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Der Schiffs-Capitain

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XIV

Wie man am Schlusse des vorigen Capitels gesehen hat, so hatte es dem Allerhöchsten, durch eine der sonderbaren Zusammenstellungen, welche die Menschen fast immer dem Zufalle zuschreiben, gefallen, zu gleicher Zeit den edlen Marquis d'Auray und den armen Achard zu sich zu fordern vor dasselbe Gericht. Wir sahen, daß der Erste, von Pauls Anblick, wie von einem Blitzstrale getroffen, weil er das leibhafte Ebenbild seines Vaters war, bewußtlos zu des Jünglings Füßen fiel, der sich selbst über diese schreckliche, von ihm hervorgebrachte Wirkung, entsetzte. Was Achard betraf, so war die Veranlassung eines nahen Endes, wiewohl verschieden von denen, die den Tod des Marquis verursachten, dennoch die Folge desselben Dramas, der nämlichen Lage. Pauls Anblick, wirkte auf. Einen wie auf den Andern, auf den Ersten durch übertriebene Furcht, auf den Andern durch heftige Freude. Achard hatte sich des Tage vorher, schwächer gefühlt wie gewöhnlich. Der noch war er des Abends zu dem Grabe seine Herren gegangen, um dort zu beten wie stets Hier hatte er, mit tieferer Erbauung als je, da immer neue und herrliche Schauspiel der im Ocean untergehenden Sonne gesehen; er hatte das Versinken des Purpurglanzes begleitet, und als zöge die Fackel der Welt seine Seele an sich, hatte er seine Kräfte, mit den letzten Strahlen des Tages verlöschen gefühlt; so, daß, als Abends der Diener aus dem Schlosse, wie gewöhnlich erschien, sich nach seinen Wünschen zu erkundigen, ihn nicht im Zimmer fand, er ihn, da ein gewöhnliche Gang bekannt war, draußen aufsuchte, ohnmächtig auf dem Grabe seines Herren erblickte denn treu bis zum Ende, war er jener Andacht am Grabe geblieben, die das ausschließliche Gefühl der letzten Jahre seines Lebens war. Da hatte ihn der Bediente in seinen Armen nach Hause getragen, und war, erschrocken über diesen unvorausgesehenen Fall, zur Marquise geeilt, den Beistand des Geistlichen und des Arztes, von ihr verlangend, welchen diese, unter dem Vorwande verweigerte, daß sie jetzt bei dem Marquis eben so nöthig wären, und die Hierarchie des Ranges, selbst im Angesichte des Todes noch mächtig, ihrem Gemahle das Vorrecht gäbe, sich ihrer zuerst zu bedienen.

Allein diese Nachricht, welche die Marquise in dem Moment des höchsten Paroxismus erhielt, wo ein verschiedenartiges Interesse und verschiedenartige Leidenschaften. Alle aufgeregt hatte, war von Paul nicht überhört worden. Da er einsah, daß die Unterschreibung des Ehecontracts in dem Zustande des Marquis unmöglich sei, nahm er sich nur noch so viel Zeit, Margarethen zuzuflüstern: sie würde ihn bei Achard finden, wenn sie einer bedürfte, und stürzte in den Park, erkannte mitten in den Gängen und dem Dickigte mit der Geschicklichkeit eines Seemannes, der am Himmel zu lesen gewohnt ist, den kürzesten Weg zu dem Hause und trat keuchend ein, als eben der Greis wieder zu sich kam und, als er sich in seine Arme warf, durch die Freude und Gewißheit, nicht verlassen sterben zu müssen, wieder einige Kraft erhielt.

»O, du bists! Du!« sagte er, »ich glaubte nicht, dich wieder zu sehn!«

»Wie konntest du glauben, ich würde deinen Zustand erfahren und nicht zu dir eilen?« rief

Paul.

»Ich wußte ja nicht, wo ich dich sollte suchen lassen, um dir zu sagen, daß ich dich vor meinem

Tode zum letzten Male zu sehen wünschte!«

»Ich war im Schlosse, Vater! habe Alles gehört und bin hergelaufen.«

»Wie? du warst im Schlosse,« fragte Achard erstaunt.

Paul erzählte ihm Alles.

»Ewige Vorsicht!« murmelte der Greis, als er fertig damit war, »wie verborgen und unvermeidlich sind deine Rathschlüsse! du führst nach zwanzig Jahren den Jüngling zurück an die Wiege seiner Kindheit und tödtet den Mörder des Vaters durch den bloßen Anblick des Sohnes!«

»Ja, ja,« sprach Paul, »so geschah es, und dieselbe Vorsicht führt mich zu deiner Rettung herbei. Denn ich weiß, sie haben dir den Priester und den Arzt verweigert.«

»Wenn es Recht zuginge, hätten wir wohl theilen sollen,« sagte Achard. »Der Marquis, der den Tod fürchtet, konnte den Arzt behalten, und mir Lebenssatten konnte man den Priester schicken.«

»Ich werfe mich aufs Pferd,« sagte Paul, »und ehe eine Stunde – «

»In einer Stunde ists zu spät,« sprach der Sterbende mit schwacher Stimme.

»Ach! nur einen Priester! – weiter nichts!«

»Vater!« antwortete Paul, »ich kann ihn in seinem Heilamte nicht ersetzen, das weiß ich; aber wir wollen zusammen von Gott sprechen, von seiner Größe und Güte!«

»Ja, aber erst wollen wir das Irdische beenden, um dann nur an das Ewige zu denken. Du sagst, der Marquis sterbe wie ich?«

»Ich habe ihn in den letzten Zügen verlassen!«

»Du weißt, daß nach seinem Tode die Papiere, die in diesem Schranke verschlossen sind, dir gehören von Rechtswegen?«

»Ich weiß es.«

»Wenn ich vor ihm, wenn ich ohne Geistlichen sterbe, wem soll ich dieses Depositum anvertrauen?« Der Greis richtete sich auf, und zog unter seinem Kopfkissen einen Schlüssel hervor. »Nimm diesen Schlüssel; er öffnet den Schrank, und du wirst dort ein Kästchen finden. – Du bist ein Mann von Ehre: – Schwöre mir, es nicht zu öffnen, als bis der Marquis todt ist.«

»Ich schwöre es Dir!« sprach Paul, die Hand feierlich zu dem, zu Häupten des Bettes befindlichen Crucifixe ausstreckend.

»So ists gut,« antwortete Achard. »Nun sterbe ich ruhig!«

»Du kannst es, denn auf dieser Welt heut dir der Sohn die Hand, und in jener streckt sie dir der Vater entgegen!«

»Glaubst du, mein Kind, daß er mit meiner Treue zufrieden ist?«

»Nie hat man einem Könige bei Lebenszeit so gehorcht, als nach seinem Tode!«

»Ja,« murmelte der Greis mit dumpfer Stimme, ja, ich habe eine Befehle nur allzu treu befolgt. Ich hätte das Duell nicht zugeben sollen; ich hätte es abschlagen sollen, Zeuge dabei zu sein. Höre, Paul, das ists, was ich einem Priester sagen wollte, das Einzige, was mein Gewissen belastet! Höre: ich habe Augenblicke des Zweifels gehabt, wo ich ein einsames Duell wie einen Meuchelmord betrachtet habe. – Also – also – verstehst du mich, Paul! so wär' ich nicht Zeuge, ich wäre Mitschuldiger gewesen!«

»Mein Vater!« antwortete Paul, »ich weiß nicht, ob die irdischen Gesetze immer mit denen des Himmels übereinstimmen, und ob die Ehre bei Menschen stets auch die Ehre bei Gott sei; ich weiß nicht, ob unsere Kirche, die eine Feindin des Blutvergießens ist, erlaubt, daß der Beleidigte, die Beleidigung an dem Beleidiger zu rächen versucht, und ob, in diesem Falle immer ein Gottesgericht obwalte! Diese Fragen kann nicht der Verstand, sondern nur das Gewissen entscheiden, Nun sagt mir aber mein Gewissen, daß ich gehandelt hätte, wie du. Wenn mich das Gewissen täuscht, so hat es dich auch getäuscht, und mehr als der Priester, habe ich in diesem Falle das Recht, dich loszusprechen, dir zu vergeben; und in meinem und meines Vaters Namen vergebe ich dir!«

»Dank! Dank!« rief der Greis, die Hand des Jünglings drückend, »Dank! ja! das sind Worte, wie sie ein Sterbender bedarf zur Ruhe für seine Seele! Gewissensbisse sind eine schreckliche Sache, siehst du, ein solcher läßt uns an Gott zweifeln. Denn wäre kein Richter, gäbe es auch kein Gericht.«

»Höre, Vater!« sagte Paul, mit dem ihm eignen, dichterischen Accente, »auch ich habe oft an Gott gezweifelt; denn einzeln, und verloren wie ich war in der Welt, ohne Familie, ohne eine Stütze auf der Welt, suchte ich sie in dem Herrn, und verlangte, von Allem was mich umgab, Beweise seiner Existenz. Oft blieb ich an einem der Kreuze am Wege stehen, heftete meine Augen auf den Erlöser der Menschen, und begehrte weinend eine Gewißheit eines Daseins, und seiner Sendung; ich verlangte, sein Auge sollte sich herabsenken zu mir – ein Tropfen Blut aus seinen Wunden fallen, ein Seufzer von seinen Lippen wehen. Das Crucifix regte sich nicht, und ich stand auf mit Verzweiflung im Herzen, und sprach: wenn ich das Grab meines Vaters zu finden wüßte, würde ich ihn fragen, wie Hamlet den Geist, und er würde mir vielleicht antworten!«,

»Armes Kind!«

»Dann ging ich in eine Kirche,« fuhr Paul fort, »in eine der nordischen Kirchen, die, wie du weißt, düster, religiös, christlich sind. Und meine Seele schwamm in Traurigkeit; aber sie ist der Glaube nicht! ich nahte mich dem Altare, ich kniete in dem Allerheiligsten, wo man sagt, daß da Gott wohnet: meine Stirn lag auf dem Marmor der Stufen, und wenn ich Stunden lang so gebeugt dagelegen hatte, erhob ich das Haupt und hoffte der Gott, den ich suchte, würde ich mir endlich durch einen Strahl seiner Glorie, oder einen Blitz seiner Macht bestätigen. Aber der Dom blieb finster, und das Crucifix unbeweglich. Und ich stürzte aus dem Portikus wie ein Rasender, Und rief: Herr! Herr! wärest du wirklich, so würdest du dich dem Menschen zu erkennen geben. Du willst also, daß sie an dir zweifeln sollen, da du dich ihnen offenbaren könntest und es nicht thust!«

»Schweige, Paul! schweige!« sagte der Greis, »daß deine Zweifelsucht nicht auch mein Herz erfaßt! Du hast noch Zeit zum Glauben, aber ich – sterbe! – «

»Warte, mein Vater, warte!« fuhr Paul mit sanfter Stimme und ruhigem Gesichte fort, »ich war noch nicht fertig! dann sprach ich zu mir selbst: das Kreuz am Wege, der Dom der Städte, sind Menschenwerk. Ich will Gott in seinen Werken suchen. Von diesem Augenblicke an, mein Vater, begann ich jenes herumschweifende Leben, das ewig ein Geheimniß bleiben wird zwischen dem Himmel, dem Meere und mir. Es trieb mich umher in den Einsamkeiten Amerikas, denn ich dachte: je neuer eine Welt, je mehr muß sie das Siegel Gottes an sich tragen. Und ich hatte mich nicht getäuscht! Hier in diesen Urwäldern, in die ich vielleicht eindrang, als der erste Mensch; hier, ohne ein andres Obdach, als den Himmel, ohne ein andres Lager als die Erde, versunken in einen einzigen Gedanken, hörte ich diesen tausendfach verschiedenen Lärm der schlafenden Welt, der erwachenden Natur. Noch lange blieb mir die unbekannte Sprache unbegreiflich, die das Gemisch der murmelnden Fluthen, der Dampf der Seen, das Geräusch der Wälder, der Duft der Blumen verursacht. Nach und nach lüftete sich der Schleier, der meine Augen bedeckt, und das Gewicht auf meiner Brust erhob sich, das mein Herz preßte: da fing ich an zu glauben, daß das Geräusch am Abend, und der Lärm in der Dämmerung, nichts Anderes sind, als eine allgemeine Hymne, mit der die Schöpfungen ihrem Schöpfer danken.«

 

»Mein Gott!« sprach der Sterbende, faltete die Hände, und hob die Augen mit gläubigem Ausdrucke empor, »mein Gott! aus der Tiefe rief ich Herr zu dir, und du hörtet die Stimme meines Flehens! – mein Gott! ich danke dir! – «

»Dann,« fuhr Paul fort, mit steigender Begeisterung, »dann suchte ich auf dem Ocean, die übrige Ueberzeugung, die mir die Erde verweigerte, Die Erde ist nur der Raum. Das Meer ist die Unendlichkeit! das Meer ist, nach Gott, das Größte, das Stärkste, das Mächtigste was es giebt. Ich habe es brüllen hören, wie ein erzürnter Löwe; dann, auf das Gebot seines Gebieters, sich legen sehen wie einen unterwürfigen Hund; ich habe empfunden, wie es sich erhob, gleich dem himmelstürmenden Titan; dann habe ich es unter der Peitsche des Sturmes sich beklagen hören, wie ein weinendes Kind. Ich habe seine Wellen dem Blitze entgegenschleudern sehen, als wolle es ihn auslöschen, durch einen Schaum und dann glatt werden, und sich ebnen, wie ein Spiegel, der jeden Stern des Himmels wieder erstrahlt. Auf der Erde, hatte ich das Dasein Gottes erkannt; auf dem Ocean erkannte ich eine Macht; in der Einsamkeit hörte ich, wie Moses, die Stimme des Herren, ich sah ihn, wie Ezechiel, vorübergehen im Sturm.. Seitdem, mein Vater, ist der Zweifel fern von mir geblieben, und schon am Abende des ersten Sturmes, glaubte ich, und betete!«

»Ich glaube an den allmächtigen Gott, Schöpfer Himmels und der Erde!« sprach der Greis mit inniger, gläubiger Stimme, und betete so das ganze Credo bis zuletzt. Paul hörte schweigend zu, mit gen Himmel gerichteten Blicken, dann sagte er, als er geendet hatte, kopfschüttelnd! »ein Priester hätte anders mit dir gesprochen, Vater denn ich kann nur als Seemann, und mit einer Stimme zu dir sprechen, die mehr zu Worten des Todes, als des Trostes gewöhnt ist. Vergieb, Vater, vergieb es mir!«

»Du hast mich glauben und beten gelehrt!« sagte Achard, »wie du glaubst, sag mir, was hätte der Priester mehr gethan. Groß und einfach ist das, was du mir gesagt hat; o! laß mich darüber nachdenken!«

»Höre« sprach Paul bebend.

»Was?«

»Du hast nichts gehört?«

»Nein.«

»Es kam mir vor wie eine Wehklage! . . . es rief mich! – Hörst du? hörst du? – das ist Margarethens Stimme!«

»Geh ihr entgegen. Ich wünsche allein zu sein!« sagte der Greis.

Paul sprang ins Nebenzimmer, und hörte seinen Namen zum dritten mal gerufen am Eingange. Als er die Thür aufriß, fand er Margarethen, die kraftlos dort niedergesunken war.

»Zu mir! zu mir!« schrie sie mit dem Ausdrucke des Entsetzens und kroch knieend zu Paul.

XV

Paul eilte zu Margarethen, und nahm sie in seine Arme; sie war bleich und eiskalt. Er trug sie in das erste Gemach, brachte sie in einem Sessel, machte die offengebliebene Thür zu, und kam zu ihr zurück.

»Was fürchtet du?« fragte er, »wer verfolgt dich? warum kommst du – jetzt?« —

»Ach!« rief sie, »zu jeder Stunde bei Tage oder bei Nacht würde ich so weit fliehen, als die Erde mich trüge! fliehen, bis ich ein Herz fände, das mit mir weinte, einen Arm, der mich vertheidigte! – — Paul ! mein Vater ist todt! – «

»Armes Mädchen, armes!« rief Paul, und umfing sie mit seinen Armen, »du entflieht aus einem Sterbehause, um in ein anderes zu gerathen, du ließest den Tod im Schlosse und findet ihn in der Hütte wieder!«

»Ja, ja!« sprach sie, und fand schaudernd auf, »da unten ist der Tod, da hier ist er, aber da unten stirbt man vor Verzweiflung, aber hier – hier stirbt man ruhig. Paul, Paul! hätten sie gesehen, was ich sah! – «

»Sagen sie mir's!«

»Sie wissen,« fuhr Margarethe fort, »welch schrecklichen Einfluß ihre Stimme und ihre Gegenwart auf meinen Vater hatte?«

»Ich weiß es!«

»Man trug ihn bewußt- und sprachlos in sein Zimmer.«

»Ich sprach zu ihrer Mutter,« sagte Paul, »er hörte es; es ist nicht meine Schuld!«

»Nun, da sie in dem Cabinete waren, haben sie ja Alles gehört. Mein armer – armer Vater hatte mich erkannt, und ich, seinen Zustand erblickend, konnte meiner Unruhe nicht widerstehen, und trotz dem Zorne meiner Mutter, ging ich hinauf, ihn noch einmal zu sehen. Die Thüre war verschlossen; ich klopfte leise; er war zu sich gekommen, denn er fragte, wer da sei?«

»Und ihre Mutter?« fragte Paul.

»Meine Mutter hatte sich entfernt und ihn eingeschlossen, wie ein Kind. Aber als er meine Stimme erkannt hatte und ich ihm antwortete, es sei Margarethe, seine Tochter, hieß er mich durch ein Cabinet zu einer verborgenen Treppe in sein Zimmer kommen. Eine Minute später lag ich vor seinem Lager auf den Knien und ergab mir seinen Segen, seinen Vatersegen ehe er starb, und so hoffe ich auch auf den Segen Gottes!«

»Ja,« sprach Paul, »Gott vergibt dir, sei ruhig. Beweine deinen Vater, Kind, aber weine nicht über dich: du bist gerettet!«

Ach, sie haben noch nichts gehört!« schrie Margarethe; »hören – hören sie!«

»Rede!«

»Als ich noch so auf den Knieen lag, und seine Hände küßte, hörten wir meine Mutter kommen; sie war auf der Treppe; ich erkannte ihre Stimme, und mein Vater auch, denn er umarmte mich zum letzten Male und winkte mir, zu fliehen. Ich gehorchte; aber ich war so außer mir, so gestört, daß ich die Thüre verfehlte und mich, statt auf die Treppe zu gehen, in ein Cabinet warf, das keinen Ausgang hatte. Ich suchte überall umher und sah mich eingesperrt. In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür des Zimmers; ich blieb stehen, den Athem zurückhaltend; meine Mutter kam herein mit einem Priester. Ich versichere ihnen, Paul, sie war bleicher als der Sterbende.«

»Gott! Gott!« murmelte Paul.

»Der Priester setzte sich zu Häupten des Bettes. Meine Mutter fand zu Füßen! Verstehen sie! – und ich war da! ich – diesem traurigen Schauspiele gegenüber! – konnte nicht fliehen! – die Tochter war gezwungen, die Beichte des Vaters zu hören! – o! ist das nicht schrecklich! – Ich fiel auf die Kniee; ich machte die Augen zu, um Nichts zu sehen, betete, um Nichts zu hören; und dennoch – wider meinen Willen, Paul, das schwöre ich! – sah ich, hörte ich, und was ich sah und hörte, wird mir nie aus dem Gedächtnisse kommen! Ich sah meinen Vater in seinen Erinnerungen eine fieberhafte Kraft finden, sich im Bette auf zurichten mit todblassen Zügen! Ich hörte! – hörte ihm die Worte Duell, Ehebruch, Meuchelmord sagen! . . . und bei jedem dieser Worte sah ich meine Mutter immer mehr erblassen, und ich hörte, wie sie ihre Stimme erhob, um die des Sterbenden zu ersticken, und wie sie zu dem Priester sprach: »Glaubt ihm nicht, mein Vater, er lügt! oder vielmehr – er ist närrisch! glaubt ihm nicht!« O Paul, das war ein gräßliches, gottloses, gotteslästerliches Schauspiel! Kalter Schweiß bedeckte meine Stirne, ich ward ohnmächtig!«

»Gerechter Himmel!« rief Paul.

»Wie lange ich ohne Bewußtsein blieb, weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir kam, war das Zimmer ruhig wie das Grab. Meine Mutter und der Priester waren fort und zwei Wachskerzen brannten neben meinem Vater. Ich machte die Thüre auf, blickte auf das Bette und glaubte unter dem Tuche, das es ganz bedeckte, die starre Form eines Leichnams sich abzeichnen zu sehen. So errieth ich, und blieb unbeweglich zwischen der Furcht dieses Anblicks und dem frommen Wunsche das Tuch aufzuheben und ihn noch einmal zu küssen, seine ehrwürdige Stirne zu berühren, bei vor man den Sarg schließe, getheilt! Endlich siegte die Furcht! – eine eisige, unüberwindliche, tödtliche Furcht jagte mich aus dem Zimmer; ich eilte die Treppe hinunter, ohne eine Schwelle zu berühren, Gott weiß wie? Ich lief durch die Gänge, über die Gallerieen, bis ich an der Frische der Luft fühlte, daß ich im Freien war. Ich rannte wie wahnsinnig. Da erinnerte ich mich, daß sie mir gesagt hatten, ich solle hierher kommen, sie wären hier. Instinctmäßig – ich weiß nicht warum? richtete ich mich hierher. Mir war, als verfolgten mich Schatten – Gespenster. Im Umbiegen einer Allee . . . war ich wahnsinnig? glaubte ich meine Mutter zu sehen! . . schwarzgekleidet, schleichend und geräuschlos wie einen Geist! O, da – da gab der Schrecken mir Flügel. Ich lief ohne auf den Weg zu merken, bis meine Kräfte mir fehlten; noch that ich einige Schritte und fiel an dieser Thüre zu Boden. Da hörten sie meinen Ruf um Hilfe; war die Thüre nicht offen, o dann starb ich auf dem Platze, denn ich war so angegriffen, daß ich . . . doch still! – still!« unterbrach sie sich jetzt. »Hören sie?«

»Ja!« sprach Paul und blies die Lampe aus, »ja! ja! Schritte! ich höre sie auch!«

»Sehen – sehen sie!« fuhr Margarethe fort, und hüllte sich in die Fenstervorhänge, Paul mit sich zugleich verbergend,« – sehen sie!. . . ich irrte mich nicht! sie ists!«

Und jetzt ging die Hausthüre auf und die Marquise, in tiefer Trauer, bleich wie ein Schatten, ging langsam, nachdem sie die Thüre hinter sich zugeschlossen hatte, und ohne Paul und Margarethe gewahr zu werden, durch das erste Zimmer in das andere, wo Achard lag. Sie trat zu einem Bette, wie sie zu dem Bette des Marquis getreten war. Nur hatte sie diesmal keinen Priester bei sich.

»Wer ist da?« sagte Achard, den Vorhang des Bettes aufmachend. «

»Ich!« sprach die Marquise, und zog den andern auf.

»Sie, gnädige Frau!« rief der alte Diener mit Entsetzen. »Was wollen sie bei einem Sterbenden?«

»Ihm einen Handel vorschlagen.«

»Um sein Seelenheil zu verlieren, nicht wahr?«

»Um es zu retten, im Gegentheile. Achard, du bedarfst nur eines noch in der Welt,« fuhr sie fort, sich über ihn hinneigend, »eines Priesters!«

»Sie verweigerten den aus dem Schlosse!«

»Wenn du willst, soll er in fünf Minuten hier sein; aber glaube mir, es ist Zeit!«

»So lassen sie ihn eiligst kommen.«

»Aber, wenn ich dir den Frieden des Himmels gebe,« erwiderte die Marquise, »wirst du mir Frieden auf Erden gewähren?«

»Was könnt' ich für sie thun?« sagte der Greis, um die Frau nicht zu sehen, bei deren Anblicke er erstarrte. »

Du bedarfst eines Priesters, um zu sterben . . . Du weißt, was ich bedarf, um zu leben!«

»Sie wollen mir den Himmel durch einen Meineid verschließen?«

»Ich will ihn dir durch Vergebung aufthun!«

»Ich habe Vergebung erhalten!«

»Von wem?«

»Von dem, der einzig vielleicht das Recht hatte, mir zu vergeben!«

»Ist Morlaix vom Himmel herab gekommen! fragte sie mit einem Ausdrucke, der eben so furchtsam, als höhnisch war.

»Nein!« antwortete der Greis, »aber haben sie vergessen, gnädige Frau, daß er einen Sohn zurück ließ?«

»Du hast ihn also gesehen!« rief sie.

»Ja!« antwortete Achard.

»Und hat ihm Alles gesagt?«

»Alles

»Und die Papiere, die seine Geburt beweisen zu frug sie mit Bangigkeit.

»Da der Marquis noch nicht todt war, sind die Papiere noch hier.«

»Achard!« rief die Marquise, auf die Knie fallend, »Achard! du wirst dich über mich erbarmen!«

»Sie knieen vor mir, gnädige Frau?

»Ja, Greis!« flehte sie, »ich bitte dich, ich flehe zu dir auf meinen Knieen! du hast die Ehre einer der ältesten Familien Frankreichs in deiner Hand, mein vergangenes und zukünftiges Leben! . . . Diese Papiere sind mein Herz, sind meine Seele; mehr noch – sind – mein Name! der Name meiner Ahnen, der Name meiner Kinder! Und du weißt, was ich gelitten habe, um diesen Namen fleckenlos zu bewahren! Meinst du, ich hätte nicht, wie andere Frauen, Gefühle der Liebenden, der Mutter, der Gattin im Herzen gehabt? Nun denn! eins nach dem andern habe ich erstickt, und wie lang war der Kampf! ich bin zwanzig Jahr jünger als du, Alter; ich bin voll Leben, und du – wirst sterben! Nun denn, betrachte mein Haar; es ist weißer als das Deine.«

»Was sagt sie?« flüsterte Margarethe, die sich heran geschlichen hatte, so daß sie in das andre Gemach sehen konnte, »o! mein Gott!«

»Höre, höre, Kind!« antwortete ihr Paul, »der Herr erlaubt, das Alles auf diese Weise entdeckt werde. . .

»Ja, ja,« murmelte Achard schwächer werdend, »sie haben an Gottes Güte gezweifelt; sie haben vergessen, das Jesus der Ehebrecherin vergab!«

»Ja! aber die Menschen wollten sie steinigen! . . . die Menschen, die seit zwanzig Generationen gewöhnt worden sind, meinen Namen zu achten, meine Familie zu ehren, und die, wenn sie wüßten, was ihnen, Gott sei Dank, bis jetzt verborgen geblieben ist, würden nichts für mich haben, als Schande und Verachtung! Ach ja! . . . Gott! ich habe soviel gelitten, daß er mir verzeihen wird; aber die Menschen! – die sind unversöhnlich, die vergeben nicht! – Und überdies, wäre ich denn ihrer Beschimpfung allein ausgesetzt! Habe ich nicht zu beiden Seiten meines Kreuzes meine beiden Kinder, dessen Aeltesterer ist?… ich weiß wohl, der Andre ist eben so wohl mein Kind, als Manuel und Margarethe; aber, habe ich das Recht, ihnen diesen Bruder zu geben? . . . Vergißt du, daß er vor dem Gesetz der Sohn des Marquis d'Auray ist? vergißt du, daß er der Erstgeborne, das Haupt der Familie ist? vergißt du, daß er blos dieses Gesetz zu Hilfe zu rufen brauchte, um sich Alles zuzueignen, Titel und Vermögen? Und was bliebe dann für Manuel ? ein Maltheserkreuz! was bliebe für Margarethen? ein Kloster!«

 

»Ach ja, ach ja,« sagte Margarethe halb laut, und streckte ihre Arme nach der Marquise aus, »ein Kloster, wo ich für dich beten kann, meine Mutter«

»Still! still!« sprach Paul.

»O! sie kennen ihn nicht, gnädige Frau!« sagte der Sterbende mit immer schwächer werdender Stimme.

»Nein, erwiderte die Marquise, »aber ich kenne die Menschen. Er kann einen Namen erlangen, er, der keinen hat; ein Vermögen, er, der nichts besitzt, und du glaubst, daß er beiden entsagen würde!«

»Wenn sie es von ihm verlangen!«

»Und mit welchem Rechte sollte ich das?« fuhr sie fort, »mit welchem Rechte ihn bitten, daß er mich, Manuel und Margarethen schone? Wird er nicht sagen: »Ich kenne sie nicht, Frau Marquise, ich habe sie nie gesehen! sie sind meine Mutter, das ist Alles was ich weiß.«

»In seinem Namen,« stammelte Achard, dessen Zunge schon der Tod erstarrte, »verpflichte – schwöre ich! – ach Gott! ach mein Gott!«

Die Marquise erhob sich, auf seinen Zügen die Fortschritte der Agonie verfolgend. »Du verpflichtet dich! du schwört!« sprach sie, »ha! und du willst, daß ich, auf dein Wort, die Jahre aufs Spiel setze, die ich noch zu leben habe, aufs Spiel gegen die Minuten, die dir zum Tode übrig bleiben?. . . ich habe dich flehentlich gebeten; zum letzten mal bitte und flehe ich: gieb mir die Papiere!«

»Sie sind sein! – «

»Aber ich muß sie haben, sag' ich dir!« fuhr sie fort, immer beharrlicher werdend, je schwächer der Sterbende ward.

»Mein Gott! mein Gott!« seufzte Achard, »erbarme dich über mich.«

»Es kann Niemand kommen!« versetzte die Marquise, »du hast den Schlüssel immer bei dir, sagst du. . . «

»Wollen sie ihn einem Sterbenden entreißen!« —

»Nein,« antwortete sie, »ich werde warten.« —

»O! lassen sie mich in Ruhe sterben!« schrie er, riß das Crucifix zu Häupten seines Lagers an sich, und erhob es zwischen ihm und ihr. »Gehen, gehen Sie, in Christus Namen! . .

Die Marquise fiel auf die Knie, und beugte den Kopf zur Erde. Der Greis blieb einige Augenblicke in dieser schrecklichen Stellung; aber nach und nach, verließen ihn seine Kräfte, er fiel zurück, kreuzte seine Arme und drückte das Zeichen des Heils an eine Brust.

Die Marquise nahm die Bettvorhänge, und ohne sich aufzurichten, benutzte sie diese, so daß sie den Todeskampf des Sterbenden verbargen.

»Entsetzlich! abscheulich!« murmelte Margarethe.

»Laß uns niederknien und beten!« sprach Paul.

Da entstand im Augenblicke ein feierliches Schweigen, das um so schrecklicher war, da es nur durch das letzte Röcheln des Sterbenden unterbrochen ward. Dann ward es schwächer, und hörte auf Alles war vorüber: der Greis war todt.

Die Marquise richtete den Kopf langsam in die Höhe, und horchte mit Bangigkeit einige Minuten, dann steckte sie die Hand zwischen die Bettvorhänge, ohne sie aufzumachen, nach einigen Bemühungen brachte sie einen Schlüssel zum Vorschein. Nun stand sie schweigend auf, und den Kopf nach der Seite des Bettes gekehrt, ging sie auf den Schrank zu. Allein in dem Augenblicke, als sie den Schlüssel ins Schloß stecken wollte, stürzte Paul, der auf alle ihre Bewegungen Acht gehabt hatte ins Zimmer, faßte sie am Arme und sagte:

»Geben sie mir diesen Schlüssel, meine Mutter! denn der Marquis ist todt, und diese Papiere gehören mir.«

»Gerechter Gott!« schrie die Marquise, bebte vor Schrecken zurück, und fiel in einen Sessel, »gerechter Gott! es ist mein Sohn!«

»Gütiger Himmel!« sagte Margarethe halb laut in dem andern Zimmer, und warf sich auf die Knie, »es ist mein Bruder« —

Paul schloß den Schrank auf, und nahm das Kästchen, worin sich die Papiere befanden,

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