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Der Wolfsführer

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Solange er noch wünschen durfte, war er sicher, daß die menschliche Justiz ihm Nichts anhaben konnte.

Nachdem Thibault also an den Händen mit Stricken gebunden und an den Füßen gefesselt war, schritt er mit augenscheinlicher Ergebung zwischen seinen Gendarmen einher.

Ein Gendarme hielt das Ende des Stricks, an den er gebunden war.

Sie rissen Witze und fragten den Hexenmeister Thibault lachend, warum er sich habe fangen lassen, da er doch eine solche Macht besitze.

Und Thibault antwortete auf ihre Spöttereien mit dem bekannten Sprichwort:

»Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«

Die Gendarmen hofften freilich, daß sie zuletzt lachen würden.

Man kam über Puiseux hinaus und in den Wald.

Das Wetter war immer trübseliger geworden.

Es sah aus, als hingen die Wolken, gleich einem ungeheuern schwarzen Schleier, an den Baumwipfeln Man sah keine vier Schritte weit vor stets. Thibault dagegen sah.

Er sah von allen Seiten her Lichter schnell in der Finsternis; vorbeikommen und sich nach allen Richtungen kreuzen.

Diese Lichter näherten sich immer mehr und waren von einem Getrippel in dem dürren Laube begleitet.

Die Pferde wichen ängstlich zurück und zitterten im Nachtwind unter ihren Reitern.

Das plumpe Gelächter der Gendarmen verstummte nach und nach.

Thibault seinerseits begann zu lachen.

»Warum lachst Du?« fragte ihn ein Gendarm.

»Weil ihr nicht mehr lachet,« antwortete Thibault.

Beim Getöne von Thibaults Stimme kamen die Lichter näher, und das Getrippel wurde vornehmlich.

Dann hörte man ein unheimliches Geräusch, ein Geräusch von Kinnbacken, worin die Zähne an einander klapperten.

»Ja, ja, meine lieben Wölfe,« sagte Thibault, »ihr habt Menschenfleisch gekostet, und das hat euch wohl gut gedäucht?«

Ein beifälliges Geknurre, das zugleich an den Hund und an die Hyäne erinnerte, war die Antwort.

»Es ist so,« sagte Thibault, »ich begreife; nach dem ihr den Waldschützen gefressen habt, möchtet ihr auch gern Gendarmen kosten.«

»O, o,« sagten die Reiter, die zu schaudern anfingen, »mit wem sprichst Du denn?«

»Mit denjenigen, die mir antworten,« sagte Thibault.

Und er stieß ein Geheule aus. Zwanzig Töne derselben Art antworteten ihm. Einige waren bis auf zehn Schritte nah, andere waren weit entfernt.

»Hm,« machte einer der Gendarmen, »was sind denn das für Thiere, die uns so nachlaufen, deren Augen im Finstern blitzen, und deren Sprache dieser Elende zu reden scheint?«

»O, o!« sagte der Holzschuhmacher, »ihr nehmet den Wolfsführer Thibault gefangen, ihr führet ihn in der Nacht durch die Wälder, und ihr fraget noch, was diese Lichter und diese heulenden Stimmen sind, die ihm folgen. Hört ihr’s Freunde?« rief Thibault; »diese Herren wollen wissen, wer ihr seid. Antwortet ihnen alle zusammen, damit sie keinen Zweifel mehr haben.«

Die Wölfe gehorchten ihrem Herrn und stießen ein einstimmiges, langes Geheul aus.

Die Pferde begannen zu schnauben; zwei oder drei bäumten sich.

Die Gendarmen thaten alles Mögliche, um ihre Thiere theils durch Streicheln, theils durch freundliches Zureden zu beschwichtigen.

»O,« sagte Thibault, »das ist noch nichts; ihr werdet es sogleich sehen, wenn jedes Pferd zwei Wölfe auf dem Kreuz und einen am Hals sitzen hat.«

Die Wölfe gingen unter den Füßen der Pferde durch und umwedelten Thibault kosend.

Einer von ihnen stellte sich an seine Brust, als wollte er seine Befehle verlangen.

»Sogleich, sogleich« sagte Thibault, »wir haben Zeit. Seien wir keine Egoisten und gönnen wir unsern Kameraden Zeit, um anzukommen.«

Die Gendarmen vermochten ihre Pferde nicht mehr zu bewältigen; diese bäumten sich, machten Seitensprünge, und obschon sie nur im Schritt gingen, troffen sie doch von Schweiß und Schaum.

»Nicht wahr,« sagte Thibault zu den Gendarmen, »jetzt würdet ihr gerne einen Handel mit mir schließen? Ich würdet mir gerne die Freiheit schenken unter der Bedingung, daß ihr heute Nacht in euren eigenen Betten schlafen dürftet?«

»Im Schritt,« sagte einer der Gendarmen, »solange wir im Schritt reiten, haben wir Nichts zu befürchten.«

Ein anderer zog seinen Säbel.

Einige Secunden darauf hörte man ein Schmerzgeheul.

Einer der Wölfe hatte einen Gendarmen beim Stiefel gepackt, und dieser hatte ihm seinen Säbel durch den Leib gerannt.

»Es wie unvorsichtig, Gendarme!« sagte Thibault; »die Wölfe fressen einander, dem Sprichwort zum Trotz, und wenn sie einmal Blut verschmeckt haben, so weiß ich nicht, ob ich selbst sie noch bändigen kann.«

Die Wölfe fielen insgesamt über ihren verwundeten Kameraden her. Nach fünf Minuten blieben nur noch die Knochen von ihm übrig.

Die Gendarmen hatten diese Frist benützt, um einen Vorsprung zu gewinnen; sie ließen indeß Thibault nicht los, sondern zwangen ihn, mit ihren Pferden gleich zu laufen. Aber was Thibault vorhergesagt hatte, traf ein.

Man hörte auf einmal Etwas wie Sturm.

Es war die Meute, die aus Leibeskräften nachjagte.

Die Pferde, die im stärksten Trab liefen, wollten sich, erschreckt durch das Getrappel, den Geruch und das Geheul der Wölfe, nicht wieder in den Schritt bringen lassen.

Sie begannen vielmehr, trotz aller Anstrengungen ihrer Reiter, zu galoppiren.

Der Gendarme, der Thibault am Strick hielt, bedurfte jetzt seiner beiden Hände, um sein Pferd zu bemeistern, und ließ seinen Gefangenen los.

Die Wölfe sprangen den Pferden theils auf das Kreuz, theils an den Hals.

Sobald diese die spitzen Zähne ihrer Feinde empfunden, stoben sie nach allen Richtungen auseinander.

»Hurrah, Wölfe! Hurrah!« rief Thibault.

Aber die furchtbaren Thiere bedürften keiner Aufmunterung. Nur zwei oder drei blieben bei Thibault, und bald hatte jedes Pferd sechs oder sieben Verfolger hinter sich.

Pferde und Wölfe verschwanden nach allen Seiten der Windrose, und bald hörte man das Nothgeschrei der Männer, das Schmerzgewieher der Pferde und das Wuthgeheul der Wölfe in der Ferne immer schwächer werden.

Thibault war frei geblieben.

Nur waren seine Hände durch einen Strick geknebelt, und an den Füßen hatte er Fesseln.

Zuerst versuchte er seine Bande aufzubeißen.

Unmöglich

Dann wollte er sie durch seine Muskelkraft zerreißen. Vergeblich.

Die verschiedenen Versuche machten nur, daß ihm die Stricke ins Fleisch schauten, und hatten keinen Erfolg.

Jetzt war es an ihm, vor Schmerz, Angst und Wuth aufzubrüllen

Endlich, als er es müde geworden, seine geknebelten Arme zu Verderben, hob er seine Fäuste gen Himmel und rief:

»Schwarzer Wolf, mein Freund, mach, daß diese Stricke von meinen Armen fallen. Du weißt ja, daß ich die Hände blos; frei haben will, um Böses zu thun!«

Im selben Augenblick zerborsten die Stricke und fielen zu den Füßen Thibaults, der jetzt unter Freudengebrüll mit seinen Händen in der Luft herumfocht.

XX
Der böse Geist

Am folgenden Abend um neun Uhr ging ein Mann auf der Straße von Puits-Sarrasin nach den Wald von Ozières.

Es war Thibault, der seiner Hütte einen letzten Besuch abstatten und sehen wollte, ob der Brand irgend welche Trümmer übrig gelassen habe.

Ein rauchender Aschenhaufe bezeichnete den Platz, wo sie gestanden.

Gleich als hätte Thibault ihnen hier ein Rendezvous gegeben, bildeten Wölfe einen weiten Kreis um diese Ruinen, auf welche sie mit finsterer Wuth hinschauten; sie schienen zu begreifen, daß man durch Zerstörung dieser armseligen, aus Zweigen und Erde erbauten Hütte den Mann angegriffen hatte, der ihnen kraft seines Vertrags mit dein schwarzen Wolf zum Herrn gegeben war.

Als Thibault in den Kreis trat, stießen alle Wölfe zugleich ein langes, unheimliches Geheul aus, als wollten sie zu verstehen geben, daß sie bereit seien. seiner Rache zu dienen.

Thibault setzte sich auf den Platz, wo sein Herd gestanden.

Man erkannte diesen Platz an einigen geschwärzten, aber unversehrt gebliebenen Steinen und an der höheren Asche.

Er blieb hier einige Minuten in schmerzliche Betrachtung versunken.

Er bedachte nicht, daß das Unglück, das er vor Augen hatte, die Folge und Strafe seiner neidischen Gelüste war, die noch immer größer wurden. Er empfand weder Reue noch Bedauern. Seine Freude darüber, daß er sich jetzt in den Stand gesetzt sah, den Menschen Böses mit Bösem zu vergelten, sein Stolz daraus, daß er mit Hilfe dieser furchtbaren Bundesgenossen einen Kampf mit seinen Verfolgern wagen konnte, beherrschten in ihm alle andern Empfindungen.

Und als die Wölfe klüglich heulten, sagte Thibault zu ihnen:

»Ja, ja, euer Geheul stimmt zu dem Geschrei meines Herzens. Die Menschen haben meine Hütte zerstört und die Asche der Werkzeuge, womit ich mein Brod verdiente, in den Wind gestreut; ihr Haß verfolgt mich wie euch; ich habe weder Gnade noch Mitleid von ihnen zu erwarten; wir sind ihre Feinde, wie sie die unsrigen sind; ich werde weder Gnade noch Erbarmen gegen sie üben; kommt also und laßt uns von der Hütte ins Schloß die Verwüstung zurücktragen, welche sie bei mir angerichtet haben.«

Und wie ein Räuberhauptmann mit seinen Spießgesellen, zog jetzt der Wolfsführer inmitten seiner ganzen Bande auf Zerstörung und Mord aus.

Diesmal galt die Verfolgung nicht mehr den Hirschen, den Damböcken, den Rehen und anderem schüchternen Wild.

Unter dem Schutz des nächtlichen Dunkels zog er zuerst gegen das Schloß Vez, denn hier hauste sein Hauptfeind.

Der Baron besaß drei Höfe, die zum Schloß gehörten, verschiedene Ställe voll von Pferden und Hornvieh, Pferche mit Hunderten von Schafen.

Gleich in der ersten Nacht wurde Alles angegriffen.

Am folgenden Tag fand man zwei Pferde, vier Kühe und zehn Schafe erwürgt.

Der Baron zweifelte einen Augenblick, ob er dieses Unglück den Thieren zuzuschreiben habe, mit denen er einen so furchtbaren Krieg führte; das Ganze glich nicht dem brutalen Angriff einer wilden Thierhorde, sondern einem wohlbedachten und fein angelegten Racheact.

 

Gleichwohl war an den Spuren der Zähne in den Wunden so wie der Pfoten auf dem Boden leicht zu erkennen, daß simple Wölfe die Verheerung angerichtet hatten.

In der folgenden Nacht legte man sich in den Hinterhalt

Aber Thibault und seine Wölfe befanden sich auf der entgegengesetzten Seite des Waldes.

Diesmal wurden die Pferden. Vieh- und Schafställe von Soucy und Vivières heimgesucht.

In der dritten Nacht kam die Reihe an Boursonne und Yvars.

Das Wert der Zerstörung sollte, nachdem es einmal begonnen war, mit Hartnäckigkeit fortgesetzt werden.

Der Wolfsführer verließ seine Wölfe nicht mehr; er schlief in ihren Höhlen; er lebte mitten unter ihnen; er reizte ihren Blutdurst und ihre Mordelust.

Mancher Holzmacher, mancher arme Mann, der Haidekraut sammelte, stieß im Gebüsch auf den drohenden Rachen eines Wolfes mit weißen, spitzen Zähnen, und wurde von ihm fortgetragen oder zerrissen, wenn er sich nicht zufällig durch seinen Muth und seine gute Hippe retten.

Die Wölfe, denen menschlicher Verstand zu Hilfe kam, waren vermöge ihrer Organisation und Disciplin furchtbarer geworden, als eine Herde Lanzknechte, die über ein erobertes Land herfallen.

Der Schrecken war allgemein; Niemand wagte mehr unbewaffnet seine Stadt oder sein Dorf zu verlassen; man fütterte das Vieh in den Ställen, und wenn die Leute ausgingen, so warteten sie auf einander, um ansehnliche Massen zu bilden.

Der Bischof von Soissons verordnete öffentliche Gebete um Thauwetter, denn man schrieb diese ungewohnte Wildheit der Wölfe dem massenhaften Schnee zu.

Man sagte freilich auch, diese Wölfe werden von einem Menschen aufgereizt, angeleitet und angeführt; dieser Mensch sei unermüdlicher, grausamer und unerbittlicher als die Wölfe selbst; er nähre sich, gleich seinen Kameraden, von zuckendem Fleisch und saufe Blut.

Das Volk bezeichnete und nannte Thibault.

Der Bischof schleuderte den Bannstrahl über den ehemaligen Holzschuhmacher..

Herr Jean seinerseits behauptete, die Blitze der Kirche vermögen nur dann Etwas gegen die bösen Geister, wenn sie tüchtige Hetzjagden in ihrem Gefolge haben.

Er betrübte sich allerdings ein wenig über soviel vergossenes Blut, er fühlte sich etwas gedemüthigt dadurch, daß sein eigenes Vieh, das Vieh des Wolfsjägermeisters, ganz besonders von den Thieren heim gesucht wurde, zu deren Ausrottung er aufgestellt war; aber im Grund dachte er doch nicht ohne geheime Freude an die glorreichen Jagden, die seiner warteten, und an die Berühmtheit, die er sich unfehlbar unter allen ausgezeichneten Jägern erwerben mußte. Seine Leidenschaft für die Jagd steigerte sich in diesem Kampf, den seine Gegner so offen und ehrlich angenommen zu haben schienen, zu einer riesigen Höhe; er gönnte sich weder Rast noch Ruhe; er schlief nicht mehr; er aß im Sattel; er streifte ganze Nächte lang mit Munter und Engoulevent, der auf Rücksicht auf seine Verheirathung zum Rüdenknecht erhoben worden war, auf den Feldern umher; schon am frühen Morgen saß er zu Pferd, griff einen Wolf an und jagte ihn, so lange es hell genug war, daß er seine Hunde erkannte.

Aber leider verschwendete Herr Jean alle seine Kenntniß des edlen Waidwerks, all seinen Wuth, all seine Beharrlichieit ganz umsonst.

Er überwältigte da und dort irgend einen schlechten jungen Wolf, irgend ein abgemagertes, räudiges Thier, irgend einen unvorsichtigen Fresser, der des Guten zu viel gethan hatte, so daß er nach einer Verfolgung von zwei oder drei Stunden den Athem verlor; aber die großen Wölfe mit fahlem Pelz, starker Brust und schlankem Bauch, stählernen Kniekehlen und langen, dürren Pfoten, diese verloren kein Haar im Kriege mit ihm.

Durch Thibaults Hilfe bekämpften sie ihre Gegner mit beinahe gleichen Waffen.

Wie Herr Jean ewig bei seinen Hunden blieb, so verließ der Wolfsführer seine Wölfe nicht; nach einer Nacht der Verheerung und Plünderung hielt er seine Bande munter und bereit, demjenigen Hilfe zu bringen, welchen Herr Jean aufgetrieben hatte; dieser verlegte sich dann, den Anleitungen des Holzschuhmachers gemäß, auf Ränke, verdoppelte und durchkreuzte seine Führten, lief in den Bächen, sprang über niedrige Bäume, um Menschen und Hunden doppelte Mühe zu machen; endlich aber, wenn er eine Abnahme seiner Kräfte verspürte, suchte er das Weite. Dann kamen das ganze Rudel Wölfe und ihr Führer dazwischen: beim geringsten Schwanken wurde eine so geschickte Wendung ausgeführt, daß man nur aus unmerklichen Zeichen schließen konnte, daß die Hunde nicht mehr meutenweise das Thier verfolgten, und daß nichts Geringeres als die gründliche Erfahrung des Herrn Jean dazu gehörte, um aus der Sache klug zu werden.

Und dennoch täuschte er sich manchmal.

Ueberdies machten, wie wir bereits gesagt haben, die Wölfe ihrerseits auf die Jäger Jagd: es war dies eine Meute, die eine andere jagte.

Nur war die Meine der Wölfe, da sie stumm jagte, furchtbarer als die der Hunde.

Blieb ein abgemagerter Hund zurück, verirrte sich ein anderer beim Streifen von dem Hauptcorps hinweg, so wurde er augenblicklich erwürgt, und der Nachfolger des armen Markotte, Meister Engoulevent, den wir schon zu wiederholten Malen zu nennen Gelegenheit hatten, wurde eines Tags, als er auf den Nothschrei eines seiner Hunde herbeieilte, selbst angegriffen, und der dankte seine Rettung nur der Schnelligkeit seines Pferdes.

In kurzer Zeit war die Meute des Herrn Jean decirnirt; seine besten Hunde waren an Erschöpfung crepirt, die mittelmäßigen waren unter den Zähnen der Wölfe erlegen, und im Pferdestall sah es nicht viel besser aus als im Hundestall: Bayard war verschlagen, Tancred hatte sich bei Ueberspringung eines Grabens die Flechsen verletzt, Tapfer war durch eine Ausköthung invalid geworden; glücklicher als seine drei Kameraden, war Sultan auf dem Felde der Ehre gestorben, erliegend unter einer sechzehnstündigen Treibjagd und dem Gewicht seines riesigen Herrn, dessen Muth ungebeugt blieb bei solchen Unfällen, die indeß Leichenhaufen von seinen edelsten und treuesten Dienern um ihn her errichteten.

Herr Jean glich jenen großherzigen Römern, welche gegen die immer neu emperkommenden Carthager alle Mittel der Kriegskunst erschöpften: er änderte seine Taktik und versuchte es mit Treibjagden. Er rief den Bann und Nachbann der Bauern zusammen und durchstreifte die Wälder mit einer furchtbaren Macht, so daß da, wo die Treiber durchgekommen waren, kein Hase mehr im Lager blieb. Aber es war Thibaults Sache, diese Treibjagden vorherzusehen und die Plätze zu errathen, wo sie stattfinden sollten.

Trieb man bei Vivières oder Soucy, so machten die Wölfe und ihr Führer einen Abstecher nach Boursonne oder Yvars.

Trieb man bei Haramont oder Longpré, so erfuhr man von ihnen in Corcy und Verte-Feuilles.

Vergebens begab sich Herr Jean schon bei Nacht in die bezeichneten Schläge, vergebens umzingelte er sie in der größten Stille und griff schon mit Tagesanbruch an, die Treiber konnten nie einen einzigen Wolf aus seinem Lager aufjagen.

Nicht ein einziges Mal ließ Thibaults Wachsamkeit sich hintergehen.

Hatte er schlecht gehört oder falsch verstanden, so daß er den Ort des Angriffs nicht wußte, so ließ er durch Curiere, die er zu Anfang der Nacht abschickte, alle Wölfe auf einem Punkt versammeln und zog dann mit ihnen von einem Wald in den andern.

Dies währte mehrere Monate so fort.

Wie der Baron Jean, so verfolgte auch Thibault seinerseits die Aufgabe, die er sich gestellt hatte, mit leidenschaftlicher Energie; gleich seinem Gegner, schien auch er übernatürliche Kräfte erworben zu haben, um so vielen Strapazen und Aufregungen zu widerstehen, und dies war um so bemerkenswerther als in den kurzen Augenblicken der Rast, welche der Baron von Vez dem Wolfsführer vergönnte, Letzterer sich ganz und gar keiner Gemüthsruhe erfreute.

Die Handlungen, die er beging und veranstaltete, flößten ihm nicht gerade Abscheu ein, er erklärte sie für natürlich und schob die Folgen denjenigen in die Schuhe, die ihn, wie er behauptete, dazu getrieben hatten.

Gleichwohl hatte er Augenblicke der Kleinmüthigkeit, worüber er sich keine Rechenschaft zu geben vermochte, und dann war er traurig, mürrisch niedergeschlagen inmitten seiner wilden Kameradschaft.

Dann erschien ihm das Bild Agnelettes, und seine ganze Vergangenheit als ehrsamer und fleißiger Handwerker, sein einst so friedsames und schuldloses Leben personificirte sich in dieser lieblichen Gestalt.

Auch liebte er sie, wie er es nie für möglich gehalten hätte, Jemand zu lieben. Bald weinte er verzweiflungsvoll über so viel verlornes Glück, bald hatte er Anfälle von eifersüchtiger Wuth über denjenigen, der jetzt Etwas besaß, wonach er selbst, Thibault, nur die Hand auszustrecken gebraucht hätte.

Eines Tags, als Herr Jean, um neue Verrichtungspläne vorzubereiten, genöthigt gewesen war, die Wölfe in Ruhe zu lassen, verließ Thibault in oben bezeichneter Stimmung die Höhle, worin er unter seinen Wölfen lebte.

Es war eine herrliche Sommernacht.

Er schweifte im Hochwald umher, dessen Wipfel der Mond versilberte, und gedachte der Zeiten, wo er sorgenfrei und mit ruhigem Gemüth über die schönen; Moosteppiche einhergeschritten war.

Jetzt gelangte er zu dem einzigen Glück, das ihm noch erreichbar war; zum Vergessen.

Er war tief in diesen holden Traum, den seiner ersten Vergangenheit versunken, als er auf einmal, hundert Schritte von sich einen Nothschrei hörte.

Er war so sehr an solche Rufe gewöhnt, daß er in einem andern Augenblick kaum darauf geachtet haben würde.

Aber eben jetzt hatte die Erinnerung an Agnelette sein Herz weich und mitleidig gestimmt.

Dies war um so natürlicher, als Thibault sich in der Nähe des Platzes befand, wo er das holde Kind zum ersten Mal gesehen hatte.

Er eilte also nach dem Ort, von wo der Schrei gekommen war, und erblickte ein Weib, das sich eines ungeheuren Wolfes zu erwehren suchte, der sie zu Boden geworfen hatte.

Thibaults Herz schlug, ohne daß er sich seine Rührung zu erklären vermochte, stärker als gewöhnlich.

Er packte das Thier am Hals und schleuderte es zehn Schritte von seinem Opfer weg; sodann nahm er die Frau in seine Arme und trug sie auf die Böschung des Grabens.

Jetzt beleuchtete ein Mondstrahl, der zwischen zwei Wolken durchglitt, das Gesicht der Person, die er dem Tode entrissen.

Thibault erkannte Agnelette.

Er wußte zehn Schritte von da eine Quelle, dieselbe, worin er sich das erste Mal betrachtet und ein rothes Haar wahrgenommen hatte.

Er lief hin, füllte seine beiden Hände mit Wasser und spritzte es der jungen Frau ins Gesicht.

Agnelette öffnete die Augen, stieß einen Angstschrei aus und versuchte zu fliehen.

»Ei wie! « rief der Wolfsführer, wie wenn er noch immer der Holzschuhmacher Thibault wäre, »Ihr erkennt mich nicht, Agnelette?«

»O freilich erkenne ich Euch, Thibault; ich erkenne Euch,« rief die junge Frau, »und eben darum habe ich Angst.«

Sodann sank sie auf ihre Kniee und bat mit gefalteten Händen:

»Tödtet mich nicht, Thibault! tödtet mich nicht! die alte Großmutter würde sich zu Tode grämen; tödtet mich nicht, Thibault!«

Der Wolfsführer stand ganz bestürzt da.

Jetzt erst begriff er den schrecklichen Ruf, den er sich erworben, da sein Anblick dem Weib, das ihn geliebt hatte, und das er noch immer liebte, eine solche Angst einjagen konnte.

Einen Augenblick schauderte er vor sich selbst.

»Ich Euch tödten, Agnelette!« sagte er, »während ich Euch doch dem Tod entreißen will! O, Ihr müßt einen sehr großen Haß gegen mich haben, daß Euch ein solcher Gedanke kommen konnte.«

»Ich hasse Euch nicht, Thibault,« antwortete die junge Frau; aber man erzählt sich so Vieles von Euch, daß Ihr mir Furcht einflößet.«

»Und spricht man auch den dem Mädchen, durch dessen Treulosigkeit Thibault zu all diesen Verbrechen getrieben worden ist?«

»Ich verstehe Euch nicht,« sagte Agnelette, indem sie ihn mit ihren großen, himmelblauen Augen an schaute.

»Ei wie!« versetzte Thibault, »Ihr verstehet nicht, daß ich Euch liebte, daß ich Euch anbetete, und daß Euer Verlust mich wahnsinnig gemacht hat?«

»Wenn Ihr mich liebtet, wenn Ihr mich anbetetet, Thibault, wer hat Euch denn verhindert mich zu heirathen?«

»Der böse Geists« murmelte Thibault.

»Ich liebte Euch,« fuhr die junge Frau fort, »und ich habe mit Schmerzen auf Euch gewartet.«

Thibault, stieß einen Seufzer aus.

»Ihr liebtet mich, Agnelette?« sagte er.

 

»Ja,« antwortete die junge Frau mit ihrer lieblichen Stimme und ihrem bezaubernden Blick.

»Aber jetzt,« fuhr Thibault fort, »jetzt ist Alles aus, und Ihr liebet mich nicht mehr?«

»Thibault,« antwortete Agnelette, »ich liebe Euch nicht mehr, weil ich Euch nicht mehr lieben darf. Aber man schlägt sich seine erste Neigung nicht so leicht aus dem Sinn, wie man gerne möchte.«

»Agnelette!« rief Thibault ganz schaudernd, »gebt wohl Acht, was Ihr saget.«

»Warum,« sagte das Kind mit naivem Kopfschütteln, »warum sollte ich mich mit meinen Reden in Acht nehmen, da ich nur die Wahrheit sagen werde? Damals, als Ihr mir sagtet, daß Ihr mich zur Frau nehmen wollet, glaubte ich Euch, Thibault, denn warum hättet Ihr mich belügen sollen in dem Augenblick, wo ich Euch einen Dienst geleistet hatte? Dann begegnete ich Euch später, ohne daß ich Euch suchte; Ihr seid zu mir hergekommen, habt Worte der Liebe zu mir gesagt und habt zuerst wieder von Eurem Versprechen angefangen. Auch daran war ich nicht Schuld, Thibault, daß ich Angst bekam vor diesem Ring, den Ihr am Finger hattet, und der zwar für Euch groß genug, aber schrecklicher Weise für mich zu klein war.«

»Wollt Ihr, daß ich diesen Ring nicht mehr trage?« fügte Thibault; »wollt Ihr, daß ich Ihn wegwerfe?«

Und er versuchte ihn von seinem Finger zu ziehen. Aber wie der Ring zu klein gewesen war, um in Agnelettes Finger hineinzugehen, so war er jetzt zu klein, um aus Thibaults Finger herauszugeben.

Vergebens bot er alle seine Kräfte auf, vergebens suchte er ihn sogar mit den Zähnen herauszubringen: der Ring schien auf Ewigkeiten an seinem Finger festgenietet.

Thibault sah wohl, daß er auf eine Trennung von diesem Ring verzichten mußte, und daß derselbe eine Bürgschaft seines Vertrags mit dem schwarzen Wolfe war.

Seufzend und muthlos ließ er seine Arme wieder sinken.

»Damals,« fuhr Agnelette fort, »bin ich entflohen. Ich weiß wohl, daß es unrecht von mir war; aber ich konnte meine Angst nicht bemeistern beim Anblick dieses Ringes und besonders…«

Sie schlug ängstlich ihre Augen bis zu Thibaults Stirne auf.

Thibault war barhäuptig, und beim Mondschein konnte Agnelette sehen, daß es nimmer ein einziges Haar war, das in den höllischen Flammen geröthet zu sein schien, sondern daß die Hälfte der Haare des Wolfsführers die diabolische Färbung angenommen hatte.

»O!« sagte sie zurückweichend, »Thibault, Thibault! was ist mit Euch geschehen, seit ich Euch nicht mehr gesehen habe?«

»Agnelette!« rief Thibault, indem er seine Stirne an die Erde lehnte und seinen Kopf in beiden Händen hielt; »was mit mir geschehen ist, das könnte ich keiner menschlichen Creatur, selbst einem Priester nicht, erzählen; aber zu Euch, Agnelette, sage ich einfach das: Agnelette, Agnelette, habt Mitleid mit mir, denn ich bin sehr unglücklich gewesen.«

Agnelette trat wieder näher zu Thibault und ergriff seine Hände.

»Ihr liebtet mich also! Ihr liebtet mich also!« rief Thibault.

»Was wollt Ihr, Thibault?« erwiederte die junge Frau mit derselben Sanftmuth und Unschuld; »ich hatte Euer Gerede ernsthaft genommen, und so oft Jemand an die Thüre unserer Hütte klopfte, so pochte mein Herz, weil ich dachte, Ihr wäret es und kämen um zu der alten Frau zu sagen: Mutter, ich liebe Agnelette, Agnelette liebt mich, wollt Ihr sie mir zum Weib geben? Wenn man dann aufgemacht hatte und ich sah, daß Ihr es nicht waret, so verbarg ich mich in einer Ecke und weinte.«

»Und jetzt, Agnelette jetzt?«

»Jetzt,« sagte die junge Frau, »ist es sonderbar, Thibault, trotz all dem Schrecklichem was man von Euch erzählt, habe ich keine Angst mehr, denn es scheint mir, daß Ihr es nicht böse mit mir meinen könnt, und ich ging herzhaft durch den Wald, als dieses schreckliche Thier, von dem Ihr mich befreit habt, über mich herfiel.«

»Aber warum waret Ihr in der Nähe Eurer alten Wohnung? Wohnet Ihr nicht mit Eurem Mann zusammen?«

»Wir haben allerdings, einige Zeit in Vez gewohnt; aber in Vez war kein Platz für die alte blinde Mutter. Da sagte ich zu meinem Mann: Die Großmutter vor Allem! Ich gehe zu ihr zurück. Wenn Du mich besuchen willst, so kannst Du kommen.«

»Und er hat eingewilligt?«

»Er wollte Anfangs nicht, aber ich machte ihm begreiflich, daß die Großmutter siebzig Jahre alt ist; daß wir, wenn wir ihr noch zwei oder drei Jahre zu leben geben – Gott verhüte, daß ich Recht habe! – zwei oder drei Jahre etwas genirt seien, und weiter Nichts, während wir beide sehr wahrscheinlich lange Jahre zu leben haben. Dann hat er begriffen, daß man demjenigen Theil geben müsse, der das Wenigste habe.«

Aber inmitten dieser Erklärung Agnelettes hatte Thibault nur einen einzigen Gedanken verfolgt, nämlich, daß ihre frühere Liebe für ihn in ihrem Herzen noch nicht erloschen sei.

»Also liebtet Ihr mich, Agnelette? Also könntet Ihr mich noch lieben, Agnelette?«

»Nein, das ist unmöglich, da ich einem Andern gehöre.«

»Agnelette! Agnelette! saget nur, daß Ihr mich liebet.«

»Im Gegentheil, wenn ich Euch liebte, so würde ich alles Mögliche thun, um es Euch zu verbergen.«

»Warum?« rief Thibault, »warum denn? Du kennst meine Macht nicht. Ich weiß wohl, daß ich vielleicht nur noch einen oder zwei Wünsche thun darf; aber wenn Du mir diese Wünsche ausdenken hilfst, so kann ich Dich reich machen wie eine Königin; wir können die Gegend, Frankreich, Europa verlassen; es gibt große Länder, die Du nicht einmal von Namen kennst, Agnelette: man nennt sie Amerika, man nennt sie Indien. Es sind dies Paradiese mit einem blauen Himmel, großen Bäumen und Vögeln von allen Arten. Agnelette, sag, daß Du mir folgen willst; Niemand wird erfahren, daß wir zusammen abgereist sind, Niemand wird erfahren, wo wir sind, Niemand wird erfahren, daß wir uns lieben, Niemand wird auch nur erfahren, daß wir noch leben.«

»Mit Euch fliehen, Thibault!« sagte Agnelette, indem sie den Wolfsführer ansah, als hätte sie nur die Hälfte seiner Worte verstanden; »wißt Ihr denn nicht, daß ich nicht mehr mir selbst gehöre? Wißt Ihr nicht, daß ich verheirathet bin?«

»Was liegt daran,« sagte Thibault, »wenn Du mich liebst, und wenn wir glücklich leben können!«

»O Thibault! Thibault! was saget Ihr?«

»Höre,« sagte Thibault, »ich will im Namen dieser und der künftigen Welt mit Dir sprechen. Willst Du meinen Leib und meine Seele zugleich retten, Agnelette? Widerstehe mir nicht, hab Mitleid mit mir, komm mit mir. Laß uns aufbrechen, laß uns irgendwohin gehen, wo man dieses Geheul nicht mehr hört, wo man diesen Blutgeruch nicht mehr einhaucht; und wenn Ihr eine Scheu davor habt eine reiche und vornehme Dame zu werden, so laßt uns an einen Ort gehen, wo ich wieder der Handwerker Thibault, der arme Thibault, aber der geliebte und folglich bei seinen harten Arbeiten glückliche Thibault werden kann, an einen Ort, wo Agnelette keinen andern Mann hat als mich.«

»Thibault! Thibault! ich war bereit, Euer Weib zu werden, und Ihr habt mich verschmäht.«

»Agnelette, erinnere mich nicht mehr an ein Unrecht, wofür ich so grausam gestraft worden bin.«

»Thibault, ein Anderer hat das gethan, was Ihr nicht thun wolltet: er hat das arme junge Mädchen geheirathet; er hat die blinde, alte Frau zu sich genommen; er hat der Einen seinen Namen, der Andern Brod gegeben; er hat Nichts begehrt als meine Liebe, keinen andern Reichthum gefordert als meinen Schwur; könnt Ihr verlangen, daß ich ihm Gutes mit Bösem vergelte? Könnt Ihr zu mir sagen, daß ich denjenigen, der mir seine Liebe bewiesen hat, verlassen und denjenigen vorziehen soll, der mir nur Beweise seiner Gleichgültigkeit gegeben hat?«

»Aber da Du ihn nicht liebst, sondern mich, was liegt dann an alle dem, Agnelette!«

»Thibault, verdrehet nicht meine Worte, um darin einen Sinn zu finden, den sie nicht haben. Ich habe von der Freundschaft gesprochen, die ich Euch erhalte, aber ich habe Euch nicht gesagt, daß ich meinen Mann nicht liebe. Ich möchte Euch glücklich sehen, mein Freund; ich möchte hauptsächlich wünschen, daß Ihr Eure Irrthümer abschwüret und Eure Verbrechen bereutet; ich wünsche endlich, daß Gott Erbarmen mit Euch habe, um Euch diesem bösen Geist zu entreißen, von dem Ihr so eben sprachet. Ich bete jeden Morgen und jeden Abend auf meinen. Knieen darum. Aber um für Euch beten zu können, Thibault, muß ich rein bleiben; wenn die Stimme, die um Gnade bittet, bis zum Thron des Herrn emporsteigen soll, so muß sie unschuldig sein; kurz, ich muß aufs Gewissenhafteste das Versprechen halten, das ich am Fuß seines Altars beschworen habe.«

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