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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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LXXXIV
Die Abreise

Um elf Uhr Abends, in dem Augenblick, wo die Damen von Tourzel und Brennier, nachdem sie Madame Royale und den Dauphin ausgekleidet hatten, diese wieder aufweckten und ihnen ihre Reisecostumes anzogen, zum großen Verdrusse des Dauphin, der seine Knabenkleider anziehen wollte und sich gegen die Mädchenkleidung sträubte, empfingen die Königin und Madame Elisabeth wirklich Herrn von Lafayette und die Herren von Gouvion und Romeuf, seine Adjutanten.

Dieser Besuch war äußerst beunruhigend, besonders nach dem Verdachte, den man über Frau von Rochereul hatte.

Die Königin und Madame Elisabeth hatten am Abend eine Spazierfahrt im Wäldchen von Boulogne gemacht und waren um acht Uhr zurückgekehrt.

Herr von Lafayette fragte die Königin, ob die Spazierfahrt gut gewesen sei, nur, fügte er bei, habe sie Unrecht, so spät nach Hause zurückzukehren, und es sei zu befürchten, daß ihr die Abendnebel schaden.

»Die Abendnebel im Monat Juni?« versetzte die Königin lachend; »wahrhaftig, wenn ich nicht ausdrücklich solche machen lasse, um meine Flucht zu verbergen, so weiß ich nicht, wo ich finden sollte  . . .  ich sage, um meine Flucht zu verbergen, denn ich setze voraus, daß das Gerücht, wir reisen ab immer noch geht.«

»Es ist wahr, Madame,« erwiderte Lafayette, »man spricht mehr als je von dieser Abreise, und ich habe sogar Nachricht erhalten, sie finde heute Abend statt.«

»Ah!« rief die Königin, »ich wette, Sie haben diese schöne Kunde von Herrn von Gouvion?«

»Und warum von mir, Madame?« fragte erröthend der junge Officier.

»Weil ich glaube, daß Sie Einverständnisse im Schlosse haben. Ei! Herr Romeuf hat keine, und ich bin fest überzeugt, daß er sich für uns verbürgen würde.«

»Und ich hätte dabei kein großes Verdienst, Madame, da der König der Nationalversammlung sein Wort gegeben hat, er werde Paris nicht verlassen,« sagte der junge Officier.

Nun war es an der Königin, zu erröthen.

Man sprach von etwas Anderem.

Um halb zwölf Uhr nahmen Herr von Lafayette und seine beiden Adjutanten Abschied vom König und von der Königin.

Durchaus nicht beruhigt, kehrte indessen Herr von Gouvion in sein Zimmer im Schlosse zurück; er fand hier, seine Freunde als Schildwache, und statt sie von der Wache abzulösen, empfahl er ihnen, ihre Aufmerksamkeit zu verdoppeln, Herr von Lafayette aber begab sich nach dem Stadthause, um Bailly hinsichtlich der Absichten des Königs zu beruhigen, sollte überhaupt Bailly irgend eine Furcht haben.

Als Lafayette weggegangen war, riefen der König, die Königin und Madame Elisabeth ihre Hausgenossenschaft und ließen sich die Toilettedienste leisten, welche sie zu erhalten gewohnt waren, wonach sie zur gewöhnlichen Stunde alle Welt entließen.

Die Königin und Madame Elisabeth kleideten sich gegenseitig an; ihre Röcke waren äußerst einfach, ihre Hüte hatten einen großen Rand und verbargen völlig ihre Gesichter.

Als sie angekleidet waren, trat der König ein. Er trug einen grauen Rock und eine von jenen kleinen Perrücken, die man à la Rousseau nannte; er hatte ferner eine kurze Hose, graue Strümpfe und Schnallenschuhe.

Seit acht Tagen ging der Kammerdiener Hue, der ein durchaus gleiches Costume trug, durch die Thüre von Herrn von Villequier, welcher seit sechs Monaten emigriert war, hinaus und begab sich nach dem Platze des Carrousel und der Rue Saint-Nicaise. Diese Vorsichtsmaßregel hatte man getroffen, damit man sich daran gewöhne, einen auf diese Art gekleideten Mann alle Abende vorübergehen zu sehen, und daß man nicht aus den König aufmerksam werde, wenn er auch vorübergehe.

Man holte die drei Couriere aus dem Bondoir der Königin, in welchem sie gewartet hatten, bis die Stunde gekommen war, und man ließ sie durch den Salon in das Zimmer von Madame Royale gehen, wo sich diese mit dem Dauphin befand.

Dieses Zimmer war in der Voraussicht der Flucht am 11. Juni von der Wohnung von Herrn von Villequier genommen worden.

Der König hatte sich die Schlüssel der Wohnung am 13. übergeben lassen.

Befand man sich einmal bei Herrn von Villequier, so war es keine große Schwierigkeit mehr, aus dem Schlosse zu kommen. Man wußte, daß die Wohnung verlassen war, man wußte, daß sich der König die Schlüssel hatte zustellen lassen, und unter gewöhnlichen Umständen bewachte man sie nicht.

Ueberdies waren die Schildwachen im Hofe, sobald es elf Uhr geschlagen hatte, daran gewöhnt, viele Leute zugleich hinausgehen zu sehen.

Dies waren die Leute vom Dienste, welche nicht im Schlosse schliefen und nach Hause gingen.

Hier setzte man alle Anordnungen für die Reise fest.

Herr Isidor von Charny, der den Weg mit seinem Bruder aufgenommen hatte und alle schwierige oder gefährliche Orte kannte, ritt voraus; er würde die Postillons benachrichtigen, damit die Relais nie einen Verzug erlitten.

Aus dem Bocke sitzend, würden Herr von Valory und Herr von Malden den Postillons ein Trinkgeld von dreißig Sous bezahlen; gewöhnlich gab man diesen fünf und zwanzig Sous Trinkgeld, doch man würde es in Betracht der Schwere des Wagens um fünf Sous erhöhen.

Waren die Postillons sehr gut gefahren, so würden sie noch bedeutendere Trinkgelder erhalten, doch sie sollten nie vierzig Sous übersteigen, denn der König allein bezahlte einen Thaler.

Der Herr Graf von Charny würde sich im Wagen bereit halten, alle Unfälle zu pariren. Er würde, wie die drei Couriere, sehr gut bewaffnet sein. Jeder von ihnen sollte ein Paar Pistolen im Wagen finden.

Man hatte berechnet, dreißig Sous Trinkgeld bezahlend und nur mittelmäßig fahrend, werde man in dreizehn Stunden in Chalons sein.

Alle Instructionen waren zwischen dem Herrn Grafen von Charny und dem Herrn Herzog von Choiseul festgestellt worden.

Sie wurden mehrere Male den drei jungen Leuten wiederholt, damit sich Jeder seine Functionen tief einpräge.

Der Vicomte von Charny ritt voraus und bestellte die Pferde.

Die Herren von Valory und von Malden bezahlten auf dem Bocke sitzend.

Der Herr Graf von Charny, der seinen Platz im Innern hatte, schaute zum Wagen hinaus und sprach, wenn zu sprechen war.

Jeder gelobte, sich an das Programm zu halten. Man blies die Kerzen aus und schritt tappend nach der Wohnung von Herrn von Villequier.

Es schlug Mitternacht, als man vom Zimmer von Madame Royale nach dieser Wohnung ging. Der Gras von Charny mußte seit mehr als einer Stunde auf seinem Posten sein.

Tappend fand der König die Thüre.

Er war im Begriffe, den Schlüssel in das Schlüsselloch zu stecken, als ihn die Königin zurückhielt.

»St!« machte sie.

Man horchte und hörte Tritte und Geflüster im Corridor.

Es ging etwas Außerordentliches vor.

Frau von Tourzel, die im Schlosse wohnte, und deren Gegenwart im Gange, zu welcher Stunde es auch sein mochte, keine Verwunderung erregen konnte, übernahm es, die Wohnung zu umgehen und nachzusehen, woher das Geräusch der Tritte und dieses Geflüster kämen.

Man wartete, ohne eine Bewegung zu machen, und Jeder hielt seinen Athen, zurück.

Je tiefer die Stille war, um so leichter ließ sich erkennen, daß der Corridor von mehreren Personen besetzt sein mußte.

Frau von Tourzel kam zurück; sie hatte Herrn von Gouvion und verschiedene Uniformen erkannt.

Es war unmöglich, durch die Wohnung von Herrn von Villequier hinauszugehen, wenn diese Wohnung nicht einen andern Ausgang hatte, als den, welchen man Anfangs gewählt.

Nur war man ohne Licht.

Eine Nachtlampe brannte im Zimmer von Madame Royale. Madame Elisabeth zündete daran die Kerze an, die man ausgeblasen hatte.

Durch diese Kerze erleuchtet, fing die kleine Schaar der Flüchtlinge an einen Ausgang zu suchen.

Lange glaubte man, die Nachforschung sei vergeblich, und mit dieser Nachforschung verlor man über eine Viertelstunde. Endlich fand man eine kleine Treppe, welche zu einem vereinzelten Zimmer im Entresol führte. Dieses Zimmer war das des Lackeien von Villequier und ging auf einen Corridor und eine Gesindetreppe.

Die Thüre war mit dem Schlüssel geschlossen.

Der König versuchte alle Schlüssel seines Bundes am Schlosse.

Der Vicomte von Charny wollte den Riegel mit seinem Jagdmesser zurückdrücken, doch der Riegel widerstand.

Man hatte einen Ausgang, und dennoch war man so eingeschlossen, als zuvor.

Der König nahm die Kerze aus den Händen von Madame Elisabeth, ließ alle Welt in der Finsterniß, kehrte in sein Schlafzimmer zurück und stieg auf der Geheimtreppe in die Schmiede hinauf. Hier nahm er einen Bund Haken von verschiedenen, zum Theil bizarren Formen und ging wieder hinab.

Ehe er wieder mit der Gruppe zusammentraf, die ihn voll Augst erwartete, hatte er schon seine Wahl getroffen.

Der vom König gewählte Haken drang in das Schlüsselloch ein, knirschte, indem er sich drehte, griff den Riegel an, ließ ihn zweimal wieder entwischen, packte ihn aber beim dritten Male so gut, daß nach ein paar Minuten der Riegel nachgeben mußte.

Der Riegel wich. Die Thüre öffnete sich; der stockende Athen, kehrte bei Allen zurück.

Ludwig XVI. wandte sich mit einer triumphirenden Miene gegen die Königin um und sprach:

»Nun, Madame?«

»Ja, mein Herr,« erwiderte die Königin lachend, »es ist wahr, und ich sage nicht, es sei schlecht, Schlosser zu sein; ich sage nur, es sei zuweilen auch gut, König zu sein.«

Es handelte sich nun darum, die Ordnung des Abgangs zu bestimmen.

Madame Elisabeth ging zuerst, Madame Royale führend, hinaus.

Aus zwanzig Schritte sollte ihr Frau von Tourzel, den Dauphin führend, folgen.

Zwischen ihnen ging Herr von Malden, bereit, der einen und der andern Gruppe Hilfe zu leisten.

Als diese ersten Körner vom königlichen Rosenkranze gelöst waren, stiegen die armen Kinder, deren Liebe rückwärts schaute und die andere Liebe suchte, die ihnen mit den Augen folgte, zitternd und auf den Fußspitzen hinab, traten in den Lichtkreis ein, den die Laterne bildete, welche die aus den Hof führende Thüre des Palastes beleuchtete, und gingen an der Schildwache vorüber, ohne daß sich diese um sie zu bekümmern schien.

 

»Gut,« sagte Madame Elisabeth, »nun ist schon ein schlimmer Schritt überwunden.«

Als man zu der Pforte kam, welche nach dem Carrousel ging, fand man die Schildwache in ihrem Marsche den Gang der Flüchtlinge kreuzend.

»Meine Tante,« sagte Madame Royale, während sie die Hand von Madame Elisabeth preßte, »wir sind verloren, dieser Mensch erkennt uns.«

»Gleichviel, mein Kind,« erwiderte Madame Elisabeth, »wir sind ganz anders verloren, wenn wir zurückweichen.«

Und sie gingen weiter.

Als sie nur noch vier Schritte von der Schildwache entfernt waren, drehte diese den Rücken, und sie konnten vorbeigehen.

Hatte sie dieser Mensch in der That erkannt? wußte er, welche hohe Flüchtlinge er passiren ließ? Die Prinzessinnen blieben hiervon überzeugt und sandten fliehend tausend Segnungen diesem unbekannten Retter zu.

Jenseits der Pforte erblickten sie das besorgte Gesicht von Charny.

Der Graf war in einen großen blauen Carrick gehüllt und hatte den Kopf mit einem runden Hute von Wachstuch bedeckt.

»Ah! mein Gott!« murmelte er, »endlich sind Sie da! und der König und die Königin?«

»Sie folgen uns,« antwortete Madame Elisabeth.

»Kommen Sie,« sagte Charny.

Und er führte rasch die Flüchtlinge zu dem Remise,30 die in der Rue Saint-Nicaise stand.

Ein Fiacre hatte sich neben dem Remise ausgestellt, als wollte er ihn bespähen.

»Nun, Kamerad,« sagte der Kutscher des Fiacre, als er sah, daß der Graf von Charny einige Personen angeworben hatte, »es scheint, Du hast geladen?«

»Wie Du siehst,« erwiderte Charny.

Dann flüsterte er dem Garde du corps zu:

»Mein Herr, nehmen Sie diesen Fiacre und fahren Sie geraden Weges nach der Porte Saint-Martin. Sie werden keine Mühe haben, den Wagen zu erkennen, der uns erwartet.«

Herr von Malden begriff und sprang in den Fiacre.

»Und Du auch,« sagte er, »Du hast auch geladen. Nach der Oper, rasch!«

Die Oper war damals bei der Porte Saint-Martin.

Der Kutscher glaubte, er habe es mit einem Läufer zu thun, der seinen Herrn im Theater abholen müsse, und fuhr ab, ohne eine andere Bemerkung, als die Worte, welche einen pecuniären Vorbehalt bezeichneten:

»Sie wissen, daß es Mitternacht ist, Herr?«

»Ja, fahre gut, und sei unbesorgt.«

Da die Lackeien zu jener Zeit zuweilen freigebiger waren, als ihre Herren, so fuhr der Kutscher, mit dieser Erwiederung zufrieden, in starkem Trabe weg.

Kaum hatte er um die Ecke der Rue de Rohan gedreht, als man durch dieselbe Pforte, welche Madame Royale, Madame Elisabeth, Frau von Tourzel und dem Dauphin Auslaß gewährt, mit einem gewöhnlichen Schritte und wie einen Expeditor, der nach einem langen Tage der Arbeit von seiner Kanzlei kommt, einen Mann in grauem Rocke, die Spitze des Hutes auf der Nase und die Hände in den Taschen, herauskommen sah.

Das war der König.

Ihm folgte Herr von Valory.

Auf dem Wege machte sich eine Schnalle von seinen Schuhen los; er ging weiter, ohne daraus merken zu wollen; Herr von Valory hob sie auf.

Charny ging ihm ein paar Schritte entgegen; er hatte den König erkannt, nicht an ihm selbst, sondern an Valory, der ihm folgte.

Er gehörte zu denjenigen, welche immer den König im König sehen wollen.

Er stieß einen Seufzer des Schmerzes, beinahe der Scham aus und sagte:

»Kommen Sie, Sire, kommen Sie.«

Dann leise zu Herrn von Valory:

»Und die Königin?«

»Die Königin folgt uns mit Ihrem Herrn Bruder.«

»Gut, nehmen Sie den kürzesten Weg und erwarten Sie uns bei der Porte Saint-Martin; ich werde den längeren nehmen; das Rendezvous ist um den Wagen.«

Valory folgte der Weisung von Charny.

Man wartete aus die Königin.

Es verging eine halbe Stunde.

Wir werden es nicht versuchen, die Angst der Flüchtlinge zu schildern. Charny, auf dem die ganze Verantwortlichkeit lastete, war wie wahnsinnig.

Er wollte in’s Schloß zurückkehren, nachforschen, sich erkundigen.

Der kleine Dauphin weinte und rief unablässig: »Mama! Mama!« ohne daß es den Damen gelang, ihn zu trösten.

Die Angst verdoppelte sich, als man den Wagen des Herrn von Lafayette in Begleitung von Fackeln zurückkommen sah.

Man vernehme, was geschehen war.

Vor dem Hofthore wollte sich der Vicomte von Charny, der der Königin den Arm gab, nach links wenden; doch die Königin hielt ihn zurück und sagte:

»Wohin gehen Sie denn?«

»Nach der Ecke der Rue Saint-Nicaise, wo uns mein Bruder erwartet,« erwiderte Isidor.

»Ist die Rue Saint-Nicaise am Ufer?« fragte die Königin.

»Nein, Madame«

»Ihr Bruder erwartet uns beim Einlasse am Ufer.«

Isidor wollte aus seiner Meinung bestehen; doch die Königin schien dessen, was sie sagte, so sicher, daß sich ein Zweifel in seinem Geiste regte.

»Mein Gott! Madame,« sagte er, »nehmen wir uns wohl in Acht, jeder Irrthum wäre tödtlich.«

»Am Ufer,« versetzte die Königin, »ich habe genau gehört, am Ufer.«

»Gehen wir also nach dem Ufer, Madame; doch wenn wir den Wagen dort nicht finden, kehren wir sogleich nach der Rue Saint-Nicaise zurück, nicht wahr?«

»Ja, doch lassen Sie uns eilen,« antwortete die Königin.

Und sie zog ihren Cavalier fort durch drei Höfe, welche zu jener Zeit durch eine dicke Mauer getrennt waren und miteinander nur durch eine schmale, mittelst einer Kette versperrte und mit einer Schildwache besetzte Oeffnung, zunächst beim Palaste, in Verbindung standen.

Die Königin und Isidor drangen hinter einander durch diese drei Oeffnungen und stiegen über die drei Ketten.

Nicht einer Schildwache fiel es ein, sie aufzuhalten.

Wer hätte in der That glauben sollen, diese junge Frau in der Tracht einer Kammerjungfer von gutem Hause, die den Arm einem hübschen Burschen in der Livrée des Prinzen von Condé gab und so leicht über die schweren Ketten stieg, sei die Königin von Frankreich?

Man kam an das Ufer. Der Quai war verlassen, »Dann ist er auf der andern Seite,« sagte die Königin.

Isidor wollte zurückkehren.

Doch wie von einem Schwindel erfaßt, sagte sie:

»Nein, nein, er ist hier.«

Und sie zog Isidor nach dem Pont Royal fort.

Als man den Pont Royal überschritten hatte, fand man den Quai des linken Users gerade so verlassen, als den des rechten.

»Sehen wir in dieser Straße,« sagte die Königin.

Und sie zwang Isidor, einen Winkel nach der Rue du Bac zu machen.

Nach hundert Schritten erkannte sie indessen, daß sie sich täuschen mußte, und blieb keuchend stehen.

Die Kräfte entschwanden ihr.

»Nun, Madame,« sagte Isidor, bestehen Sie noch aus Ihrer Meinung?«

»Nein,« erwiderte die Königin; »nun ist es Ihre Sache, führen Sie mich, wohin Sie wollen.«

»Madame, in des Himmels Namen, Muth!« sprach Isidor.

»Oh! nicht der Muth ist es, woran es mir gebricht, sondern die Kraft.«

Dann sich zurückwerfend:

»Mir scheint, ich werde nie meinen Athem wieder finden können. Mein Gott! mein Gott!«

Isidor wußte, daß dieser Athem, der der Königin fehlte, für sie zu dieser Stunde so nothwendig war, als er es für den von den Hunden verfolgten Hirsch ist.

Er blieb stehen.

»Athmen Sie, Madame,« sagte er, »wir haben Zeit. Ich verbürge mich für meinen Bruder; er wird, wenn es sein muß, warten bis zum Tag.«

»Sie glauben also, daß er mich liebt?« rief ebenso unvorsichtig als lebhaft die Königin, indem sie den Arm des jungen Mannes an ihre Brust drückte.

»Ich glaube, daß sein Leben wie das meinige, Ihnen gehört, und daß das Gefühl, das bei uns Liebe und Ehrfurcht, bei ihm Anbetung ist.«

»Dank!« sprach die Königin, »Sie thun mir wohl; ich athme. Lassen Sie uns gehen!«

Und mit derselben Fieberhaftigkeit eilte sie aus dem Wege zurück, den sie schon gemacht hatte.

Nur, statt in die Tuilerien zurückzukehren, ließ sie Isidor durch den Einlaß des Carrousel gehen.

Man schritt über den ungeheuren Platz hin, der bis um Mitternacht mit kleinen ambulanten Buden und hier ausgestellten Fiacres bedeckt blieb.

Er war fast verlassen und ganz dunkel; doch man hörte etwas wie ein starkes Geräusch von Wagenrädern und Pferdetritten.

Man war zum Einlaß der Rue de l’Echelle gekommen. Diese Pferde, deren Tritt man hörte, diese Wagen, deren Rollen man vernahm, sollten offenbar durch den genannten Einlaß passiren.

Man gewahrte schon einen Schein, ohne Zweifel den der Fackeln, welche diesen Wagen begleiteten.

Isidor wollte zurückweichen; die Königin zog ihn vorwärts.

Isidor stürzte unter die Pforte, um sie zu beschützen, gerade in dem Augenblick, wo die Pferde der Fackelträger am entgegengesetzten Eingang erschienen.

Er drängte sie in die dunkelste Vertiefung zurück und stellte sich vor sie.

Doch die dunkelste Vertiefung war bald vom Lichte der Fackelträger überströmt.

Mitten unter ihnen, halb in seinem Wagen liegend, angethan mit seiner eleganten Generalsuniform der Nationalgarde, sah man den General Lafayette.

In dem Augenblick, wo dieser Wagen vorüberfuhr, fühlte Isidor, daß ein Arm stark an Willen, wenn nicht an wirklicher Kraft, ihn rasch aus die Seite schob.

Dieser Arm war der linke Arm der Königin.

In der rechten Hand hielt sie ein Bambusstöckchen mit goldenem Knopfe, wie es die Frauen zu jener Zeit trugen.

Sie schlug damit aus die Räder des Wagens und sagte:

»Geh zum Henker, Kerkermeister, ich bin aus Deinem Gefängnisse heraus!«

»Was machen Sie, Madame? welcher Gefahr setzen Sie sich aus?« sprach Isidor.

»Ich räche mich,« erwiderte die Königin; »hierfür kann man wohl etwas wagen.«

Und hinter dem letzten Fackelträger sprang sie hinaus, strahlend wie eine Göttin, freudig wie ein Kind.

LXXXV
Eine Etiquettefrage

Die Königin hatte nicht zehn Schritte außerhalb der Pforte gemacht, als ein Mann, in einen blauen Carrick gehüllt und das Gesicht unter einem Wachstuchhute verborgen, sie krampfhaft beim Arme faßte und zu einem Remise fortzog, der an der Ecke der Rue Saint-Nicaise stand.

Dieser Mann war der Graf von Charny.

Dieser Remise war der, in welchem seit mehr als einer halben Stunde die ganze königliche Familie wartete.

Man glaubte, man werde die Königin bestürzt, gelähmt, sterbend ankommen sehen, sie kam lachend und freudig; die Gefahren, die sie gelaufen war, die ausgestandene Anstrengung, die verlorene Zeit, die Folgen, die dieser Verzug haben konnte, – der Schlag, den sie mit ihrem Stöckchen dem Wagen von Lafayette gegeben hatte, und den sie ihm selbst gegeben zu haben schien, hatte sie Alles dies vergessen lassen.

Zehn Schritte von dem Miethwagen hielt ein Bedienter ein Pferd an der Hand.

Charny deutete nur mit dem Finger auf das Pferd, und Isidor schwang sich darauf und sprengte im Galopp weg.

Er ritt nach Bondy voraus, um hier die Pferde zu bestellen.

Die Königin, als sie ihn abgehen sah, warf ihm ein paar Worte des Dankes zu, die er nicht hörte.

»Auf, Madame,« sagte Charny mit jenem mit Ehrfurcht gemischten festen Willen, den die wahrhaft starken Männer bei großen Veranlassungen so gut anzunehmen wissen, »es ist keine Secunde zu verlieren.

Die Königin stieg in den Wagen, in welchem schon der König, Madame Elisabeth, Madame Royale, der Dauphin und Frau von Tourzel, das heißt, fünf Personen waren; sie setzte sich in den Fond und nahm den Dauphin auf ihren Schooß; der König saß neben ihr. Madame Elisabeth, Madame Royale und Frau von Tourzel hatten den Vordersitz inne.

Charny schloß wieder den Schlag, stieg aus den Bock und ließ die Pferde, um die Spione, wenn vorhanden waren, von der Fährte abzubringen, sich drehen, fuhr die Rue Saint Honoré hinauf und folgte dann den Boulevards bis zur Porte Saint-Martin.

Der Wagen war da, aus einem äußeren Wege wartend, der nach dem Orte führte, den man das Straßenamt nannte.

Dieser Weg war verlassen.

Der Graf von Charny sprang von seinem Sitz herab und öffnete den Schlag des Remise.

 

Der des großen Wagen, welcher für die Reise dienen sollte, war schon offen. Herr von Valory und Herr von Malden standen auf den beiden Seiten des Fußtritts.

In einem Augenblicke waren die sechs Personen, die den Miethwagen inne hatten, auf dem Wege.

Dann führte der Graf diesen Wagen an den Rand der Straße und warf ihn in einen Graben, worauf er zu dem großen Wagen zurückkehrte.

Die königliche Familie stieg rasch ein, Herr von Malden setzte sich hinten auf, Herr von Valory nahm seinen Platz neben Charny aus dem Bock.

Der Wagen war mit vier Pferden bespannt; ein Schnalzen, mit der Zunge machte, daß sie im Trabe abgingen; der Conducteur führte sie vom Bocke aus.

Es schlug ein Viertel auf zwei Uhr in der Saint-Laurent Kirche. Man brauchte eine Stunde bis Bondy.

Die Pferde warteten eingeschirrt und bereit, angespannt zu werden, vor dem Stalle.

Isidor wartete bei den Pferden.

Aus der andern Seite der Straße stand auch ein mit Postpferden bespanntes Miethcabriolet.

In diesem Miethcabriolet saßen zwei Kammerfrauen, welche zum Dienste des Dauphin und von Madame Royale gehörten.

Sie hatten geglaubt, sie werden in Bondy einen Wagen zu miethen finden, und da sie keinen gesunden, so waren sie mit dem Herrn des Cabriolets übereingekommen, der sein Fuhrwerk um tausend Franken an sie verkaufte.

Zufrieden mit dem Handel, wollte dieser ohne Zweifel sehen, was mit den Personen vorginge, welche so einfältig gewesen, ihm tausend Franken für einen solchen Karren zu geben, und wartete im Posthause trinkend.

Er sah den Wagen des Königs, geführt von Charny, ankommen; Charny stieg vom Bocke und trat an den Schlag.

Unter seinem Kutschersmantel hatte er seine Uniform; im Koffer vom Bock lag sein Hut.

Es war zwischen dem König, der Königin und Charny verabredet, daß in Bondy Charny im Innern den Platz von Frau von Tourzel einnehmen sollte, die dann allein nach Paris zurückkehren würde.

Doch man hatte vergessen, in Betreff dieser Veränderung Frau von Tourzel zu Rathe zu ziehen.

Der König legte ihr die Frage vor.

Frau von Tourzel war, abgesehen von ihrer tiefen Ergebenheit für die königliche Familie, bei der Etiquettefrage das Seitenstück der alten Frau von Noailles.

»Sire,« antwortete sie, »meine Ausgabe ist es, über den Kindern von Frankreich zu wachen und sie nicht einen Augenblick zu verlassen; ohne einen ausdrücklichen Befehl Euerer Majestät, – ein Befehl, der keinen Vorgang hätte, – werde ich mich nicht von ihnen trennen.«

Die Königin bebte vor Ungeduld, ein doppelter Grund machte es ihr wünschenswerth, Charny im Wagen zu haben: als Königin sah sie hierin ihre Sicherheit, als Frau fand sie hierin ihre Freude.

»Liebe Frau von Tourzel,« sagte die Königin, »wir sind Ihnen so dankbar, als nur immer möglich, doch Sie sind leidend, Sie gingen aus übertriebener Ergebenheit mit uns; bleiben Sie in Bondy und folgen Sie uns später an den Ort, wo wir sein werden.«

»Madame,« erwiderte Frau von Tourzel, »der König befehlt, und ich bin bereit, auszusteigen und, wenn es sein muß, aus der Landstraße zu bleiben. Doch nur ein Befehl allein kann mich bewegen, nicht nur meine Pflicht zu verletzen, sondern auch auf mein Recht zu verzichten.«

»Sire,« sagte die Königin, »Sire!«

Ludwig XVI. wollte sich aber in dieser ernsten Frage nicht aussprechen; er suchte einen Seitenweg, eine Ausflucht.

»Herr von Charny,« sagte er, »können Sie nicht aus dem Bock bleiben?«

»Ich kann Alles, was der König will,« erwiderte Herr von Charny; »nur muß ich hier entweder in meiner Officiersuniform, und in dieser Uniform steht man mich seit vier Monaten auf der Landstraße, und Jeder wird mich erkennen, – oder mit meinem Carrick und meinem Lohnkutschershute bleiben, und diese Tracht ist ein wenig zu bescheiden für einen so eleganten Wagen.«

»Steigen Sie ein, Herr von Charny, steigen Sie ein,« sagte die Königin; »ich nehme den Dauphin auf meinen Schooß, Madame Elisabeth nimmt Marie Therese auf den ihrigen, und das wird vortrefflich gehen  . . .  wir sitzen nur ein wenig enge.«

Charny wartete auf die Antwort des Königs.

»Unmöglich, meine Liebe,« sprach der König, »bedenken Sie, daß wir neunzig Meilen zu machen haben.«

Frau von Tourzel war aufgestanden und hielt sich bereit, dem Befehle des Königs zu gehorchen, sollte ihr der König befehlen, auszusteigen; doch der König wagte es nicht, dies zu thun, so groß sind bei den Hofleuten selbst die kleinsten Vorurtheile.

»Herr von Charny,« fragte der König den Grafen,«können Sie nicht den Platz von Ihrem Herrn Bruder einnehmen und vorausreiten, um die Pferde zu bestellen?«

»Ich habe dem König schon gesagt, ich sei zu Allem bereit; nur muß ich dem König bemerken, daß die Pferde gewöhnlich von einem Courier und nicht von einem Schiffskapitän bestellt werden; diese Veränderung, welche den Postmeistern auffallen wird, könnte ernste Unannehmlichkeiten herbeiführen.«

»Das ist richtig,« sagte der König.

»Oh! mein Gott! mein Gott!« murmelte die Königin außer sich vor Ungeduld.

Dann sich au Charny wendend:

»Richten Sie das ein, wie Sie mögen, Herr Graf; doch ich will nicht, daß Sie uns verlassen.«

»Das ist auch mein Wunsch, Madame,« erwiderte Charny, »und ich sehe nur ein Mittel hierfür.«

»Welches? sprechen Sie geschwinde,« rief die Königin.

»Statt in den Wagen zu steigen, statt auf den Bock zu sitzen, statt voraus zu reiten, folge ich in der einfachen Tracht eines Mannes, der Post reitet, und ehe Sie zehn Meilen gemacht haben, werde ich fünfhundert Schritte von Ihrem Wagen sein.«

»Also kehren Sie nach Paris zurück?«

»Allerdings, Madame, doch bis Chalons hat Eure Majestät nichts zu befürchten, und vor Chalons habe ich sie eingeholt.«

»Aber wie wollen Sie nach Paris zurückkehren?«

»Auf dem Pferde, mit welchem mein Bruder gekommen ist, Madame; das ist ein vortrefflicher Renner; er hat Zeit gehabt, zu schnaufen, und in weniger als einer halben Stunde werde ich in Paris sein.«

»Sodann?«

»Sodann kleide ich mich in eine schickliche Tracht, nehme ein Pferd auf der Post und jage mit verhängten Zügeln, bis ich Sie eingeholt habe.«

»Gibt es kein anderes Mittel?« fragte Marie Antoinette in Verzweiflung.

»Ich sehe keines,« versetzte der König.

»So wollen wir keine Zeit verlieren,« sagte Charny; »auf, Jean und Françis, an Euren Posten; vorwärts, Melchior; Postillons, zu Euren Pferden!«

Triumphirend setzte sich Frau von Tourzel wieder, und der Wagen ging, vom Cabriolet gefolgt, im Galopp ab.

Die Wichtigkeit der Erörterung hatte zur Folge, daß man vergaß, die Pistolen, weiche im Wagenkasten lagen, an den Vicomte von Charny, Herrn von Valory und Herrn von Malden auszutheilen.

Was ging in Paris vor, wohin der Graf von Charny mit verhängten Zügeln zurückeilte?

Ein Perruquier, Namens Buseby, der in der Rue de Bourbon wohnte, hatte am Abend in den Tuilerien einen von seinen Freunden besucht, welcher auf der Wache war; dieser Freund hatte seine Officiere viel von der Flucht reden hören, die wie sie versicherten, in derselben Nacht stattfinden sollte; er sprach hiervon mit dem Perruquier, der sich nicht aus seinem Geiste den Gedanken schlagen konnte, dieser Plan sei wirklich gefaßt worden, und die königliche Flucht, von der man schon so lange sprach, werde in der Nacht zur Ausführung gebracht werden.

Als er nach Hause kam, erzählte er seiner Frau, was er in den Tuilerien gehört hatte, doch diese behandelte die Sache als einen Traum; der Zweifel der Perruquière übte seinen Einfluß auf ihren Mann, und dieser kleidete sich am Ende aus und ging zu Bette, ohne seinem Verdachte eine weitere Folge zu geben.

Doch sobald er im Bette war, erfaßte ihn wieder sein erster Glauben, und er wurde bald so mächtig in ihm, daß er nicht den Muth hatte, zu widerstehen: er sprang aus seinem Bette, kleidete sich wieder an und lief zu einem seiner Freunde Namens Hucher, welcher zugleich Bäcker und Sapeur beim Bataillon der Theatins war.

Hier wiederholte er Alles, was man ihm in den Tuilerien gesagt hatte, und er theilte seine Befürchtungen in Betreff der Flucht der königlichen Familie aus eine so lebhafte Art dem Bäcker mit, daß dieser denselben nicht nur beitrat, sondern auch, hitziger als der, von welchem er die Nachrichten hatte, ebenfalls aus seinem Bette sprang, ohne daß er sich Zeit ließ, ein anderes Kleidungsstück anzuziehen, als eine Hose, aus die Straße lief und, an die Thüren klopfend, über dreißig Nachbarn aufweckte.

Es war ungefähr ein Viertel nach Mitternacht und ein paar Minuten, nachdem die Königin Herrn von Lafayette unter der Pforte der Tuilerien getroffen hatte. Die vom Perruquier Buseby und vom Bäcker Hucher aufgeweckten Bürger beschlossen, sich in der Uniform der Nationalgarde zum General Lafayette zu begeben und ihn von dem, was vorging, in Kenntniß zu setzen.

Der Beschluß war nicht so bald gefaßt, als man ihn auch ausführte. Herr von Lafayette wohnte in der Rue Saint Honoré, im Hotel Noailles, bei den Feuillants; sie begaben sich auf den Weg und kamen gegen halb ein Uhr zu ihm.

30Wagen, die man auf den Tag oder auf den Monat miethet.
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