Бесплатно

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

Текст
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Nach fünf Minuten hatte ihn der Wagen des Königs erreicht.

Die beiden Köpfe des Königs und der Königin beugten sich zu den beiden Seiten des Wagens heraus.

Ihre beiden Stimmen fragten gleichzeitig:

»Sie haben den Herr n Grafen von Charny nicht gesehen?«

»Sire.« erwiderte Isidor, »ich habe ihn nicht gesehen, und da er nicht hier ist, so muß ihm in der Verfolgung des unglücklichen Drouet ein ernster Unfall widerfahren sein.«

Die Königin stieß einen Seufzer aus.

»Was ist zu thun?« sagte der König.

Dann sich an die zwei Gardes du corps wendend, welche abgestiegen waren:

»Kennen Sie die Stadt, meine Herren?«

Niemand kannte sie, und die Antwort war verneinend.

»Sire.« sagte Issdor, »Alles ist stille, und es scheint folglich Alles ruhig zu sein. Eure Majestät wolle die Gnade haben, zehn Minuten hier zu warten. Ich will in die Stadt reiten und Nachricht von den Herrn von Bouillé und von Raigecourt oder wenigstens über das Relais von Herrn von Choiseul zu erhalten suchen. Eure Majestät erinnert sich nicht des Namens des Gasthofes, wo die Pferde warten sollen?«

»Ach! nein,« erwiderte der König, »ich habe ihn gewußt, doch wieder vergessen. Gleichviel, gehen Sie immerhin; wir werden mittlerweile hier einige Erkundigungen einzuziehen suchen.«

Isidor sprengte in der Richtung der unteren Stadt fort und verschwand bald hinter den ersten Häusern.

XC
Jean Baptiste Drouet

Das Wort des Königs: »Wir wollen hier einige Erkundigungen einziehen,« wurde erklärt durch die Gegenwart von ein paar Häusern, vorgerückten Posten der oberen Stadt, auf der rechten Seite der Straße.

Eines von diesen Häusern, das nächste, war beim Geräusche der zwei Wagen geöffnet worden, und man hatte Licht durch die Oeffnung der Thüre erschaut.

Die Königin stieg aus, nahm den Arm von Herrn von Maiden und wandte sich nach dem Hause.

Doch als sie hinzukamen, wurde die Thüre wieder geschlossen.

Diese Thüre war aber nicht so rasch zugedrückt worden, daß Herr von Malden, der die wenig gastfreundlichen Absichten des Hausherrn wahrgenommen, nicht Zeit gehabt hatte, an das Haus zu laufen und die Thüre festzuhalten, ehe der Riegel in die Schließkappe eingefallen war.

Unter der Erschütterung von Herrn von Malden, und trotz der Gegenanstrengung, öffnete sich die Thüre wieder.

Hinter der Thüre stand ein Mann von ungefähr fünfzig Jahren, mit nackten Beinen, in einen Schlafrock gehüllt und die Füße in Pantoffeln.

Nicht ohne ein gewisses Erstaunen, wie man leicht begreift, fühlte der Mann mit dem Schlafrocke sich in sein Haus zurückgedrängt und sah seine Thüre sich unter dem Drucke eines Unbekannten öffnen, hinter welchem eine Frau stand.

Der Mann mit dem Schlafrock warf einen raschen Blick aus die Königin, deren Gesicht durch die Kerze, die er in der Hand hielt, beleuchtet war, und bebte.

»Was wollen Sie, mein Herr?« fragte er Herrn von Maiden.

»Mein Herr,« antwortete der Garde du corps, »wir kennen Varennes nicht, und wir bitten Sie, so gut zu sein, uns den Weg nach Stenay zu zeigen.«

»Und wenn ich es thue,« versetzte der Unbekannte, »und wenn man erfährt, daß ich Ihnen diese Auskunft gegeben habe, und ich, weil ich sie Ihnen gegeben, verloren bin?«

»Ah! mein Herr,« erwiederte der Garde du corps, »sollten Sie auch eine Gefahr laufen, wenn Sie uns diesen Dienst leisten, so sind Sie doch zu artig, um nicht einer Frau gefällig zu sein, welche sich in einer bedrohlichen Lage befindet.«

»Mein Herr,« entgegnete der Mann mit dem Schlafrocke, »die Person, welche hinter Ihnen steht, ist keine Frau  . . . «

Er näherte sich dem Ohre von Herrn von Malden und flüsterte ihm zu:

»Es ist die Königin!«

»Mein Herr!«

»Ich habe sie erkannt.«

Die Königin, welche gehört oder errathen hatte, was man gesprochen, zog Herrn von Malden zurück und sagte zu ihm:

»Ehe wir weiter gehen, benachrichtigen Sie den König, daß ich erkannt worden bin.«

Herr von Malden hatte in einer Secunde diesen Auftrag vollzogen.

»Nun! so bitten Sie diesen Mann, hierher zu kommen, um mit mir zu reden,« sprach der König.

Herr von Malden kehrte zurück und sagte, da er dachte, es sei unnöthig, sich zu verstellen:

»Mein Herr, der König wünscht Sie zu sprechen.«

Der Mann stieß einen Seufzer aus, ließ seine Pantoffeln fallen und ging, um weniger Geräusch zu machen, mit nackten Füßen auf den Wagenschlag zu.

»Ihr Name, mein Herr?« fragte ihn der König vor Allem.

»Herr von Préfontaine, Sire,« antwortete er zögernd.

»Was sind Sie?«

»Cavalerie-Major und Ritter des königlichen und militärischen Ordens vom heiligen Ludwig.«

»In Ihrer doppelten Eigenschaft, als Major und als Ritter vom heiligen Ludwig haben Sie mir zweimal den Eid der Treue geschworen; es ist also Ihre Pflicht, mir in der Verlegenheit, in der ich mich befinde, beizustehen.«

»Gewiß,« stammelte der Major; »doch ich bitte Eure Majestät inständig, sich zu beeilen, man könnte mich sehen.«

»Ei! mein Herr,« versetzte Herr von Maiden, »wenn man Sie sehen würde, desto besser! Sie werden nie eine so schöne Gelegenheit gehabt haben, Ihre Pflicht zu thun.«

Der Major, dessen Ansicht dies nicht zu sein schien, stieß einen zweiten Seufzer aus.

Die Königin zuckte mitleidig die Achseln und stampfte vor Ungeduld mit dem Fuß aus den Boden.

Der König machte ihr ein Zeichen und sprach dann zum Major:

»Mein Herr, sollten Sie zufällig gehört haben, Pferde erwarten einen Wagen, der passiren werde, und haben Sie Husaren gesehen, welche seit gestern in der Stadt stationiren?«

»Ja, Sire, Pferde und Husaren sind jenseits der Stadt: die Pferde im Gasthause zum Großen Monarchen, die Husaren wahrscheinlich in der Kaserne.«

»Ich danke, mein Herr  . . .  Gehen Sie nun in Ihr Haus zurück. Niemand hat Sie gesehen  . . .  es wird Ihnen also nichts geschehen.«

»Sire  . . . «

Ohne weiter zu hören, reichte der König der Königin die Hand, um ihr in den Wagen steigen zu helfen, und sich an die Gardes du corps wendend, welche aus seine Befehle warteten, sagte er:

»Meine Herren, aus Ihren Sitz und nach dem Großen Monarchen.«

Die beiden Officiere nahmen ihre Plätze wieder ein und riefen den Postillons zu: »Nach dem Großen Monarchen!«

Doch in demselben Augenblick sprengte eine Art von Schatten zu Pferde, ein phantastischer Reiter, aus dem Walde hervor, durchschnitt die Straße in einer schrägen Linie und rief:

»Postillons, keinen Schritt weiter!«

»Warum nicht?« fragten erstaunt die Postillons.

»Weil Ihr den König fahrt, der flieht. Doch im Namen der Nation befehle ich Euch: rührt Euch nicht.«

Die Postillons, welche schon eine Bewegung gemacht hatten, um den Wagen fortzuführen, hielten an und murmelten:

»Der König!«

Ludwig XVI. sah, daß der Augenblick entscheidend war.

»Mein Herr,« rief er, »wer sind Sie denn, daß Sie hier Befehle geben?«

»Ein einfacher Bürger  . . .  nur vertrete ich das Gesetz, und ich spreche im Namen der Nation. Postillons, rührt Euch nicht, ich befehle es Euch zum zweiten Male! Ihr kennt mich wohl: ich bin Jean Baptiste Drouet, der Sohn des Postmeisters von Sainte-Menehould.«

»Oh! der Unglückliche!« riefen die zwei Gardes du corps, indem sie von ihren Sitzen aufsprangen und ihre Jagdmesser zogen, »er ist es!«

Doch ehe sie den Boden erreicht hatten, war Drouet in die Straßen der untern Stadt gesprengt.

»Ach! Charny! Charny!« murmelte die Königin, »was ist aus ihm geworden?«

Und sie sank in den Wagen zurück, fast gleichgültig gegen das, was vorgehen würde.

Was war Charny begegnet und warum hatte er Drouet entkommen lassen?

Immer das Verhängniß!

Das Pferd von Dandoins war ein guter Läufer, Drouet hatte aber zwanzig Minuten Vorsprung vor dem Grafen. Diese zwanzig Minuten mußten eingeholt werden.

Charny stieß seinem Pferde beide Sporen in den Bauch, das Thier sprang auf, schnaubte Rauch durch seine Nüstern und jagte davon.

Drouet seinerseits, ohne zu wissen, daß er verfolgt wurde, ritt im stärksten Galopp.

Nur hatte Drouet einen Postklepper und Charny ein Vollblutpferd.

In Folge hiervon hatte Charny nach einer Meile Drouet ein Drittel des Weges abgerungen.

Da bemerkte Drouet, daß er verfolgt wurde, und er verdoppelte seine Anstrengungen, um demjenigen zu entkommen, der ihn zu erreichen drohte.

Am Ende der zweiten Meile hatte Charny in demselben Verhältniß Weg gewonnen, und Drouet wandte sich öfter und mit einer wachsenden Besorgniß um.

Drouet war so rasch von Hause weggeritten, daß er keine Waffen mitgenommen.

Der junge Patriot fürchtete nicht den Tod, – das hat er seitdem bewiesen, – sondern er befürchtete, in seinem Laufe aufgehalten zu werden, er befürchtete, den König entfliehen zu lassen, er befürchtete, diese unselige Gelegenheit die ihm geboten war, seinen Namen auf immer berühmt zu machen, könnte ihm entgehen.

Er hatte noch zwei Meilen zurückzulegen, ehe er nach Clermont kam; doch man würde ihn offenbar am Ende der zweiten Meile, oder vielmehr der dritten seit seinem Abgange von Saint-Menehould, erreicht haben.

Und um seinen Eifer anzustacheln, fühlte er doch den Wagen des Königs vor sich.

Wir sagen, er fühlte, denn es war ungefähr halb zehn Uhr Abends, und obgleich man in den längsten Tagen des Jahres, fing es doch an Nacht zu werden.

Drouet verdoppelte seine Sporenstiche und seine Peitschenhiebe.

Er war nur noch drei Viertelmeilen von Clermont, doch Charny war nur noch zweihundert Schritte von ihm entfernt.

Ohne allen Zweifel wußte Drouet, daß es in Varennes keine Post gab, ohne allen Zweifel würde der König seine Fahrt über Verdun fortsetzen.

Drouet fing an zu verzweifeln: ehe er den König erreicht hätte, würde er selbst erreicht worden sein Eine halbe Meile von Clermont hörte er den Galopp des Pferdes von Charny das seinige bedrängend, und das Gewieher des Pferdes von Charny auf das Gewieher seines Pferdes antwortend.

 

Er mußte aus die Verfolgung verzichten oder sich entschließen, seinem Gegner die Stirne zu bieten, und um seinem Gegner die Stirne zu bieten, hatte Drouet, wie gesagt, keine Waffen.

Plötzlich, da Charny nur noch fünfzig Schritte von ihm entfernt ist, begegnen ihm Postillons, die aus ausgespannten Pferden zurückkehrten. Drouet erkennt sie als diejenigen, welche die Wagen des Königs geführt haben.

»Ah!« ruft er, »Ihr seid es?  . . .  Straße nach Verdun, nicht wahr?«

»Wie! Straße nach Verdun?« fragten die Postillons.

»Ich sage, die Wagen, die Ihr gefahren, haben ihren Weg nach Verdun genommen,« wiederholte Drouet.

Und sein Pferd mit einer letzten Anstrengung zur Eile antreibend, reitet er an ihnen vorbei.

»Nein,« rufen ihm die Postillons nach, »Straße nach Varennes.«

Drouet brüllt vor Freude.

Er ist gerettet, und der König ist verloren.

Hätte der König die Straße nach Verdun verfolgt, so war er genöthigt, da der Weg eine gerade Linie von Sainte-Menehould nach Verdun zog, der geraden Straße zu folgen.

Doch der König hat den Weg von Varennes nach Clermont eingeschlagen; die Straße von Varennes wirft sich nach links in einem beinahe spitzigen Winkel.

Drouet sprengt in den Wald von Argonne, dessen Wege und Siege er alle kennt; den Wald schräge durchschneidend, wird er dem König eine Viertelstunde zuvorkommen; überdies wird ihn die Dunkelheit des Waldes beschützen.

Charny, der die allgemeine Topographie beinahe eben so gut kennt, als Drouet, begreift, daß Drouet ihm entkommt, und gibt einen Schrei des Zorns von sich.

Beinahe zu gleicher Zeit mit Drouet treibt er sein Pferd aus die schmale Ebene, welche die Landstraße vom Walde trennt, und ruft:

»Halt an! halt an!«

Doch Drouet hütet sich wohl, zu antworten; er neigt sich auf den Hals seines Pferdes, stachelt es mit den Sporen, der Reitpeitsche und der Stimme an. Er erreicht den Wald; das ist Alles, was er braucht: er ist gerettet.

Er wird den Wald erreichen, nur wird er, um ihn zu erreichen, auf zehn Schritte an Charny vorüberkommen.

Charny nimmt eine von seinen Pistolen, zielt aus Drouet und ruft ihm zu:

»Halt! oder Du bist des Todes!«

Drouet neigt sich noch tiefer auf den Hals seines Pferdes und preßt es noch stärker.

Charny drückt los, doch die Funken des Steines, welche auf die Batterie fallen, glänzen allein in der Dunkelheit.

Wüthend, schlendert Charny seine Pistole nach Drouet, nimmt die zweite, wirft sich in dem Wald hinter dem Flüchtigen her und schießt abermals; doch wie das erste Mal versagt seine Pistole!

Da erinnert er sich, daß ihm Herr Dandoins, als er sich entfernte, etwas zugerufen hat, was er nicht verstanden.

»Ah!« sagte er, »ich habe mich im Pferde geirrt, und ohne Zweifel hat er mir zugerufen, die Pistolen des Pferdes, das ich genommen, seien nicht geladen. Gleichviel, ich werde diesen Elenden einholen und, wenn es sein muß, mit den Händen erwürgen!«

Und er setzt dem Schatten, den er noch in der Finsterniß erschaut, immer weiter nach.

Doch kaum hat er hundert Schritte in diesem Walde gemacht, den er nicht kennt, da stürzt sein Pferd in einen Graben; Charny rollt über seinen Kopf, erhebt sich wieder und springt in den Sattel, Drouet ist aber verschwunden!

So ist Drouet Charny entkommen; so ist er auf der Landstraße, einem drohenden Gespenste ähnlich, vorüber geritten und hat den Postillons, die den König fahren, keinen Schritt mehr zu thun befohlen.

Die Postillons haben angehalten, denn Drouet hat sie beschworen im Namen der Nation, der mächtiger zu sein anfängt, als der Name des Königs!

Kaum ist Drouet in die untere Stadt eingedrungen, da hört man im Austausche gegen den Galopp seines Pferdes, das sich entfernt, den Galopp eines Pferdes, das herbeikommt.

Durch dieselbe Straße, durch welche Drouet geritten ist, erscheint Isidor wieder.

Seine Nachrichten sind ganz wie die Auskunft, welche Herr von Préfontaine gegeben hat.

Die Pferde von Herrn von Choiseul und der Herren von Bouillé und von Raigecourt sind am andern Ende der Stadt im Gasthofe zum Großen Monarchen.

Der dritte Officier, Herr von Rohrig, ist mit den Husaren in der Kaserne.

Ein Kaffeehauskellner, der gerade sein Etablissement schloß, hat ihn versichert, diese Angaben seien ganz genau.

Doch statt der Freude, die er den hohen Reisenden zu bringen glaubt, findet er sie in die tiefste Bestürzung versetzt.

Herr von Préfontaine wehklagt; die zwei Gardes du corps bedrohen etwas Unsichtbares und Unbekanntes.

Isidor hält mitten in seiner Erzählung inne und fragt:

»Was ist denn geschehen, meine Herren?«

»Haben Sie nicht in jener Straße einen Menschen gesehen, der im Galopp vorbeiritt?«

»Ja, Sire,« antwortete Isidor.

»Nun, dieser Mensch ist Drouet,« spricht der König.

»Drouet!« ruft Isidor mit einer entsetzlichen Herzensangst. »Dann ist mein Bruder todt!«

Die Königin stößt einen Schrei aus und verbirgt ihren Kopf in ihren Händen.

XCI
Der Zollthurm der Brücke von Varennes

Die Brücke zu Varennes


Es trat ein Augenblick unaussprechlicher Niedergeschlagenheit unter allen diesen von einer unbekannten, aber entsetzlichen Gefahr bedrohten Unglücklichen ein.

Isidor raffte sich zuerst zusammen und sagte:

»Sire! mag mein Bruder todt oder lebendig sein, denken wir nicht mehr an ihn, denken wir nur an Eure Majestät. Es ist kein Augenblick zu verlieren; die Postillons kennen das Gasthaus zum Großen Monarchen. Im Galopp, zum Großen Monarchen!«

Doch die Postillons rühren sich nicht.

»Habt Ihr nicht gehört?« fragt sie Isidor.

»Doch.«

»Nun! warum fahrt Ihr nicht?«

»Weil es Herr Drouet verboten hat.«

»Wie! Herr Drouet bat es verboten? Und wenn der König befiehlt und Herr Drouet verbietet, gehorcht Ihr Herrn Drouet?«

»Wir gehorchen der Nation.«

»Aus, meine Herren,« spricht Isidor zu seinen zwei Gefährten, »es gibt Augenblicke, wo das Leben eines Menschen für nichts zählt; nehmen Sie Jeder einen von den Leuten auf sich; ich nehme diesen auf mich; wir werden uns selbst fahren.«

Und er packt den Postillon, der ihm am nächsten ist, am Kragen und setzt ihm die Spitze seines Jagdmessers aus die Brust.

Die Königin sieht die drei Klingen glänzen und stößt einen Schrei aus.

»Meine Herren,« ruft sie, »meine Herren! ich bitte!«

Dann sagt sie zu den Postillons:

»Meine Freunde, fünfundzwanzig Louis d’or sogleich und zwischen Euch Dreien zu theilen, und eine Pension von fünfhundert Franken Jedem, wenn Ihr den König rettet.«

Waren sie durch die Demonstration der drei jungen Leute erschreckt worden, verführte sie das Gebot, die Postillons treiben ihre Pferde an und verfolgen ihren Weg.

Herr von Préfontaine kehrt zitternd in seine Wohnung zurück und verbarricadirt sich.

Isidor galoppirt vor dem Wagen. Es handelt sich darum, durch die Stadt zu fahren und die Brücke zu passiren; ist Beides geschehen, so wird man in fünf Minuten beim Gasthofe zum Großen Monarchen sein.

Der Wagen rollt in der größten Eile den Abhang hinab, der zur untern Stadt führt.

Doch bei dem Gewölbe angelangt, das über der Brücke und unter dem Thurme gebaut steht, bemerkt man, daß einer von den Flügeln des Thores geschlossen ist.

Man öffnet diesen Flügel, ein paar Karren versperren die Brücke.

»Herbei, meine Herren!« ruft Isidor, indem er von seinem Pferde herabspringt, um die Karren zu beseitigen.

In diesem Augenblick hört man das erste Rasseln der Trommeln und das erste Geläute der Sturmglocke.

Drouet vollbringt sein Werk.

»Ha! Elender!« ruft Isidor, mit den Zähnen knirschend, »wenn ich Dich wiederfinde . . . «

Und durch eine unerhörte Anstrengung stößt er einen von den zwei Karren auf die Seite, während die Herren von Malden und von Valory dasselbe mit einem andern thun.

Ein dritter bleibt zurück.

»Nun den letzten!« ruft Isidor.

Zu gleicher Zeit fährt der Wagen unter das Gewölbe.

Plötzlich sieht man zwischen der Leiter des dritten Karrens die Läufe von vier bis fünf Flinten hervorkommen.

»Nicht einen Schritt weiter, oder Sie sind des Todes, meine Herren,« spricht eine Stimme.

»Meine Herren, meine Herren!« ruft der König, der den Kopf aus dem Wagenschlage neigt, »versuchen Sie es nicht, den Durchgang zu erzwingen, ich befehle es Ihnen.«

Die zwei Officiere und Isidor machen einen Schritt rückwärts.

»Was will man von uns?« fragt der König.

Zu gleicher Zeit hört man einen Schreckensschrei im Wagen ausstoßen.

Außer den Menschen, welche die Passage versperren, sind ein paar Andere hinter den Wagen geschlüpft, und die Läuse mehrerer Flinten zeigen sich an den Schlägen.

Einer von ihnen ist auf die Brust der Königin gerichtet.

Isidor hat Alles gesehen; er stürzt vor, packt den Laus der Flinte und drückt ihn zurück.

»Feuer! Feuer!« rufen mehrere Stimmen.

Einer von den Menschen gehorcht; zum Glück versagt seine Flinte.

Isidor hebt den Arm auf und will diesen Menschen mit seinem Jagdmesser niederstoßen; die Königin hält ihm den Arm zurück.

»Ah! Madame!« ruft Isidor wüthend, »um des Himmels willen, lassen Sie mich doch diese Canaille angreifen!«

»Nein, mein Herr,« erwiderte die Königin; »das Messer in die Scheide! hören Sie wohl?«

Isidor gehorcht halb: er läßt sein Jagdmesser fallen, steckt es aber nicht in die Scheide.

»Ah! wenn ich Drouet treffe!  . . . « murmelt er.

»Was diesen betrifft,« flüsterte ihm die Königin zu, indem sie ihm den Arm mit einer seltsamen Starke drückte, »diesen überlasse ich Ihnen.«

»Aber, meine Herren,« wiederholte der König, »was wollen Sie?«

»Wir wollen die Pässe sehen,« antworteten, ein paar Stimmen.

»Die Pässe? Gut!« spricht der König. »Holen Sie die Behörden der Stadt, und wir werden sie ihnen zeigen.«

»Ah, beim Teufel! das sind gar zu viel Umstände!« schreit der Mann, dessen Gewehr schon versagt hat, indem er auf den König anschlägt.

Doch die zwei Gardes du corps werfen sich auf ihn und schleudern ihn zu Boden.

Im Kampfe geht die Flinte los, die Kugel trifft aber Niemand.

»Holla!« ruft eine Stimme, »wer hat geschossen?« Der von den zwei Gardes du corps mit den Füßen getretene Mensch stößt ein Gebrülle aus und schreit:

»Zu Hilfe!«

Da eilten ihm die fünf bis sechs Bewaffneten zu Hilfe.

Die Gardes du corps zogen ihre Jagdmesser und schickten sich zum Kampfe an.

Der König und die Königin waren vergebens bemüht, die Einen und die Andern zurückzuhalten: der Kampf sollte sich furchtbar, wüthend, tödtlich entspinnen.

In diesem Augenblick stürzten zwei Männer mitten unter das Gemenge: der Eine hatte eine dreifarbige Schärpe um den Leib, der Andere trug eine Uniform.

Der Mann mit der dreifarbigen Schärpe war der Anwalt der Gemeinde Herr Sausse.31

Der Mann mit der Uniform war der Commandant der Nationalgarde Hannonet.

Der König begriff, daß bei diesen zwei Männern, wenn nicht eine Hilfe, doch wenigstens eine gewisse Sicherheit war.

»Meine Herren,« sagte er, »ich bin bereit, mich, wie die Personen, die mich begleiten, Ihnen anzuvertrauen, doch schützen Sie uns vor den Brutalitäten dieser Leute.«

Und er deutete auf die mit Flinten Bewaffneten.

»Nieder die Gewehre, meine Herren,« rief Hannonet.

Die Leute gehorchten murrend.

»Sie werden uns entschuldigen, mein Herr,« sprach der Gemeindeanwalt, indem er sich an den König wandte, »es hat sich das Gerücht verbreitet, Seine Majestät König Ludwig XVI. befinde sich auf der Flucht, und es ist unsere Pflicht, uns zu versichern, ob dies wahr ist.«

»Sie wollen sich versichern, ob dies wahr ist!« rief Isidor, »Wenn es wahr ist, daß dieser Wagen den König enthält, so müssen Sie zu den Füßen des Königs sein, ist es dagegen der Wagen eines einfachen Privatmanns, warum halten Sie diesen auf?«

 

»Mein Herr,« sagte Sausse, der sich fortwährend an den König wandte, »mit Ihnen spreche ich; wollen Sie mir die Ehre erweisen, mir zu antworten.«

»Sire,« flüsterte Isidor dem König zu, »gewinnen Sie Zeit, Herr von Damas und seine Dragoner folgen uns ohne Zweifel und werden ungesäumt ankommen.«

»Sie haben Recht,« erwiderte der König.

Dann fragte er Herrn Sausse:

Und wenn unsere Pässe in Ordnung sind, werden Sie uns unsere Reise fortsetzen lassen?«

»Allerdings,« antwortete Sausse.

»Nun, Frau Baronin,« sprach der König zu Frau von Tourzel, »haben Sie die Güte, Ihren Paß zu suchen und diesem Herrn zu geben.«

Frau von Tourzel begriff, was der König mit den Worten: »Haben Sie die Güte, Ihren Paß zu suchen,« sagen wollte.

Sie sing auch in der That an zu suchen, doch in den Taschen, wo er nicht war.

»Ei!« rief eine ungeduldige, drohende Stimme, »Ihr seht wohl, daß sie keinen Paß haben!«

»Doch, meine Herren,« erwiderte die Königin, »wir haben einen; aber da sie nicht dachte, man werde ihn von uns verlangen, so weiß die Frau Baronin von Korff nicht mehr, was sie damit gemacht hat.«

Eine Art von Gezische erhob sich in der Menge, andeutend, daß sie sich nicht durch diese Ausflucht bethören ließ.

»Es gibt etwas Einfacheres als Alles dies,« sagte Sausse, »Postillons! führt den Wagen vor mein Magazin. Diese Herren und diese Damen werden bei mir eintreten, und Alles wird sich aufklären. Postillons, vorwärts! Meine Herren von der Nationalgarde, escortiren Sie den Wagen.«

Diese Einladung glich zu sehr einem Befehle, als daß man sich ihr zu widersetzen versucht hätte.

Ueberdies, würde man es versucht haben, so wäre es doch wahrscheinlich nicht geglückt. Die Sturmglocke ertönte fortwährend, die Trommeln rasselten beständig, und die Menge, die den Wagen umgab, nahm jeden Augenblick zu.

Der Wagen setzte sich in Marsch.

»Oh! Herr von Damas! Herr von Damas!« murmelte der König, »wenn er nur kommt, ehe wir bei diesem verfluchten Hause sind!«

Die Königin sagte nichts, sie dachte an Charny, erstickte ihre Seufzer und hielt ihre Thränen zurück.

Man gelangte an die Thüre des Magazins von Herrn Sausse, ohne daß man von Herrn von Damas etwas gehört hatte.

Was war denn auf dieser Seite vorgefallen, und was verhinderte diesen Edelmann, aus dessen Ergebenheit man sicher zählen konnte, die Befehle, die er erhalten, und das Versprechen, das er geleistet, zu vollführen? Wir werden es mit zwei Worten sagen, damit jeder Punkt dieser traurigen Geschichte aus der Dunkelheit hervortrete.

Wir haben Herrn von Damas verlassen, als er die Trompeter, die er zu größerer Sicherheit in seinem Hause zurückbehalten, zum Aussitzen blasen ließ.

In dem Augenblick, wo der erste Ton der Trompete erscholl, nahm er sein Geld aus der Schublade seines Secretaire, und indem er sein Geld nahm, zog er zugleich einige Papiere heraus, die er weder zurücklassen, noch mitnehmen wollte.

Er beschäftigte sich mit dieser Sorge, als die Thüre seines Zimmers sich öffnete und einige Mitglieder der Municipalität auf der Schwelle erschienen.

Einer von ihnen näherte sich dem Grasen.

»Was wollen Sie von mir?« fragte dieser ganz erstaunt über den unerwarteten Besuch, indem er sich aufrichtete, um ein Paar Pistolen, die er aus den Kamin gelegt, zu verbergen.

»Herr Graf,« erwiderte einer von denjenigen, welche eingetreten waren, mit Höflichkeit, ober zugleich mit festem Tone, »wir wünschen zu wissen, warum Sie zu dieser Stunde abmarschiren.«

Herr von Damas schaute mit Verwunderung denjenigen an, welcher sich erlaubte, eine solche Frage an einen Oberofficier der Armee des Königs zu machen.

»Das ist ganz einfach, mein Herr,« antwortete er: »ich marschire zu einer solchen Stunde ab, weil ich den Befehl hierzu erhalten habe.«

»In welcher Absicht entfernen Sie sich Herr Oberst?« fuhr der Frager fort.

Heu von Damas heftete einen immer mehr erstaunten Blick auf ihn.

»In welcher Absicht ich aufbreche? Einmal weiß ich es nicht, und dann, wenn ich es wüßte, würde ich es nicht sagen.«

Die Abgeordneten der Municipalität schauten einander an und ermuthigten sich gegenseitig durch die Geberde, so daß derjenige, welcher zuerst das Wort an Herrn von Damas gerichtet hatte, weiter sprach:

»Mein Herr, es ist der Wunsch der Municipalität von Clermont, daß Sie nicht heute Abend, sondern erst morgen früh abmarschiren.«

Herr von Damas lächelte mit jenem schlimmen Lächeln des Soldaten, von dem man, sei es aus Unwissenheit, sei es in der Hoffnung, ihn einzuschüchtern, etwas verlangt, was mit den Gesetzen der Disciplin unverträglich ist.

»Ah!« sagte er, »es ist der Wunsch der Municipalität von Clermont, daß ich bis morgen früh bleibe?«

»Ja,«

»Wohl denn, mein Herr, sagen Sie der Municipalität von Clermont, ich bedaure unendlich, ihrem Wunsche nicht entsprechen zu können, in Betracht, daß kein Gesetz, wenigstens das ich kenne, die Municipalität von Clermont ermächtigt, den Marsch der Truppen zu hemmen. Was mich betrifft, ich habe nur Befehle von meinen militärischen Cheff zu empfangen, und hier ist mein Abmarschbefehl.«

Nach diesen Worten bot Heu von Damas seinen Befehl den Abgeordneten der Municipalität.

Derjenige, welcher am nächsten beim Grasen war, empfing ihn aus seinen Händen und theilte ihn seinen Gefährten mit, während Herr von Damas hinter sich die zum Voraus auf den Kamin gelegten und durch seinen Leib verborgenen Pistolen nahm.

Nachdem es das Papier, das ihm übergeben worden, mit seinen Collegen untersucht hatte, sagte das Mitglied der Municipalität, das zuerst zu Herrn von Damas gesprochen:

»Mein Herr, je bestimmter dieser Befehl ist, desto mehr müssen wir uns ihm widersetzen; denn ohne Zweifel gebietet er Ihnen etwas, was im Interesse Frankreichs nicht in Erfüllung gehen soll. Ich erkläre Ihnen also im Namen der Nation, daß ich Sie verhafte.«

»Und ich, meine Herren,« sprach der Graf, indem er seine beiden Pistolen entblößte und aus die zwei Municipalräthe richtete, welche am nächsten bei ihm standen, »ich erkläre Ihnen, daß ich abmarschiren werde.«

Die Municipalräthe waren nicht auf diese bewaffnete Drohung gefaßt; ein erstes Gefühl von Furcht oder von Erstaunen machte, daß sie vor Herrn von Damas zurücktraten; dieser schritt rasch über die Schwelle des Salon, eilte durch das Vorzimmer, dessen Thüre er doppelt schloß, und stürzte die Treppe hinab; da er sein Pferd vor der Thüre fand, so sprang er darauf, jagte mit Windeseile auf den Platz, wo sich sein Regiment versammelte, und sagte zu Herrn von Floirac, einem seiner Officiere, den er zu Pferde fand:

»Wir müssen uns da herausziehen, wie wir können; das Wichtigste ist, daß der König gerettet ist.«

Für Herrn von Damas, der nichts vom Abgange von Drouet wußte, der nur den Aufruhr von Clermont kannte, war der König gerettet, weil der König Clermont hinter sich hatte und bald Varennes erreichen würde, wo die Relais von Herrn von Choiseul und die Husaren von Lauzun, befehligt durch die Herren Jules von Bouillé und von Raigecourt, stationirten.

Zu größerer Sicherheit aber wandte er sich an den Regimentsquartiermeister, der sich unter den Ersten mit den Fourieren und den Bedeckungs-Dragonern auf den Platz begeben hatte, und sagte leise zu ihm:

»Herr Rému, gehen Sie in aller Eile ab, nehmen Sie den Weg nach Varennes, reiten Sie, was Ihr Pferd laufen kann, und holen Sie die Wagen ein, welche hier durchpassirt sind: Sie hasten mir mit Ihrem Kopfe hierfür.«

Der Quartiermeister gab seinem Pferde beide Sporen und sprengte mit den Fourieren und vier Dragonern davon. Als er aber vor Clermont hinaus und zu einer Stelle kam, wo die Straße sich in zwei Aeste theilte, wählte er den falschen Weg und verirrte sich.

Alles nahm eine schlimme Wendung in dieser unseligen Nacht.

Aus dem Platze bildete sich langsam das Regiment. Die bei Herrn von Damas eingeschlossenen Municipalräthe waren, die Thüre sprengend, leicht aus ihrem Gefängniß herausgekommen; sie wiegelten das Volk auf und trieben die Nationalgarde an, die sich mit einem ganz andern Eifer und in einer ganz andern Haltung, als die Dragoner, versammelte. Welche Bewegung Herr von Damas auch machte, er mußte wahrnehmen, daß drei bis vier Flinten, deren Korn ihn nicht verließ, auf ihn angelegt waren, was immer mehr beunruhigend wurde. Er sah seine Soldaten ängstlich, besorgt, und ritt durch ihre Reihen, um es zu versuchen, ihre Ergebenheit für den König wiederzubeleben, aber die Soldaten schüttelten den Kopf. Obgleich sie noch nicht alle versammelt waren, dachte er doch, es sei die höchste Zeit, aufzubrechen. Er gab Befehl zum Abmarsch, aber Niemand rührte sich.

Mittlerweile riefen die Municipalräthe:

»Dragoner! Eure Officiere sind Verräther; sie fuhren Euch zur Schlachtbank. Die Dragoner sind Patrioten  . . .  Es leben die Dragoner!«

Die Leute der Nationalgarde und das Volk riefen:

»Es lebe die Nation!«

Herr von Damas, der den Befehl zum Ausbruche mit halber Stimme gegeben hatte, glaubte Anfangs, dieser Befehl sei nicht gehört worden; er wandte sich um und sah, wie die Dragoner vom zweiten Gliede vom Pferde stiegen und mit dem Volke fraternisirten.

31Die Stelle eines Procureur de la commune, Gemeindeanwalt, bestand in Frankreich nur in der Revolutionszeit.
Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»