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Ritter von Harmental

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Auf einem Stuhle lag ein Rock, der mit einem neuen rothen Achselbande geschmückt war; so wie ein Hut, an dem eine neue Treffe prangte; daneben stand der riesige Degen, den Ravanne mit dem Bratspieß in der Küche seiner Frau Mutter verglichen hatte. »Wie, Sie sind’s Chevalier!« rief der Capitain, »Sie finden mich hier in der Mitte meines Serails.« »Ja, ich bin’s, mein Herr Pascha,« versetzte Harmental, welcher nicht umhin konnte, über die groteske Gruppe, die sich einen Blicken darbot, zu lächeln, ich sehe, Sie gaben mir keine falsche Adresse, und ich freue mich Ihrer Wahrhaftigkeit.«

»Seyn Sie mir willkommen,« sprach der Capitain, »nehmen Sie Platz, langen Sie zu, und Sie, meine schönen Damen, bedienen Sie den Herrn mit dem Anstande, der Sie charakterisiert. Jetzt essen und trinken Sie, Chevalier, so, als ob Sie zu Hause wären, denn Sie müssen wissen, es ist Ihr Pferd, das wir hier verspeisen; zur Hälfte ist es schon fort, das arme Thier, die andere Hälfte aber ist noch übrig.«

»Dank, Dank, Capitain! Ich habe bereits zu Mittag gegessen, möchte aber gern einige Worte mit Ihnen unter vier Augen reden; wenn Sie es anders erlauben?«

»Nein, zum Henker, das erlaube ich nicht,« versetzte der Capitain, »es wäre denn, daß wieder von einem Zweikampfe die Rede wäre.«

»Diesmal, Capitain, betrifft es ein anderes wichtiges Geschäft.«

»Ein Geschäft, ganz gehorsamer Diener, da kann ich nicht dienen, Chevalier. Ich will heut von keinem Geschäft etwas wissen. Ich habe Geld in der Tasche bis morgen Abend. Die Geschäfte also auf übermorgen, Chevalier!«

»Also übermorgen kann ich ganz bestimmt auf Sie zählen?« fragte Harmental ernsthaft.

»Dann stehe ich mit Leib und Seele zu Ihren Diensten. Auf übermorgen also. Wo aber werde ich Sie alsdann finden?«

»Geben Sie acht,« flüsterte Harmental ihm in’s Ohr, finden Sie sich Vormittags zwischen elf und zwölf Uhr in der Straße du Temps perdu ein, blicken Sie dort um sich, man wird Sie aus einem Hause rufen, Sie steigen alsdann die Treppe hinan, bis Sie einen alten Bekannten treffen; dort wartet ein gutes Frühstück auf Sie.«

»Abgemacht, Chevalier,« erwiderte der Capitain, zwischen elf und zwölf Uhr Vormittags. – Verzeihung, wenn ich Ihnen nicht das Geleite gebe, Sie wissen, das ist nicht Sitte bei den Türken.«

Der Chevalier winkte mit der Hand, zum Zeichen, daß er ihn dieser Förmlichkeit entbinde, und kaum war er wieder auf der Treppe, als er vernahm, wie der Capitain Pascha das Tischlied, welches ein Eintreten unterbrochen hatte, wieder anstimmte.

VIII.
Das Dachstübchen

Am folgenden Tage erschien der Abbé Brigaud bei dem Chevalier, zu derselben Stunde, wie am vergangenen Tage. Er überbrachte ihm drei, für diesen höchst nützliche Dinge: einen Anzug, einen Paß und einen Bericht der geheimen Polizei des Prinzen Cellamare, rücksichtlich dessen, was der Regent an dem Tage, den 24. März 1718, vorhabe.

Der Chevalier probierte den Anzug, welcher der eines einfachen Bürgers war, und er fand ihm trefflich. Der Paß lautete auf den Namen des Signor Diego, Intendant des edlen Hauses von Oropesa, welcher den Auftrag habe, nach Spanien einen Geisteskranken zu führen, einen Bastard des obengenannten Geschlechts, der die fixe Idee habe, sich für den Regenten von Frankreich zu halten; eine Vorsichtsmaaßregel, welche nöthig war, den Protestationen vorzubeugen, die der Herzog unterwegs aus seinem Wagen etwa machen sollte. Da nun der Paß vollkommen in Ordnung, von dem Prinzen Cellamare unterzeichnet und von Argenson, dem Polizei-Lieutenant, contrasigniert war; so stand der Sache, befand sich der Regent nur einmal im Wagen, nichts im Wege. Die Unterschrift Argenson’s war so geschickt nachgeahmt, daß sie dem Calligraphen des Prinzen Cellamare die größte Ehre machte.

Der Bericht der geheimen Polizei war ein Meisterstück der Klarheit und der Pünktlichkeit, wir geben ihn hier wörtlich wieder, theils um eine Schilderung der Lebensweise des Regenten zu liefern, theils um unsern Lesern einen Begriff von den Kundschaftern des Spanischen Gesandten zu geben. Der Rapport war von zwei Uhr Morgens datiert, und lautete:

»Heute wird der Regent spät aufstehen, den es war Souper in den kleinen Gemächern. Frau von Averne war dort zum ersten mal zugegen, sie remplacierte Frau von Parabere. Die übrigen Damen waren die Herzogin von Falaris und Frau vor Laferi, Ehrendame bei Madame. Von Männer waren anwesend: der Marquis von Broglie, der Graf von Nace, der Marquis von Camillac, der Herzog von Brancas und der Chevalier von Sémiane. De Marquis von Lafare und der Graf von Fargy waren wegen Unpäßlichkeit, deren Grund man nicht kannte, abwesend.«

»Gegen Mittag wird das Conseil stattfinden Der Regent wird darin dem Herzog von Maine dem Prinzen Conti, dem Herzog von St. Simon dem Herzog von Guiche u. s. w. das Projekt in Betreff der Quadrupel-Allianz communizieren, welche ihm der Abbé Dubois sandte, indem er ihm sein Rückkehr innerhalb drei bis vier Tage ankündigte.«

Der übrige Theil des Tages wird ganz und gar der Vaterschaft gewidmet. Vorgestern hat de Regent eine Tochter verheirathen lassen, die ihm die Desmaret gebar, und die bei den frommen Schwestern zu St. Denis erzogen worden. Sie speist mit ihrem Gemahl im Palais Royal, und nach dem Mittagsmahle führt der Regent sie in die Oper, und zwar in die Loge der Prinzessin Charlotte von Baiern. Die Desmaret, welche ihre Tochter seit sechs Jahren nicht sah, ist benachrichtigt, daß wenn sie solche zu sehen wünsche, sie sich ins Theater zu begeben habe.«

»Der Regent macht, trotz einer Caprize für die Frau von Averne, der Marquise von Sabran die Cour. Die Letztere spielt noch die Treue, zwar nicht gegen ihren Gemahl, doch gegen den Herzog von Richelieu. Um bei ihr seine Absicht zu erreichen, hat der Regent gestern den Herrn von Sabran zu seinem maitre d’hôtel ernannt.«

»Ich meine, das ist ein ausführlicher Bericht, sprach der Abbé, nachdem der Chevalier seine Lesung beendigt hatte.

»Allerdings, mein lieber Abbé, versetzte Harmental; »wenn aber der Regent mir in der Folge nicht mehr Gelegenheit giebt, seiner habhaft zu werden, so wird es mir unmöglich seyn, ihn nach Spanien zu führen.«

»Nur Geduld!« versetzte Brigaud, »es giebt eine Zeit für Alles; böte uns auch heute der Regent eine gute Gelegenheit dar, so wären Sie gewiß noch nicht vorbereitet genug, um sie benutzen zu können.«

»Da haben Sie recht.«

»Da sehen Sie wieder, daß, was Gott thut, wohlgethan ist; er läßt uns den heutigen Tag, benutzen wir ihn, um Ihre Wohnung zu verändern!«

Dies Letztere war bald bewerkstelligt. Harmental nahm sein baares Geld, einige Bücher, ein Päckchen mit seiner neuen Garderobe, stieg in einen Wagen, fuhr zu dem Abbé und sandte den Wagen zurück, mit dem Bescheide: daß er diesen Abend aufs Land fahre, erst in zehn bis zwölf Tagen zurückkehren werde, und man also nicht auf ihn warten möchte; worauf er seine Kleider wechselte, und sich von dem Abbé Brigaud geführt, nach seiner neuen Wohnung begab.

Dies war ein Zimmer, oder vielmehr ein Dachstübchen, mit angränzendem Cabinet im vierten Stockwerk. Die Eigenthümerin war eine alte Bekanntschaft des Abbé Brigaud, auch hatte diese aus Rücksicht auf die Empfehlung des Letzteren, es sich zu Gunsten des jungen Menschen aus der Provinz, etwas kosten lassen: er fand saubere blendend weiße Vorhänge und die feinste Wäsche; eine Art von Bibliothek, kurz Alles, was eine leidliche Bequemlichkeit versprach.

Madame Denis, so nannte sich diese Frau, erwartete ihren neuen Miethsmann, um ihn selbst in seine neue Wohnung einzuführen; sie pries ihm alle Annehmlichkeiten derselben, versicherte, daß, wenn es nicht so schlechte Zeiten wären, sie für diese Zimmer die doppelte Miethe verlangt hätte, und daß ihr Haus das beste im ganzen Stadtviertel say; auch empfahl sie, nachdem sie sich wieder hinab begeben hatte, dem Portier die größte Rücksicht und Aufmerksamkeit für den neuen Hausgenossen.

Bevor der Abbé Brigaud sich hinweg begab, benachrichtigte er Madame Denis, daß sein junger Schützling sehr eingezogen leben und daß Niemand ihn besuchen werde, als er und ein Freund seines Vaters, ein alter Militair, von etwas derbem Wesen, aber redlichem Charakter; die letzte Bemerkung hielt der Abbé für nothwendig, damit das Erscheinen des Capitains der Hauswirthin nicht auffalle.

Als der Chevalier sich allein befand, und erst das Zimmer in Augenschein genommen hatte, öffnete derselbe das Fenster, um sich in der Nachbarschaft ein wenig umzuschauen. Die Straße war kaum zehn bis zwölf Schritte breit, welches unserm Helden sehr angenehm war, denn im Fall einer Verfolgung, hoffte er, mittelst eines Brettes über dieselbe hinweg gelangen und sich auf diese Weise retten zu können; zu diesem Zweck beschloß er, womit den gegenüberwohnenden Personen Bekanntschaft zu machen und gute Nachbarschaft zu halten.

Leider schien man indeß in seinem Vis a vis für die Geselligkeit nicht gestimmt. Nicht nur war das Fenster fast hermetisch verschlossen, sondern die Vorhänge hinter demselben, waren auch fest zugezogen; in zweites Fenster, das zu demselben Zimmer zu gehören schien, war auf gleich sorgsame Weise verwahrt.

Das Haus gegenüber hatte auch noch sein fünftes Stockwerk, oder eine Art von Terrasse; ein Dachstübchen, welches sich über den verschlossenen, so eben beschriebenen Fenstern befand, ging auf die Terrasse hinaus. Es war ohne Zweifel die Wohnung eines großen Freundes der Gartenkunst, denn er hatte, ganz gewiß nicht ohne ungemeine Geduld und Mühseligkeit, die Terrasse zu einer Art Garten umgeschaffen, der eine Laube, Blumenbeete, ja sogar einen Springbrunnen hatte.

Da es unterdessen kalt zu werden begann, schloß Harmental sein Fenster wieder, zog ein Kleid aus, hüllte sich in einen Schlafrock, warf sich in einen ziemlich bequemen Lehnsessel und nahm ein Buch zur Hand. Als er indessen später von demselben wieder aufblickte, gewahrte er, daß das vorhin so sorgsam verschlossen gehaltene Fenster, jetzt plötzlich weit geöffnet say. Er trat schnell wieder an ein Fenster, zog den Vorhang etwas zurück und sandte einen forschenden Blick hinein in das ihm gegenüberliegende Gemach. Es war ein, allem Anscheine nach, von einem weiblichen Wesen bewohntes Zimmer. Neben dem Fenster, aus welchem jetzt ein kleines naseweißes Windspiel hinaus auf die Straße schauete, fand ein Stickrahmen. In der Tiefe des Gemachs zeigte sich ein Clavier, die Wände waren mit Kupferstichen und Gemälden geschmückt. Durch das zweite jetzt gleichfalls geöffnete Fenster sah man die Vorhänge eines Alkovens, hinter denen wahrscheinlich das Bett fand. Das übrige Geräth war höchst einfach, aber rein und sauber, und bewies den guten Geschmack der Bewohnerin.

 

Eine alte Frau kehrte und säuberte das Zimmer, vermuthlich die Abwesenheit ihrer Herrin benutzend, denn man gewahrte nur jene.

Plötzlich schien das Windspiel viel angeregter als zuvor, es neigte den Kopf hinab in die Straße, spitzte die Ohren und hob die Vorderpfoten, wie zum freundlichen Gruß. Der Chevalier schloß aus diesem Zeichen, daß die Bewohnerin des Gemachs sich nähere; er öffnete jetzt schnell sein Fenster. Leider aber war es schon zu spät, er erblickte niemand in der Gasse. Jetzt aber sprang das Windspiel vom Fenster hinab und rannte zur Thür. Harmental zog jetzt den Schluß, daß die Bewohnerin die Treppe heraufkomme und um sie unbemerkter zu beobachten, zog er sich hinter den Vorhang zurück; da aber trat die Frau gegenüber an das Fenster und schloß es wieder; dies hatte unser Chevalier nicht erwartet und unmuthig warf er sich wieder in seinen Lehnsessel.

Endlich begann ihm indeß, die Zeit lang zu werden, der Anblick des Claviers und der Bilder im Zimmer ihm gegenüber, hatte bei ihm die Erinnerung geweckt, daß er auch Clavierspielen und Zeichnen könne. Er klingelte dem Portier, gab ihm Geld und gebot ihm, ein Clavier zu miethen und Zeichenmaterialien anzuschaffen. Eine halbe Stunde darauf befand er sich in dem Besitz des Verlangten, so leicht konnte man sich schon in jener Zeit in Paris alles verschaffen.

IX.
Die schöne Nachbarin der Strasse du Temps perdu

Harmental hatte sich an sein Clavier gesetzt, und trommelte nach besten Kräften darauf herum. Als er eine Weile gespielt hatte, gewahrte er, wie am Fenster ihm gegenüber fünf zarte Fingerchen plötzlich den Vorhang zurückschoben, um zu sehen, von woher die ungewohnten Töne erschallten. Leider vergaß der Chevalier über diesen Anblick eine musikalische Beschäftigung, und in der Hoffnung, hinter den hübschen Fingern auch die dazu gehörende Person zu erschauen, schlüpfte er hinter den Fenstervorhang Dies schlecht berechnete Maneuvre aber vereitelte seine Absicht. Die neugierige Bewohnerin des Gemachs, die sich auf diese Weise ertappt sah, ließ schnell den Vorhang wieder sinken. Harmental schloß darüber verdrießlich das Fenster und zürnte während des ganzen übrigen Tages insgeheim auf seine Nachbarin.

Den Abend vertrieb er sich mit Zeichnen, Lesen und Clavierspielen. Nie noch war es ihm so bemerkbar geworden, daß eine Stunde so viele Minuten und ein Tag so viele Stunden hätte. Um zehn Uhr Abends klingelte er, um dem Portier seine Aufträge für den folgenden Tag zu geben, dieser aber erschien nicht, denn er lag schon lange auf dem Ohr. Madame Denis hatte recht, ihr Haus war ein ruhiges Haus. Der Chevalier erfuhr jetzt zuerst, daß es Leute gäbe, die sich zu der Zeit zu Bette legten, in welcher er sonst begann, seine Besuche abzustatten. Das gab ihm viel nachzudenken über jene so außerordentlich unglückliche Menschenklassen, welche weder die Oper, noch die petits Soupérs kannte, die Nacht hindurch schlief und am Tage wachte, er freute sich darauf, seine Freunde bei erster Gelegenheit mit dieser seltsamen Lebensweise bekannt zu machen.

Etwas machte ihm indeß Vergnügen, nämlich, daß seine Nachbarin gegenüber gleich ihm noch wach war; es bewies, daß sie höher stand als ihre Umgebung. Harmental war des festen Glaubens, daß man nur wache, wenn man nicht Lust habe zum Schlafen, oder weil man Lust habe sich zu amüsieren; er vergaß diejenigen, welche wachen müssen, weil sie nicht anders können.

Um Mitternacht erlosch endlich das Licht im Zimmer gegenüber, und Harmental seinerseits begab sich ebenfalls zur Ruhe. Früh um acht Uhr am andern Morgen stellte sich der Abbé Brigaud bei ihm ein und überbrachte dem Chevalier den zweiten Bericht der geheimen Polizei des Prinzen Cellamare, derselbe lautete, wie folgt:

»Drei Uhr Morgens.«

»In Folge seiner gestrigen soliden Lebensweise befahl der Regent, ihn schon Morgens neun Uhr zu wecken. Er wird bei seinem Levée einige bezeichnete Personen empfangen. Von zehn Uhr bis Mittag wird öffentliche Audienz seyn. Von Mittag bis ein Uhr wird der Regent mit Villére und Leblanc arbeiten. Von eins bis zwei wird er empfangene Briefe eröffnen. Um zwei ein halb Uhr begiebt er sich ins Conseil und dann zum Könige.«

»Um drei Uhr verfügt er sich zum Ballspiel in der Straße la Seine, um mit Brancas und Camillac gegen den Herzog von Richelieu, den Marquis von Broglie und den Graf de Gace zu spielen. Um sechs Uhr wird er bei der Herzogin von Berry speisen und den Abend dort zubringen. Von da wird er ohne Leibwache nach dem Palais Royal zurückkehren, wenn anders ihn die Herzogin von Berry nicht escortieren läßt.«

»Alle Teufel! ohne Leibwache! was meinen Sie dazu, rief Harmental, indem er rasch anfing, sich in die Kleider zu werfen, »läuft Ihnen nicht dabei das Wasser in den Mund?«

»Ohne Leibwache, allerdings, erwiderte der Abbé, »aber in Begleitung von Lakaien, Dienern, einem Kutscher u.s.w, ein Volk, das sich zwar herzlich schlecht schlägt, aber desto besser schreiet. Darum Geduld, junger Freund, Sie sind zu prefirt Grand von Spanien zu werden.«

»Das grade nicht, mein lieber Abbé, aber ich bin es überdrüssig, länger in einer Dachstube zu wohnen, wo ich, wie Sie sehen, genöthigt bin, mir bei meiner Toilette selbst zu helfen. Glauben Sie denn, es habe nichts auf sich, sich Abends zehn Uhr zu Bette legen und sich ohne Kammerdiener ankleiden zu müssen.«

»Sie haben aber hier, wie ich höre, Musik, bemerkte der Abbé.

»Wahrhaftig, man singt, öffnen Sie das Fenster, Abbé, damit die Nachbarn sehen, daß ich gute Gesellschaft empfange.«

»Nicht übel, bei meiner Seel, sprach der Abbé, indem er that, was Harmental verlangte.

»Nicht übel! weit mehr, Abbé, es ist eine wahrhafte Armide, wie ich Ihnen sage. Der Teufel soll mich holen, wenn ich glaubte, dergleichen im vierten Stockwerk der Straße du Temps perdu zu finden.

»Ich will Ihnen etwas prophezeihen, Chevalier, nahm der Abbé wieder das Wort, wenn die Sängerin nämlich jung und hübsch ist, so werden wir nach acht Tagen eben so viele Mühe haben, Sie von hier fortzubringen, als wir jetzt haben, Sie hier zurück zu halten.«

»Mein lieber Abbé,« entgegnete Harmental kopfschüttelnd, »wenn Ihre Polizei eben so gewandt wäre als die des Prinzen von Cellamare, so würden Sie wissen, daß ich von der Liebe auf immerdar geheilt bin, hier der Beweis: Ich gebe mich nicht blos dem Seufzen hin und nähre mich vom Schmachten, sondern ich bitte Sie, mir so etwas wie eine kalte Pastete und ein Dutzend Flaschen trefflichen Weins heraufbesorgen zu lassen. Ich verlassen mich dabei auf Sie, ich weiß, Sie sind ein Kenner. Besorgen Sie es, scheint es die Fürsorge eines Vormunds, schicke ich aber selbst danach, wird man es für die Verschwendung eines jungen Leichtsinnigen halten und ich möchte gern in den Augen der Madame Denis meinen Ruf schützen.«

»In einer Stunde soll alles hier seyn.«

»Wann werde ich Sie wiedersehen?«

»Wahrscheinlich morgen.«

Also auf Wiedersehen! für heute schicke ich Sie fort, ich erwarte jemand in Betreff unserer Angelegenheit.«

»Der Himmel beschütze Sie,« sprach der Abbé, indem er sich hinweg begab.

Kaum hatte er sich entfernt, als Harmental sich hinter seinen Vorhang stellte, und mit der gespanntesten Aufmerksamkeit dem Spiel und Gesange horcht, die so viel es das verschlossene Fenster zuließ, aus dem Zimmer gegenüber zu ihm her erklangen, und eine geübte Meisterin verkündeten. Auch konnte sich Harmental, nach einer schwierigen aber äußerst gelungenen Passage, nicht enthalten, in die Hände zu klatschen und mit lauter Stimme »Bravo! bravo!« zu rufen. Leider aber schüchterte wahrscheinlich dieser Triumph, an den sie in ihrer Einsamkeit ohne Zweifel nicht gewohnt war, die Sängerin dergestalt ein, daß Spiel und Gesang augenblicklich verstummten.

Dagegen aber gewahrte er jetzt, wie sich über dem verhängnißvollen Fenster die Thür des Dachstübchens öffnete, und aus derselben eine Hand hervorgestreckt wurde, so als ob ihr Inhaber untersuchen wolle, wie das Wetter say. Die Antwort des Wetters schien befriedigend auszufallen, denn gleich darauf folgte der Hand ein mit einer baumwollenen Mütze bedeckter Kopf, und dann ein in einen Schlafrock gehüllter Oberkörper. Noch immer vermochte der Chevalier nicht zu entscheiden, welchem Geschlechte diejenige Person angehöre, welche im Begriff schien, sich nur mit der größten Vorsicht der Morgenluft auszusetzen. Endlich ermuthigte ein, zwischen zwei Wolken heraustretender Sonnenstrahl, den Bewohner des Dachstübchens, sich vollständig aus seiner hochgelegenen Behausung hervorzuwagen, und Harmental erkannte jetzt, daß das, was er für einen Schlafrock gehalten, nur ein Camisol gewesen, wobei die kurzen schwarzsammtenen Beinkleider und die gewebten grauen Stümpfe ihm verkündeten, daß sein Nachbar gegenüber dem männlichen Geschlechte angehöre. Es war der Gartenanbauer, von dem wir bereits erzählt haben.

Das schlechte Wetter der vergangenen Tag hatte ihn ohne Zweifel abgehalten, seinen Morgenspaziergang zu machen und seinen Gartenanlagen die gewohnte Pflege zu spenden, denn er fing an denselben emsig zu durchschreiten, so als wolle er erforschen, ob der Wind oder der Regen kein Unheil angerichtet habe. Nach einer sorgsamen Untersuchung der Laube, des Springbrunnens und einer kleinen mit Muscheln verzierten Grotte aber, welches die drei Hauptzierrathen des Gartens ausmachten, blitzte ein. Lächeln der Zufriedenheit aus dem Antlitz des Gartenanbauers, dem Sonnenstrahle gleich, der aus den Wolken gedrungen war. Er hatte sich überzeugt, daß nicht nur alles in gehöriger Ordnung say, sondern daß sich sogar der Wasserbehälter seines Springbrunnens bis zum Ueberfließen mit Regenwasser angefüllt hatte. Er glaubte daher sich das Vergnügen gönnen zu können, den Springbrunnen spielen zu lassen, eine Ergötzlichkeit, welche er sich, dem Beispiele Ludwigs XIV. folgend, nur an Sonntagen gestattete. Er drehte einen Hahn und majestätisch erhob sich der Wasserstrahl drei bis vier Fuß in die Höhe. Der gute Mann hatte daran eine so herzliche Freude, daß er mit lauter Stimme fröhlich ein altes Lied zu singen begann, was unserm Chevalier schon als Wiegenlied vorgesungen war; dann rannte er plötzlich an das Fenster und rief mehrmals hinein: »Bathilde! Bathilde!«

Harmental bemerkte jetzt, daß zwischen dem fünften und vierten Stockwerke des Hauses gegenüber, irgend eine architektonische Communication stattfinden müsse, so wie eine Verbindung, von welcher Art sie auch sein mochte, zwischen dem Gartenanbauer und der Sängerin. Da er sich in Folge dessen die Möglichkeit dachte, daß die Musikerin vielleicht auf der Terrasse erscheinen würde und ihr früheres Verstummen ihm einen hinlänglichen Beweis für ihre Schüchternheit gegeben hatte, so schloß er sogleich sein Fenster und zog die Vorhänge desselben zu; wobei er indeß Sorge trug, eine Oeffnung zu lassen, groß genug, um hindurchblicken zu können, ohne selbst gesehen zu werden.

Was er vorausgesehen hatte, traf ein. Nach wenigen Augenblicken zeigte sich im Fenster des Dachstübchens ein ganz allerliebster Mädchenkopf; weiter aber wollte sich die Besitzerin desselben nicht wagen, vermuthlich weil das Terrain, auf welches sich derjenige, der sie gerufen, gewagt hatte, für sie zu feucht war. Das kleine Windspiel, eben so furchtsam als seine Gebieterin, blieb dieser zur Seite, eine kleinen milchweißen Pfoten ruhten auf dem Gesims des Fensters und es schüttelte das niedliche Köpfchen, so als weigere es sich, gleich seiner Herrin, den vielfachen Aufforderungen, sich weiter zu wagen, Folge, zu leisten.

Es entspann sich jetzt ein kleines Gespräch zwischen dem Gartenanbauer und dem jungen Mädchen, so daß Harmental Muße hatte, die Letztere mit um so weniger Zerstreuung zu betrachten, da sein geschlossenes Fenster ihn verhinderte, von der Unterredung etwas zu vernehmen.

 

Sie schien grade jenes entzückende Alter erreicht zu haben, in welchem das Mädchen vom Kinde zur Jungfrau übergeht, in dem sich bei ihm Gefühl, Anmuth und Schönheit entfalten. Bei dem ersten Blick überzeugte man sich, daß sie nicht weniger als sechzehn und nicht mehr als achtzehn Jahre zähle. Es zeigte sich in ihrem Antlitz eine wundervolle, aber zugleich auch wunderbare Mischung. Das Haar war blond, der Teint blendend weiß, zart und durchsichtig wie der der Engländerinnen, ihr Auge aber war schwarz, ihre Lippen purpurroth, und ihre Zähne perlengleich wie die einer Spanierin.

Der Chevalier stand da wie bezaubert; wirklich hatte er in seinem ganzen Leben nur zwei Arten Weiber geschaut: die runden und rüstigen Frauen zu Nivernais, mit ihren colossalen Füßen, den großen breiten Händen, den kurzen Röcken und gewaltigen Strohhüten; und die Frauen der Pariser Aristokratie, schön allerdings, aber von jener welken Schönheit, welche unter den Nachtwachen und den Vergnügungen gelitten, die den Blumen glichen, welche die Sonne nur durch Fensterscheiben bestrahlt, die frische Morgenluft aber niemals erfrischend umfächelt. Er kannte also noch nicht diesen bürgerlichen Typus, den vermittelnden Typus, um uns dieses Ausdrucks zu bedienen, zwischen der vornehmen, Welt und der Bevölkerung des Landes, welcher die ganze Eleganz der einen, und die ganze frische Gesundheit der andern in sich vereint. Harmental stand, wie wir bereits berichtet haben, wie festgezaubert an seinem Fenster da, und noch lange, nachdem sich der reizende Mädchenkopf wieder zurückgezogen hatte, starrte er zu der Terrasse hinauf, wo die entzückende Erscheinung seinen Augen entschwunden war.

Das Geräusch seiner Thür, welche sich öffnete, entriß ihn seinen süßen Träumereien. Es war die kalte Pastete und der köstliche Wein des Abbé Brigaud, welche jetzt in das Dachstübchen des Ritters von Harmental ihren feierlichen Einzug hielten, Der Anblick dieser Stärkungsmittel erinnerte ihn daran, daß es für den Augenblick andere Dinge für ihn zu thun gäbe, als sich dem beobachtenden Leben zu über lassen, und daß er, einer weit wichtigeren Angelegenheit wegen, dem Capitain Roquefinette ein Rendezvous gegeben habe. Er zog daher seine Uhr hervor, und gewahrt, daß es bereits zehn Uhr say. Dies war, wie der geneigte Leser sich erinnern wird, die verabredete Stunde. Er verabschiedete daher schnell den Ueberbringer der Speisen und Getränke, ordnete, um später nicht der Bedienung des Portiers zu bedürfen, alles auf den Tische, und öffnete alsdann das Fenster wieder, um die Ankunft des Capitains Roquefinette zu erwarten.

Kaum befand er sich einige Augenblicke auf seinem Observatorium, als er auch sofort den würdigen Kriegsmann erschaute, der gerade in diesem Moment die Ecke der Straße Gros-Chenet umschritt; die Nase hoch in der Luft trug, die Hand in die Seite gesetzt hatte, und das martialische bestimmte Wesen zeigt, wie jemand, der gleich dem alten griechischen Philosophen, meint, daß er sein Alles mit sich führe. Sein Hut, dieser Thermometer, an welchem jedermann sofort den finanziellen Zustand seines Herrn erkennen konnte, und der an Tagen, an welchen seine Börse gefüllt war, breit und grade auf seinem Kopfe saß, hatte wieder jene verdächtige schiefe Stellung angenommen, die er, wie sich unsere freundlichen Leser erinnern werden, an jenem Morgen zeigte, als der würdige Capitain Roquefinette mit dem Baron Valef auf dem Pont-Neuf zuerst zusammentraf. Die eine Spitze des Hutes berührte fast die Schulter, während die andere, wenn der Capitain nämlich zu Franklins Zeiten gelebt hätte, diesem die erste Idee zu einem Blitzableiter hätte geben können.

Als ungefähr so das Drittheil der Straße durchschritten war, hob er den Kopf noch mehr und blickte nach allen Seiten um sich, so daß er grade über sich den seiner harrenden Chevalier gewahrte; der Erwartete und der Erwartende wechselten ein Zeichen mit einander, worauf der Capitain der die Entfernung mit einem strategischen Blicke maaß, und sogleich die rechte Thür fand, die Schwelle überschritt, und durch das stille Haus der Madame Denis ging, martialisch und lärmend, so als ob er sich in einer öffentlichen Herberge befinde. Der Chevalier seinerseits schloß jetzt vorsichtig das Fenster wieder und zog bedächtig die Vorhänge desselben zu. Geschah das, damit die schöne Nachbarin ihn nicht in Gesellschaft dieses Capitains schaue, oder damit der Capitain diese nicht erschaue? Wir können darüber dem geneigten Leser keine zuverlässige Auskunft geben.

Nach wenigen Augenblicken vernahm Harmental den Schall der Schritte des Capitains und das Geklirr seines langen Degens, der gegen das Geländer der Treppe schlug. Als er das dritte Stockwerk erreicht hatte, wo das von unten heraufdämmernde Licht fast zu erlöschen begann, befand sich der Capitain in großer Verlegenheit, denn er wußte nicht, ob er dort seine Schritte hemmen, oder noch höher steigen solle.

»Alle Teufel! Chevalier, rief er daher, da Sie mich vermuthlich nicht hierher beschieden haben, damit ich mir hier auf der Treppe den Hals brechen solle, so öffnen Sie doch Ihre Thür, oder singen Sie, damit mir entweder das Tageslicht oder Ihre Stimme den rechten Weg zeige; sonst bin ich durchaus verloren, wie es Theseus im Labyrinth gewesen wäre, hätte er nicht Ariadnens Faden gehabt.«

Darauf begann der Capitain mit lauter Stimme zu singen:

Ariadne, schön" Ariadne mein!

O, wollt Deinen Faden mir verleihn!

Der Chevalier lief sofort zur Thür seines Zimmers und öffnete sie.

»Das lassen ich mir gefallen!« rief der Capitain, dessen Gestalt jetzt in dem Dämmerlichte sichtbar wurde. Die Leiter zu Ihrem Taubenschlage ist pechschwarz wie die Nacht. Doch da bin ich, zur festgesetzten Zeit, pünktlich auf meinem Posten, der Verabredung gemäß, Die Glocke der Kirche la Samaritaine schlug grade zehn, als ich über den Pont-Neuf schritt.«

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