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Salvator

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»Woraus ich schließe,« fuhr Salvator fort, »daß die Ursache seiner Verhaftung von geringer Bedeutung ist, und daß sie folglich nicht von langer Dauer sein dürfte.«

»Ah! Gewiß!« antwortete mit einer väterlichen Miene Herr Jackal. »Ist es das, was Sie wissen wollten?«

»Ja.«

»Warum sagten Sie es denn nicht früher? Ich will nicht gerade behaupten, daß der Freund Ihres Freundes zur Stunde, wo ich mit Ihnen spreche, freigelassen ist; doch da er Ihr Schützling ist, so haben Sie durchaus nichts zu befürchten, und sobald ich auf die Präfectur komme, öffne ich diesem Burschen beide Flügel der Thüre.«

»Ich danke!« sprach Salvator, indem er den Polizeimann tief anschaute. »Ich darf also auf Sie zählen?«

»Das heißt, Ihr Freund kann auf beiden Ohren schlafen. Ich habe in meinen ernsten Cattons nicht ein einziges Actenfascikel mit dem Namen Dubreuil. Ist das Alles, was Sie von mir wünschen?«

»Nichts Anderes.«

»Wahrhaftig, Herr Salvator,« sagte der Polizeimann, als er sah, daß die Menge sich verlief, und daß die Zusammenschaarung beinahe zerstreut war; »wahrhaftig, die Dienstes die Sie von mir verlangen, haben große Aehnlichkeit mit den Zusammenrottungen; man glaubt sie fest zu halten, und sie zerplatzen einem in der Hand wie Seifenblasen.«

»Das ist so,« erwiderte Salvator lachend, »weil die Zusammenrottungen verpflichten wie die Dienste. Darum sind sie so selten und folglich so kostbar.«

Herr Jackal hob seine Brille empor, schaute Salvator an, stopfte sich die Nase mit Tabak voll, drückte seine Brille wieder nieder und sagte:

»Nun also?«

»Aus Wiedersehn, lieber Herr Jackal,« antwortete Salvator.

Und er grüßte den Polizeimann, dem er die Hand eben so wenig gab, da er ihn verließ, als da er ihn angeredet hatte, schritt über die Rue Saint-Honoré von rechts nach links und begab sich wieder zu Dominique, der ihn in seinem Fiacre an der Ecke der Rue Neuve-du-Luxembourg erwartete.

Er öffnete sodann den Schlag des Fiacre reichte Dominique beide Hände und sprach:

»Sie sind Mann, Sie sind Christ, Sie wissen folglich, was der Schmerz ist, was die Resignation ist . . . «

»Mein Gott!« rief der Mönch, seine weißen Hände faltend.

»Nun wohl, die Lage Ihres Freundes ist ernst, sehr ernst!«

»Er hat Ihnen also Alles gesagt?«

»Er hat mir im Gegentheile nichts gesagt, und das ist es, was mich erschreckt. Er kennt Ihren Freund nicht von Gesichte; er hat gestern zum ersten Male den Namen Dubreuil aussprechen hören, und er weiß die Ursache seiner Verhaftung nicht . . . Mißtrauen Sie, ich wiederhole es Ihnen, die Sache ist ernst, sehr ernst!«

»Was ist zu thun?«

»Gehen Sie nach Hause . . . Ich will meinerseits nachforschen, forschen Sie Ihrerseits nach, und zählen Sie auf mich.«

»Freund,« sprach Dominique, »da Sie so gut sind . . . «

»Was?« fragte Salvator, den Mönch anschauend.

»Lassen Sie mich Sie um Verzeihung bitten, daß ich Ihnen nicht Alles gesagt habe.«

»Ist es noch Zeit? Sprechen Sie!«

»Nun denn, der Verhaftete heißt nicht Dubreuil, ist nicht mein Freund.«

»Nicht?«

»Er heißt Sarranti und ist mein Vater.«

»Ah!« rief Salvator, »ich weiß nun Alles.«

Sodann den Mönch anschauend.

»Treten Sie in die erste die beste Kirche ein, die Sie treffen, und beten Sie!«

»Und Sie?«

»Ich . . . ich werde zu handeln suchen.«

Der Mönch nahm die Hand von Salvator und küßte sie, ehe dieser Zeit gehabt hatte, sich zu widersetzen.

»Bruder, Bruder,« sprach Salvator, »ich habe Ihnen gesagt, ich gehöre Ihnen mit Leib und Seele, doch man darf uns nicht beisammen sehen. Gott besohlen!«

Er schloß den Schlag wieder und entfernte sich rasch.

»Nach der Saint-Germain-des-Prés-Kirche!« sagte der Mönch.

Und während der Fiacre den Weg nach dem Pont de la Concorde mit dem gewöhnlichen Gange eines Fiacre einschlug, ging Salvator schleunigst wieder die Rue de Rivoli hinaus.

XII
Das Gespenst

Die Saint-Germain-des-Prés-Kirche, mit ihrer romanischen Vorhalle, ihren massiven Pfeilern, ihren gedrückten Bögen, ihrem Dufte vom achten Jahrhundert, ist eine der düstersten Kirchen von Paris, und folglich eine von denjenigen, wo man am leichtesten die Vereinzelung des Leibes und die Erhebung der Seele finden kann.

Es hatte also nicht ohne Grund Dominique, der nachsichtige Mönch, aber der strenge Mensch, Saint-Germain-des-Prés gewählt, um hier mit Gott von seinem Vater zu reden.

Er betete lange, und es war über fünf Uhr Nachmittags, als er, die Hände in seinen weiten Aermeln verloren, den Kopf auf seine Brust gesenkt, daraus wegging.

Er wandelte langsam nach der Rue du Bot-de-Fer, immer hoffend, – indessen mit einer sehr schüchternen und unbestimmten Hoffnung, – aus dem Gefängnisse abgegangen, werde sein Vater gekommen sein, um nach ihm zu fragen.

Seine erste Frage an die gute Frau, welche beim Abbé die Functionen einer Concierge und einer Löhnerin kumulierte, war auch, daß er sich erkundigte, ob in seiner Abwesenheit Niemand nach ihm gefragt habe.

»Doch, mein Vater,« antwortete die Concierge, »ein Herr . . . «

Dominique bebte.

»Sein Name?« fragte er.

»Er hat ihn mir nicht gesagt.«

»Sie kennen ihn nicht?«

»Nein . . . es ist das erste Mal, daß er kommt.«

»Sie sind sicher, daß es nicht der ist, welcher mir gestern einen Brief gebracht hat?«

»Ah! Nein, diesen hätte ich wohl erkannt: es gibt nicht zwei so finstere Gesichter in Paris.«

»Armer Vater!l« murmelte Dominique.

»Nein,« fuhr die Concierge fort, »die Person, welche zweimal gekommen ist, – denn sie ist zweimal gekommen: einmal um Mittag, und das andere Mal um vier Uhr; – die Person, welche zweimal gekommen ist, ist mager und kahl. Es ist ein Mann von ungefähr sechzig Jahren, mit kleinen, wie die eines Maulwurfs tief im Kopfe liegenden Augen und ganz krankem Aussehen. Sie werden ihn übrigens wahrscheinlich sogleich sehen, denn er hat gesagt, er wolle einen Gang machen und werde dann wiederkommen . . . Soll ich ihn herauflassen?«

»Gewiß,« erwiderte der Abbé zerstreut; denn in diesem Augenblicke war ihm an nichts gelegen, als an dem, was von seinem Vater kam.

Und er nahm seinen Schlüssel und schickte sich an, hinaufzugehen.

»Aber,« sagte die gute Frau, »Herr Abbé . . . «

»Was?«

»Sie haben also auswärts gefrühstückt?«

»Nein,« antwortete der Abbé, den Kopf schüttelnd.

»Als o haben Sie den ganzen Tag nichts gegessen?«

»Ich habe nicht daran gedacht. Sie werden mir etwas beim Restaurateur holen . . . was Ihnen beliebt.«

»Wenn der Herr Abbé wollte,« sagte die gute Frau, indem sie einen Blick auf ihren Ofen warf, »ich habe einmal eine gute Fleischbrühe . . . «

»Wohl!«

»Sodann würde ich ein paar Cotelettes auf den Rost legen; das wäre für den Herrn Abbé viel besser als Fleisch vom Restaurateur.«

»Thun Sie, was Sie wollen.«

»Ja fünf Minuten werden die Fleischbrühe und die Cotelettes bei Ihnen sein.«

Der Abbé nickte beipflichtend mit dem Kopfe und ging die Treppe hinauf. Als er in sein Zimmer eintrat, öffnete er das Fenster. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne glitten golden durch die Zweige der Bäume des Luxembourg, deren Knospen zu schwellen anfingen.

Es war in der Luft der in’s Veilchenblaue spielende kleine Nebel, der das Herannahen des Frühlings verkündigt.

Der Abbé setzte sich, stützte seinen Ellenbogen auf das Fenstergesims, schaute und horchte auf die Schwärme von Sperlingen, welche zwitscherten, ehe sie in ihre Hagebuchen zurückkehrten.

Die Concierge, wie sie es zu thun versprochen, brachte die Fleischbrühe und die zwei Cotelettes herauf; ohne den Mönch in seiner Meditation zu stören, denn sie war gewohnt, ihn so meditieren zu sehen, setzte sie sodann den Tisch vor ihn, und auf den Tisch sein Mittagsbrod.

Der Abbé hatte die Gewohnheit angenommen, Brod auf sein Fenster zu zerkrümeln, und an dieses Bettelgeschenk gewöhnt, eilten die Vögel herbei wie römische Clienten zur Thüre von Lucullus oder von Cäsar.

Einen Monat lang war das Fenster geschlossen geblieben; einen Monat lang hatten die Vögel vergebens ihrem Freunde gerufen; einen Monat lang hatten sie sich vergebens auf den äußeren Rand dieses Fensters gesetzt und neugierig durch die Scheide geschaut.

Das Zimmer war leer: der Abbé Dominique war in Penhoël.

Als aber die Vögel das Fenster offen sahen, da verdoppelte sich ihr Geschwätz. Man hätte glauben sollen, sie verkündigen einander die frohe Neuigkeit. Endlich wagten es einige von ihnen, mit besserem Gedächtnisse, um den Mönch zu flattern.

Das Geräusch der Flügel entzog ihn seiner Träumerei.

»Ah!« sagte er, »arme Kleine, ich vergaß euch, und ihr erinnert euch; ihr seid besser als ich.«

Und er nahm sein Brod, wie er es früher gethan, und zerkrümelte es auf das Fenster.

Sogleich waren es nicht mehr zwei oder drei kühne Sperlinge, die sich zu nähern wagten: es war der ganze Flug seiner alten Pensionäre, der um ihn wirbelte.

»Frei, frei, frei!« murmelte Dominique; »ihr seid frei, reizende Vögel», und mein Vater, er ist Gefangener!«

Und er fiel in seinen Lehnstuhl zurück, wo er einige Augenblicke in eine tiefe Träumerei versenkt blieb.

Dann trank er endlich maschinenmäßig seine Fleischbrühe und aß seine Cotelettes mit der Kruste von dem Brode, von dem er die Krume den Vögeln gegeben hatte.

Die Sonne sank indessen immer tiefer gegen den Horizont; sie vergoldete nur noch das äußerste Ende der Zweige und die Spitzen der Kantine. Die kleinen Vögel waren entflogen, und man hörte in der Ferne, in den Hagebuchen, ihr Geschwätz, das mehr und mehr erlosch.

Immer maschinenmäßig, streckte Dominique die Hand aus und entfaltete sein Journal.

 

Die zwei ersten Colonnen enthielten die wortreiche Erzählung der Ereignisse des vorhergehenden Tages. Der Abbé Dominique, der wenigstens eben so gut, als ein Journal des Ministeriums wußte, woran er sich in dieser Hinsicht zu halten hatte, übersprang die zwei Colonnen; als er aber zur dritten kam, zog es wie eine Blendung vor seinen Augen vorüber; sein ganzer Leib zitterte, ein Schauer lief in ihm vom Kopfe bis zu den Füßen, ein kalter Schweiß überströmte seine Stirne: er hatte dreimal wiederholt, ehe er etwas gelesen, seinen Namen oder vielmehr den seines Vaters gesehen.

Aus welcher Veranlassung war der Name von Herrn Sarranti dreimal in den Colonnen dieses Journals wiederholt?

Der arme Dominique hatte eine Erschütterung empfunden ähnlich der, welche die Gäste von Balthasar treffen mußte, als die unsichtbare Hand mit Flammenschrift die drei tödtlichen Worte an die Wand schrieb.

Er rieb sich die Augen, als blendete ihn ein Blutbild; er versuchte es, zu lesen, doch die Zeitung zitterte dergestalt in seinen beiden Händen, daß die Linien ihm blendend schillerten wie der Reflex eines Spiegels, den man bewegt.

Endlich breitete er das Blatt auf seinem Schooße aus, befestigte es auf beiden Seiten mit seinen Händen, und las beim letzten Scheine des Tages.

Sie errathen, nicht wahr, was er las? Er las die in die Journale eingerückte entsetzliche Notiz, die wir Ihnen vor Augen gelegt haben; die Notiz, in der sein Vater des Diebstahls und des Mordes eingeklagt war.

Der Blitz hätte nicht so ungeschlacht und so tödtlich einen Menschen niedergeschmettert, als es dieser erschreckliche Artikel that:

Plötzlich aber sprang er von seinem Stuhle an seinen Secretär und rief:

»Ab! Gott sei gelobt! Diese Verleumdung, mein Vater, wird in die Hölle zurückkehren, von der sie ausgegangen ist!«

Und er nahm aus der Schublade das uns bekannte Papier, die geschriebene Beichte von Herrn Gérard.

Er drückte heiße Küsse auf die Rolle, welche das Leben eines Menschen enthielt ; mehr als sein Leben, seine Ehre! – die Ehre seines Vaters!

Er öffnete sie, um sich zu versichern, es sei wirklich die kostbare Rolle, und er täusche sich nicht in seiner Hast; und als er die Handschrift erkannt und den Namen, mit dem sie unterzeichnet war, wieder gelesen hatte, küßte er sie aufs Neue; dann schob er sie unter seinen Rock, preßte sie an seine Brust, verließ das Zimmer, schloß die Thüre und stieg rasch die Treppe hinab.

Ein Mann stieg die Treppe zu gleicher Zeit herauf, da der Abbé Dominique hinabging. Doch der Abbé Dominique schenkte diesem Manne keine Aufmerksamkeit; er ging an ihm vorüber, ohne ihn zu bemerken, beinahe ohne ihn zu sehen, als er sich am Aermel seines Rockes zurückgehalten fühlte.

»Verzeihen Sie, Herr Abbé,« sagte derjenige, welcher ihn zurückhielt, »ich ging zu Ihnen.«

Der Ton dieser Stimme machte Dominique beben; sie war ihm nicht unbekannt.

»Zu mir? . . . Später,« erwiderte Dominique; »ich habe nicht Zeit, wieder hinaufzugehen.«

»Und ich habe keine, wiederzukommen,« sprach der Mann, indem er diesmal den Arm des Mönches mit dem Aermel ergriff.

Dominique fühlte etwas wie einen tiefen Schrecken auf sich niederfallen.

Diese eisernen Hände, die ihm den Arm zusammendrückten, schienen die Hände eines Skelettes zu sein.

Er suchte denjenigen zu sehen, welcher ihn so auf seinem Wege aufhielt; doch die Treppe war in der Finsternis, ein einziger Strahl des Tages drang durch ein Ochsenauge ein und beleuchtete einen schmalen Raum.

»Wer sind Sie, und was weilen Sie von mir?« fragte der Mönch, der seinen Arm vergebens loszumachen suchte.

»Ich bin Herr Gérard,« erwiderte der Mann, »und ich komme wegen des Bewußten.«

Dominique stieß einen Schrei aus.

Doch die Sache schien ihm so unmöglich, daß er, ehe er daran glaubte, dem Zeugnisse seiner Ohren das Zeugniß seiner Augen beifügen wollte.

Er nahm den Mann nun auch bei beiden Armen, und sprang mit ihm bis in den röthlichen Strahl, den einzigen, der die Treppe beleuchtete.

Der Kopf des Gespenstes befand sich im Lichte.

Es war in der That Herr Gérard.

Der Abbé wich, das Auge erschrocken, die Haare zu Berge stehend, seine Kinnbacken an einander klappernd, bis an die Wand zurück.

Hier blieb er in der Haltung eines Mannes, der einen Leichnam in seinem Sarge sich würde erheben sehen, und ließ mit einer dumpfen Stimme das einzige Wort entschlüpfen:

»Lebendig!«

»Allerdings lebendig,« sagte Herr Gérard. »Gott hat Mitleid mit meiner Reue gehabt und mir einen guten, jungen Arzt geschickt, durch den ich geheilt worden bin.«

»Sie?« rief der Abbé, der sich einem entsetzlichen Traume preisgegeben glaubte.

»Nun wohl« ja. Ich begreife, daß Sie mich für todt gehalten haben, doch ich bin es nicht.«

»Sind Sie schon zweimal heute hier gewesen?«

»Und ich komme zum dritten Male . . . Ich wäre zehnmal gekommen; Sie begreifen, es lag mir daran, daß Sie mich nicht fortwährend für todt hielten.«

»Doch warum eher heute, als an einem andern Tage?« fragte maschinenmäßig der Abbé, indem er den Mörder mit starren Augen anschaute.

»Sie haben also die Zeitungen nicht gelesen?« sagte Herr Gérard.

»Doch, ich habe sie gelesen,« antwortete mit dumpfer Stimme der Mönch, der den Abgrund, vor dem er sich fand, zu ermessen anfing.

»Wenn Sie sie gelesen haben, so müssen Sie den Zweck meines Besuches begreifen.«

Dominique begriff in der That, und ein kalter Schweiß floß über seinen ganzen Leib.

»Da ich lebe,« fuhr Herr Gérard, die Stimme dämpfend, fort, »so ist meine Beichte nichtig.«

»Richtig?« wiederholte maschinenmäßig der Mönch.

»Ja, ist es nicht den Priestern bei Strafe ewiger Verdammnis verboten, die Beichte zu offenbaren, ohne die Erlaubnis des Beichtenden erhalten zu haben?«

»Diese Erlaubnis haben Sie mir gegeben,« rief der Mönch.

»Wenn ich todt wäre, ja, allerdings: doch da ich lebe, nehme ich sie zurück.«

»Unglücklicher!« rief der Mönch, »und mein Vater ?«

»Er vertheidige sich, er klage mich an, er beweise; doch Sie Beichtvater, Stille!«

»Es ist gut!« sagte Dominique, einsehend, daß er sich nicht gegen ein Verhängniß sträuben konnte, das sich ihm unter der Form von einem der Grunddogmen der Kirche bot , »es ist gut, Elender! Ich werde schweigen!«

Und mit der Hand Gérard zurückstoßend, machte er eine Bewegung, um wieder in seine Wohnung hinaufzugehen.

Doch Herr Gérard klammerte sich an ihn an.

»Was wollen Sie noch von mir?« fragte der Mönch.

»Was ich will?« sagte der Mörder. »Ich will das Papier, das ich Ihnen in einem Augenblicke des Deliriums gegeben habe.«

Dominique drückte seine beiden Hände an seine Brust.

»Sie haben es,« rief Gérard; »es ist da . . . geben Sie es mir zurück.«

Und der Mönch fühlte aufs Neue an seinem Arme den Druck der eisernen Hand, während der ausgestreckte Finger des Mörders beinahe das Manuscript berührte.

»Ja, es ist da,« sprach der Abbé Dominique; »doch wo es ist, da wird es, ich schwöre es bei meinem Priesterworte, auch bleiben.«

»Sie würden also Ihren Eid brechen? Sie würden also die Beichte offenbaren?«

»Ich habe Ihnen gesagt, ich nehme den Vertrag an, und so lange Sie leben, werde ich schweigen.«

»Warum behalten Sie dann dieses Papier?«

»Weil Gott gerecht ist; weil es, durch Zufall oder durch Gerechtigkeit, sein kann, daß Sie während des Processes meines Vaters sterben, weil ich endlich, ist mein Vater verurtheilt, auf dem Schaffot zu sterben, dieses Papier gegen Gott erheben und sprechen werde: »»Herr, der Du das höchste Wesen und der gerechte Gott bist, schlage den Schuldigen und rette den Unschuldigen!«« Das, Elender, ist mein Menschen- und Priesterrecht, und ich werde von meinem Rechte Gebrauch machen.«

Hierauf schob er Herrn Gérard, der sich vor ihn gestellt hatte, als wollte er ihm den Weg versperren, heftig beiseit, ging die Treppe hinauf, dem Mörder durch eine gebieterische Geberde verbietend, ihm zu folgen, trat in seine Wohnung ein, deren Thüre er schloß, fiel vor einem Crucifix auf die Kniee und sprach:

»Mein Gott und-Herr, Du, der Du Alles siehst, Du, der Du Alles hörst, Du hast so eben gesehen und gehört, was vorgefallen ist; mein Gott und Herr, es wäre eine Ruchlosigkeit, die Hand der Menschen bei Allein dem anzurufen . . . Dir die Gerechtigkeit!«

Dann fügte er mit dumpfem Tone bei:

»Und übst Du nicht Gerechtigkeit, mir die Rache!«

XIII
Eine Soirée im Hotel Marande

Einen Monat nach den Ereignissen, die wir in den vorhergehenden Kapiteln erzählt haben, am Sonntag den 30..April, bot die Rue Lafitte, – oder nennen wir sie vielmehr mit dem Namen, den sie damals trug, – die Rue d’Artois einen ungewohnten Anblick.

Man denke sich in der That das Boulevard des Italiens und das Boulepard des Capucines bis zum Boulevard de la Madeleine, das Boulevard Montmartre bis zum Boulevard Bonne-Nouvelle, und andererseits, parallel, die ganze Rue de Provence und . die anliegenden Straßen buchstäblich von Equipagen mit funkelnden Laternen überströmt; man denke sich die Rue d’Artois beleuchtet von zwei mit Lämpchen beladenen riesigen Eibenbäumen, die sich auf jeder Seite der Thüre eines reichen Hotels erhoben; zwei Dragoner zu Pferde diese Thüre bewachend, zwei andere auf dem durch das Durchkreuzen der Rue de Provence gebildeten Scheidewege stationierend; – und man wird eine Idee von dem Schauspiele haben, das den Vorübergehenden die Umgebungen des Hotels Marande bieten, wenn seine schöne Herrin einigen Freunden eine von den Soiréen gibt, wobei ganz Paris sein will.

Folgen wir einer von den Equipagen, welche die Reihe bilden, und treten wir mit ihr in den Ehrenhof ein: bleiben wir sodann in diesem Ehrenhofe stehen, in Erwartung von Einem, der uns einführt, und während wir warten, betrachten wir das Innere des Hotels.

Das Hotel Marande lag, wie gesagt, in der Rue d’Artois« zwischen dem Hotel Cerutti, – das bis 1792 seinen Namen der Straße gegeben hatte, – und dem Hotel de l’Empire.

Drei Corps de Logis bildeten, mit der Facademauer, ein ungeheures Rechteck. Rechts waren die Zimmer des Banquier, vorne die Salons des Politikers; links die Gemächer der schönen Person, die unsern Lesern schon mehrere Male unter dem Namen Lydie von Marande erschienen ist. Diese drei Corps de Logis standen so mit einander in Verbindung, daß der Herr das Auge überall haben konnte, – zu jeder Stunde des Tages, wie zu jeder Stunde der Nacht.

Die Empfangsalons nahmen den ersten Stock dem Thorwege gegenüber ein. Doch an den großen Tagen öffnete man die Verbindungsthüren, und die Eingeladenen konnten dann ohne Indiskretion in die eleganten Boudoirs der Frau und in die strengen Orte der Zurückgezogenheit des Mannes dringen.

Das ganze Erdgeschoß diente, der linke Flügel für Küche und Officin; das Centrum als Speisesaal und Vestibule; der rechte Flügel für Bureaux und Kasse.

Steigen wir die Treppe mit marmornem Geländer und mit Stufen bedeckt mit einem Teppich von Sallandrouze hinauf und sehen wir, ob unter dieser ganzen Menge, welche die Vorzimmer füllt, nicht ein Freund existiert, der uns der schönen Wirthin des Hauses vorstellen kann.

Wir kennen die bedeutendsten Eingeladenen; doch wir stehen nicht in so enger Verbindung mit ihnen, um einen solchen Dienst von ihnen zu verlangen.

Höret, man meldet sie.

Es ist Lafayette, es ist Casimir Perrier, es ist Reiher-Collard, es ist Béranger, es ist Pajol, es ist Köchlin, es ist endlich Alles das, was in Frankreich die in der Mitte zwischen der aristokratischen Monarchie und der Republik liegende Meinung vertritt; es sind diejenigen, welche mit dem Worte Charte im Munde dumpf an der großen Geburt von 1830 arbeiten, und hören wir unter allen diesen Parteichefs, die wir genannt haben, Lafitte nicht melden, so ist dies so, weil er sich in Maisons befindet und mit der Ergebenheit, welche der treffliche Banquier für seine Freunde hegt, den kranken Manuel pflegt, der binnen Kurzem sterben wird.

Doch sieh, da ist Einer, der uns einführen wird, einmal die Schwelle überschritten, so werden wir gehen, wohin es uns beliebt.

Es ist dieser junge Mann von mittlerer, eher großer, als kleiner, wunderbar gebauter Gestalt; dieser junge Mann nach der Mode der Zeit gekleidet, und zugleich mit jenem gewissen Etwas, das den Künstler bildet. Man sehe: dunkelgrüner Frack geschmückt mit dem Bande der Ehrenlegion, das er erhalten hat, – durch welchen Einfluß? er weiß es nicht; denn er hat es nicht verlangt, und sein Oheim ist zu egoistisch, als daß er daran gedacht hätte, es ihm zu verschaffen, und überdies ist er bei der Opposition: – schwarze Sammetweste mit einem Knopfe oben zugeknöpft, drei Knöpfen unten zugeknöpft, welche Weste durch ihre Oeffnung ein Jabot von englischen Spitzen passieren läßt; anliegende Beinkleider, ein nerviges, bewunderungswürdig gemachtes Bein zeichnend; durchbrochene schwarze seidene Strümpfe und Schuhe mit kleinen goldenen Schnallen, einen Frauenfuß enthaltend; – sodann über Alles dies der Kopf von Van Dyk mit sechsundzwanzig Jahren.

 

Sie haben ihn erkannt, es ist Petrus. Er hat kurz zuvor ein reizendes Portrait von der Gebieterin des Hauses gemacht. – Er liebt es nicht, Portraits zu machen, doch sein Freund Jean Robert ist so sehr in ihn gedrungen, er möge das von Frau von Marande malen, daß der junge Künstler einwilligte. Allerdings hat ein hübscher Mund, sich mit dem befreundeten Munde von Jean Robert verbindend, indeß zugleich eine reizende Hand die seinige drückte, auf dem Balle der Frau Herzogin von Berry, – wo er, man weiß nicht auf welche Empfehlung, eingeladen war, – allerdings hat ein hübscher Mund mit einem bezaubernden Lächeln zu ihm gesagt: »Machen Sie das Portrait von Lydie; ich will es.«

Und der Maler, da er nichts diesem hübschen Munde zu verweigern hatte, in welchem der Leser schon den von Regina von Lamothe-Houdan, Gräfin Rappt, erkannt hat, öffnete die Pforten seines Atelier Madame Lydie von Marande, welche, das erste Mal von ihrem Gatten geführt, – der dem Maler in Person für seine Gefälligkeit danken wollte, – die anderen Male nur in Begleitung eines einzigen Bedienten kam.

Sodann, als das Gemälde vollendet war, – da man einsah, man bezahle nicht mit Banquebillets die Gefälligkeit eines Künstlers wie Petrus, eines Edelmannes wie der Baron von Courtenay, – neigte sich Frau von Marande an das Ohr des schönen Malers und sagte zu ihm:

»Besuchen Sie mich, wann Sie wollen: nur benachrichtigen Sie mich am Tage vorher durch eine Zeile, damit Sie Regina bei mir finden.«

Und Petrus ergriff die Hand von Frau von Marande und küßte sie mit einem Feuer, das die schöne Lydie sagen machte:

»Oh! mein Herr« wie müssen Sie diejenigen lieben, welche Sie lieben!«

Am andern Tage erhielt Petrus, durch die Vermittlung von Regina, eine sehr einfache Nadel, die kaum den halben Werth seines Bildes hatte, – eine

doppelte Zartheit, welche mit seinem aristokratischen Charakter Petrus besser als irgend ein Anderer zu schätzen im Stande war.

Folgen wir also Petrus: Sie sehen, daß er alles Recht hat, uns in seinem Gefolge in das Haus des Banquier der Rue d’Artois einzuführen und uns die Schwelle dieser Salons überschreiten zu lassen, wo uns so viele Illustrationen vorangegangen sind.

Gehen wir unmittelbar zur Gebieterin des Hauses. Sie ist dort rechts in ihrem Boudoir.

Die erste Bewegung von Jedem, der in dieses Boudoir eintritt, gehört ganz dem Erstaunen. Was ist aus allen den berühmten Personen geworden, die man gemeldet hat, und warum findet man hier, mitten unter zehn bis zwölf Frauen, kaum drei bis vier junge Leute? Das ist so, weil die politischen Illustrationen Herrn von Marande zu Liebe kommen; weil Frau von Marande die Politik haßt; weil sie erklärt, sie habe keine Meinung, sie finde nur, die Frau Herzogin von Berry sei eine reizende Frau, und König Karl X. müsse einst ein vollendeter Edelmann gewesen sein.

Doch sind die Männer, – welche bald kommen werden, seien Sie ruhig! – sind die Männer oder vielmehr die jungen Leute in der Minderzahl, welch ein blendendes Luststück von Frauen!

Beschäftigen wir uns zuerst mit dem Boudoir.

Das ist ein hübscher Salon, der einerseits in ein Schlafzimmer und andererseits in eine Gewächshausgallerie geht. Er ist ausgeschlagen mit himmelblauem Atlaß mit schwarzen und rosenfarbigen Ornamenten; so daß die glänzenden Augen und die herrlichen Diamanten der schönen Freundinnen von Frau von Marande auf dem Azur wie Sterne am Firmament funkeln.

Diejenige aber, welche man zuerst erblickt, diejenige, mit welcher wir uns besonders zu beschäftigen haben, die Sympathetischste, wenn nicht die Schönste, die Anziehendste, wenn nicht die Hübscheste, ist ohne Widerspruch die Herrin des Hauses, Madame Lydie von Marande.

Wir haben, so weit es der Feder dies zu thun erlaubt ist, das Portrait ihrer drei Freundinnen von Saint-Denis gezeichnet; versuchen wir es nun das ihrige zu skizzieren.

Madame Lydie von Marande schien kaum ihr zwanzigstes Jahr erreicht zu haben. Es war eine Person von reizendem Anblick für Jeden, der in der Frau einen Körper und nicht allein eine Seele finden will.

Sie hatte Haare von einer köstlichen Nuance: blond, wenn sie dieselben in leichten Locken trug, kastanienbraun, wenn sie sie in geschlossenem Scheitel trug, immer glänzend und seiden.

Ihre Stirne war schön; verständig und stolz, weiß wie Marmor, glatt wie dieser.

Ihre Augen waren seltsam, weder völlig blau, noch völlig schwarz, doch an beiden Farben theilhabend, zuweilen in Nuancen von Opal spielend, andere Male düster wie Lasurstein, und dies je nach dem Lichte, das sie beleuchtete, oder vielleicht nach den Schlägen des Herzens, das sie belebte.

Die Nase war fein, aufgestülpt, spöttisch; der Mund war wohl gezeichnet, jedoch ein wenig groß, frisch wie feuchte Koralle, lachend und sinnlich.

Gewöhnlich sind ihre prallen Lippen leicht geöffnet und lassen das äußerste Ende einer doppelten Reihe von Perlen sehen; schließen sich diese Lippen, so geben sie, indem sie sich verbinden, dem ganzen oberen Theile des Gesichtes ein hoffärtiges, geringschätziges Wesen.«

Das Kinn ist zierlich und rosenfarbig.

Was aber diesem ganzen Gesichte seine wirkliche Schönheit, seine wahre Physiognomie, seinen originalen und, wir möchten beinahe sagen, seinen originellen Charakter verlieh, das war dieses schauernde Leben, das mit dem Blute unter der Haut zu laufen schien; das war dieser lebendige Teint; das waren diese so leicht mit Perlmutter nuancierten, so coquett mit Rosa gefärbten Wangen, daß sie zugleich die Durchsichtigkeit hatten, an der man die Frau des Südens erräth, und die Frische, an der man die Frau des Nordens erkennt.

So, unter einem blühenden Apfelbaume, bekleidet mit der reizenden Tracht der Frauen aus der Gegend von Caux, wäre sie von einer Tochter der Normandie als Landsmännin reclamirt worden; und sich in einer Hängematte schaukelnd, im Schatten eines Bananenbaumes, würde sie für eine Schwester von einer Creolin von Guadelupe oder Martinique gehalten worden sein.

Wir haben weiter oben zu verstehen gegeben, der ganze Körper, der diesen reizenden Kopf getragen, sei mit einer gewissen Fülle ausgestattet gewesen; doch diese Fülle , die bei der Frau von Albano anhielt, ohne die von Rubens zu erreichen, war, weit entfernt, unangenehm zu sein, an und für sich verführerisch; mehr als verführerisch: wollüstig.

In der That, ein üppiger Hals, der nie zum carcere duro5 des Corsetts verdammt gewesen zu sein schien, prallte bei jedem Athemzuge, stolz und reich, durch eine Gazewoge auf, ähnlich jenen Hälsen der schönen Töchter von Sparta und Athen, welche für die Venus und die Hebes von Praxiteles und Phidias standen.

Hatte diese strahlende Schönheit, die wir so eben beschrieben, ihre Bewunderer, so müssen Sie begreifen, daß sie dagegen auch ihre Feinde und ihre Verleumder hatte. Ihre Feinde, das waren fast alle Frauen; ihre Verleumder, das waren alle diejenigen, welche sich für berufen gehalten hatten und nicht auserwählt worden waren; es waren die abgewiesenen Liebhaber; es waren diese Schönen und diese Elegants mit leerem Gehirne, die sich nicht darstellen, eine Frau begabt mit solchen Schätzen könne damit geizig sein.

Frau von Marande war also mehr als einmal verleumdet worden; und dennoch, obschon sie diese köstliche Verführung der Frau, die Schwäche behalten hatte, hatten wenige Frauen die Verleumdung minder verdient als sie.

So, als der Graf Herbel, als wahrer Voltairianer, was er war, zu seinem Neffen sagte: »Was ist Frau den Marande? Eine Magdalena unter der Gewalt ihres Mannes und in der Ohnmacht der Reue!« beging der General unserer Ansicht nach ein Unrecht, und wir werden später sagen, auf welche grammatikalische Art er die Wörter Gewalt und Ohnmacht hätte setzen müssen, hätte er die geringste Velleität gehabt, correct zu sprechen. Madame Lydie von Marande war, wie man bald sehen wird, nichts weniger als eine Magdalena.

Nun aber, da wir sie genügend geschildert zu haben glauben, wollen wir das Boudoir vollends beschreiben und mit denjenigen, welche es einnehmen, Bekanntschaft machen oder erneuern.

5Zum harten Gefängniß.
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