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La San Felice Band 10

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La San Felice Band 10
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Zehnter Theil

Erstes Capitel.
Michele der Kluge

In irgend einem Buche, ob in der Bibel oder in einem profanen Werke weiß ich für den Augenblick nicht und habe auch nicht Zeit nachzusuchen, kommt der Ausspruch vor: Die Liebe ist mächtig wie der Tod.

Dieser Ausspruch, welcher aussieht wie ein Gedanke, ist weiter nichts als eine Thatsache und zwar eine auf diese Weise nicht ganz präcis ausgedrückte.

Cäsar sagt in Shakespeare oder vielmehr Shakespeare läßt Cäsar sagen: »Die Gefahr und ich, wir sind zwei an einem und demselben Tage gebotene Löwen und ich bin der älteste davon.«

Die Liebe und der Tod sind ebenfalls an einem und demselben Tage, nämlich am Tage der Schöpfung, geboren, nur ist die Liebe am ältesten. Ehe man stirbt, hat man geliebt. Als Eva beim Anblick des von Kain erschlagenen Abel in mütterlichem Schmerz die Hände rang und rief: »Wehe! Wehe! Wehe! Der Tod ist in die Welt gekommen!» da war der Tod erst nach der Liebe eingedrungen, denn dieser Sohn, welchen der Tod soeben der Welt entrissen, war der Sohn ihrer Liebe.

Es ist daher nicht richtig, wenn man sagt: »Die Liebe ist mächtig wie der Tod!« Man maß vielmehr sagen: »Die Liebe ist mächtiger als der Tod!« denn alle Tage bekämpft die Liebe den Tod und wirft ihn nieder.

Fünf Minuten nachdem Luisa gesagt hatte: »Gesegnet seien die Dinge, welche Gott geschaffen. Was er thut, das ist wohl gethan!« hatte Luisa Alles vergessen, sogar die Ursache, welche sie zu Salvato geführt.

Sie wußte jetzt blos, daß sie bei Salvato und daß Salvato bei ihr war.

Es ward zwischen ihnen verabredet, daß sie einander erst am Abend verlassen sollten. Noch diesen selben Abend sollte Luisa den Anführer der Verschwörung sprechen und den nächstfolgenden Tag, nachdem er Zeit gehabt, Contreordre zugeben, und sich und seine Mitverschworenen in Sicherheit zu bringen, sollte Salvato den General benachrichtigen, welcher sich dann mit der Civilgewalt über die zur Vereitelung des Complotts nothwendigen Maßregeln für den Fall verständigen sollte, daß die Insurgenten trotz der ihnen von Luisa gemachten Mittheilung bei ihrem Unternehmen beharren sollten.

Nachdem man sich einmal über alles dies besprochen, überließen Salvato und Luisa sich ganz ihrer Liebe.

Sich ganz der Liebe überlassen , wenn man wirklich liebt, heißt Tauben – oder Engelsschwingen leihen, sich hoch über die Erde erheben, auf einer Purpurwolke, auf einem Sonnenstrahle ausruhen, sich betrachten, sich zulächeln, leise sprechen, das Paradies zu seinen Füßen, den Himmel über dem Haupte sehen, und zwischen den zweitausendmal wiederholten Zauberworten: »Ich liebe Dich!« die Klänge der himmlischen Sphären hören.

Der Tag verging wie ein Traum. Das Geräusch der Straße und der Beengung zwischen den vier Mauern eines Zimmers müde, nach Luft, nach Freiheit, nach Einsamkeit schmachtend, eilten sie hinaus ins Freie, welches in den neapolitanischen Provinzen gegen Ende des Januar wieder zu neuem Leben zu erwachen beginnt.

Hier aber, in den nächsten Umgebungen der Stadt, begegnete man auf jedem Schritte einem Neugierigen, einem Zudringlichen.

»Können wir nicht eine Wüste aufsuchen?« sagte Salvato lächelnd.

»Wir wollen nach Pästum fahren,« antwortete Luisa.

Ein Miethwagen fuhr vorüber. Salvato rief den Kutscher an, die beiden Liebenden stiegen ein, das Ziel der Fahrt ward genannt und die Pferde setzten sich in blitzschnelle Bewegung.

Keines von Beiden kannte Pästum. Salvato hatte das südliche Italien verlassen, ehe noch, so zu sagen, ihm die Augen aufgegangen waren, und obschon der Chevalier mit Luisa wohl zwanzigmal von Pästum gesprochen, so hatte er sie doch niemals dahin führen wollen, weil er für sie die verderblichen Einwirkungen der dort herrschenden bösen Luft fürchtete.

Jetzt dachten die beiden Liebenden nicht einmal daran. Hätte das Eine von ihnen die pontinischen Sümpfe genannt, so würde das Andere gesagt haben: »Ja, gehen wir nach den pontinischen Sümpfen,« Es war ja geradezu unmöglich, daß das Fieber in einem solchen Augenblicke Gewalt über sie hätte. Ist das Glück von allen Gegengiften nicht das wirksamste? Luisa war genau über die Oertlichkeiten unterrichtet, welche man passiert, wenn man die Runde um diesen prachtvollen Golf macht, welcher, ehe Salerno existierte, der Golf von Pästum genannt ward. Dennoch ließ sie wie eine unwissende, aber wißbegierige Schülerin der Archäologie Salvato sprechen, weil sie ihm einmal gerne zuhörte. Sie wußte im Voraus, was er sagen wollte, und dennoch war es ihr, als hörte sie Alles, was er sagte, zum ersten Male.

Was aber kein geschriebenes Buch weder dem Einen noch dem Andern hatte mittheilen können, dies war die Majestät der Landschaft, die Erhabenheit der Linien, welche sich den Augen der Reisenden entrollten, als sie an einer der Biegungen der Straße plötzlich die drei Tempel gewahrten, welche sich mit ihrer warmen, dem welken Laube ähnlichen Farbe gegen den dunkeln Azur des Himmels abhoben.

Es waren würdige Ueberreste der strengen Architektur jener am Fuße des Ossa und des Olymp gebotenen hellenischen Stämme, welche bei der Rückkehr von einem fruchtlosen Kriegszug in den Peloponnes, wohin Hyllus, der Sohn des Herkules, sie geführt, ihr Land von den Verhäbiern besetzt fanden, welche, nachdem sie die fruchtbaren Ebenen am Penrios den Lapythern und Jonierv überlassen, sich in der Tryopide niederließen, welche von dieser Zeit an den Namen Doride annahm, und hundert Jahre nach dem trojanischen Kriege den Pelasgern, welche sie bis nach Attika verfolgten, Messena und Tyrenthe, die noch heute durch ihre titanischen Rainen berühmt sind, die Argolide, wo sie das Grabmal Agamemnon’s fanden, und Latonien abnehmen, dessen Bewohner sie zu Heloten machten und wo sie aus Sparta den lebendigen Ausdruck ihres ernsten, düsteren Geistes machten dessen Dolmetscher Lykurgus ward. Sechs Jahrhunderte lang war die Civilisation durch diese Eroberer gehemmt, welche gegen den Gewerbfleiß, gegen die Wirthschaften und Künste gleichgültig oder feindselig gesinnt waren und welche, als sie in ihren messenischen Kriegen eines Dichters bedürften, den Atheniensern ihren Tyktäus abborgten.

Wie konnten diese rauhen Söhne des Olymps und des Ossa in diesen weichen, wollüstigen Ebenen von Pästum leben, mitten unter der Civilisation Großgriechenlands wo die Südwinde ihnen die Wohlgerüche von Sybaris und der Nordwind die Ausströmungen von Baja betrachten ?

Auch erbauten sie mitten unter ihren Feldern von Rosenbäumen, welche zweimal jährlich blühten, gleichsam als Protest gegen diese zierliche, vom sonischen Hauche durchdrungene Civilisation, jene drei furchtbaren Granittempel, welche unter Augustus schon in Trümmern liegend noch heutzutage das sind, was sie zur Zeit des Augustus waren.

Gegenwärtig ist von diesen Besiegern Spartas nichts weiter übrig, als diese drei Granitskelette, wo, von tödtlichen Miasmen umgeben, das Fieber herrscht, und jenes schnurgerade Mauerviereck, welches man binnen einer Stunde umgehen kann.

Die hier umherirrendem von der Malaria verzehrten Gespenster, welche mit hohlem neugierigem Blick den Reisenden betrachten, sind eben so wenig die Nachkommen jener Bewohner, als die ungesunden oder giftigen, in den faulen Sümpfen wachsenden Kräuter die Sprößlinge jener Rosenbäume sind, mit welchen der von Syracus nach Neapel gehende Reisende das Land weit und breit bedeckt sah, und von welchem der Wohlgeruch durch den Wind zu ihm herübergetragen ward.

Zu jener Zeit, wo die Archäologie noch in der Wiege lag und wo die klebrige Natter allein in den einsamen Ruinen herumkroch, gab es nicht wie heutzutage einen Weg, auf welchem man nach jenem Tempel gelangte. Man mußte vielmehr durch jene riesigen Kräuter hindurchschreiten, ohne zu wissen, auf welches giftige Gewürm man Gefahr lief den Fuß zu setzen.

Luisa schien, als man dieses faule Röhricht betreten wollte, zu zögern, Salvato aber nahm sie auf die Arme wie ein Kind, hob sie über die sonnverbrannte, trockene Ernte und setzte sie nicht eher wieder nieder, als bis man die Stufen des größten der Tempel erreicht hatte.

Ueberlassen wir sie jener Einsamkeit, welche sie so weit aufzusuchen gekommen, jener tiefen, geheimnißvollen Liebe, welche sie den Blicken Aller zu verbergen suchten und welche eine eifersüchtige Feder einem Nebenbuhler verrathen.

Sehen wir vielmehr, was die Ursache jenes Geräusches gewesen, welches die beiden Liebenden in dem Nebenzimmer gehört und wodurch sie einen Augenblick lang um so mehr beunruhigt worden, als sie sich vergebens bemüht hatten, die Ursache davon zu entdecken.

Michele war, wie man sich erinnert, Luisa gefolgt und erst aus der Schwelle von Salvatos Zimmer in dein Augenblick stehen geblieben, wo der junge Officier auf Luisa zugeeilt gekommen war und sie an sein Herz gedrückt hatte.

Dann hatte Michele sich discreterweise zurückgezogen, obschon es für ihn in Bezug auf das Gefühl, welches die beiden Liebenden gegen einander hegten, nichts Neues zu erfahren gab. Als aufmerksame Schildwache hatte er sich sodann in der Nähe der Thür niedergesetzt, um weitere Befehle von seiner Milchschwester oder von seinem Brigadechef zu erwarten.

Luisa hatte vergessen, daß Michele da war. Salvato welcher wußte, daß er auf seine Verschwiegenheit rechnen konnte, kümmerte sich nicht darum, und Luisa hatte, wie man sich erinnert, nachdem sie erst ihren Geliebten ohne nähere Erklärung zur Flucht aufgefordert ihm endlich Alles gestanden, ohne jedoch den Namen des Hauptes der Verschwörung zu nennen.

Michele aber kannte diesen Namen. Das Haupt der Verschwörung war, wie Luisa ihrem Geliebten selbst gestand, der junge Mann, der bis um zwei Uhr Morgens auf sie gewartet hatte; der ihr Haus erst um drei Uhr verlassen, und Giovannina hatte auf die Frage des jungen Lazzarone: »Was fehlt denn Luisa heute Morgen? Ist sie, seitdem ich vernünftig geworden, vielleicht närrisch geworden?« die furchtbare Bedeutung ihrer Antwort nicht verstehend gesagt: »Das weiß ich weiter nicht; sie ist so seit dem Besuche, welchen Signor André Backer ihr diese Nacht gemacht hat.«

 

Das Haupt der Verschwörung war sonach Signor André Backer, der Bankier des Königs, jener junge Mann, der so wahnsinnig in Luisa verliebt war.

Was war aber der Zweck dieser Verschwörung? Kein anderer, als in einer einzigen Nacht die sechs- bis achttausend Franzosen, welche Neapel besetzt hielten,und mit denselben zugleich alle ihre Anhänger zu ermorden.

Michele fühlte, wie er bei dem Gedanken an diese neue sicilische Vesper unter seiner schönen Uniform an allen Gliedern erzitterte.

Er war selbst ein Anhänger der Franzosen und zwar einer der eifrigsten. Demzufolge war er auch einer der Ersten, welche sich darauf gefaßt machen mußten, niedergemetzelt oder gehängt zu werden, denn es war ihm ja prophezeit, daß er Oberst und gehängt werden würde, und Oberst war er schon.

Wenn aber Nanno‘s Prophezeiung in Erfüllung gehen sollte, so lag Michele viel daran, daß es wenigstens so spät als möglich geschähe. Die Frist, welche ihm vom Donnerstag Mittag bis zur Nacht des Freitag gegeben war, schien ihm nicht lang genug zu sein.

Er glaubte deshalb, daß er kraft des Sprichwortes, daß es besser sei, den Teufel todtzuschlagen als sich von demselben todtschlagen zu lassen, keine Zeit zu verlieren habe, um sich gegen den Teufel zur Wehre zu setzen.

Es war ihm dies um so leichter, als sein Gewissen durchaus nicht durch die Zweifel bewegt ward, welche das Herz seiner Milchschwester beunruhigten. Ihm hatte mag keine vertrauliche Mittheilung gemacht; er hatte keinen Schwur geleistet.

Er hatte die Verschwörung erfahren, indem er an der Thür gehorcht hatte, ohne darauf ausgegangen zu sein.

Den Namen des Hauptes der Verschwörung errieth er, weil Giovannina es ihm gesagt, ohne ihm im mindesten Verschwiegenheit zu Pflicht zu machen.

Er war der Ansicht, daß er, wenn er die reaktionären Projecte der Herren Simon und André Backer sich verwirklichen ließe, in der That den Namen eines Narren verdienen würde, welchen man ihm seiner Meinung nach ohne triftigen Grund gegeben. Dagegen glaubte er, daß er in den Augen seiner Zeitgenossen sowohl als in denen der Nachwelt, ebenso wie Thales und Solon, den Namen eines Weisen verdienen würde, wenn er den Ausbruch der Gegenrevolution vereitelte und indem er das Leben zweier Menschen opferte, das von fünfundzwanzig bis dreißigtausend rettete.

Deshalb hatte er, ohne Zeit zu verlieren, das Zimmer neben dem, in welchem sich die beiden Liebenden befanden, verlassen und beim Fortgehen die Thür hinter sich geschlossen, so daß Niemand in das Zimmer treten konnte, ohne gehört zu werden.

Das Geräusch dieser sich schließenden Thier war es eben, was Luisa und Salvato beunruhigt, welche nach unruhiger geworden wären, wenn sie gewußt hätten, in welcher Absicht Michele der Narr, jetzt Michele der Weise, sich entfernt hatte.

Zweites Capitel.
Michele‘s Bedenklichkeiten

Als Michele das Stadthaus verlassen hattest sprang er in ein Calessino, dessen Kutscher er einen Ducaten versprach, wenn er binnen Dreiviertelstunden im Castellamare wäre.

Der Kutscher setzte sein Pferd sofort in Galopp.

Schon vor langer Zeit habe ich die Geschichte dieser unglücklichen gespenstischen Pferde erzählt, welche weiter nichts haben, als dem Athem und welche laufen wieder Wind.

In vierzig Minuten hatte das, welches den Wagen zog, in welchem Michele saß, den Raum zurückgelegt, welcher Salerno von Castellamare trennt.

Michele hatte, als er auf die Brücke gelangte und Giambardella seine Segel richten sah, um einen sich eben erhabenen Wind zu benutzen, anfangs die Idee, sich wieder an Bord dieser Barke zu begeben und mit derselben nach Neapel zurückzukehren.

Der Wind aber, welcher sich einmal gelegt hatte, konnte sich auch wieder legen, oder nachdem er ein erstes Mal von Südost nach Nordost umgesprungen war, zum zweiten Mal nach irgend einem anderen Punkt des Compasses umspringen, wo er ganz conträr ward, so daß man seine Zuflucht wieder zum Ruder nehmen mußte.

Alles dies wäre für einen Narren ganz vortrefflich gewesen, für einen Weisen aber war es viel zu gewagt. Deshalb beschloß er auf dem Landwege zu bleiben, und um schneller fortzukommen, die Entfernung in zwei Stationen zu theilen, von welchen die erste von Castellamare bis Portici, die zweite von Portici bis Neapel reichte.

Auf diese Weise und mittelst eines Ducatens für jede Station konnte er binnen weniger als zwei Stunden im Palast Angri sein.

Wir sagen im Palast Angri, weil Michele vor allen Dingen mit dem General Championnet zu sprechen wünschte.

Während er nämlich so mit Blitzesschnelle entlang rollte und sich dabei verzweifelt am Kopfe kratzte, fühlte er in seinem Gemüth allerhand Zweifel und Bedenklichkeiten erwachen.

Er war ein ehrlich-es, biederes Wesen und konnte sich nicht verhehlen, daß er im Begriffe stand, die Rolle eines Angebers zu spielen.

Ja; aber wenn er auch zum Angeber ward, so rettete er doch auch zugleich die Republik.

Er war deshalb so ziemlich, ja sogar ganz entschlossen, das Complott zu denunciren und nur noch unschlüssig in Bezug auf die Art und Weise, wie dies geschehen sollte.

Wenn er den General Championnet aufsuchte und denselben zu Rathe zog wie einen Beichtvater in einer Gewissenssache, so stand er dann nach seiner Ansicht als ein Mensch da, welcher selbst in den Augen seiner Feinde für ein Muster von Redlichkeit galt.

Deshalb haben wir gesagt, daß er in weniger als zwei Stunden im Palast Angri sein konnte, anstatt zu sagen, daß er binnen weniger als zwei Stunden im Ministerium der Polizei hätte sein können.

Und in der That setzte er eine Stunde fünfzig Minuten, nachdem er Castellamare verlassen, den Fuß auf die erste Stufe der Treppe des Palastes Angri.

Bei der Schildwache erkundigte er sich; ob der General Championnet zu Hause wäre, und die Antwort lautete bejahend.

Im Vorzimmer aber sagte ihm der hier befindliche Ordonnanzsoldat, daß der General Niemanden empfangen könne, weil er mit den Architecten beschäftigt sei, welchen ihm Entwürfe zu dem Grabmal Virgils vorgelegt hätten.

Michele antwortete, er käme in einer weit wichtigeren Angelegenheit, als das Grabmal Virgils sei, und er müsse, wenn nicht das größte Unglück daraus entstehen sollte, den General augenblicklich sprechen.

Alle Welt kannte Michele den Narren, alle Welt wußte, wie er durch Salvatos Vermittlung dem Tode entronnen, wie der General ihn zum Obersten gemacht und welchen Dienst er geleistet, indem er dem heiligen Januarius wohlbehalten eine Ehrengarde zugeführt.

Man wußte auch, daß der General leicht zugänglich war und man setzte ihn deshalb von dem Begehren des improvisirten Obersten in Kenntniß.

Der Obergeneral der Armee von Neapel hatte von jeher es sich zur Regel gemacht, keinen Rath zu verachten.

Demgemäß entschuldigte er sich bei seinen Architecten, welche er im Solon zurückließ, indem er ihnen versprach, zurückzukehren sobald er sich Michele's entledigt hätte, was wahrscheinlich nicht lange dauern würde.

Dann begab er sich in sein Cabinet und befahl Michele vorzulassen.

Dieser erschien und grüßte militärisch. Trotz dieses anscheinenden Aplomb und dieses militärischen Grußes aber schien der arme Junge, der niemals Anspruch darauf gemacht ein Redner zu sein, sehr verlegen zu werden.

Championnet errieth diese Verlegenheit und beschloß mit seiner gewöhnlichen Herzensgüte, dem armen jungen Mann zu Hilfe zu kommen.

»Ah, Du bist es, ragazzo,« sagte er im neapolitanischen Dialekt. »Du weißt, daß ich zufrieden mit Dir bin. Du benimmst Dich sehr gut und predigst wie Don Michelangelo Ceccone.«

Michele fühlte sich ein wenig ermuthigt, als er seinen Dialect so gut sprechen hörte, und ein Mann wie Championnet ihm so große Lobsprüche machte.

»Mein Generale antwortete er, »ich bin stolz darauf und fühle mich glücklich, daß Sie zufrieden mit mir sind, aber das ist nicht genug.«

»Wie , es ist noch nicht genug?«

»Nein, ich muß auch selbst mit mir zufrieden sein?«

»Ah, dann machst Du auch ziemlich große Ansprüche. Mit sich selbst zufrieden sein, dies ist die moralische Glückseligkeit auf Erden. Wo wäre der Mensch, der, wenn er streng sein Gewissen befragt, mit sich selbst zufrieden wäre?«

»Ich, mein General, wenn Sie sich die Mühe nehmen wollen, mein Gewissen zu erleuchten und zu leiten.«

»Mein lieber Freund– sagte Championnet lachend, »ich glaube, Du hast die rechte Thür verfehlt. Du hast geglaubt zu Monsignore Capece Zurlo, Erzbischof von Neapel, zu kommen und bist dagegen zu Jean Etienne Championnet, dem Obergeneral der französischen Armee, gerathen.«

»O nein, mein General,« antwortete Michele, »ich weiß recht wohl, bei wem ich bin. Ich bin bei dem redlichsten, tapfersten und biedersten Soldaten der Armee, die er commandiert.«

»Aha, Du schmeichelst! Wahrscheinlich hast Du eine Bitte anzubringen.«

»O nein; im Gegentheil, ich habe Ihnen einen Dienst zu leisten.«

»Du hast mir einen Dienst zu leisten?«

»Ja, und zwar einen sehr wichtigen.«

»Mir?«

»Ja, Ihnen, der französischen Armee, dem ganzen Lande. Nur muß ich erst wissen, ob ich Ihnen diesen Dienst leisten und dabei ein ehrlicher Mann bleiben kann und ob, wenn ich den Dienst geleistet habe, Sie mir Ihre Hand eben so wieder reichen werden, wie Sie mir dieselbe jetzt gereicht haben.«

»Ich sollte meinen, Du hättest in diesem Punkte einen besseren Führer, als ich sein kann, nämlich dein Gewissen.«

»Eben mein Gewissen ist es, was nicht vollkommen weiß, woran es sich halten soll.«

»Du kennst,« sagte der General, welcher allmälig seine Architecten vergaß und an der Unterhaltung mit dem Lazzarone Vergnügen fand, »Du kennst das Sprichwort: Wenn Du zweifelst, so enthalte Dich.«

»Aber wenn ich mich nun enthalte, und dadurch ein großes Unglück herbeigeführt wird?«

»Also, wie Du eben sagtest, Du zweifelst?« fragte Championnet.

»Ja, mein General, ich zweifle,« entgegnete Michele, »und ich fürchte mich zu enthalten. Unser Land ist ein eigenthümliches, sehen Sie, denn unglücklicher Weise gibt es darin infolge des Einflusses, den unsere Souveraine geäußert haben, keinen moralischen Sinn und kein öffentliches Gewissen mehr. Sie werden niemals sagen hören: Herr Soundso ist ein ehrlicher Mann, oder Herr Soundso ist ein Schurke, sondern Sie hören blos sagen: Herr Soundso ist reich, oder: Herr Soundso ist arm. Wenn er reich ist, so ist dies schon genug und er gilt für einen ehrlichen Mann. Ist er dagegen arm, so, ist er gerichtet und gilt für eine Canaille. Sie haben Lust, Jemanden umzubringen Sie suchen einen Priester auf und sagen zu ihm: »Mein Vater, ist es ein Verbrechen, seinem Nächsten das Leben zu nehmen?« Der Priester antwortet Ihnen: »Das kommt darauf an, mein Sohn. Wenn dein Nächster ein Jakobiner ist, so tödte ihn, ohne für dein Gewissen etwas zu fürchten; ist er aber ein Royalist, so hüte Dich wohl, so etwas zu thun.« Ebenso wie die Ermordung eines Jakobiners in den Augen der Religion ein verdienstliches Werk ist, eben so ist die Ermordung eines Royalisten in den Augen des Herrn ein abscheuliches Verbrechen. »Spioniert und denunziert!« sagte die Königin zu uns. »Ich werde den Spionen so große Gnadenbezeigungen erweisen und die Angeber so reichlich belohnen, daß die ersten Männer des Königreiches sich in Spione und Denuncianten verwandeln werden.« – Wohlan, mein General, was wollen Sie, daß wir werden, wenn wir die allgemeine Stimme sagen hören: »Jeder Reiche ist ein ehrlicher Mann, jeder Arme ist ein Schurke,« und wenn wir die Religion erklären hören: »Es ist gut, die Jakobiner zu tödten; aber es ist unrecht, die Royalisten umzubringen,« und wenn wir endlich selbst königliche Personen sagen hören: »Die Spionage ist ein Verdienst, die Verleumdung eine Tugend.« Es bleibt uns nur Eines noch übrig, nämlich, daß wir zu einem Ausländer gehen und zu ihm sagen: »Du bist in anderen Grundsätzen erzogen worden, als die unsrigen sind. Was meinst Du, was ein ehrlicher Mann unter den und den Umständen thun soll?«

»Laß die Umstände hören,« sagte der General erstaunt.

»Die Umstände sind sehr ernst, mein General,« fuhr Michele fort. »Ohne es zu wollen habe ich in allen ihren Einzelheiten die Geschichte eines Complotts mit angehört. Ich weiß, daß dieses Complott dreißigtausend Personen in Neapel mit Ermordung bedroht; ich weiß, daß die Patrioten und die Royalisten diese bedrohten Personen sind. Was soll ich nun thun?«

 

»Was anders, als den Ausbruch dieses Complotts verhindern und dadurch dreißigtausend Menschen das Leben retten?«

»Selbst wenn dieses Complott unsere Feinde bedroht.«

»Ganz besonders wenn dieses Complott unsere Feinde bedroht.«

»Wenn Sie so denken, mein General, wie werden Sie dann den Krieg führen?«

»Ich führe den Krieg in der Weise, daß ich am hellen Tage kämpfe, aber nicht in der Nacht morde. Kämpfen ist ruhmreich, Morden ist feige.«

»Ich kann aber das Complott nur dadurch vereiteln, daß ich es denuncire.«

»Nun so denuncire es.«

»Aber dann bin ich —«

»Was denn?«

»Ein Verräther.«

»Ein Verräther ist der, welcher das Geheimniß, welches ihm anvertraut worden, offenbart und in der Hoffnung aus Belohnung seine Mitschuldigen angibt. Waren die Männer, welche conspirirten, deine Mitschuldigen?«

»Nein, mein General.«

»Denunzierst Du sie in der Hoffnung auf eine Belohnung?«

»Nein, mein General.«

»Nun, dann bist Du auch kein Verräther, sondern ein ehrlicher Mann, welcher, weil er nicht will, daß das Uebel großwachse, es mit der Wurzel herausreiße.«

»Wenn nun aber dieses Complott, anstatt die Royalisten zu bedrohen, Sie, mein General, die französischen Soldaten und die Patrioten bedrohte, was müßte ich dann thun?«

»Ich habe Dir deine Pflicht unsern Feinden gegenüber angedeutet, in Bezug auf unsere Freunde ist meine Moral ganz dieselbe. Wenn Du die Feinde rettest, so erwirbst Du Dir ein Verdienst um die Menschheit; rettest Du die Freunde, so erwirbst Du Dir ein Verdienst um das Vaterland.«

»Und Sie werden also fortfahren mir die Hand zu geben?«

»Ich gebe sie Dir.«

»Wohlan, warten Sie, mein General. Ich werde Ihnen einen Theil der Sache sagen und einer andern Person überlassen, Ihnen den Rest zu sagen.«

»Ich höre Dich.«

»Während der Nacht vom Freitag zum Sonnabend soll eine Verschwörung zum Ausbruch kommen. Die zehntausend Mann Deserteure Macks und Naselli's sollen im Bunde mit zwanzigtausend Mann Lazzaroni sämtliche Franzosen und alle Patrioten ermorden. Nach Einbruch der Dunkelheit werden die Thüren der verurtheilten Häuser mit Kreuzen markiert werden und um Mitternacht soll das Blutbad beginnen.«

»Weißt Du das gewiß?«

»So gewiß, als daß ich lebe, mein General.«

»Aber werden die Mörder dann nicht Gefahr laufen, gleichzeitig mit den Jakobinern auch die Royalisten zu morden?«

»Nein, denn die Royalisten werden nur eine Sicherheitskarte vorzuzeigen und ein geheimes Zeichen zu geben haben, um verschont zu bleiben.«

»Kennst Du dieses Zeichen? Kennst Du diese Sicherheitskarte?«

»Auf der Sicherheitskarte ist eine Lilie abgebildet; das Zeichen besteht darin, daß man sich in das erste Glied des Daumens beißt.«

»Und wie kannst Du verhindern, daß dies Complott zum Ausbruch komme?«

»Dadurch, daß ich die Häupter desselben festnehmen ließe.«

»Kennst Du diese Häupter?«

»Ja.«

»Wie heißen Sie?«

»Ja, das ist es eben.«

»Was willst Du damit sagen?«

»Ich will sagen, daß eben hier der Zweifel nicht blos anfängt, sondern sich verdoppelt.«

»Ah so!«

»Was wird man mit den Häuptern des Complotts machen?«

»Man wird ihnen den Proceß machen.«

»Und wenn sie schuldig sind?«

»So werden sie verurtheilt.«

»Wozu?«

»Zum Tode.«

»Nun sehen Sie, dieses ist es eben, wogegen mein Gewissen sich empört. Man nennt mich Michele den Narren, aber niemals habe ich einem Menschen, oder einem Hunde, oder einer Katze, oder auch nur einem Vogel etwas zu Leide gethan. Ich möchte nicht die Ursache zum Tode eines Menschen sein. Ich hätte nichts dagegen, wenn man fortführe mich Michele den Narren zu nennen, aber nie möchte ich, daß man mich Michele den Verräther, Michele den Spion oder Michele den Mörder nennt.«

Championnet betrachtete den Lazzarone mit einem gewissen Grad von Ehrerbietung.

»Wenn ich,« sagte er dann, »Dich nun Michele den ehrlichen Mann taufe, wirst Du Dich mit diesem Titel begnügen?«

»Das heißt, ich werde niemals einen andern verlangen und ich werde meinen ersten Pathen vergessen, um mich nur meines zweiten zu erinnern.«

»Wohlan, im Namen der französischen und neapolitanischen Republik taufe ich Dich hiermit auf den Namen Michele der ehrliche Mann.«

Michele ergriff die Hand des Generals, um sie zu küssen.

»Weißt Du nicht,« sagte Championnet zu ihm, »daß ich den Handkuß zwischen Männern abgeschafft habe?«

»Aber was soll ich dann thun,« fragte Michele, indem er sich hinter dem Ohr kratzte. »Ich möchte Ihnen dennoch sagen, wie dankbar ich Ihnen bin.«

»Nun, dann umarme mich;« sagte Championnet, indem er ihm die Arme öffnete.

Michele umarmte den General, indem er vor Freuden schluchzte.

»Nun,« sagte der General, »wir wollen aber vernünftig mit einander sprechen, regazzo.«

»Ich verlange nichts Besseres, mein General.«

»Du kennst also die Häupter des Complotts?«

»Ja, mein General.«

»Wohlan, nimm einen Augenblick lang an, daß die Enthüllung von einem Andern käme.«

»Gut.«

»Und daß dieser Andere zu mir gesagt hätte: Lassen Sie Michel festnehmen. Er kennt die Namen der Häupter des Complotts.«

»Gut.«

»Daß ich Dich daraufhin hätte festnehmen lassen.«

»Sehr schön.«

»Und daß ich sage: Michele, Du kennst die Namen der Häupter des Complotts. Du wirst mir sie nennen, oder ich lasse Dich erschießen: Was würdest Du dann thun?«

»Ich würde Ihnen sagen: Lassen Sie mich erschießen, mein General. Lieber will ich sterben, als Ursache des Todes eines Menschen sein.«

»Weil Du Hoffnung hättest, daß ich Dich nicht erschießen lassen würde, nicht wahr?«

»Nein, weil ich die Hoffnung hätte, daß die Vorsehung, die mich schon einmal gerettet, mich auch das zweite Mal retten würde.«

»Zum Teufel, die Geschichte wird verwickelt,« sagte Championnet lachend. »Ich kann Dich indeß doch nicht erschießen lassen , um zu sehen, ob Du die Wahrheit sprichst.«

Michele dachte einen Augenblick nach, dann sagte er:

»Es ist also wohl sehr nothwendig, daß Sie das Haupt oder die Häupter des Complotts kennen?«

»Jawohl, durchaus nothwendig. Weißt Du nicht, daß man den Bandwurm nur dadurch curiren kann, daß man ihm den Kopf abreißt?«

»Können Sie mir aber versprechen, daß diese Leute nicht erschossen werden?«

»So lange ich in Neapel sein werde, ja.«

»Aber wenn Sie Neapel verlassen?«

»Dann stehe ich freilich für nichts.«

»Madonna, was soll ich thun?«

»Sinne nach. Siehst Du kein Mittel, um uns beide aus der Verlegenheit zu ziehen ?«

»Ja wirklich, mein General, ich sehe eins.«

»Nenne es.«

»Also, solange Sie in Neapel sein werden, wird wegen des Complotts, welches ich Ihnen entdeckt haben werde, Niemand hingerichtet?«

»Nein, Niemand.«

»Wohlan, es gibt außer mir noch eine Person, welche die Namen der Häupter des Complotts kennt, nur mit dem Unterschiede, daß diese Person wiederum von dem Vorhandensein eines Complotts nichts weiß.«

»Wer ist diese Person?«

»Die Kammerzofe meiner Milchschwester, die Gemahlin des Chevalier San Felice.«

»Und wie heißt diese Zofe?«

»Giovannina.«

»Und wo wohnt sie ?«

»In Mergellina, im Palmbaumhause.«

»Und wie sollen wir etwas von ihr erfahren, wenn sie das Complott nicht kennt?«

»Lassen Sie sie vor den Polizeipräsidenten Bürger Nicolo Fasulo citiren, der ihr drohen wird, sie in’s Gefängniß bringen zu lassen, wenn sie nicht sagt, wer der Mann ist, der ihre Herrin in der vergangenen Nacht bis um zwei Uhr Morgens erwartet und ihr Haus erst um drei Uhr verlassen hat.«

»Und der Mann, den sie nennen wird, ist also das Haupt des Complotts?«

»Ja, ganz besonders wenn sein Vorname mit dem Buchstaben A und sein Familienname mit dem Buchstaben B anfängt. Und nun, mein General, habe ich, so wahr ich Michele der ehrliche Mann bin, Ihnen allerdings nicht Alles gesagt, was ich Ihnen zu sagen habe, wohl aber Alles, was ich Ihnen sagen werde.«

»Und verlangst Du für die Dienste, welche Du Neapel leistest, nichts von mir?»

»Ich verlange weiter nichts von Ihnen, als niemals zu vergessen, daß Sie mein Pathe sind.«

Und indem er diesmal mit aller Gewalt die Hand küßte, welche der General ihm bot, verließ er eiligst das Zimmer, indem er nach den von ihm mitgetheilten Aufschlüssen es dem General überließ, Alles zu thun, was dieser unter den obwaltenden Umständen angemessen finden würde.

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