Бесплатно

Salvator

Текст
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Die beiden Männer stiegen ein.

Roland, der unermüdlich schien, lief voraus.

Um acht Uhr Morgens kam der Wagen an der Barrière Fontainebleau vorüber.

»Lassen Sie mich Sie bei Ihrem Hause absetzen, Herr Salvator, es ist unser Weg,« sagte Herr Jackal.

Salvator hatte keinen Grund, die Artigkeit des Herrn Jackal zurückzuweisen.

Er ließ es schweigend geschehen.

Der Wagen hielt in der Rue Macon vor Nr. 4.

»Nun,« sagte Herr Jackal, »ein anderes Mal werden wir glücklicher sein, lieber Herr Salvator.«

»Ich hoffe,« sagte Salvator.

»Aus Wiedersehen!« machte Herr Jackal.

»Aus Wiedersehen!« antwortete Salvator.

Salvator sprang aus dem Wagen, der Schlag schloß sich und das Coups fuhr in großem Trab davon.

»O! Dämon!« sagte Salvator, »ich habe Dich im Verdachte, daß Du besser als ich weißt, wo der Leichnam des armen Kindes ist.«

Und bei diesen Worten öffnete er die Thüre und trat bei sich ein.

»Thut nichts,« sagte er, »bleibt doch Rose-de-Noël.«

Und er begann die Treppe hinauszusteigen, welche Roland bereits in Sprüngen zurückgelegt.

»Bist Du es, Freund?« sagte eine Stimme oben aus dem Ruheplatz.

»Ja, ich bin es,« rief Salvator.

Er warf sich in Fragola’s Arme.

Einen Augenblick vergaß er die furchtbare Täuschung dieser Nacht in der süßen Umarmung, die ihn alles vergessen ließ.

Fragola kam zuerst wieder zu sich.

»Trete ein, Salvator,« sagte sie; »seit sieben Uhr diesen Morgen wartet eine alte Frau aus Dich, welche ganz unglücklich ist, aber nicht sagen will, was sie weinen macht.«

»Eine alte Frau!« rief Salvator, »das ist die Brocante.«

Und sich in das Zimmer stürzend, rief er:

»Rose-de-Noël! Rose-de-Noël!«

»Ach!« antwortete die Brocante, »als ich diesen Morgen in ihr Zimmer kam, war das Zimmer offen und die arme Kleine fort.«

»Oh!« rief Salvator, indem er sich mit der Faust vor die Stirne schlug, »ich hätte mir’s denken sollen, daß in dem Augenblick, wo ich den Leichnam des Bruders nicht mehr fand, man zu gleicher Zeit die Schwester verschwinden lassen werde!«

LVI
Vive l’ampleur! 29

Erklären wir jetzt, wie der Leichnam fehlte, welchen Salvator und Herr Jackal in dem Park von Viry zu suchen vergeblich gekommen waren.

Man wird sich erinnern, daß Salvator, als er Herrn Jackal verließ, einem Individuum begegnete, das, obgleich die Rauhheit der Jahreszeit noch durchaus nicht zu einer solchen Vorsichtsmaßregel nöthigte, in einen ungeheuren Winterüberrock gehüllt war, dessen Kragen ihm als Maske zu dienen bestimmt schien.

Dieser Mensch, dem Herr Jackal nur eine oberflächliche Aufmerksamkeit geschenkt hatte, war hinter ihm die Treppe hinausgestiegen und hatte sich unter dem wohlbekannten Namen Gérard melden lassen.

Es war in der That Herr Gérard.

Wenn man die Eile sah, mit der er den Hof durchmessen und unter den Bogengang getreten, der zu dem Ches der geheimen Polizei führte; wenn man die ängstliche Besorgtheit beobachtete, mit der er den Theil des Gesichtes zu Boden senkte, der zwischen seinem Hut und seinem Rockkragen frei blieb, mußte man unwillkürlich mit Abscheu den Kopf abwenden, denn ein Beobachter erkannte alsbald in diesem Menschen den Polizeispion in der vollen Bedeutung des Wortes.

Wie wir gesagt, man meldete Herrn Gérard.

Die Thüre des Cabinets von Herrn Jackal ging auf und der Besuchende trat ein.

»Ah! ah!« sagte Herr Jackal, »da ist der ehrenwerthe Herr Gérard. Kommen Sie, mein lieber Herr, kommen Sie!«

»Ich komme Ihnen vielleicht ungelegen?« fragte Herr Gérard.

»Wie das? – Sie mir ungelegen kommen? Niemals!«

»Sie sind zu gütig, mein Herr!« machte Gérard.

»Überdies wollte ich gerade zu Ihnen schicken. Sie mir ungelegen kommen, Sie, mein Getreuer, mein Held, mein Liebling! Nein, nein, Herr Gérard, Sie sagen mir das nicht im Ernste.«

»Es war mir, als wären Sie auf.«

»Ja, gewiß, ich habe so eben einem Ihrer Freunde das Geleite gegeben.«

»Einem meiner Freunde – welchem?«

»Herrn Salvator.«

»Ich kenne ihn nicht,« sagte Herr Gérard erstaunt.

»Ja, aber er kennt Sie, befürchte ich wenigstens.«

»Und ich glaubte, Sie wollten ausgehen.«

»Und Sie hofften unserer kleinen Plauderei auszuweichen, Undankbarer!«

»Herr Jackal . . . «

»Nun, legen Sie Ihren Hut ab; Sie sehen immer aus, als wenn Sie fliehen wollten . . . so, gut . . . und nun setzen Sie sich. Wo zum Teufel würden Sie einen heitereren Kameraden, einen liebenswürdigeren Lustigmacher als mich finden. Undankbarer! Abgesehen davon, daß, während Sie über dem König wachen, ich über Ihnen wache. Ja, ich war im Begriffe, auszugehen: aber Sie kommen und ich bleibe . . . Ausgehen, ja wohl! ich werde meine wichtigsten persönlichen Angelegenheiten opfern, um die Freude zu haben, einen Augenblick mit Ihnen zu plaudern. Nun, was haben Sie mir Neues zu erzählen, ehrenwerther Herr Gérard?«

»Wenig, mein Herr.«

»Um so schlimmer, um so schlimmer!«

Herr Gérard schüttelte den Kopf, wie ein Mann, der sagt: »Die Verschwörung bricht nicht aus!«

»Aber weiter?« fragte Herr Jackal.

»Man hat Ihnen gestern einen Mann gebracht, den ich vor dem Café Foy arretieren ließ.«

»Was that er dort?«

»Er machte unmäßige napoleonische Propaganda.«

»Erzählen Sie mir das, lieber Herr Gérard.«

»Denken Sie sich . . . «

»Zuerst seinen Namen?«

»Ich weiß ihn nicht, mein Herr . . . Sie begreifen, daß es unklug von mir gewesen wäre, ihn darum zu fragen.«

»Sein Signalement?«

»Nun, es war ein großer, starker, kräftiger Mann, mit einem bis ans Kinn zugeknöpften langen Rock, und einem rothen Band im Knopfloche.«

»Ein Offizier außer Diensten.«

»Das habe ich mir auch gesagt, namentlich als ich seinen Hut mit breitem Rand sah, der über den Kopf hereingedrückt war und keck auf dem Ohre saß.«

»Nicht übel, Herr Gérard, nicht übel für einen Anfänger,« murmelte Herr Jackal; »Sie werden sehen, daß wir etwas aus Ihnen machen können. Fahren Sie fort.«

»Er trat in das Kaffeehaus, und da mir seine Erscheinung etwas Verdächtiges hatte, so folgte ich ihm.«

»Gut, Herr Gérard, gut.«

»Er setzte sich an einen Tisch und verlangte eine halbe Tasse Kaffee und eine Caraffe mit Branntwein, indem er laut sagte: »»Ich kann meinen Kaffee nur au gloria, trinken; ich liebe den Gloria!30«« Und dabei blickte er um sich, als wollte er sehen, ob ihm Niemand antwortete.«

»Und Niemand antwortete ihm?«

»Niemand. Dann, als dächte er, er habe nicht laut genug gesprochen, fuhr er fort: »»Es lebe der Gloria!««

»Teufel! Teufel! Teufel!« machte Herr Jackal. »Das ist ziemlich aufrührerisch. »Vive la gloria! das ist so, als sagte man: vive la gloire!«

»Das ist’s auch, was ich dachte, und da unter unserer väterlichen Regierung kein Grund vorhanden, vive Ia gloire! zu rufen, so war mir dieser Mann sehr verdächtig.«

»Sehr gut! . . . Räuber der Loire! . . . «

»Ich setzte mich an einen dem seinigen gegenüberstehenden Tisch, entschlossen, meine Ohren und Augen weit offen zu halten.«

»Bravo, Herr Gérard!«

»Er verlangte ein Journal …«

»Welches?«

»Ah, das weiß ich nicht.«

»Das ist ein Fehler, Herr Gérard.«

»Ich glaube, es war der Constitutionnel.«

»Es war der Constitutionnel.«

»Sie glauben?«

»Ich weiß gewiß.«

»Wenn Sie gewiß wissen, Herr Jackal . . . «

»Er verlangte den Constitutionnel . . . Fahren Sie fort.«

»Er verlangte den Constitutionnel; aber ich sah, daß es purer Betrug war; denn, sei es Zufall, sei es Verachtung, er hielt die Lectüre beständig verkehrt bis zu dem Augenblicke, da einer seiner Freunde in das Café trat.«

»Woran sahen Sie, daß es einer seiner Freunde war, Herr Gérard?«

»Daran, daß er von Kopf bis zu Fuß genau wie er selbst angezogen war; nur war er bedeutend abgeschabter.«

»Kehrte wohl vom Champd’Asile31 zurück . . . Fahren Sie fort, Herr Gérard.«

»Es war zweifelsohne sein Freund.

»Die Sache ist um so weniger zweifelhaft; als der, welcher eintrat, gerade auf den Sitzenden zu ging und ihm die Hand bot.

»»Guten Tag,«« sagte der Erstere in rauhem Tone.

»»Guten Tag,«« sagte der Andere im selben Tone; »»Du hast also eine Erbschaft gemacht?««

»»Ich?««

»»Ja: Du.««

»»Warum das?««

»»Nun, weil Du ganz neu herausgeputzt bist.««

»»Meine Frau hat mich so zu meinem Geburtstage equipirt.««

»Ich glaubte, man habe die Bezahlung erhalten?««

»»Nein, und ich glaube auch, wir müssen noch einige Zeit unserem Correspondenten in Wien Credit geben.««

»Dem Herzog von Reichstadt,« machte Herr Jackal.

 

»Das habe ich mir auch gesagt,« versetzte Herr Gérard.

»»Du weißt,«« fuhr der erste Militär fort, »»daß der genannte Correspondent von Wien nach Paris kommen sollte?««

»»Ich weiß es,«« antwortete der Andere; »»aber er wurde daran gehindert.««

»»Aufgeschoben ist nicht ausgehoben.««

»Hm! hm! Herr Gérard, was sagen Sie? nichts Bedeutendes? aber ich finde es schon genug, was Sie da gesagt, und wenn nichts weiter dazu kommt . . . «

»Es kommt noch weiter dazu, mein Herr.«

»Gut; fahren Sie fort, fahren Sie fort, mein Herr Gérard.«

Und zum Zeichen der Befriedigung zog Herr Jackal seine Tabaksdose heraus und stopfte sich die Nase voll Tabak.

Herr Gérard fuhr fort.

»Der zuerst Anwesende sagte dann:

»»Wahrlich eine hübsche Redingote.««

»Dabei fuhr er ihm mit der Hand über das Tuch.

»»Sehr schön,«« antwortete der Andere stolz.

»»Ein herrlicher Strich.««

»»Elbeustuch, ganz einfach.««

»»Etwas weit, vielleicht.««

»»Wie, etwas weit?««

»»Ich meine: Deine Redingote, ich finde sie etwas weit für einen Soldaten.««

»Das beweist,« bemerkte Herr Jackal, »daß es ein Militär war und daß Sie sich nicht getäuscht, Herr Gérard.«

»»Warum etwas weit?«« antwortete der Offizier; »»die Kleider können nie weit genug sein; ich bin für die großen Sachen: ich habe Alles lieb, was weit ist: Vive l’empereur!««

»Vive l’empereur! wie, es lebe der Kaiser! ruft er gelegentlich einer Redingote?«

»Ich weiß wohl, daß das in keinem großen Bezügnisse steht,« versetzte Herr Gérard etwas verlegen; »aber ich hörte vive l’empereur! rufen.«

Herr Jackal schnupfte eine zweite Prise mit großem Geräusch.

»Nehmen wir an, daß er: vive l’empereur! gerufen.«

»Ja, nehmen wir das an,« sagte Herr Gérard, den die Discussion sichtlich in Verlegenheit setzte, »Sie begreifen wohl, daß ich das Café verließ, als ich diesen aufrührerischen Ruf hörte, der mehre Personen sich umzudrehen veranlaßte.«

»Ich begreife.«

»An der Thüre fand ich zwei Agenten: ich bezeichnete ihnen meinen Mann und entfernte mich erst, als ich sie ihn am Rockkragen fassen sah.«

»Bravo! mein Herr Gérard! aber es ist erstaunlich: ich habe Ihren Mann gar nicht gesehen, auch wurde mir kein Rapport darüber gemacht.«

»Ich versichere Sie indessen, daß der Mann arretiert wurde, Herr Jackal.«

Herr Jackal läutete.

Der Huissier erschien.

»Lassen Sie Herrn Gibassier rufen,« sagte Herr Jackal.

Der Huissier ging.

Fünf Minuten verflossen, während welcher Herr Jackal alle Acten seines Bureaus durchwühlte.

»Ich sehe nichts,« sagte er, »absolut nichts.«

Der Huissier trat ein.

»Nun?« fragte Herr Jackal.

»Herr Gibassier wartet.«

»Er soll eintreten.«

»Er sagte, Sie seien nicht allein.«

»Das ist wahr. Herr Gibassier ist wie Sie, Herr Gérard, ein schüchterner Mann, der nicht gerne sich sehen läßt: man sollte wirklich glauben, es sei mit ihm, wie mit dem Veilchen: es verräth sich nur durch sein Parfüm. Treten Sie in dieses Zimmer ein, Herr Gérard.«

Herr Gérard, der wirklich kein größeres Verlangen hatte, sich sehen zu lassen, als Herr Gibassier, ging rasch in das Nebenzimmer, dessen Thüre er sorgfältig hinter sich schloß.

»Treten Sie ein, Gibassier!« rief Herr Jackal: »ich bin allein.«

Gibassier trat, wie immer, mit lächelndem Gesichte ein.

»Was soll das heißen, Gibassier,« rief Herr Jackal. »Man macht wichtige Gefangennehmungen und ich weiß nichts davon!«

Gibassier streckte den Hals vor und riß die Augen auf, wie ein Mensch, welcher sagt: »Erklären Sie sich!«

»Gestern,« fuhr Herr Jackal fort, »hat man einen Mann arretiert, welcher Vive I’empereur! gerufen.«

»Wo das, Herr Jackal?«

»Im Casé Foy, Herr Gibassier.«

»Im Case Foy? Der Mann hatte ja gar nicht Vive I’empereur! gerufen.«

»Was rief er denn?«

»Vive l’empleur!«32

»Sie täuschen sich, Herr Gibassier.«

»Erlauben Sie mir zu versichern, daß ich dessen sicher bin, was ich vorbringe.«

»Und wie können Sie dessen gewiß sein?«

»Ich war es selbst,« sagte Gibassier.

Herr Jackal schob seine Brille in die Höhe und betrachtete Gibassier mit jenem stummen Lächeln, das ihm eigen war.

»Das ist’s, wenn man doppelte Polizei hat,« sagte endlich Jackal. »Das braucht’s noch, daß eine solche Mystifikation vorkommt.«

Und an die Thüre des Zimmers tretend, in welchem Herr Gérard eingeschlossen war, sagte er:

»Nun, Herr Gérard, Sie können wieder eintreten!«

»Sind Sie also allein?« fragte Herr Gérard durch die Thüre.

»Allein oder beinahe allein,« versetzte Herr Jackal.

Gérard trat mit seiner gewöhnlichen Schüchternheit ein.

Als er deßhalb Gibassier gewahrte, machte er einen Schritt zurück

»O,« sagte er, »was ist das?«

»Mein Herr?«

»Ja, mein Herr.«

»Sie erkennen ihn?«

»Ich glaube wohl!«

Dann zu Herrn Jackal sich herabbeugend, flüsterte er ihm ins Ohr: »Das ist mein Offizier aus dem Case Foy.«

Herr Jackal nahm Herrn Gérard an der Hand.

»Mein lieber Herr Gérard,« sagte er, »ich stelle Ihnen Herrn Gibassier, meinen Unterbrigadechef, vor.«

Dann wandte er sich an Gibassier und fuhr fort:

»Mein lieber Gibassier, ich stelle Ihnen Herrn Gérard, einen unserer ergebensten Agenten, vor.«

»Herr Gérard!« machte Gibassier.

»Ja, der ehrenwerthe Herr Gérard von Vanvres, den Sie kennen.«

Gibassier verbeugte sich mit einer gewissen respectvollen Miene und ging beinahe rücklings hinaus.

»Wie, den Sie kennen?« fragte Herr Gérard erblassend: »Herr Gibassier weiß also? . . . «

»Alles, mein lieber Herr Gérard!«

Der Meuchelmörder wurde leichenblaß.

»Das darf Sie aber in keiner Weise beunruhigen,« sagte Herr Jackal, »Herr Gibassier ist mein anderes Ich.«

»O, mein Herr,« stotterte der Spion, »warum haben Sie mich diesem Menschen vorgestellt?«

»Erstens, weil es gut ist, sich zu kennen, wenn man im selben Regimente dient.«

Dann fügte er mit einem Tone hinzu, der jede Sylbe bei Herrn Gérard tief ins Herz dringen ließ:

»Und ist es nicht wichtig, daß er Sie kennt, um Sie frei zu machen, wenn ein ungeschickter Mensch Sie arretieren würde?«

Bei dem Gedanken, daß er arretiert werden könnte, sank Herr Gérard in den Fauteuil à la Voltaire.

Aber Herr Jackal war nicht sehr empfindsam: er ließ Herrn Gérard auf seinem Throne und setzte sich aus einen einfachen Stuhl ihm gegenüber.

LVII
Ein guter Rath

Herr Jackal ließ Herrn Gérard einige Secunden, um sich zu erholen.

Endlich schlug Herr Gérard seinen Blick langsam zu ihm aus.

Herr Jackal machte eine Bewegung mit den Schultern.

»Was wollen Sie,« sagte er zu ihm mit scheinbar vollkommener Bonhomie, »das ist eben eine Sache, die diesmal fehlgeschlagen.«

»Welche?«

»Nun, das Kreuz der Ehrenlegion.«

Der arme Herr Gérard, man muß es gestehen, dachte nicht daran.

»Nun,« sagte Herr Jackal, »haben Sie mir nichts Neueres und Ernsteres mitzutheilen?«

»Nein, mein Herr, ich gestehe es.«

»Teufel! Teufel! Teufel! . . . so ist es also an mir, Ihnen etwas zu sagen, was Sie vielleicht interessieren wird.«

Und Herr Jackal schob seine Brille hinaus und heftete seine Luchsaugen aus den Mitunterredner, der sich unter diesem stechenden Blicke unwillkürlich blaß werden fühlte.

Herr Gérard war ihm durch höhere Ordre heilig: aber der Polizeimann hatte deßhalb nicht aus sein Recht moralischer Tortur verzichtet: er vermochte nichts über dies heitere und stoische Gemüth des Herrn Sarranti, der in dem Gefängniß der Verurtheilten den Tod von einem Augenblicke zum andern erwartete: er vermochte alles über den freien und geachteten Herrn Gérard.

Das fühlte Herr Gérard wohl: deßhalb erblaßte er unter dem Blicke des Herrn Jackal.

Jedesmal, so oft er das Hotel der Rue Jerusalem verließ, verließ er es, wie der Patient, der von der ärztlichen Berathung kommt.

Der Unterschied war mehr oder weniger immer der, daß es sich um die gewöhnliche oder die außergewöhnliche Frage handelte.

Diesmal hatte Herr Jackal die außergewöhnliche Frage für ihn in Bereitschaft.

Herr Gérard lieh erblassend dem, was ihn interessieren sollte, sein Ohr.

Aber die Katze hielt die Maus in ihren Krallen und machte sich das Vergnügen, mit ihr zu spielen,

Herr Jackal zog die Tabaksdose aus seiner Tasche, tauchte die zwei Finger hinein und nahm eine ungeheure Prise heraus, die er mit großer Wollust schnupfte.

Herr Gérard wagte es nicht, den Polizeimann zum Sprechen zu drängen und lauschte mit einer Resignation, die nicht von einer gewissen Ungeduld frei war.

»Sie wissen, lieber Herr Gérard,« sagte endlich Herr Jackal, »daß in acht Tagen die Frist abgelaufen ist, welche König Karl X. Herrn Sarranti zuerkannt?«

»Ich weiß es,« murmelte Herr Gérard, indem er aus Herrn Jackal einen Blick voll Unruhe warf.

»Sie wissen ferner, daß der Abbé Dominique übermorgen zurück sein kann . . . vielleicht morgen oder heute schon?«

»Ja, ja, ich weiß auch das,« antwortete der Philantrop an allen Gliedern zitternd.

»O, wenn Sie aber so schon bei dem ersten Worte zittern, das ich an Sie richte, lieber Herr Gérard, so würden Sie sicher ohnmächtig werden, wenn Sie wüßten, um was es sich handelte: und wären Sie ohnmächtig, so würden Sie nicht mehr hören, was ich Ihnen zu sagen habe und was wahrscheinlich noch interessanter ist.«

»Was wollen Sie?« sagte Herr Gérard, »das ist stärker als ich.«

»Nun, was haben Sie von Abbé Dominique zu fürchten, nachdem ich Ihnen gesagt, daß der Papst seine Bitte verwerfen wird?«

Herr Gérard athmete wieder auf.

»Sie glauben?« sagte er.

»Wir kennen Seine Heiligkeit Gregor XVI., das ist eine eiserne Stange.«

Herr Gérard athmete noch mehr auf.

Herr Jackal gab ihm Zeit, seine Lungen mit Luft anzufüllen.

»Nein,« sagte er, »nein, das ist es nicht, was Sie zu fürchten haben.«

»Ach, mein Gott!« murmelte Herr Gérard, »ich habe also etwas zu fürchten?«

»O, mein lieber Herr Gérard, sind Sie so wenig Philosoph, daß Sie nicht wissen, daß der Mensch, diese schwache Creatur, unausgesetzt im Kampfe mit allem, was ihn umgibt, keinen Augenblick Ruhe hätte, wenn er die beständigen Gefahren kenne, durch die er geht, und denen er nur durch ein Wunder entgeht.«

»Ach!« murmelte Herr Gérard, »das ist eine große Wahrheit, die Sie da aussprechen, Herr Jackal.«

»Nachdem Sie dies anerkannt,« versetzte Herr Jackal, indem er sich verbeugte, »so wünsche ich eine Frage an Sie zu richten.«

»Machen Sie sie, mein Herr, machen Sie sie.«

»Die Dichter, Herr Gérard . . . eine geringe Brut, nicht wahr?«

»Ich kenne sie nicht, mein Herr; ich glaube mir nicht den Vorwurf machen zu dürfen, vier Verse in meinem Leben gelesen zu haben.«

»Nun, die Dichter behaupten, daß die Todten bisweilen aus ihrem Grabe ausstehen. Glauben Sie daran?«

Herr Gérard murmelte fünf oder sechs unverständliche Worte und begann heftiger, denn je zu zittern.

»Ich hatte bis jetzt nicht daran geglaubt,« versetzte Herr Jackal; »aber eine Thatsache, die allerneuestens zu meiner Kenntniß kam, hat mich in dieser Sache derart erbaut, daß ich eine These darüber jetzt aufrecht zu erhalten im Stande wäre; nein, sie stehen nicht von selber aus, aber man kann sie auferstehen machen.«

Herr Gérard entfärbte sich immer mehr.

»Hören Sie die Anecdote; ich überlasse Ihnen die Würdigung derselben. Ein Mann von Ihrem Temperamente, von Ihrem Charakter, Ihrer Gesinnung, kurz ein Philantrop, hatte in einem bösen Augenblick – man ist leider nicht vollkommen, lieber Herr Gérard, ich weiß die Wahrheit mehr als irgend Jemand! – seinen Neffen ertränkt; und da er nicht wußte, was mit der Leiche ansangen, – man weiß immer nicht, was mit den Leichen anfangen! das ist’s meist, was den Untergang der Leute herbeiführt, welche andere umbringen – und nicht wissend, was mit der Leiche ansangen, hat er sie in einem dichten Gehölze seines Parkes begraben.«

Herr Gérard stieß einen Seufzer aus und senkte den Kopf.

»Dort glaubte er ihn wohl verborgen. Er ist es auch in der That: aber der Boden besitzt nicht immer die Verschwiegenheit, die man bei ihm voraussetzt. Da kommt nun gar diesen Morgen – ei, du mein Gott, dieser Mann ging gerade weg, als Sie kamen!– ein Mann zu mir und sagt mir wörtlich:

 

»»Mein Herr Jackal, in acht Tagen wird man einen Unschuldigen hinrichten.««

»Sie begreifen, daß ich erstaunte, lieber Herr Gérard, daß ich antwortete, es gebe keinen Unschuldigen mehr, sobald die Justiz das Schuldig ausgesprochen; er legte mir jedoch Stillschweigen auf, indem er sagte:

»»Der, den man hinrichten will, ist unschuldig und den wahren Schuldigen kenne ich.««

Herr Gérard barg seinen Kopf in seinen Händen.

»Ich habe, so viel ich konnte, verneint,« fuhr Herr Jackal fort, »aber der Fremde hemmte meine Worte, indem er sagte:

»»Können Sie über eine Nacht verfügen?««

»»Ja, gewiß,«« antwortete ich ihm.

»»Ueber die nächste Nacht?««

»»Nein, die nächste Nacht ist besetzt.««

»»Nun gut, die übernächste Nacht?««

»»Gewiß . . . zu einer Excursion?« sagte ich obenhin.

»»Zu einer Excursion.««

»Sie begreifen, daß ich zu wissen wünschte, wohin man mich führe.«

»»Innerhalb von Paris oder außerhalb von Paris?«« fragte ich.

»»Außerhalb von Paris.««

Gut.««

»Und es wurde ausgemacht, daß nicht in dieser, sondern in der folgenden Nacht mir der Beweis in die Hände geliefert werden solle, daß nicht der, den man hinrichten wollte, sondern im Gegentheil ein Mensch, der sich in Freiheit befinde, der Schuldige sei.«

»Sie nahmen also die Excursion an?« stotterte Herr Gérard.

»Konnte ich anders? ich frage Sie, der Sie ein Mann von Verstand, Sie wissen, was meine Ausgabe ist? Prudhon hat ein Bild davon gemacht: Die Gerechtigkeit das Verbrechen verfolgend. Sie wissen, daß die Devise des Philosophen von Gens: Vitam impendere vero! auch die meinige ist. Ich mußte sagen: Ich werde kommen!«

»Und Sie kamen?«

»Zum Teufel! ich mußte wohl, ich wurde requiriert: aber ich sagte Ihnen, ich gehe nicht in der nächsten Nacht: ich gehe erst in der übernächsten Nacht – übernächsten Nacht, Sie hören?«

»Ja,« antwortete Herr Gérard, der wirklich hörte, aber ohne zu verstehen, und dessen Zähne wie Castagnetten klapperten.

»Ah! ich wußte es wohl,« machte Herr Jackal, »daß ich Sie durch diese Erzählung interessieren würde.« »Aber»mein Herr, woraus zielt das ab, was Sie mir da sagen, was ist das Resultat der vertraulichen Mittheilung, die Sie mir machen?« stotterte Herr Gérard, sich zum Sprechen anstrengend.

»Was? Wie! Sie merken das nicht? Ich sagte mir: Herr Gérard ist ein Philantrop: wenn er weiß daß ein armer Teufel eine derartige Gefahr läuft wie die, in welche ich ihn bringe, so wird er sich an den Platz dieses armen Teufels, dickes unglücklichen Mörders, dieses bedauerlichen Meuchlers stellen: er wird seine Qualen fühlen, als wenn er selbst schuldig wäre. Ich habe mich nicht getäuscht, wie mir scheint, nicht wahr, lieber Herr Gérard?«

»O nein! . . . o nein! . . . « rief dieser.

»Gut. Dieser erste Erfolg veranlaßt mich fortzufahren. Morgen, um Mitternacht, gehe ich mit diesem andern Philantropen aus das Land: er gleicht Ihnen durchaus nicht, Herr Gérard: denn man kann wohl sagen, zwischen Philantrop und Philantrop ist ein Unterschied, wie Moliere sagte, zwischen Reisigbündel und Reisigbündel sei ein Unterschied: ich weiß nicht, wohin wir unsere Richtung nehmen werden, er hat mir nichts davon gesagt: aber mit einer Scharfsichtigkeit, die ich meiner langen Erfahrung danke, ahne ich, daß es die Richtung der Cour-de-France sein wird.«

»Der Cour-de-France!«

»Ia . . . Sind wir dort angekommen, so schlagen wir den Weg nach rechts oder nach links ein, nach rechts wahrscheinlich: wir treten, – wie? ich weiß es nicht: – wahrscheinlich in einen Park. Wir constatiren dort das Vorhandensein eines Skelettes in einem Loche. Wir nehmen ein Protocoll auf und überbringen die Frucht dieser peinlichen Arbeit dem Herrn Procurator des Königs, der sich nach neuen Nachforschungen gezwungen sieht, den Herrn Minister der Justiz zu bitten, die Execution des Herrn Sarranti zu verschieben.«

»Des Herrn Sarranti?« rief Herr Gérard.

»Sagte ich, des Herrn Sarranti? Der Name ist mir entschlüpft: Ich habe, ich weiß nicht weßhalb, ewig den Namen dieses Teufels von Menschen im Munde . . . Man verschiebt also die Execution. , Man decretirt die Arrestation des wirklich Schuldigen – eine neue Instruction beginnt . . . Sie begreifen doch, nicht wahr?«

»Gewiß ,« antwortete Herr Gérard, in dessen Blicken durch eine schwarze Wolle der rothe Galgen der Gehenkten ersichtbar zu werden schien.

»Es ist eine furchtbare Lage für den armen Mörder,« sagte Herr Jackal, »denn sehen Sie mal den braven Mann; er geht in der Sonne des lieben Gottes spazieren, die beiden Hände in den Taschen, frei wie die Luft; plötzlich sieht er elende Gendarmen kommen, die ihn aus der Sonne wegschleppen, um ihn in den Schatten zu schleudern, und ihm die Hände aus den Taschen reißen, um ihn zu fesseln; er wird seine unschuldige Ruhe zerstört, seine gewöhnliche Heiterkeit vernichtet sehen und das, ich weiß nicht durch welche brutale Formalität, durch welches minutiöse Detail; dann wird er bereuen, daß er den Weg des Heils nicht benützte, den ich ihm geöffnet.«

»Aber gibt es denn einen solchen?« rief Herr Gérard.

»Wahrhaftig, lieber Herr Gérard,« sagte der Polizeimann, »Sie müssen einen sehr harten Kopf, ein sehr stumpfes Gehirn und ein sehr kurzes Gedächtniß haben.«

»Ach, mein Gott!« rief der ehrenwerthe Herr Gérard, »ich höre dennoch mit beiden Ohren.«

»Sehen Sie,« machte Herr Jackal. »Das beweist, daß das Resultat nicht immer im Verhältniß mit der Geistesfähigkeit steht. Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß ich mich weigerte, die Expedition in der nächsten Nacht zu unternehmen?«

»Allerdings.«

»Daß ich sie von der morgenden Nacht auf die von übermorgen verschoben?«

»Das sagten Sie.«

»Nun gut!«

Herr Gérard hatte den Mund offen und wartete.

»Wahrhaftig!« sagte Herr Jackal, die Achseln zuckend über eine solche Stupidität. »Das ist ja das Abc der Kunst und man muß ein so ehrbarer Mann sein wie Sie, um nicht bereits begriffen zu haben.«

Herr Gérard machte einige verzweifelte Bewegungen mit Kopf und Händen, die, verbunden mit den rauhen Tönen, welche aus seinem Halse hervorkamen, sagen wollten: »Fahren Sie fort!«

»Ich weiß wohl, daß das in keinem Bezügnisse zu Ihnen steht,« fuhr Herr Jackal fort; »daß Sie kein Interesse haben, den Mörder eines Andern zu verbergen. Aber nehmen Sie doch mal einen Augenblick an, – was sich eigentlich gar nicht annehmen läßt, – daß das Verbrechen statt von einem Andern von Ihnen begangen worden wäre, daß statt von einem Andern begraben worden zu sein, der Leichnam von Ihnen begraben worden wäre. Nehmen Sie an, daß der Schauplatz des Verbrechens ein Besitzthum wäre, das Ihnen gehörte . . . das Schloß von Viry zum Beispiel: nehmen Sie an, Sie kennen das Gehölz und den Baum, dessen geheimnißvollem Schatten der Leichnam anvertraut worden; nehmen Sie an, Sie wüßten, daß in der Nacht von morgen oder übermorgen sich das Gericht nach dem Schlosse von Viry begeben und eine Untersuchung in dem Parke anstellen müßte; nun, was würden Sie in der Nacht zu thun haben, die Ihnen ein Freund verschafft, während der Nacht von morgen auf übermorgen zum Beispiel?«

»Was ich zu thun hätte? . . . «

»Ja . . . «

»Damit man ihn nicht fände . . . «

»Den Leichnam? – Ja.«

»Ich müßte …«

Herr Gérard trocknete sich den Schweiß von der Stirne, der in dicken Tropfen über dieselbe rollte.

»Nun, vollenden Sie doch! Sie müßten . . . «

»Ich müßte ihn weg . . . «

»Weg . . . «

»Wegschaffen, verschwinden lassen.«

»Gottlob! … Ah, lieber Herr Gérard, welch’ träge Phantasie haben Sie! Sie müssen sie durch die Landluft, durch die Nachtluft auffrischen. Ich verabschiede Sie denn für heute und morgen. Es wird ein glänzender Tag werden; das ist ein Glück für einen Naturliebhaber. Gehen Sie auf das Land, gehen Sie, und wer weiß, ob in dem Gehölz von Meudon oder Vanvres – die Gehölze sind die Trösteinsamkeiten für Fischer wie er – wer weiß, ob Sie nicht den armen Teufel von Mörder finden, den Sie mit Ihrer gewöhnlichen Milde vor einer kleinen Gefahr, in die er läuft, retten.«

»Ich begreife Sie!« rief Herr Gérard, indem er die Hand des Polizeimannes küßte. »Danke!«

»Pfui!« sagte Herr Jackal, indem er verächtlich den Mörder zurückstieß, »glauben Sie denn, daß ich alles das thue, um Ihren elenden Rumpf zu retten. Gehen Sie, gehen Sie, Sie sind gewarnt; das Uebrige ist Ihre Sache.«

Herr Gérard stürzte aus dem Cabinet des Herrn Jackal.

»Pah!« machte der Letztere mit einem Blick aus die Thüre, die sich hinter Jenem schloß.

29Es lebe die Weite!
30Eine kleine Tasse schwarzen Kaffees mit Branntwein.
31Name eines Asyls, daß die französischen Refugiés nach der Restauration in Texas zu gründen beabsichtigten. D. Uebers.
32Es lebe die Weite!
Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»