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Der Wolfsführer

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XIV
Der Herr von Vauparfond

Sobald Thibault im goldenen Delphin ankam, bestellte er das beste Essen, das er zu erdenken vermochte.

Er konnte sich ganz leicht in einem besonderen Cabinet bedienen lassen, aber dann würde er seinen eigenen Triumph nicht genossen haben.

Die große Menge der Gäste mußte ihm zusehen, wie er sich sein mit Körnern aufgefüttertes Huhn, seine seine Aalmatelotte à la marinière zu Gemüthe führte.

Die andern Trinken: mußten diesen Mann beneiden, der sich drei verschiedene Weine in drei Gläser von verschiedenen Größen eingoß.

Man mußte seinen hochmüthigen Ton beim Bestellen und den Silberklang seiner Pistolen hören.

Beim ersten Befehl, den er ertheilte, drehte sich ein Graurock, der im dunkelsten Winkel des Saales eine halbe Flasche Wein trank, um, wie man sich beim Ton einer bekannten Stimme umzudrehen pflegt.

Dieser Mann war in der That ein Kamerad Thibaults.

Ein Wirthshauskamerad, versteht sich.

Thibault hatte sich eine Menge solcher Kameraden erworben, seit er, statt bei Tag Holzschuhe zu machen, bei Nacht den Wolfsführer machte.

Als der Graurock ihn bemerkte, drehte er sich rasch gegen die Wand um.

Aber Thibault hatte bereits Zeit gehabt, ihn als Herrn August Francois Levasseur, Kammerdiener des gnädigen Herrn Raoul von Vauparfond, zu erkennen.

»He, Francois!« rief Thibault, »was machst Du da in Deinem Schmollwinkel, wie ein Mönch in der Fastenzeit, anstatt anständig und ungeniert zu speisen, wie ich es vor aller Welt thue?«

Francois gab keine Antwort, sondern winkte Thibault nur mit der Hand, daß er schweigen solle.

»Ich soll schweigen? ich soll schweigen?« sagte Thibault, »Und wenn es mir nun nicht gefällt zu schweigen? Wenn ich sprechen will? wenn es mich langweilt ganz allein zu essen? wenn es mir beliebt zu Dir zu sagen: Freund Francois, da komm her, ich lade Dich zum Essen ein. Du kommst nicht? Nein? Nun wahrhaftig, dann will ich Dich holen!«

Thibault stand auf, ging unter den Blicken sämmtlicher Gäste durch den Saal und versetzte seinem Freund Francois einen derben Schlag auf die Schulter.

»Thu wie wenn Du Dich getäuscht hättest, Thibault, sonst komme ich um meinen Platz. Siehst Du nicht, daß ich heut keine Livree, sondern meinen mauerfarbigen Ueberrock anhabe? Ich bin wegen einer Liebesgeschichte meines Herrn hier und erwarte ein Liebesbriefchen, das ich ihm bringen soll.«

»Dann ist es etwas Anderes, und ich bitte Dich sehr um Verzeihung wegen meiner Zudringlichkeit. Ich hätte übrigens gerne mit Dir diniren: mögen.«

»Nichts einfacher als das. Laß Dir in einem Privatcabinet serviren, so will ich unserem Wirth sagen, wenn ein anderer Grauer wie ich komme, so solle er ihn heraufschicken Wir Freunde haben kein Geheimniß vor einander.«

»Gut!« meinte Thibault, rief den Wirth und ließ sich sein Essen auf den ersten Stock bringen, in ein Zimmer, das aus die Straße sah. Francois setzte sich so, das; er denjenigen, den er erwartete, in der Ferne den Berg von Forté-Milon herabkommen sah.

Das Essen, das Thibault für sich allein bestellt hatte, reichte vollkommen für zwei Gäste aus.

Er brauchte bloß einige Flaschen mehr zu bestellen.

Thibault hatte nur zwei Lectionen bei Herrn Magloire genommen, aber er hatte sie gut genommen, und sie hatten bei ihm angeschlagen.

Sagen wir auch, daß Thibault Etwas zu vergessen hatte, und daß er sich die Fähigkeit zu diesem Vergessen von dem Weine versprach.

Thibault hielt es also für ein großes Glück, einen Freund getroffen zu haben, mit dem er plaudern konnte.

In der Gemüths und Geistesverfassung, worin Thibault sich gerade befand, wird man vom Reden ebenso leicht betrunken wie vom Trinken.

Sie hatten sich also kaum gesetzt, hatten kaum die Thüre zugemacht, und kaum hatte Thibault seinen Hut tief in den Kopf gedrückt, damit Francois den Farbenwechsel eines Theils seiner Haare nicht bemerken sollte, so leitete Thibault ein Gespräch ein, indem er kühn den Stier bei den Hörnern anfaßte.

»Nun wohlan, Freund Francois,« sagte er, »erkläre mir doch einmal, was ein Theil Deiner Worte besagen wollte, den ich nicht verstanden habe.«

»Das ist kein Wunder,« meinte Francois, indem er sich geckenhaft auf seine Stuhllehne zurückwarf; »wir Lakaien vornehmer Herrn reden die Sprache des Hofe, und diese Sprache versteht freilich nicht Jedermann.«

»Nein, aber wenn Du Dich erklärst, so kann man Dich verstehen.«

»Allerdings. Frage, und ich werde Dir antworten.«

»Ich hoffe das um so mehr, als ich mich verpflichte, Deine Antworten zu befeuchten, damit sie leichter herauskommen. Fürs Erste, was ist ein Grauer? Ich hatte bisher geglaubt, das sei ganz einfach ein Esel.«

« »Du bist selbst ein Esel, Freund Thibault,« sagte Francois, lachend über die Unwissenheit des Holzschuhmachers; »nein, ein Grauer ist ein Livreediener, dem man für den Augenblick einen grauen Rock anzieht, damit die Livree nicht erkannt wird, während er hinter einer Säule oder in einer Thürvertiefung Schildwache steht.«

»Also stehst Du in diesem Augenblicke Schildwache, mein armer Francois! Und wer soll Dich ablösen?«

»Champagne, der Bediente der Gräfin von Montgobert.«

»Gut! ich begreife, Dein Herr, der Herr von Vauparfond, ist verliebt in die Gräfin von Montgobert, Du erwartest hier einen Brief von der Dame, welchen Champagne Dir bringen soll.«

»Optime! wie der Professor des jüngeren Bruders von Herrn Raoul zu sagen pflegt.«

»Er ist ein glücklicher Bursche, der Herr Raoul.«

»O ja,« sagte Francois sich in die Brust werfend. «

»Beim Henker, die Gräfin ist ein herrliches Weib.«

»Du kennst sie?«

»Ich habe sie mit dem Herrn Herzog von Orleans und mit Frau von Montesson auf der Jagd gesehen. Auf die Gesundheit des Herrn Raoul!«

Im Augenblick, wo Francois sein Glas wieder auf den Tisch stellte, that er einen Ausruf.

Er hatte so eben Champagne bemerkt.

Man öffnete das Fenster und rief den dritten Kameraden herein.

Champagne begriff mit der schnellen Auffassung eines Lakaien aus gutem Hause und kam herauf.

Er hatte, wie sein Kamerad, einen mauerfarbigen Rock an.

Er brachte den Brief.

»Nun,« fragte Francois seinen Collegen, indem er ihm den Brief der Gräfin von Montgobert abnahm, »gibt es heute Abend ein Rendezvous?«

»Ja,« antwortete Champagne lustig.

»Um so besser,« versetzte Francois in demselben Tone.

Diese Gemeinsamkeit des Glückes zwischen den Lakaien und dem Herrn erregte Thibaults Verwunderung.

»Macht das Glück eurer Herrschaften euch so lustig?« fragte er Francois.

»Das nicht gerade, aber wenn der Herr Baron Raoul von Vauparfond beschäftigt ist, so bin ich frei.«

»Ja, und Du benützest Deine Freiheit gut?«

»Das will ich meinen,« sagte Francois mit Selbstgefühl, »man hat auch seine Eroberungen, wenn man gleich nur Kammerdiener ist, und man weiß seine Zeit schon anzuwenden.«

»Und Ihr, Champagne?«

»Ich,« antwortete der neue Ankömmling, indem er den flüssigen Rubin seines Weines gegen das Licht hielt, »ich hoffe die meinige auch nicht zu verlieren.«

»Ei nun, so erzählt von Euern Liebschaften,« sagte Thibault, »da doch Jedermann seine Liebschaften hat.«

»Erzählt Ihr zuerst von den Euern!« antworteten die beiden Lakeien.

»O,« sagte der Holzschuhmacher mit einem Ausdruck tiefen Hasses gegen das ganze Menschengeschlecht, »ich bin der einzige Mensch, der Niemand liebt und von Niemand geliebt wird.«

Die beiden Männer betrachteten Thibault mit einer gewissen Verwunderung.

»O, o!« sagte Francois, »sollte es denn wahr sein, was man sich ganz leise von Euch erzählt?«

»Von mir?«

»Ja von Euch,« sagte Champagne.

Man sagt also in Montgobert dasselbe wie in Vauparfond?«

Champagne nickte bejahend.

»Nun,« fragte Thibault, »was sagt man denn?«

»Daß Ihr ein Währwolf seid,« antwortete Francois.

Thibault lachte laut auf.

»Warum nicht gar?« sagte er. Habe ich denn einen Schwanz? habe ich Klauen? habe ich eine Wolfsschnauze?«

»Nun ja,« versetzte Champagne, »wir sagen ja bloß, was man von Euch spricht; wir sagen nicht, daß es wahr sei.«

»Jedenfalls,« sagte Thibault, »müßt ihr gestehen, daß die Währwölfe gute Weine haben.«

»Das ist wahr,« antworteten die beiden Lakeien.

»Trinken wir jetzt die Gesundheit des Teufels, der diese Weine gibt, meine Herren!«

Die beiden Männer, die ihre Gläser schon aufgehoben hatten, stellten sie auf den Tisch zurück.

»Nun!« fragte Thibault.

»Suchet Euch einen Andern, der Euch auf diese Gesundheit Bescheid thue,« erklärte Francois; »ich thue es nicht.«

»Ich auch nicht,« sagte Champagne.

»Meinetwegen,« versetzte Thibault; »dann trinke ich die drei Gläser ganz allein.«

Und er trank wirklich alle drei aus.

»Freund Thibault,» sagte der Lakai des Barons, »wir müssen jetzt scheiden.«

»Warum schon so früh?« fragte Thibault.

»Mein Herr erwartet mich. – Hast Du den Brief, Champagne?«

»Hier ist er.«

»So wollen wir denn von unserem Freund Thibault Abschied nehmen und unsererseits unsern Geschäften oder Vergnügungen nachgehen, Thibault aber bei seinen Vergnügungen oder Geschäften lassen.«

Und so sprechend blinzelte Francois seinem Kameraden zu, der ihm mit einem ähnlichen Augenzwinkern antwortete.

»He!« sagte Thibault, »wir werden uns doch nicht trennen, ohne noch einen Schluck gethan zu haben.«

»Jedenfalls nicht aus diesen Gläsern da,« erklärte Francois, auf diejenigen deutend, worin Thibault den Feind des Menschengeschlechts hatte leben lassen.

»Ihr thut sehr zimperlich; ihr könnt ja den Sakristan rufen und sie mit Weihwasser ausspülen lassen.«

»Nein, aber um einem Freund keinen Korb zu geben, wollen wir den Kellner rufen und andere Gläser verlangen.«

 

»Dann,« sagte Thibault, der den Wein zu spüren anfing, »sind diese also zu Nichts mehr gut, als daß man sie zum Fenster hinauswirft. So geh denn zum Teufel!«

Das erste Glas, das unter dieser Adresse fortgeschleudert wurde, beschrieb in der Luft eine Flammenfurche, welche erlosch, wie ein Blitz erlischt.

Thibault ergriff das zweite.

Dieses entflammte sich und erlosch ganz aus dieselbe Weise.

Dann kam das dritte.

Dieses wurde von einem heftigen Donnerschlag begleitet.

Thibault schloß das Fenster und nahm seinen Platz wieder ein, indem er sich besann, wie er seinen beiden Kameraden dieses Wunder erklären sollte.

Aber s eine beiden Kameraden waren verschwunden.

»O die Hasenfüße!« murmelte Thibault.

Dann suchte er aus dem Tisch nach einem Trinkglas.

Es war keines mehr da.

»Auch gut,« sagte er, »die Verlegenheit ist nicht groß; man kann auch aus der Flasche trinken.«

Gesagt, gethan. Thibault vollendete sein Mahl, indem er aus der Flasche trank, was gerade nicht dazu beitrug, seine bereits etwas schwankende Vernunft wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Um neun Uhr rief Thibault den Wirth, bezahlte und ging.

Er war über die ganze Menschheit erzürnt.

Die Idee, welcher er hatte entfliehen wollen, ließ ihn nicht mehr los.

Agnelette ging mit jedem Augenblick unwiederbringlicher für ihn verloren.

Also hatte Jedermann ein Wesen, das ihn liebte, ein Weib oder eine Geliebte.

Dieser Tag, der für ihn ein Tag der Wuth und Verzweiflung trat, sollte für andere Leute ein Tag der Freude und des Glückes sein.

Jedermann, Herr Raoul, selbst Francois und Champagne, zwei erbärmliche Lakeien, Jedermann folgte in dieser Stunde dem leuchtenden Stern des Glückes.

Er allein stolperte in der Nacht dahin.

Er war also unwiderruflich verflucht.

Aber wenn er verflucht war, so kamen ihm noch die Vergnügungen der Verfluchten zu, und auf diese glaubte er ein gegründetes Recht zu haben.

Während Thibault solche Betrachtungen in seinem Haupte wälzte, dazwischen hinein laute Gotteslästerungen ausstieß und sogar drohend die Faust gegen den Himmel ballte, ging er auf dem Hauptweg durch den Wald, der gerade nach seiner Hütte führte, und war nur noch hundert Schritte davon entfernt, als er Pferdegalopp hinter sich vernahm.

»Ah! ah!« sagte Thibault, »da kommt der gnädige Herr von Vauparfond, der sich zu seinem Rendezvous begibt. Ich müßte doch lachen, Herr Raoul, wenn der Herr von Montgobert Euch überraschte. Das ginge nicht so glatt ab, wie bei Herrn Magloire; da würde es auf beiden Seiten Degenstiche absetzen.«

Während er sich ganz vergnüglich ausmalte, was wohl geschehen würde, wenn der Graf von Montgobert den Baron von Vauparfond überraschte, ging er mitten im Weg weiter und trat vermuthlich nicht schnell genug auf die Seite, denn der Reiter, der sich durch einen Bauernkerl den Platz versperrt sah, versetzte ihm einen furchtbaren Peitschenhieb und schrie ihn an:

»Mach doch Platz, Du Lümmel, oder ich zermalme Dich.«

Thibault, dessen Rausch noch nicht ganz verdunstet war, spürte zu gleicher Zeit den Peitschenhieb, den Stoß vom Pferde und die Kälte des Pfützenwassers, worin er sich wälzte.

Der Reiter galoppirte weiter.

Wütend erhob sich Thibault auf ein Knie, und indem er hinter dem fliehenden Schatten her seine Faust ballte, rief er:

»Kann ich denn ins Teufels Namen nicht auch ein einziges Mal, statt immer und ewig der Holzschuhmacher Thibault zu bleiben, vierundzwanzig Stunden lang ein vornehmer Herr sein, wie Ihr, Herr Raoul den Vauparfond, um ein gutes Pferd zu haben, statt zu Fuß zu gehen, um die Bauern durchzuprügeln, die mir in den Weg laufen, und mit den schönen Damen zu liebeln, die ihre Männer hintergehen, wie die Frau Gräfin den Mantgobert thut?«

Kaum hatte Thibault diesen Wunsch vollendet, als das Pferd des Barons Raoul stetig wurde und seinen Reiter zehn Schritte weit über sich hinaus warf.

XV
Ein Kammerzöfchen

Als Thibault sah, welches Unglück dem jungen Herrn zugestoßen war, dessen allzu leichtfertige Hand ihn vor einigen Secunden mit einem Peitschenhieb bedacht hatte, woran ihm die Haut noch schauderte, da raffte er sich voll Vergnügen auf und eilte hin, um zu sehen, in welchem Zustand sich Herr Raoul von Vauparfond befand.

Ein regungsloser Körper lag quer über den Weg ausgestreckt, und daneben schnaubte das Pferd.

Aber was Thibault höchst seltsam fand, der auf dem Weg liegende Körper schien ihm nicht mehr derselbe zu sein, der vor fünf Minuten an ihm vorüber geritten war und ihm einen so heftigen Peitschenhieb versetzt hatte.

Fürs Erste war der Körper nicht mehr als Edelmann, sondern als Bauer gekleidet.

Dann schien es Thibault, als habe Herr Raoul just dieselben Kleider an, die er selbst, Thibault, noch vor einigen Augenblicken getragen hatte.

Thibaults Ueberraschung wurde immer größer und stieg bis zu gänzlicher Verblüfftheit, als er bemerkte, daß dieser träge und scheinbar gänzlich empfindungslose Körper nicht bloß seine (Thibaults) Kleider, sondern auch sein Gesicht hatte.

In seinem Staunen blickte er natürlich von diesem zweiten Thibault auf sich selbst zurück und bemerkte jetzt eine ganz auffallendere Veränderung in seinem Costüm.

Statt seiner Schuhe und Gamaschen trug er elegante Stiefel à la Francaise, die bis an die Kniee reichten, geschmeidig wie seidene Strümpfe, über der Fußbiege in Falten gelegt und mit feinen silbernen Sporen geschmückt waren.

Seine Beinkleider waren, statt von geripptem Sammt, vom schönsten Damhirschleder, das man je sehen konnte, und schloßen mittelst eines Kniebandes und goldener Schnällchen.

Sein olivenfarbiger grober Tuchrock hatte einem eleganten Jagdrock mit goldenen Litzen Platz gemacht, der sich über einer feinen weißen Piquéweste öffnete, und zwischen dessen Kragen auf einem kunstreich gefältelten Hemd die bauschigen Wogen einer batistenen Halsbinde spielten.

Auch sein pfannenartiger Hut hatte sich in einen zierlichen Dreispitz mit ähnlichen Borten, wie auf dem Frack verwandelt.

Statt seines langen Kampfstockes den er so eben noch, halb als Stütze, halb als Wehr, in der Hand getragen, schüttelte er jetzt eine leichte Reitgerte an deren Gezische er ein aristokratisches Wohlgefallen fand.

Endlich war seine seine Taille von einem Gürtel umschlossen, woran ein langes Jagdmesser, halb gerader Säbel, halb Degen, hing.

Thibault war hocherfreut, sich in einem so reizenden Costüm zu fühlen, und was war natürlicher, als daß er in einer Anwandlung von Koketterie den sehnlichen Wunsch hegte, zu sehen, wie dieses Costüm ihm zu Gesicht stände?

Aber wo konnte er sich inmitten dieser pechschwarzen Nacht betrachten?

Er schaute um sich und sah, daß er kaum zehn Schritte von seiner Hütte entfernt war.

»Ha beim Strahl!« sagte er, »es gibt ja gar nichts Einfacheres. Habe ich nicht meinen Spiegel?«

Und Thibault eilte auf seine Hütte zu, um sich ein zweiter Narriß, recht behaglich an seiner eigenen Schönheit zu weiden.

Aber die Thüre war geschlossen.

Er suchte den Schlüssel, aber vergebens.

Er hatte in seinen Taschen Nichts als eine wohlgespickte Börse, ein Confectbüchschen mit Ambrakügelchen, und ein Federmesserchen mit einem Griff von Perlmutter und Gold.

Was konnte er doch mit seinem Hausschlüssel gemacht haben?

Eine lichtvolle Idee fuhr ihm durch den Kopf, nämlich daß sein Schlüssel wohl in der Tasche des andern Thibault sein könnte, der noch auf dem Wege lag.

Er kehrte zu ihm zurück, durchsuchte die Hosentasche und fand auf den ersten Griff den Schlüssel unter einigen Soustücken.

Er nahm das plumpe Instrument mit den Fingerspitzen und öffnete die Thüre.

Nur war es in der Hütte noch dunkler als außen.

Thibault tappte nach seinem Feuerzeug und schlug Feuer.

Nach einigen Secunden brannte ein Lichtstümpchen, das er in eine leere Flasche steckte.

Aber der Anzünder konnte diese Operation nicht vollbringen, ohne mit seinen Fingern das Talglicht zu berühren.

»Pfui Teufel!« sagte er, »was diese Bauern für Schweinehunde sind! Wie ists nur möglich, in solchem Unflath zu leben!«

Das Licht war angezündet, das war die Hauptsache.

Thibault nahm seinen Spiegel von der Wand herab, hielt ihn ans Licht und betrachtete sich.

Aber kaum hatte er einen Blick hineingeworfen, stieß er einen Schrei der Ueberraschung aus.

Er war es nicht, oder vielmehr, es war noch immer sein Geist, aber es war nicht mehr sein Leib.

Der Leib, in welchen sein Geist gefahren, war der Leib eines schönen jungen Mannes von fünf bis sechsundzwanzig Jahren, mit blauen Augen, frischen, rosigen Wangen, purpurnen Lippen und weißen Zähnen.

Kurz, es war der Leib des Barons Raoul von Vauparfond

Thibault erinnerte sich jetzt des Wunsches, welchen er in seinem Zorn über den Peitschenhieb und den Tritt vom Pferde ausgesprochen hatte.

Er hatte sich gewünscht, auf vierundzwanzig Stunden der Baron von Vauparfond zu sein, während dieser für die gleiche Zeit Thibault sein sollte.

Dies erklärte ihm, was er auf den ersten Blick nicht begriffen hatte, nämlich daß der ohnmächtige Körper, der auf dem Wege lag, seine Kleider trug und mit seinem Gesicht geschmückt war.

»Zum Henker!« sagte er, »da müssen wir doch Acht geben: ich scheine zwar hier zu sein, aber ich bin in Wirklichkeit nicht hier, sondern dort. Sorgen wir, daß mir während der vierundzwanzig Stunden, wo ich die Unvorsichtigkeit begehe, mich zu verlassen, kein Unglück widerfahre, das nicht wieder gut zu machen wäre. Kommt, kommt, sträubet Euch nicht so lange, Herr von Vauparfond; tragen wir den armen Thibault ins Haus hinein und legen wir ihn weich auf sein Bett.«

Und obschon Herr von Vauparfond mit seiner aristokratischen Gesinnung sehr wenig Lust zu dieser kleinen Arbeit bezeugte, nahm Thibault sich munter in seine Arme und trug sich vom Weg hinweg auf sein Bett.

Als er nun gut auf dem Bette lag, blies Thibault seine Lampe aus, damit seinem zweiten Ich in seiner Ohnmacht kein Unglück widerfahre; sodann verschloß er die Thüre sorgfältig und verbarg den Schlüssel in einem hohlen Baum, in welchen; er ihn gewöhnlich legte, wenn er ihn nicht bei sich tragen wollte.

Hierauf nahm er sein Pferd beim Zaum und schwang sich hinauf.

Der erste Augenblick war nicht ohne große Bangigkeit.

Thibault war, da er seine Reisen weit mehr zu Fuß als zu Pferd gemacht hatte, kein Meister der Reitkunst.

Er fürchtete deßhalb, er möchte inmitten der Bewegungen, die sein Pferd ausführen würde, seinen Schwerpunkt nicht mit der größten Sicherheit behaupten können.

Aber es schien, daß er mit Raouls Leib zugleich seine physischen Eigenschaften geerbt hatte, denn als das Pferd, ein intelligentes Thier, die augenblickliche Ungeschicklichkeit seines Reiters hatte benützen wollen, um ihn aus dem Sattel zu werfen, da nahm Thibault instinktmäßig die Zügel zusammen, drückte die Kniee ein, stieß ihm die Sporen in den Leib und maß ihm zwei oder drei Peitschenhiebe auf, die es alsbald wieder zur Ordnung brachten.

Thibault war, ohne daran zu denken, ein trefflicher Reiter geworden.

Dieser Sieg, den er so eben über sein Pferd errungen hatte, verhalf ihm auch zu einiger Klarheit über seine Doppelperson.

Für den Augenblick war er von Kopf zu Fuß der Baron Raoul von Vauparfond.

Im Geist war er Thibault geblieben.

Es war klar, daß im Leib des ohnmächtigen Thibault, der in seiner Hütte lag, der Geist des jungen Edelmanns schlief, der ihm seinen Leib lieh.

Aber diese Eintheilung, die seinen Geist in den Leib des Barons und den Geist des Barons in den Leib Thibaults versetzte, verschaffte ihm noch keinerlei Gewißheit über das, was er zu thun hatte.

Er wußte wohl, daß er in Folge eines Briefes der Gräfin nach Montgobert ritt.

Aber was sagte dieser Brief?

Zu welcher Stunde wurde er erwartet?

Wie sollte er ins Schloß gelangen?

Ueber alle diese Punkte befand er sich in gänzlicher Unwissenheit und mußte also ins Klare zu kommen suchen.

Jetzt kam ihm eine Idee.

Ohne allen Zweifel hatte er den Brief der Gräfin an Raoul bei sich.

Er befühlte sich von allen Seiten und spürte wirklich in der Seitentasche seines Rockes Etwas, das die Form des gesuchten Gegenstandes zu haben schien.

Er hielt sein Pferd an.

Er stöberte in seiner Tasche und brachte ein parfümirtes, mit weißem Atlaß gefüttertes, ledernes Brieftäschchen zum Vorschein.

In einer Seite desselben befunden sich mehrere Briefe, in der andern ein einziger.

 

Dieser letztere sollte ihn wahrscheinlich über das unterrichten, was er nicht wußte.

Es handelte sich nur darum, ihn zu lesen.

Thibault war blos drei bis vierhundert Schritte vom vom Dorf Fleury entfernt.

Er setzte sein Pferd in Galopp, in der Hoffnung, noch in irgend einem Hause Licht zu finden.

Aber im Dorf geht man früh zu Bette, und zwar legte man sich in jener Zeit noch früher als heut zu Tage.

Thibault ritt von einem Ende der Straße zum andern, ohne ein einziges Licht zu sehen.

Endlich meinte er im Stall eines Wirthshauses einiges Geräusch zu hören.

Er rief.

Ein Knecht kam mit einer Laterne.

»Mein Freund,« sagte Thibault zu ihm«, denn er hatte vergessen, daß er im Augenblick ein vornehmer Herr war, »wolItet Ihr so gut sein und mir einen Augenblick leuchten? Es wäre. mir ein großer Gefallen.«

»So, deßhalb jagt Ihr mich aus meinem Bette?« antwortete der Stallknecht grob; »nun, Ihr seid doch wenigstens höflich.«

Damit kehrte er Thibault den Rücken und schickte sich an wieder hineinzugehen.

Thibault sah, daß er auf falscher Fährte war.

»He, Lümmel!« rief er mit gesteigerter Stimme, »halte Deine Laterne her und leuchte mir, oder Du bekommst fünfundzwanzig von meiner Reitpeitsche.«

»O, bitte um Entschuldigung, gnädiger Herr,« sagte der Stallknecht, »ich wußte nicht, mit wem ich sprach.«

Und er stellte sich auf die Zehen, um seine Laterne in die nöthige Höhe zu halten.

Thibault öffnete den Brief und las:

»Mein lieber Raoul,

»Augenscheinlich hat Frau Venus uns unter ihren Schutz, gestellt. Ich weiß nicht, welche große Jagd morgen bei Thury stattfinden soll, aber das weiß ich, daß er heute Abend weggeht.

»Reitet um neun Uhr ab, damit Ihr um halb elf hier seid.

»Kommt an der bewußten Stelle herein, wo die bewußte Person Euch erwarten und an den bewußten Ort führen wird.

»Bei Eurem letzten Besuch hat es mir, ohne Vorwurf, geschienen, als ob Ihr Euch sehr lange in den Gängen aufgehalten hättet.

»Jane.«

»Ah! Teufel!« sagte Thibault.

»Ihr beliebet, gnädiger Herr?« fragte der Stallknecht.

»Nichts, Lümmel, außer daß ich Deiner nicht mehr bedarf, und daß Du abtreten kannst.«

»Glückliche Reife, gnädiger Herr!« sagte der Stallknecht, indem er sich bis zur Erde verneigte.

Und er ging in seinen Stall zurück.

»Teufel!« wiederholte Thibault, »der Brief macht mich nicht viel klüger; nur scheint es, daß wir unter dem Schutz der Frau Venus stehen, daß er heute Abend nach Thury geht, daß die Gräfin von Montgobert mich um halb elf erwartet, und das; sie mit ihrem Taufnamen Jane heißt.

»Im Uebrigen werde ich an der bewußten Stelle hereinkommen;

»Ich werde von der bewußten Person empfangen werden;

»Und diese wird mich an den bewußten Ort führen.«

Thibault kragte sich hinter dem Ohr, was bekanntlich die gewöhnliche Geberde von Leuten ist, die sich in einer großen Verlegenheit befinden.

Er hatte Lust, den Geist des Herrn von Vauparfond zu wecken, der auf seinem Bett in Thibaults Leibe schlief.

Aber damit wäre nicht blos viel Zeit verloren gegangen, sondern dieses äußerste Mittel hatte auch noch andere bedenkliche Seiten.

Der Geist des Barons Raoul konnte, wenn er seinen Körper so nahe sah, vom Verlangen nach augenblicklicher Rückkehr in denselben ergriffen werden, und daraus konnte ein Streit entstehen, in welchem Thibault sich nur auf die Gefahr hin, sich selbst ein großes Leid anzuthun, vertheidigen konnte.

Er mußte aus ein anderes Mittel denken.

Thibault hatte häufig den Scharfsinn der Thiere rühmen gehört und in seinem ländlichen Leben zu wiederholten Malen Gelegenheit gehabt, ihren Instinct zu bewundern.

Er beschloß, sich auf den Instinct seines Pferdes zu verlassen.

Er führte es auf seinen Weg zurück, drehte es gegen Montgobert zu und überließ ihm die Zügel.

Das Pferd begann zu galoppiren.

Es hatte offenbar begriffen.

Thibault bekümmerte sich um Nichts mehr; alles Uebrige war Sache seines Pferdes.

An der Ecke der Gartenmauer machte das Pferd Halt, aber nicht als ob es über den einzuschlagenden Weg Bedenken gehabt hätte, sondern es spitzte die Ohren und schien unruhig.

Thibault seinerseits hatte zwei Schatten zu sehen geglaubt, aber es schienen auch wirklich blos Schatten zu sein, denn obschon er sich in seinen Steigbügeln aufrichtete, um größer zu werden, und seine Blicke rings umher schweifen ließ, so sah er doch schlechterdings Nichts.

Er dachte, es seien Wilddiebe, die sich in den Park schleichen und ihm selbst ins Handwerk pfuschen wollten.

Sobald ihm Niemand den Weg streitig machte, brauchte er blos seinem Pferd wieder seinen freien Willen zu lassen.

Das that er denn auch, indem er ihm von Neuem die Zügel überließ.

Das Pferd lief in starkem Trab an der Parkmauer entlang, und zwar aus dem Ackerfeld und ohne alles Gewieher, wie wenn das kluge Thier geahnt hätte, daß es durchaus kein, oder vielmehr nur so wenig als möglich Geräusch machen durfte.

So lief es an einer ganzen Seite der Parkmauer hin, bog dann um und blieb vor einer kleinen Lücke stehen.

»Gut!« sagte Thibault, »ohne Zweifel müssen wir hier hereingehen.«

Das Pferd beroch die Lücke und scharrte mit seinem Huf auf dem Boden.

Das hieß kategorisch antworten.

Thibault überließ ihm den Zügel, und inmitten der Steine, die unter seinen Füßen rollten, kletterte das Thier: über die Lücke hinein.

Pferd und Reiter waren im Park.

Eine der drei Verlegenheiten war bereits glücklich abgethan.

Thibault war an der bewußten Stelle herein gekommen.

Blieb noch die bewußte Person zu finden.

Er verließ sich auch in dieser Beziehung auf sein Pferd.

Nach Verfluß von fünf Minuten blieb das Pferd hundert Schritte vom Schloß vor einem jener aus Thon und berindetem Holz errichteten Hüttchen stehen, die man in einen Park stellt, um einer Landschaft das zu geben, was man in der Kunstsprache der Maler ein Gebäude nennt.

Beim Getöne der Rosseshufe hatte sich die Thüre halb geöffnet, und das Pferd blieb vor dieser Thüre stehen.

Eine hübsche Zofe kam heraus.

»Seid Ihr’s, Herr Raoul?« sagte sie leise.

»Ja, mein Kind, ich bin’s,« antwortete Thibault, indem er abstieg.

»Die gnädige Frau war sehr in Angst, dieser Trunkenbold von Champagne möchte Euch ihren Brief nicht zugestellt haben.«

»Sie brauchte sich nicht zu bekümmern; Champagne hat Alles aufs Pünktlichste ausgerichtet.«

»Laßt jetzt Euer Pferd hier und kommt.«

»Aber wer wird es besorgen?«

»Wer es gewöhnlich besorgt, Meister Carmesin.«

»Ah richtig,« sagte Thibault, wie wenn ihm diese Details aufs Genaueste bekannt wären, »Carmesin wird es besorgen.«

»Ei so kommt doch!« wiederholte die Zofe, »wir müssen uns sputen, sonst könnte die gnädige Frau wieder sagen, wir haben uns in den Gängen aufgehalten.«

Und bei diesen Worten, welche Thibault an eine Phrase in dem Brief an Raoul erinnerten, lachte die Zofe und zeigte perlweiße Zähne.

Thibault hatte diesmal große Lust, sich aufzuhalten, aber nicht in den Gängen, sondern im Park.

Aber die Zofe hielt einen Fuß in der Schwebe und ihr Ohr gegen den Wind.

»Was gibt es da?« fragte Thibault.

»Es scheint mir, als hätte ich einen Zweig unter einem Fuße krachen gehört.«

»Nun,« sagte Thibault, »das ist gewiß Carmesin.«

»Ein neuer Grund, recht brav zu sein, Herr Raoul; wenigstens hier.«

»Ich begreife nicht.«

»Ihr wisset ja doch, daß Carmesin mein Bräutigam ist.«

»Ach ja, richtig! Aber so oft ich mit Dir allein bin, mein liebes Röschen, denke ich nicht mehr daran.«

»Ei, jetzt soll ich auf einmal Röschen heißen! Herr Baron, ich habe noch nie einen vergeßlicheren Mann gefunden, als Ihr seid.«

»Ich nenne Dich Röschen, mein schönes Kind, weil die Rose die Königin der Blumen ist, gerade wie Du die Königin aller Zofen bist.«

»Wahrhaftig, Herr Baron,« sagte das Mädchen, »ich habe Euch immer geistreich gefunden, aber heute Abend finde ich Euch noch geistreicher als sonst.«

Thibault warf sich in die Brust.

Es war dies ein an den Baron adressirter und von dem Holzschuhmacher entsiegelter Brief.

»Ob wohl Deine Gebieterin auch dieser Ansicht ist?« fragte er.

»O,« sagte die Zofe, »bei Vornehmen Damen ist es immer leicht, als der geistreichste Mensch von der Welt zu gelten: man brauchst blos gar Nichts zu sprechen.«

»Gut,« antwortete Thibault, »ich will an das Recept denken.«

»Bst!« sagte die Zofe, »sehet, die Frau Gräfin steht dort hinter dem Vorhang in ihrem Toilettezimmer. Ihr müßt ganz sittsam hinter mir her gehen.«

In der That kamen sie jetzt an einen leeren Raum, der sich zwischen dem Gehölz und der Freitreppe des Schlosses befand.

Thibault ging auf die Freitreppe zu.

»Ei, ei,« sagte die Zofe, indem sie ihn beim Arm festhielt, »was macht Ihr denn, Unglücklicher?«

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