden Schaum über die Mauer spritzten, welcher in der Finsterniß wie ein Silberregen aussah.

Trotz dieses furchtbaren Schauspiels, welches das Meer darbot, versuchte der Graf von Thurn, den empfangenen Befehlen gemäß, das Hinderniß zu überwinden und den Widerstand zu zähmen.

Im Vordertheile der Barke mit jenem sichern. Gleichgewicht des Seemanns, welches nur eine Frucht mehrjähriger Schifffahrt ist, wie an den Boden angewurzelt stehend, bot er dem Wind, der ihm den Hut genommen, und dem Meer, welches ihn mit seinem Schaum bedeckte, kühn Trotz und ermuthigte die Ruderer durch den von Zeit zu Zeit wiederholten monotonen, aber festen, lauten Ruf:

»Immer frisch! immer frisch!«

Die Barke schwamm weiter.

Als sie aber an der von uns erwähnten Grenze anlangte, ward der Kampf ernsthaft. Dreimal überstieg das siegreiche Fahrzeug die Wogen und glitt den entgegengesetzten Abhang hinab, dreimal aber warf die nächstfolgende Welle es wieder zurück.

 

Der Graf von Thurn sah selbst ein, daß es Wahnsinn wäre, mit einem solchen Gegner zu kämpfen, und drehte sich herum, um den König zu fragen :

»Sire, was befehlen Sie? Er hatte aber nicht einmal Zeit diese Frage vollständig auszusprechen. Während der Bewegung, die er machte, während der Secunde, die er so unklug war die Führung der Barke aufzugeben, schlug eine Welle, höher und wüthender als alle vorhergegangenen, über das Fahrzeug hinweg und bedeckte es mit Wasser.

Die Barke erzitterte und krachte. Die Königin und die jungen Prinzen, welche glaubten, ihr letztes Stündlein habe geschlagen, erhoben ein lautes Geschrei und der Hund ließ ein dumpfes Geheul hören.

»Zurück!« rief der Graf von Thurn. »Bei einem solchem Wetter in See stechen wollen, hieße Gott versuchen. Uebrigens wird das Meer gegen fünf Uhr Morgens wahrscheinlich ruhig werden.«

Die über den ihnen erheilten Befehl augenscheinlich nicht wenig erfreuten Matrosen ruderten sofort in den Hafen zurück und wollten an der nächstgelegenen Stelle des Kaies anlegen.

Zweites Capitel.
Worin Michele sich mit dem Beccajo in allem Ernste veruneinigt

Die fürstlichen Flüchtlinge waren nicht die einzigen, welche in jener furchtbaren Nacht mit dem Sturme und dem Meere zu kämpfen hatten.

Gegen halb drei Uhr war der Chevalier San Felice, seiner Gewohnheit gemäß, nach Hause zurückgekommen und hatte mit einer Aufregung, die sonst gar nicht in seiner Gewohnheit lag, zweimal gerufen:

»Luisa! Luisa!«

Luisa eilte sofort hinaus in den Corridor, denn als sie die Stimme ihres Gatten vernahm, verrieth der Ton derselben ihr sofort, daß etwas Außerordentliches vorgegangen war, und als sie ihn sah, ward sie davon überzeugt.

Der Chevalier war in der That sehr bleich.

Von den Fenstern der Bibliothek aus hatte er gesehen, was in der Straße San Carlo geschehen war, nämlich die Ermordung des unglücklichen Ferrari.

Da der Chevalier trotz seines sanften Aeußern außerordentlichen Muth besaß, und zwar jenen Muth, welcher großen Herzen ein tiefes Gefühl von Menschlichkeit verleiht, so war seine erste Bewegung gewesen, hinunter und dem Courier zu Hilfe zu eilen, in welchem er den des Königs recht wohl erkannte. An der Thür der Bibliothek ward er jedoch von dem Kronprinzen aufgehalten, der mit seiner schmeichelnden kalten Stimme ihn fragte:

»Wo wollen Sie hin, San Felice?«

»Wo ich hin will, wo ich hin will?« antwortete San Felice. »Wissen Eure Hoheit denn nicht, was vorgeht?«

»O doch, ich weiß es. Man ermordet einen Menschen. Ist es aber etwas so Seltenes, wenn in den Straßen von Neapel ein Mensch ermordet wird, daß Sie sich in so hohem Grade damit beschäftigen?«

»Aber der, welchen man jetzt ermordet, ist ein Diener des Königs.«

»Ich weiß es.«

»Es ist der Courier Ferrari.«

»Ich habe ihn erkannt.«

»Aber warum erwürgt man einen Unglücklichen unter dem Rufe: Nieder mit den Jakobinern! da doch im Gegentheil dieser Unglückliche einer der treuesten Diener des Königs ist?«

»Wie? Warum? Haben Sie die Correspondenz Macchiavellis, des Vertreters der herrlichen florentinischen Republik in Bologna, gelesen?«

»Allerdings habe ich sie gelesen, gnädigster Herr.«

»Nun, dann kennen Sie also wohl die Antwort, welche er den florentinischen Magistratspersonen in Bezug auf die Ermordung Ramiro's d’Orco gab, dessen Körper man geviertheilt an den vier Ecken des Marktplatzes von Imola auf vier Pfähle gespießt gefunden?«

»Ramiro d’Orco war wohl ein Florentiner?«

»Ja und deswegen glaubte der Senat von Florenz das Recht zu haben, von dem Gesandten nähere Auskunft über diesen seltsamen Mord zu verlangen.«

San Felice dann eine Weile nach und sagte dann:

»Ja; Macchiavelli antwortete: Erlauchte Herren, ich kann Ihnen über den Tod des Ramiro d’Orco weiter nichts sagen, als daß Cäsar Borgio der Fürst ist, welcher es am besten versteht, die Menschen, je nach ihrem Verdienst, zu erheben und zu vernichten!«

»Wohlan, entgegnete der Herzog von Calabrien mit mattem Lächeln, »dann steigen Sie nur wieder auf Ihre Leiter, mein lieber Chevalier, und erwägen Sie die Antwort Macchiavellis.«

Der Chevalier stieg wieder auf seine Leiter und hatte noch nicht die drei ersten Stufen erstiegen, so begriff er auch schon, daß eine Hand, welche Interesse an Ferraris Tod besaß, die Schläge, die ihn getroffen, geleitet hatte.

Eine Viertelstunde später rief man den Prinzen im Auftrag seines Vaters.

»Verlassen Sie den Palast nicht eher, als bis Sie mich wieder gesehen haben werden,« sagte der Herzog von Calabrien zu dem Chevalier, »denn aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich Ihnen etwas Neues mitzutheilen haben.«

In der That trat noch vor Ablauf einer Stunde der Prinz wieder ein.

»San Felice,« sagte er, »Sie erinnern sich wohl noch des mir gegebenen Versprechens, mich nach Sicilien zu begleiten?«

»Ja, Hoheit.«

»Sind Sie immer noch bereit, dieses Versprechen zu halten?«

»Ja wohl, nur –«

»Was?«

»Als ich meiner Gattin erzählte, welche Ehre Eure Hoheit mir zu erzeigen gesonnen sind –«

»Nun?«

»Verlangte sie mich begleiten zu dürfen.«

Der Prinz stieß einen Freudenruf aus.

»Dank für diese gute Nachricht, Chevalier!« rief er. »Ah, dann wird also die Prinzessin eine Begleiterin haben, die ihrer würdig ist. Ihre Gattin, San Felice, ist das Musterbild der Frauen, dies weiß ich, und Sie werden sich erinnern, daß ich sie zur Ehrendame der Prinzessin verlangte, denn sie wäre nicht blos dem Namen, sondern auch der That nach eine wirkliche Ehrendame gewesen. Sie wollten aber damals nicht. Heute kommt sie von selbst zu uns. Sagen Sie ihr, mein lieber Chevalier, daß sie willkommen sein wird.«

»Ich werde es ihr sagen, Hoheit.«

»Warten Sie doch. Ich habe Ihnen noch nicht Alles gesagt.«

»Ich höre.«

»Noch diese Nacht reisen wir Alle ab.«

Der Chevalier machte große Augen.

»Ich glaubte,« sagte er, »der König hätte beschlossen, nur im äußersten Nothfalle fortzugehen.«

»Ja, aber durch Ferraris Ermordung sind alle seine Entschlüsse über den Haufen geworfen worden. Um halb elf Uhr verläßt er das Schloß und begibt sich mit der Königin, den Prinzessinnen, meinen beiden Brüdern, den Gesandten und den Ministern an Bord von Lord Nelsons Schiff.«

»Aber warum nicht an Bord eines neapolitanischen Schiffes? Nach meiner Ansicht ist es eine Beleidigung für die ganze neapolitanische Marine, wenn er auf diese Weise einem englischen Schiffe den Vorzug gibt.«

»Die Königin hat es so gewollt, und ohne Zweifel zur Entschädigung soll ich die Reise mit dem Schiffe des Admirals Caracciolo machen. Folglich werden Sie sich mit mir an Bord dieses Schiffes begeben.«

»Zu welcher Stunde?«

»Dies weiß ich selbst noch nicht. Ich werde es Ihnen sagen lassen. Auf alle Fälle halten Sie sich bereit. Wahrscheinlich wird es zwischen zehn Uhr und Mitternacht geschehen.«

»Sehr wohl, Hoheit.«

Der Prinz ergriff die Hand des Chevaliers, sah ihn an und sagte:

»Sie wissen, daß ich auf Sie rechne.«

»Sie haben mein Wort, Hoheit,« antwortete San Felice, sich verneigend; »und die Ehre, Sie zu begleiten, ist für mich zu groß, als daß ich nur einen Augenblick lang zögern sollte, sie anzunehmen.«

Nachdem der Chevalier dies gesagt, nahm er Hut und Regenschirm und entfernte sich.

Die immer noch grollende Menge erfüllte die Straßen. Auf dem Platze des Palastes selbst hatte man zwei oder drei Feuer angezündet, woran man Fleischstücke von Ferraris Pferd auf den glühenden Kohlenbriet.

Was den unglücklichen Courier betraf, so war er in Stücke zerrissen worden. Der Eine hatte die Beine, der Andere die Arme genommen; dann hatte man Alles auf spitzige Stöcke – die Lazzaronis hatten damals noch weder Piken noch Bajonette – gespießt und trug diese scheußlichen Trophäen unter dem Rufe: »Es lebe der König! Nieder mit den Jakobinern!« in den Straßen umher.

Am Riesenhügel begegnete der Chevalier dem Beccajo, welcher sich des Kopfes des Gemordeten bemächtigt, ihm eine Orange in den Mund gesteckt hatte und diesen Kopf auf der Spitze eines Stockes umhertrug.

Als der Beccajo einen Mann in guter Kleidung – was in Neapel das Kennzeichen des Liberalismus war – erblickte, kam er auf die Idee, den Chevalier zu zwingen, Ferraris Kopf zu küssen.

Wir haben jedoch schon gesagt, daß der Chevalier nicht der Mann war, welcher sich fürchtete. Er weigerte sich, dem an ihn gestellten Verlangen zu willfahren und stieß den elenden Mörder mit Entrüstung zurück.

»Verwünschter Jakobiner!« rief der Beccajo; »ich will, daß Du diesen Kopf küssest und, mannaggia la Madonna, Du wirst ihn küssen!«

Mit diesen Worten drang er wieder auf den Chevalier ein.

Dieser, welcher weiter keine Waffe hatte, als seinen Regenschirm, setzte sich mit demselben zur Wehre.

Bei dem Rufe: »Der Jakobiner! der Jakobiner!« kamen alle jene Verworfenen, für welche dieser Ruf ein Versammlungssignal war, herbeigeeilt und schon bildete sich ein drohender Kreis um den Chevalier, als ein junger Mann diesen Ring durchbrach, den Beccajo durch einen Stoß vor die Brust zehn Schritte weit hinwegschleuderte, seinen Säbel zog, und sich vor den Chevalier stellte.

»Das wäre kein übler Jakobiner!« rief er dann. »Der Chevalier San Felice, Bibliothekar Seiner königlichen Hoheit des Prinzen von Calabrien, sollte ein Jakobiner sein! Ich frage,« fuhr er fort, indem er mit seinem Säbel die Mühle machte, »ich frage, was wollt Ihr denn von dem Chevalier San Felice?«

»Capitän Michele!« riefen die Lazzaroni. »Es lebe der Capitän Michele! Er ist einer der Unsern!«

»Jetzt gilt es nicht, zu rufen: Es lebe der Capitän Michele! sondern vielmehr: Es lebe der Chevalier San Felice! und zwar sogleich.«

Die Menge, welcher es ganz gleich ist, ob sie schreit: »Es lebe der und der !« oder: »Nieder mit dem und dem!« dafern sie nur überhaupt schreien kann, heulte wie aus einer einzigen Kehle:

»Es lebe der Chevalier San Felice!«

Nur der Beccajo schwieg

»Na,« sagte Michelle zu ihm, »wenn Du auch vor der Thür seines Gartens Dir deine Narbe geholt hat, so ist dies doch kein Grund für Dich, nicht auch zu rufen: Es lebe der Chevalier!«

»Und wenn es mir nun nicht beliebt, so zu rufen?« entgegnete der Beccajo.

»Auf das, was Dir beliebt, kommt es jetzt nicht an, sondern nur auf das, was mir beliebt. Entweder,« fuhr Michele fort, »rufst Du: Es lebe der Chevalier San Felice! und zwar auf der Stelle, oder ich schlage Dir auch noch das andere Auge aus deinem Kopf.«

Und Michele schwang seinen Säbel über den Kopf des Beccajo, welcher sehr bleich ward, und zwar mehr aus Angst als vor Zorn.

»Mein Freund, mein guter Michele,« sagte der Chevalier, »laß diesen Menschen in Ruhe. Du siehst ja, daß er mich nicht kennt.«

»Aber wenn er Sie nicht kennt, warum wollte er Sie denn zwingen, den Kopf des Unglücklichen zu küssen, welchen er umgebracht hat? Allerdings wäre es immer noch besser, diesen Kopf, welcher der eines ehrlichen Mannes ist, zu küssen als den einigen, welcher einem Schurken angehört.«

»Hört Ihr es!« heulte der Beccajo.

»Er nennt Jakobiner ehrliche Leute!«

»Schweig, Elender! Dieser Mann war kein Jakobiner, das weißt Du recht wohl. Es war Antonio Ferrari, der Courier des Königs und einer der entschlossensten Diener Seiner Majestät. Wenn Ihr mir nicht glaubt, so fragt hier den Chevalier. Herr Chevalier, sagen Sie diesen Leuten, welche nicht bös sind, aber das Unglück hatten, einem Bösewicht zu folgen, sagen Sie ihnen, wer der arme Antonio war.«

»Meine Freunde, sagte der Chevalier, »Antonio Ferrari, welcher umgebracht worden, ist in der That das Opfer eines beklagenswerthen Irrthumes, denn er war einer der eifrigsten Diener eures guten Königs, welcher in diesem Augenblicke seinen Tod beweint.«

Die Menge hörte mit Bestürzung zu.

»Jetzt wage noch zu sagen, daß dieser Kopf nicht der Ferraris ist und daß Ferrari nicht ein ehrlicher Mann war! Sag' es! So lag es doch, damit ich Gelegenheit habe, Dir die andere Hälfte deines Gesichtes herunter zu hauen.«

Und Michele hob seinen Säbel über den Beccajo.

»Gnade!« rief dieser, indem er auf die Knie niedersank. »Ich will Alles sagen, was Du verlangt.«

»Und ich, ich will nur Eins sagen, nämlich, daß Du ein Bube bist. Mach, daß Du fortkommt, und wenn Du mir jemals wieder in den Weg geräthst, so trage Sorge, mir auf zwanzig Schritte rechts oder links auszuweichen.«

 

Der Beccajo entfernte sich unter dem Hohngeschrei dieser Menge, welche ihm einen Augenblick vorher noch Beifall zujauchzte und die sich in zwei Banden theilte.

Die eine folgte dem Beccajo, indem sie ihn mit Schimpfreden überhäufte, die andere dagegen Michele und dem Chevalier, indem sie rief:

»Es lebe Michele! Es lebe der Chevalier San Felice!«

Michele blieb an der Thür des Gartens stehen, um seine Escorte zu verabschieden.

Der Chevalier ging in sein Haus hinein und rief, wie wir bereits erwähnt, Luisa.

Wir haben so eben erzählt, was er von den Fenstern der Bibliothek aus mit angesehen und was ihm auf dem Riesenhügel begegnet war – zwei Dinge, die unserer Meinung nach hinreichend waren, um seine Blässe zu erklären.

Kaum hatte er Luisa den Grund mitgetheilt, der ihn zurückführte, so ward sie ihrerseits bleicher als er. Sie entgegnete jedoch kein Wort, sie machte keine Bemerkung, sondern fragte blos:

»Wann wird die Abreise erfolgen?«

»Zwischen zehn Uhr und Mitternacht,« antwortete der Chevalier.

»Ich werde bereit sein,« sagte sie. »Mache Dir keine Sorge um mich, mein Freund.«

Und sie zog sich unter dem Vorwande, ihre Anstalten zur Abreise zu treffen, in ihr Zimmer zurück, indem sie zugleich Befehl gab, das Diner wie gewöhnlich um drei Uhr zu servieren.

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