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Die Mohicaner von Paris

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Das Gemälde war ein fantastisches, seltsames, und würde seine Macht selbst über eine minder erhitzte Einbildungskraft, als die den Justin, geübt haben.

Beleuchtet, wie gesagt, durch den unruhigen, röthlichen Schein der Lampe, streckte die Zauberin den Arm in die Luft aus und beschrieb mit diesem nackten, fleischlosen Gliede riesige Kreise.

»Stille, Alle!Brocante sagte sie; »die Karten werden sprechen.«

Hunde und Krähe schwiegen.

Da begannen durch die heisere Stimme der Brocante die Karten ihre mysteriösen Offenbarungen.

Vor Allem mischte die alte Sibylle die Karten und ließ den Justin mit der linken Hand abheben.

»Wohl! Verstanden,« sagte sie, »Sie verlangen hier Auskunft über eine Person, die Sie lieben?«

»Die ich anbetet!« erwiderte Justin.

»Gut! . . . Sie sind der Kreuzbube, das heißt, ein unternehmender und gewandter junger Mann.«

Justin lächelte traurig: die Initiative und die Gewandtheit waren im Gegentheil gerade die zwei Eigenschaften, die ihm wesentlich fehlten.

»Sie, sie ist die Herzdame, das heißt, eine sanfte und liebende Frau.«

Bei Mina war das wenigstens so.

Nachdem die Karten gemischt und abgehoben waren, nachdem man übereingekommen, daß Justin durch den Kreuzbuben und Mina durch die Herzdame vertreten werden sollten, schlug Brocante zuerst drei Karten um.

Sie begann sechsmal dasselbe Manoeuvre.

So oft zwei Karten von derselben Farbe kamen mochten es nun zwei Kreuze, zwei Ecksteine oder zwei Schüppen sein, nahm sie die höchste Karte und legte sie vor sich, indem sie die Karten, die sich ihr so boten, von links nach rechts anreihte.

Nach sechs Versuchen hatte sie sechs Karten.

Nachdem diese Operartion beendigt war, mischte sie aufs Neue, ließ abermals mit der linken Hand abheben und begann wieder das Experiment, wobei sie dasselbe System befolgte.

Eines von den Paquets gab drei Asse; die Zauberin nahm sie alle Drei und legte sie neben einander.

Dieses Brelan12 kürzte ihre Operation ab, indem es ihr drei Karten gab, statt einer.

Dann fuhr sie fort, bis sie siebzehn Karten hatte.

Die zwei Mina und Justin vertretenden Kartenwaren herausgekommen.

Vom Kreuzbuben an zählte die Alte sieben Karten von rechts nach links, den Kreuzbuben mit einbegriffen.

»Gut!« sagte sie;,,diejenige, welche Sie lieben ist ein blondes Mädchen von sechzehn bis siebzehn Jahren.«

»So ist es,« erwiderte Justin.

Sie zählte noch siebenmal und hielt beim umgekehrten Herzsieben an.

»Zerstörte Pläne! . . . Sie haben einen Plan mit ihr gemacht, der nicht ausgeführt werden konnte.«

»Leider!« murmelte Justin.

Die Alte zählte noch siebenmal und hielt beim Kreuz-Neun an.

»Diese Pläne sind vernichtet worden durch Geld, das man nicht erwartete, – etwas wie eine Pension oder Erbschaft.«

Sie zählte aufs Neue siebenmal und hielt beim Schüppenzehn an.

»Und, seltsam!« fuhr sie fort; dieses Geld, das gewöhnlich lachen macht, hat Sie weinen gemacht.«

Sie nahm ihre Berechnung wieder auf, hielt beim umgekehrten Schüppenaß an und sagte:

»Der Brief den ich Ihnen geschickt habe, kommt von der jungen Person, welche mit dem Gefängniß bedroht ist.«

»Mit dem Gefängnis?« rief Justin; »unmöglich!«

»Ei! die Karten sind da! . . . Mit dem Gefängniß . . . mit dem Einsperren!«

»Im Ganzen,« murmelte Justin, »wenn man sie entführt, so geschieht es, um sie zu verbergen . . . Fahren Sie fort, fahren Sie fort, Sie haben bis daher Recht!«

»Der Brief ist während eines Besuches von Freunden angekommen.«

»Ja, so ist es, von Freunden . . . von guten Freunden.«

Die Brocante zählte noch siebenmal, hielt bei der umgekehrten Schüppendame an und sprach:

»Das Uebel widerfährt Ihnen von einer brünetten Frau, die diejenige, welche Sie lieben, für ihre Freundin hält.«

»Vielleicht Fräulein Susanne von Valgeneuse?«

»Die Karten sagen: Eine brünette Frau! Sie kennen ihren Namen nicht.«

Sie setzte ihre Berechnung fort und hielt beim Schüppenacht an.

»Das verfehlte Project war eine Heirath.«

Justin war ganz keuchend: bis dahin, mochte es nun Zufall oder Magie sein, hatten die Karten die, Wahrheit gesagt.

»Oh! fahren Sie fort!« rief er, »um des Himmels willen fahren Sie fort.«

Sie fuhr fort und deutete auf eines der drei nebeneinander gelegten Asse.

»Ho! Ho!« sagte sie, »Complott!«

Nach sieben anderen Karten kam sie zum umgekehrten Kreuzkönig, und sie sprach:

»Sie werden in diesem Augenblick unterstützt durch einen redlichen Mann, der gern Dienste leistet.«

»Salvator!« murmelte Justin, »das ist der Name den er mir angegeben.«

Doch man ist ihm in seinen Projecten zuwider;etwas er zu dieser Stunde für Sie unternimmt, erleidet Verzug.«

»Das blonde Mädchen? das blonde Mädchen?« fragte Justin.

Die Alte zählte siebenmal und hielt beim Schüppenbuben an.

»Oh!« sprach sie, »das Mädchen ist von einem brünetten jungen Manne von schlimmen Sitten entführt worden.«

»Weib!« rief Justin, »wo ist sie? sage, wo sie ist und ich gebe Dir Alles, was ich habe.«

Und er störte in seiner Tasche und zog eine Hand voll Geld heraus, das er eben auf den Tisch, wo die Bocante ihre Karten mischte, werfen wollte, als er sich beim Arme festgehalten fühlte.

Er wandte sich um, es war Salvator, der, nachdem er ohne gesehen und gehört zu werden eingetreten, sich dieser übertriebenen Freigebigkeit widersetze.

»Stecken Sie Ihr Geld wieder in die Tasche,« sagte er zu Justin; »gehen Sie hinab, springen Sie auf das Pferd von Herrn Jean Robert, reiten Sie im Galopp nach Versailles, verhindern Sie es, daß man in das Zimmer den Mina eintritt, und wachen Sie darüber, daß Niemand einen Fuß in den Recreatioshof setzt. Es ist halb acht Uhr: um halb neun Uhr können Sie bei Madame Desmarets sein.«

»Aber . . . « versetzte Justin.

»Gehen Sie, ohne eine Minute zu verlieren, es muß sein.«

»Aber . . . «

»Gehen Sie, oder ich stehe für nichts!« wiederholte Salvator.

»Ich gehe,« sagte Justin.

»Und während er die Stube verließ, rief er der Brocante zu:

»Seien Sie ruhig, ich werde Sie wiedersehn.«

Er ging rasch hinab, nahm den Zaum aus den Händen von Jean Robert, schwang sich in den Sattel als ein Pächterssohn der gewohnt ist, alle Pferde zu reiten, und verschwand im Galopp durch die Rue Copeau, das heißt auf dem kürzesten Wege, um die Straße nach Versailles zu erreichen.

XXXIII
Wie die Karten immer Recht haben

Der Bewachung des Pferdes überhoben, suchte Jean Robert umher tappend die Leiter, deren Lage ihm durch Salvator bezeichnet worden war, welcher ihn von der Polizei zurückkehrend zuerst beim Rendez-vous gefunden.

Wir könnten eine gute Anzahl Scherze über die Leitern, die Speicher und die Dichter machen; Jean Robert hatte aber, wie gesagt, ein Pferd, ein treffliches Halbblutpferd, das seine fünf Meilen in der Stunde zurücklegte. Jean Robert trat also aus der Kategorie der Dichter mit den Leitern und den Speichern heraus.

Beim Anblicke von Salvator hatte die Alte ihr Kartenspiel fallen lassen und einen tiefen Seufzer ausgestoßen; die Hunde waren in ihren Korb zurückgekehrt; die Krähe hatte wieder ihren Platz auf dem Balken eingenommen.

Als Jean Robert eintrat, sah er also nur eine Gruppe, welche als pittoresk das Malerauge seines Freundes Petrus ergötzt hätte und eben durch dieses Pittoreske sich unmittelbar seinen Dichterherzens bemächtigte.

Das war die Gruppe, welche aus der auf einem Schämel sitzenden alten Kartenschlägerin, aus Babolin, der zu ihren Füßen lag, und und Rose-de-Noël bestand, welche an ihrer Seite an den Pfeiler angelehnt war.

Die Brocante erwartete offenbar mit Bangigkeit, was Salvator sagen würde.

Die zwei Kinder lächelten diesem wie einem Freunde zu, jedes aber mit einem andern Ausdrucke.

Bei Babolin war dieses Lächeln das der Heiterkeit, bei Rose-de-Noël war es das Lächeln der Schwermuth.

Doch zum großen Erstaunen der Brocante schien Salvator dem, was vorgefallen, keine Aufmerksamkeit zu schenken.

»Ihr seid es, Brocante?« sagte er. »Wie geht es Rose-de-Noël?«

»Gut, Herr Salvator, sehr gut!« antwortete das Mädchen.

»Nicht Dich frage ich das, armes Kind, sondern diese Frau.«

»Sie hustet ein wenig,« erwiderte die Alte.

»Ist der Arzt da gewesen?«

»Ja, Herr Salvator.«

»Was bat er gesagt?«

»Wir müssen vor Allem diese Wohnung verlassen.«

»Er hat wohl daran gethan, Euch dies zu sagen; ich sage es Euch schon lange, Brocante.«

Sodann strenger und die Stirne faltend:

»Warum hat dieses Kind noch nackte Beine und und Füße?«

»Es will weder Strümpfe, noch Scheibe anziehen, Herr Salvator.«

»Ist das wahr, Rose-de-Noël?« fragte der junge Mann mit Sanftmuth, jedoch mit einem Tone, in dem ein gewisser Vorwurf lag.

»Ich will keine Strümpfe anziehen, weil ich nur grobe wollene Strümpfe habe; ich will keine Schuhe anziehen, weit ich nur plumpe lederne Schuhe habe.«

»Warum kauft Dir die Brocante nicht baumwollene Strümpfe und Schuhe von Ziegenfell?«

»Weil das zu teuer ist, Herr Salvator, und weil ich zu arm bin.«

»Du irrst Dich, das ist nicht theuer,« entgegnete Salvator, »Du lügst, Du bist nicht arm.«

»Herr Salvator!«

»Schweige! Und höre wohl, was ich Dir sage.«

»Ich höre, Herr Salvator.«

»Und Du wirst gehorchen?«

 

»Ich werde mich bemühen.«

»Und Du wirft gehorchen?« wiederholte der junge Mann mit gebietendem Tone.

»Ich werde gehorchen.«

»Wenn Du in acht Tagen, – Du hörst mich wohl? wenn Du in acht Tagen nicht ein Zimmer für Dich und Babolin, ein Cabinet mit Luft und Sonne für dieses Kind, und einen besonderen Stall für die Hunde gefunden hast, so nehme ich Rose-de-Noël von Dir.«

Die Alte umschlang mit ihrem Arme den Leib des Mädchens und drückte es an sich, als hätte Salvator seine Drohung auf der Stelle verwirklichen wollen.

»Sie würden mir das Kind entziehen? mein Kind, das seit sieben Jahren bei mir ist?«

»Bei Allem ist es nicht Dein Kind,« erwiderte Salvator, »es ist ein von Dir gestohlenes Kind.«

»Gerettet, Herr Salvator, gerettet!«

»Gestohlen oder gerettet, Du wirst die Sache mit Herrn Jackal erörtern.«

Die Brocante schwieg, drückte aber das Kind nur um so stärker an sich.

»Uebrigens bin ich nicht deshalb gekommen,« fuhr Salvator fort; »ich bin wegen des armen jungen Mannes gekommen, den Du, als ich eintrat, zu plündern im Zuge warst.«

»Ich plünderte ihn nicht, Herr Salvator: ich nahm, was er mir freiwillig gab.«

»Den Du also täuschest?«

»Ich täuschte ihn nicht: ich sagte ihm die Wahrheit.«

»Woher mußtest Du die Wahrheit?«

»Durch die Karten.«

›Du lügst!«

»Die Karten haben aber . . . «

»Die Karten sind ein Mittel der Prellerei.«

»Herr Salvator, beim Haupte von Rose-de-Noël: Alles was ich ihm gesagt habe, ist wahr.«

»Was hast Du ihm gesagt?«

»Er liebe ein blondes Mädchen von sechzehn bis siebzehn Jahren.«

»Wer hat Dir das gesagt?«

»Das stand in den Karten.«

»Wer hat Dir das gesagt?« wiederholte gebietend Salvator.

»Babolin, der es im Quartier erfahren hat!«

»Das ist also das Handwerk, das Du treibst?« sprach Salvator zu Babolin.

»Verzeihen Sie, Herr Salvator, ich glaubte nicht, ich thue etwas Schlimmes, wenn ich dies Brocante mittheile; es ist im Faubourg Saint-Jacques bekannt, daß Herr Justin in Mademoiselle Mina verliebt war.«

»Fahre fort, Brocante. Was hast Du ihm noch gesagt?«

»Ich habe ihm gesagt, das Mädchen liebe ihn; es habe ein Heirathsproject stattgefunden, dieses Project sei aber durch eine unerwartete Geldsumme zerstört worden.«

»Wer hat Dir das gesagt?«

»Ei! Herr Salvator, der Kreuzzehn bedeutet Geld und der Schüppenacht gescheiterten Plan

»Wer hat Dir das gesagt?« wiederholte Salvator, der immer ungeduldiger wurde.

»Ein guter Pfarrer, Herr Salvator, ein guter alter Pfarrer, der gewiß Nicht log. Er sagte unter einer Gruppe von Leuten, die ihn befragten: ›Und wenn man bedenkt, daß eine Summe von zwölftausend Franken . . . »Ich weiß nicht, ob es zehn oder zwölf waren.«

»Gleichviel.«

›Und wenn man bedenkt,»sagte der gute alte Pfarrer, ›daß eine Summe von zwölftausend Franken, die ich gebracht habe, an diesem ganzen Unglück Schuld ist!«

»Gut, Brocante! Und was hast Du ihm dann noch gesagt?«

»Ich habe ihm gesagt, Mademoiselle Mina sei durch einen brünetten jungen Mann entführt worden.«

»Woher weißt Du das?«

»Herr Salvator der Schüppenbube13 war da, sehen Sie, und der Schüppenbube . . . «

»Woher weißt Du, daß das Mädchen entführt worden ist?« wiederholte Salvator mit dem Fuße stampfend.

»Ich habe es gesehen, mein Herr.«

»Wie, Du hast Es gesehen?«

»Wie ich Sie seh.«

»Wo dies?«

»Auf der Place Maubert.«

»Du hast Mina auf der Place Maubert gesehen?«

»Heute Nacht-.

Herr Salvator, heute Nacht . . . Ich hatte so eben die Rue Galande gemacht, ich machte die Place Maubert; plötzlich fährt ein Wagen so rasch vorüber, daß man hätte glauben sollen, er werde vom Winde getragen; das Fenster senkt sich; ich höre rufen: »Zu Hilfe! Herbei! zu Hilfe! man entführt mich!« und ein hübsches blondes Köpfchen, ein wahres Cherubsköpfchen kommt aus dem Schlage hervor. Zugleich erscheint ein zweiter Kopf . . . der eines brünetten jungen Mannes mit Schnurrbart. Er zieht die Schreiende zurück und schließt das Fenster wieder; doch diejenige, welche man entführte, hatte Zeit gehabt, einen Brief hinauszuwerfen.«

»Und dieser Brief? . . . «

»Ist der, welcher mit der Adresse von Herrn Justin bezeichnet war.«

»Um wie viel Uhr war das, Brocante?«

»Es mochte Morgens um sechs Uhr sein, Herr Salvator.«

»Gut! Ist das Alles?«

»Ja, es ist Alles.«

»Beim Haupte von Rose-de-Noël?«

»Beim Haupte von Rose-de-Noël!«

»Warum hast Du nicht ganz einfach Herrn Justin die Sache erzählt, wie sie sich zugetragen?«

»Ich habe mich in Versuchung führen lassen: er wird sagen, was ihm begegnet ist, und das wird mir Kunden bringen!«

»Höre, Brocante, hier ist ein Louis d’or dafür, daß Du die Wahrheit gesprochen,« sagte Salvator; doch von diesem Louis d’or wirst Du dem Kinde drei Paar baumwollene Strümpfe und ein Paar Schuhe von Ziegenfell kaufen.«

»Ich will rothe Schuhe, Herr Salvator,« sagte Rose-de-Noël.

»Du wirst sie von der Farbe nehmen, die Dir beliebt, mein Kind,« erwiderte Salvator.

Und sich an die Brocante wendend:

»Du hast gehört, finde ich Dich in acht Tagen, auf den Tag, auf die Stunde, noch hier; so nehme ich Rose-de-Noël fort!«

»Oh! Oh!« murmelte die Alte.

»Und Du, Rose, wenn ich Dich noch mit nackten Füßen treffe, so lasse ich Dich kleiden, wie Du warst, als ich Dich vor fünf Jahren zum ersten Male sah.«

»Oh! Herr Salvator!« rief die Kleine.

Er näherte sich sodann zum letzten Male der Alten und sprach halblaut zu ihr:

»Brocante, vergiß nicht, daß Du mir für dieses Kind mit Deinem Kopfe haftest! Lässest Du es vor Kälte in Deinem Speicher sterben, so lasse ich Dich vor Kälte, Hunger und Elend in einem Kerker sterben.«

Nach dieser Drohung neigte er sich zu der Kleinen, welche ihrerseits ihre Stirne seinem Kusse entgegenbot.

Und die Stube verlassend, winkte er Jean Robert ihm zu folgen.

Jean Robert warf einen letzten Blick auf die Alte und die zwei Kinder und ging hinter Salvator hinaus.

»Was für ein seltsames Mädchen ist das?« fragte er Salvator, als sie auf die Straße kamen.

»Gott allein weiß es!« antwortete dieser.

Und während sie die Rue Copeau und die Rue Monffetard hinabgingen, erzählte er dem Dichter das Ereigniß der Nacht vom 20. August, und wie die Kleine, deren Schönheit eine so mächtige Wirkung auf ihn hervorgebracht, in die Hände der Brocante gefallen war und sich nun, eine Perle, mitten in diesem Misthaufen befand.

Die Geschichte war nicht lang, wie man weiß: als die zwei jungen Leute auf den Pont-Neuf kamen, war sie beendigt.

»Hier!« sagte Salvator, während er sich an das Gitter der Statue von Heinrich IV. anlehnte.

»Sie halten hier an?« fragte Jean Robert.

»Ja.«

»Warum halten wir hier an?«

»Um zu warten.«

»Worauf wollen Sie warten?«

»Auf einen Wagen!«

»Wohin soll er uns führen?«

»Oh! Mein Lieber, Sie sind sehr neugierig.«

»Aber . . . «

»Als dramatischer Dichter wissen Sie, daß es ein Talent ist, mit dem Interesse haushälterisch umzugehen.«

»Wie Sie wollen . . . Warten wir.«

Sie warteten übrigens nicht lange.

Nach zehn Minuten drehte sich ein mit zwei kräftigen Pferden bespannter Wagen um den Quai des Orfèvres und hielt vor der Statue von Heinrich IV. an.

Ein Mann von ungefähr vierzig Jahren öffnete den Schlag vom Innern aus, wo er saß, und sagte:

»Geschwinde, geschwinde!«

Die beiden jungen Leute stiegen ein.

»An den bewußten Ort,« sagte der Mann im Wagen zum Kutscher. Und der Wagen ging im Galopp ab, drehte sich am Ende des Pont-Neuf und eilte auf dem Quai de l’Ecole fort.

XXXIV
Herr Jackal

Erzählen wir unsern Lesern, was Salvator Jean Robert zu erzählen nicht für geeignet erachtet hatte. Als er Justin und Jean Robert in der Rue du Faubourg Saint-Jacques verließ, ging Salvator, wie gesagt, nach der Polizei.

Er gelangte in die abscheuliche Gasse, genannt Rue de Jerusalem, – ein schmaler, kothiger, düsterer Weg, über den die Sonne nur sich verschleiernd hinzieht.

Salvator trat durch die Thüre der Präfectur mit der leichten, ungezwungenen Manier eines Vertrauten von diesem finsteren Hotel ein.

Es war sieben Uhr Morgens, das heißt kaum Dämmerung.

Der Concierge hielt ihn an.

»He! mein Herr!« rief er ihm zu: »wohin gehen Sie? . . . He! mein Herr!«

»Nun? Versetzte Salvator, indem er sich umwandte.

»Ah! verzeihen Sie, Herr Salvator, ich erkannte Sie nicht,« sagte der Concierge.

Und er fügte lachend bei:

»Das ist Ihre Schuld: Sie sind gekleidet wie ein Herr!«

»Ist Herr Jackal schon in seinem Bureau? Fragte Salvator.

»Das heißt, er ist noch dort, er ist dort über Nacht gewesen.«

Salvator durchschritt den Hof, ging unter das der Thüre gegenüberliegende Gewölbe, betrat eine kleine Treppe links, stieg zwei Stockwerte hinauf, kam in einen Corridor und fragte den Huissier nach Herrn Jackal.

»Er ist in diesem Augenblicke sehr beschäftigt.« erwiderte der Hussier.

»Sagen Sie ihm, Salvator, der Commissionär der Rue aux Fers, sei da.«

Der Huissier verschwand durch eine Thüre und kam sogleich wieder zurück.

»Ja zehn Minuten gehört Herr Jackal Ihnen.«

Einen Moment nachher öffnete sich wirklich die Thüre wieder, und ehe man Jemand sah, hörte man eine Stimme rufen:

»Suchet die Frau! bei Gott! suchet die Frau!«

Dann erschien der Mann, dessen Stimme man gehört.

Unternehmen wir es, das Portrait von Herrn Jackal zu zeichnen.

Es war ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, mit übermäßig langem, magerem, dünnem, nach dem Ausdrucke der Naturforscher, wurmförmigen Halse und dabei mit kurzen, nervigen Beinen.

Sein Körper offenbarte Geschmeidigkeit; seine Beine bezeichneten Behendigkeit.

Der Kopf schien zugleich allen Klassen der Ordnung der fleischfressenden, auf den Zehen gehenden Thiere anzugehören: das Haar, oder die Mähne, oder das Fell, wie man will, war gräulich fahl; die langen, am Kopfe emporgespitzten und mit Haaren versehenen Ohren glichen denen des Jaguars; am Abend in Gelb, am Tage in Grün spielend, hielten die Augen die Mitte zwischen denen des Luchses und denen des Wolfes; senkrecht verlängert und der der Katze ähnlich, zog sich die Pupille zusammen oder erweiterte sich, je nach dem Grade von Dunkelheit oder Licht, in dem sie operierte; die Nase und das Kinn, die Schnauze, wollen wir sagen, war zugespitzt wie die eines Windhundes.

Der Kopf eines Fuchses und der Leib eines Iltisses.

Die Beine, von denen wir ein Wort gesagt haben, deuteten übrigens an, dieser Mensch könne, den Mardern ähnlich, überallhin schlüpfen und durch die kleinsten Oeffnungen passieren, vorausgesetzt, daß der Kopf einzudringen vermöge.

Die ganze Physiognomie offenbarte, wie die des Luchses, List, Schlauheit, Feinheit; man fühlte, daß Herr Jackal, der nächtliche Jäger der Kaninchen und der Hühner, sein Dickicht in der Rue de Jerusalem, um auf die Jagd zu geben, nur bei Einbruch der Nacht verlassen konnte.

Er blinzelte mit den Augen und erblickte im Halbschatten des Corridors denjenigen, welchen man ihm gemeldet hatte.

»Ah! Sie sind es, Herr Salvator?« sagte er, indem er mit großem Eifer auf ihn zuging. »Was verschafft mir das Vergnügen, Sie so frühe am Morgen zu sehen?«

»Man hat mir gesagt, mein Herr, Sie seien sehr beschäftigt,« antwortete Salvator, der mit großer Mühe den Widerwillen, den ihm der Polizeimann einflößte, zu überwinden schien.

»Das ist wahr, mein lieber Herr Salvator; doch Sie wissen wohl, daß es keine Beschäftigung gibt, die ich nicht auf der Stelle verlasse, um das Vergnügen zuhaben, mit Ihnen zu plaudern.«

»So treten wir in Ihr Cabinet ein,« sagte Salvator, ohne auf die complimentöse Phrase von Herrn Jackal zu antworten.

»Das ist unmöglich; ich habe zwanzig Personen, die auf mich warten.«

»Haben Sie mit diesen zwanzig Personen lange zuthun?«

»Ungefähr zwanzig Minuten: eine Minute für die Person. Ich muß um neun Uhr im Bas-Meudon sein.«

»Im Bas-Meudon?«

»Ja.«

»Was Teufels wollen Sie dort machen?«

»Eine Erstickung constatiren.«

»Eine Erstickung?«

»Zwei junge Leute, die sich das Leben genommen haben, ja . . . Der Aeltere von beiden ist vierundzwanzig Jahre alt, wie es scheint.«

 

»Arme junge Leute!« sagte Salvator mit einem Seufzer.

Dann-zur Sache von Justin zurückkehrend:

»Teufel! es ist mir höchst ärgerlich, daß ich Sie nicht bequem sprechen kann; ich hatte Ihnen etwas sehr Ernstes mitzutheilen.«

»Eine Idee . . . «

»Nun?«

»Ich fahre und bin allein in meinem Wagen; kommen Sie mit mir: Sie werden mir Ihren Fall unter Weges erzählen. Mit zwei Worten, um was handelt es sich?«

»Um eine Entführung.«

»Suchet die Frau!«

»Beim Teufel! das ist es, was wir suchen.«

»Oh! Nein, nicht die entführte Frau.«

»Welche denn?«

»Die welche die Andere entführen läßt.«

»Sie glauben, es stecke eine Frau dahinter?«

»Es ist eine Frau bei Allem, Herr Salvator: das ist es, was unser Handwerk so schwierig macht . . . Gestern meldet man mir, ein Decker habe vom Dache fallend das Leben eingebüßt.«

»Sie haben gesagt: ›Suchet die Frau!«

»Das war das Erste, was ich sagte.«

»Nun?«

»Sie spotteten über mich; sie behaupteten, ich habe die verrückte Gewohnheit, so zu antworten! Man sucht die Frau, und man findet sie.«

»Gut! wie dies?«

»Der Bursche hatte sich umgedreht, um eine Frau zu sehen, die sich in einer Mansarde gegenüber ankleidete, und, bei meiner Treue! er fand so viel Vergnügen an der Anschauung, daß er nicht mehr darauf Acht gab, wo er war; der Fuß glitscht ihm aus, und plumps, daliegt er!«

»Er ist todt?«

»Er war mausetodt, der Dummkopf! . . . Nun! Ist das beschlossen, kommen Sie mit mir nach dem Bas-Meudon?«

»Ja, doch ich habe einen Freund.«

»Es sind vier Plätze im Wangen. – Fargeau,« sagte Herr Jackal zum Huissier, »lassen Sie anspannen.«

»Ich muß zuvor nach der Rue Triperet gehen und werde von dort zurückkommen.«

»Ich gebe Ihnen eine halbe Stunde.«

»Wo werden wir uns wiederfinden?«

»Rendez-vous bei der Statue Heinrich IV. Ich werde den Wagen halten lassen, Sie steigen ein, und im Galopp, Kutscher!«

Wonach Herr Jackal in sein Bureau zurückgekehrt war und Salvator Jean Robert in der Rue Triperet abgeholt hatte.

Die Dinge waren nach dem festgestellten Programm vor sich gegangen: die zwei jungen Leute hatten im Wagen von Herrn Jackal Platz genommen, und alle Drei fuhren nach dem Bas-Meudon.

Wir haben es versucht, Herrn Jackal in physischer Hinsicht zu schildern: nun einen Pinselstrich in Betreff des Moralischen.

Herr Jackal war ein vormaliger Polizeikommissär, den seine wunderbaren Fähigkeiten von Stock zu Stock bis zu diesem höchsten Giebel des Chefs der Sicherheitspolizei hatten steigen lassen.

Herr Jackal kannte alle Diebe, alle Gauner, alle Zigeuner in Paris; freigelassene Galeerensklaven, bannbrüchige Galeerensklaven, geübte Diebe, Diebslehrlinge, ausgelernte Diebe, Diebe, die sich aus den Geschäften zurückgezogen, Alles dies wimmelte unter seinem weit umfassenden Blicke im kothigen Pandämonium der alten Lutetia, ohne sich, wie groß auch die Dunkelheit der Nacht, die Tiefe der Steinbrüche, die Zahl der Freischenken sein mochten, seinem Auge entziehen zu können; er war beschlagen in seinen Garnise,14 seinen Spielhäusern, seinen Bordellen, wie Philidor in den Feldern seines Schachbrettes; wenn er einen ausgenommenen Laden, ein zerbrochenes Fenster, einen gegebenen Messerstich nur anschaute, sagte er: »Ah! ich kenne das! Das ist die Manier zu arbeiten von Dem und Dem

Und selten irrte er sich.

Herr Jackal schien keinem der Bedürfnisse der Natur unterworfen zu sein. Hatte er nicht Zeit, zu frühstücken, so frühstückte er nicht; hatte er nicht Zeit, zu Mittag zu speisen, so speiste er nicht zu Mittag; hatte er nicht Zeit, zu Nacht zu essen, so aß er nicht zu Nacht; hatte er nicht Zeit, zu schlafen, so schlief er nicht.

Herr Jackal trug mit gleichem Glücke und mit gleicher Bequemlichkeit alle Verkleidungen: Rentier des Marais, General des Kaiserreichs, Mitglied des Caveau, Concierge von vornehmem Hause, Portier von kleinem Gewürzkrämer, Wundmittelhändler, Seiltänzer, Pair von Frankreich, Voltigeur von Gent, er war Alles, was man wollte, und hätte den geschicktesten und vielseitigsten Schauspieler beschämt.

Proteus wäre gegen ihn nur ein Grimassenmacher von Tivoli oder vom Boulevard du Temple gewesen.

Herr Jackal hatte weder Vater, noch Mutter, noch Schwester, noch Bruder, noch Sohn, noch Tochter; er war allein in der Welt und schien der Familie durch eine aufmerksame Vorsehung beraubt worden zu sein, welche ihm indem sie ihm die Zeugen seines Geheimnisvollen Lebens nahm, allein auf seinem Wege zu gehen erlaubte.

Herr Jackal hatte in den vier Fächern seiner Bibliothek vier Ausgaben von Voltaire!

Zu einer Zeit, wo Jedermann, bei der Polizei besonders, Jesuit von der langen Robe oder von der kurzen Robe war, hatte er allein seine freie Sprache, citirte das Dictionnaire philosophique bei jeder Veranlassung und wußte die Pucelle auswendig« Diese vier Exemplare des Verfassers von Candide waren in Chagrin gebunden und am Schnitt versichert, ein Traueremblem des begrabenen Glaubens ihres Eigenthümers.

Jackal glaubte nicht an das Gute; das Böse beherrschte für ihn die ganze Schöpfung. Das Böse unterdrücken schien ihm der einzige Zweck des Lebens zu sein; er begriff eine Welt mit anderen Endzwecken nicht.

Es war eine Art von Erzengel Michael der niederen Regionen; das jüngste Gericht hatte schon für ihn angefangen, und er machte Gebrauch von der Gewalt, die ihm die Gesellschaft anvertraut, wie der Würgengel sich seines Schwertes bedient.

Die Menschen schienen ihm eine große Sammlung von Marionetten und von Gliedermännchen zu sein, welche alte Arten von Gewerben treiben; die Fäden dieser Marionetten und dieser Gliedermännchen setzten, nach seiner Ansicht, die Frauen in Bewegung; er hatte auch eine Monomanie, von der wir ein Muster bei den ersten Worten, die er, sein Cabinet öffnend, sprach, gesehen haben, eine Monomanie, die ihn beinahe unfehlbar zur Entdeckung des Verbrechens führte, dessen Urheber er wollte kennen lernen.

So oft man ihm eine Verschwörung, einen Mord, einen Diebstahl, eine Entführung, einen Einbruch, eine Heiligthumsentweihung, einen Selbstmord anzeigte, gab er nur zur Antwort: »Suchet die Frau!«

Man suchte die Frau, und wenn die Frau gefunden war, brauchte man sich um nichts mehr zu bekümmern: das ürbrige fand sich ganz allein.

Er hatte selbst den Beweis hiervon gegeben, indem er das Beispiel des Deckers citirte, der von einem Dache auf das Pflaster herabgestürzt war.

Herr Jackal hatte eine Frau im Grunde dieses Unfalls gesehen, wo ein Anderer einen falschen Tritt, eine Blendung, einen Schwindel gesehen haben würde.

Und die Erfahrung hatte bewiesen, daß Herr Jackal recht gesehen.«

Herr Jackal war also seinem Grundsatze treu, als er zu Salvator in Betreff der Entführung von Mina sagte: »Suchet die Frau!«

Dies war, – und wir bleiben sehr hinter dem Portrait, das wir geraden ihm hätten zeichnen mögen, – dies war Herr Jackal, das heißt, der Mann, mit welchem und in dessen Wagen Salvator und Jean Robert längs dem Quai der Tuilerien hinfuhren.

Ah! wir vergessen einen charakteristischen Zug der Physiognomie von Herrn Jackal: er trug eine grüne Brille, nicht um besser zu sehen, sondern damit man ihn weniger sehe.

Wollte er den freien Gebrauch seiner Augen haben, so hob er mit einer raschen Bewegung seine Brille an seine Stirne empor; der Strahl seines in allen Farben spielenden Blickes warf eine Flamme zwischen seinen Augenlidern aus, dann senkte er seine Brille wieder, doch ohne die Hände daran zu legen, durch ein leichtes Schauern der Schlafmuskeln: beim Schauern dieser Muskeln fiel die Brille von selbst nieder und nahm wieder ihren Platz in der Fuge ein, die ihr stählerner Bogen nach und nach auf der Nase von Herrn Jackal ausgegraben hatte.

Selten brauchte er diese Inspectiont zu erneuern, so rasch, tief und sicher war sein Blick.

Dieser Blick glich jenen stillen Sommerblumen, welche zwischen zwei Wolken in den heißen Abenden im Monat August durchzucken.

12Drei gleiche Karten.
13Schüppen-bube – die Spielkarte Pikbube’
14Häuser, wo Schlafstellen für einzelne Nächte vermiethet werden.
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