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Der Schiffs-Capitain

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XVI

Indessen hatte Paul, mitten unter den sich drängenden Begebenheiten dieser Nacht, wo Margarethe bei zwei Sterbenden gegenwärtig, auf eine von dem Himmel bestimmte Weise, zu der Entdeckung der Geheimnisse ihrer Mutter gelangt war, die tödtlichen Worte, die er mit Lectour gewechselt hatte, nicht vergessen. Auch, da dieser Cavalier ihn ohne Zweifel nicht zu finden wußte, glaubte er ihm lange Nachforschungen ersparen zu müssen, und so schickte er den Lieutenant Walter in's Schloß d'Auray, um in seinem Namen die Bedingungen des Kampfes festzusetzen. Er fand Manuel bei Lectour. Als dieser den Officier gewahr ward, ging er hinunter in den Park, um die beiden jungen Leute ungestört unterhandeln zu lassen. Walter hatte von seinem Chef die Ordre erhalten, Alles anzunehmen. Die Einleitung war bald geschehen. Die Uebereinkunft war, daß die Zusammenkunft desselben Tages um vier Uhr des Abends, am Ufer des Meeres, bei der Fischerhütte statt finden sollte, die zwischen Port-Louis und dem Schlosse d'Auray lag. Man wollte, als Waffen, Degen und Pistolen mitbringen, und dann entscheiden, welcher sie sich bedienen wollten, jedoch behielt sich Lectour als Beleidigter, die Wahl derselben vor.

Die Marquise, so zerschmettert sie auch durch Pauls unerwartete Erscheinung zuerst war, hatte doch bald alle Standhaftigkeit ihres Charakters wieder gewonnen, und den Schleier über das Gesicht ziehend, war sie aus dem Gemache durch das erste Zimmer gegangen, das dunkel war, ohne die knieende, vor Schreck und Verwunderung verstummte Margarethe gewahr zu werden. Dann war sie quer durch den Park geeilt und in den Saal zurückgekehrt, wo die Scene des Contracts vorgegangen war, und hier, bei dem verlöschenden Scheine der Kerzen saß sie, beide Ellenbogen auf den Tisch gestemmt, den Kopf in die Hände gelegt, die Augen auf den Contract geheftet, wo Lectour seinen Namen geschrieben und der Marquis die Hälfte des einigen gesetzt hatte, so blieb sie die Nacht über einen neuen Entschluß brütend; so war der Tag angebrochen, ohne daß sie an die mindeste Ruhe gedacht hätte, so kräftig unterstützte ihre starke Seele den Körper, indem sie verschlossen war. Dieser Entschluß bestand darin, Manuel und Margarethe schleunigst vom Schlosse d'Auray zu entfernen; denn vorzüglich waren es ihre Kinder, denen sie das verbergen wollte, was wahrscheinlich zwischen ihr und Paul stattfinden würde.

Als sie um sieben Uhr das Geräusch hörte, was der Lieutenant Walter, als er fortging, gemacht hatte, streckte sie die Hand aus und klingelte. Ein Bedienter erschien mit der Livree des vorigen Tages; man sah, daß auch er nicht zu Bette gegangen war.

»Benachrichtigt das Fräulein, daß ihre Mutter sie im Saale erwarte,« sagte die Marquise, und versank wieder mürrisch und regungslos in ihre erste Stellung. Bald darauf hörte fiel ein kleines Geräusch hinter sich und kehrte sich um. Es war Margarethe, die mit mehr Ehrfurcht als je die Hand nach ihrer Mutter ausstreckte, um die ihrige zu küssen. Da diese aber unbeweglich blieb, als hätte sie sie nicht verstanden, so ließ sie ihre Hand sinken, und erwartete schweigend, was sie sagen würde. Auch sie war noch in den Kleidern des vorigen Abends. Der Schlaf, der die Welt erquickt, hatte das Schloß d'Auray mit seinen Bewohnern vergessen.

»Nahe dich,« sprach die Marquise. – Margarethe trat einen Schritt näher. – »Warum bist du so blaß und zittert?« fuhr sie fort.

»Gnädige Frau!« flüsterte Margarethe.

»Rede!« befahl die Dame. . .«

»Der schnelle, unerwartete Tod meines Vaters« stammelte sie; »ich habe viel gelitten in dieser Nacht!«

»Ja, ja,« sprach die Marquise mit dumpfer Stimme und indem sie Blicke auf Margarethen heftete, die nicht ohne alle Theilnahme waren; »ja, der junge Baum beugt und entblättert sich im Sturme. Nur die alte Eiche widersteht allen Stürmen. Auch ich habe gelitten, Margarethe! auch ich hatte eine schreckliche Nacht. Und dennoch siehst du mich ruhig und standhaft!«

»Gott gab ihnen eine starke, strenge Seele, gnädige Frau!« antwortete Margarethe; »allein sie müssen nicht dieselbe Stärke und Kraft von Andern verlangen, sonst brechen sie.«

»Auch verlange ich von dir nichts, als Gehorsam!« sagte sie und ließ die Hand auf den Tisch fallen. »Margarethe, der Marquis ist todt; Manuel ist jetzt das Haupt der Familie; in diesem Augenblicke wirst du mit ihm nach Rennes abreisen.«

»Ich?« rief Margarethe, »ich nach Rennes? und warum?«

»Weil,« antwortete die Marquise mit unbeschreiblichem Ausdrucke, »die Schloßcapelle zu eng ist, um zugleich die Vermälung der Tochter und das Leichenbegängniß des Vaters zu begehen.«

»Meine Mutter,« sprach jetzt Margarethe mit tiefer Rührung, »wie mirs scheint, wäre es frömmer, zwischen beiden Ceremonien, die so entgegengesetzt sind, einen längern. Zwischenraum zu setzen!«

»Die wahre Frömmigkeit besteht darin, den letzten Willen des Todten zu vollziehen. Wirf die Augen auf diesen Contract, und sieh hier die ersten Buchstaben von dem Namen deines Vaters!«

»O, ich frage sie, gnädige Frau, ob mein Vater, als er dieses schrieb, was der Tod unterbrach, bei völligem Verstande und völliger Willenskraft war?«

»Das weiß ich nicht, Fräulein,« erwiderte die Marquise mit jenem kalten, gebieterischen Tone, der ihr bisher Alles unterworfen hatte; »aber das weiß ich, daß der Wille, der ihn handeln ließ, ihn überlebte, und daß Eltern, so lange sie leben, Gott auf der Erde vertreten. Gott hat mir – Schreckliches geboten und ich habe gehorcht; thut wie ich, Fräulein, gehorcht!«

»Gnädige Frau,« sagte Margarethe, vor ihr stehend, aber diesmal unbeweglich und mit dem scharfen Accente, der ihre Mutter furchtsam machte, »es sind drei Tage, daß ich mit thränenden Augen und verzweiflungsvollem Herzen ihre Kniee umfasse, wie Manuels, und die Kniee meines Vaters. Niemand wollte mich hören; er vermochte es nicht, denn die halsstarrigste Ehrsucht erstickte meine Stimme. Endlich bin ich bis vor ihr Antlitz gelangt, meine Mutter! Sie sind die letzte, die ich anflehen kann, aber auch die, welche mich am besten versteht. So hören sie denn genau auf Alles, was ich ihnen sage. Wenn ich ihrem Willen nichts weiter aufzuopfern hätte, als mein Glück, würde ich es thun, meine Liebe desgleichen; allein so müßt' ich ihnen auch meinen Sohn aufopfern! Sie sind Mutter; ich aber auch, gnädige Frau!«

»Mutter! Mutter!« murmelte die Marquise, durch einen Fehltritt!«

»Kurz ich bins, gnädige Frau; und das Gefühl der Mutter hat nicht nöthig aufgeopfert zu werden, um geheiligt zu sein. Gut, gnädige Frau, sagen sie mir – denn sie müssen diese Dinge besser wissen, als ich! – sagen sie mir, wenn Die, so uns das Leben geben, von Gott eine Stimme empfingen, die zu unserem Herzen geht, haben die, so wir geboren haben, nicht eine gleiche Stimme erhalten? und wenn sich beide Stimmen widersprechen, welcher muß man gehorchen?«

»Du wirst nie die Stimme deines Kind hören,« antwortete die Marquise, »denn wirft ihn nie wiedersehen.«

»Nie wiedersehen?« rief Margarethe, »und wer kann dafür stehen?«

»Er selbst wird nie erfahren, wer er ist.«

»Und wenn er eines Tages erfährt!« sprach Margarethe, in ihrer kindlichen Ehrfurcht durch die Härte ihrer Mutter überwunden, »und da kommt und mir Rechenschaft von seiner Herkunft abfordert – das kann geschehen, gnädige Frau.

Sie ergriff die Feder.

»Unterschreibe!« sprach die Marquise.

»Aber,« fuhr Margarethe fort, ihre krampfhafte, bebende Hand auf den Contract legen »wenn nun mein Mann eines Tages das Dasein dieses Kindes erfährt! wenn er Genugthuung verlangt, wegen dem Flecken seiner Eh seines Namens! wenn er ihn fordert zu eine wüthenden, einsamen Zweikampfe, ohne Zeug auf Leben und Tod? wenn er ihn tödtet um dann, von seinem Gewissen gequält, durch eine Stimme verfolgt, die für ihn aus seinem Grab tönt – den Verstand verliert!«

»Schweig!« rief die Marquise erschrocken, aber ohne noch zu wissen, ob der Zufall oder irgend eine unbekannte Entdeckung ihrer Tochter diese Worte eingab. »Laß mich!«

»Sie wollen also,« fuhr diese fort, die zuviel gesagt hatte, um nun inne zu halten, »daß ich mich, um meinen Namen und den meiner andern Kinder fleckenlos zu erhalten, mit einem Wahnsinnigen einsperre! Sie wollen, daß ich jedes lebende Wesen von ihm und mir entferne! daß ich mir ein Herz von Eisen anschaffe, um nichts mehr zu empfinden! Augen von Erz, um nicht mehr zu weinen! Sie wollen, daß ich Trauer anlege, wie eine Wittwe, ehe mein Mann todt ist – und daß mein Haar weiß werden soll, zwanzig Jahre zuvor, ehe das Alter kommt!«

»Schweig, schweig!« fiel ihr die Marquise, mit einer Stimme in die Rede, der man es anhörte, daß die Furcht anfing über die Drohung zu siegen, »schweig!«

»Sie wollen also,« fuhr Margarethe, hingerissen von ihrem bitteren Schmerze, fort. »Sie wollen, damit dies schreckliche Geheimniß, mit denen stirbt, die es bewahren, daß ich Aerzte und Priester von ihrem Sterbebette entferne . . . da ich endlich von einer Agonie zur andern gehe nicht um den Sterbenden die Augen, nein! Den Mund zuzudrücken!«

»Ums himmelswillen schweig!« rief sie händeringend.

»Gut,« fuhr Margarethe fort, »so gebiete sie mir noch einmal zu unterschreiben, Mutter und das Alles wird erfolgen. Dann wird de Fluch des Herren in Erfüllung gehen, daß er die Fehler der Väter an den Kindern strafen wird bis ins dritte und vierte Glied.«

»O! mein Gott! mein Gott!« schluchzte die Marquise, »bin ich genug erniedrigt! genug gestraft!«

»Vergebung, Vergebung, gnädige Frau!« rief jetzt Margarethe, sich selbst wiedergegeben durch die ersten Thränen, die sie ihre Mutter vergießen sah. »Vergebung!« und sie fiel ihr zu Füßen.

»Ja, Vergebung!« antwortete sie, Margarethen mit dem Fuße von sich stoßend, »verlange Vergebung, entartete Tochter, die die Ruth des Zorns der ewigen Gerechtigkeit, der göttlichen Rache entreißt, und ihre Mutter damit in's Antlitz schlägt!«

 

»Gnade! Gnade!« rief Margarethe, »ich wußte nicht, was ich sprach, meine Mutter sie hatten mich wahnsinnig gemacht! . . .«

»O! mein Gott! mein Gott!« sprach die Marquise,« beide Hände über das Haupt ihrer Tochter emporhebend, »du hast die Worte gehört, die von den Lippen meines Kindes gekommen sind. Ich wage die Hoffnung nicht, daß deine Barmherzigkeit so weit gehen wird, sie zu vergessen, mein Gott! aber in dem Augenblicke, wo du sie strafen willst, so erinnere dich, daß ich ihr nicht fluchte! – «

Dann ging sie zur Thüre; Margarethe versuchte sie zurückzuhalten, aber die Mutter blickte sie so schrecklich an, daß sie ihr Kleid losließ, und stumm und keuchend zurücksank. Als sie fort war, that sie einen Schrei, als sei ihr das Herz gebrochen.

XVII

Unsre Leser werden sich vielleicht wundern, daß nach der Beleidigung, mit der Paul den Baron von Lectour gereizt hatte, das Duell nicht gleich des andern Morgens bestimmt ward; aber der Lieutenant Walter, der beauftragt war, mit dem Grafen d'Auray die Bedingungen zu ordnen, hatte von einem Chef die Ordre erhalten, alle, bis auf eine Einzige einzugehen: Paul wollte sich nur zu Ende des Tages schlagen.

Der junge Kapitän sah nämlich, als sich dieses seltsame Drama gelöst, worin er sich als Fremdling verflochten hatte, ein, daß er nun, als Familienhaupt, sein Leben nicht auf das Spiel setzen dürfe. Uebrigens war die Frist, die er für sich verlangt, nicht lang, und Lectour, der nicht wußte, weshalb sein Gegner diesen Aufschub verlangte, hatte die Zeit angenommen, ohne sich darüber zu beklagen. Paul, entschlossen, mit den Augenblicken zu wuchern, machte sich auf den Weg ins Schloß, sobald er die Stunde, bei der Marquise zu erscheinen, für schicklich hielt.

Die Ereignisse des vorigen Tages hatten in dieser edlen Behausung eine so große Unruhe verbreitet, daß Paul eintrat, ohne einen Bedienten zu finden, der ihn gemeldet hätte; er ging in die Zimmer, schlug den Weg ein, den er schon zweimal gefunden hatte, und fand Margarethen im Saale, ohnmächtig auf dem Boden liegen.

Als er den Contract zerknittert und seine Schwester bewußtlos erblickte, errieth er leicht, daß eine noch weit fürchterlichere Scene zwischen Mutter und Tochter vorgegangen war. Er hob Margarethen auf, und öffnete ein Fenster, um ihr frische Luft zu verschaffen; ihr Zustand war mehr eine Hemmung aller Kräfte, als eine wirkliche Ohnmacht. Auch schlug sie die Augen auf, als sie sich mit einer Aufmerksamkeit unterstützt fühlte, die über die Gefühle dessen, der ihr zu Hilfe kam, keinen Zweifel übrig ließ, und erkannte ihren Bruder, diesen leibhaften, ihr von Gott gesendeten Schutzgeist, der sie stets aufrichtete, wenn fiel unterlag.

Sie erzählte ihm Alles, was sich zwischen der Mutter und ihr ereignet hatte, und wie sie durch ihren Schmerz, und ihre mißliche Lage hingerissen, ihr gezeigt hatte, daß sie Alles wisse!

Paul begriff, was in diesem Augenblicke in dem Herzen der Marquise vorgehen müsse, die nach zwanzig Jahren des Schweigens, der Angst, nun ihr Geheimniß entdeckt sah, das sie durchaus verbergen wollte, und zwar ohne zu wissen, wie es zuging.

Paul erbarmte sich der Strafe seiner Mutter, und beschloß sie möglichst schnell zu beenden, in dem er die Zusammenkunft mit ihr, beschleunigt, die sie über die Gesinnungen des Sohnes, dessen Rückkehr zu verhindern, die Alles angewendet hatte, aufklären sollte. Margarethe hatte ebenfalls Verzeihung zu erbitten, und nahm es auf sich, der Mutter zu hinterbringen, daß der junge Kapitän ihre Befehle erwarte.

Paul war allein geblieben, gelehnt an dem großen Kamin, über welchem das Wappen der Familie ausgehauen war, und versank in Betrachtungen, durch welche er, der Schiedsrichter dieses ganzen Hauses geworden war, als Manuel aus einer plötzlich aufgerissenen Nebenthür mit Pistolen in der Hand, eintrat. Paul sah sich um, und als er den Jüngling erblickte, grüßte er ihn mit jenem sanften, brüderlichen Ausdruck, welcher auf seinen Zügen die Heiterkeit seiner Seele wiederspiegelte.

Manuel aber, obgleich er den Gruß nach allen Convenienzen erwiderte, zeigte die feindlichsten Gesinnungen in seinen Mienen, welche die Gegenwart desjenigen in ihm erregte, den er als einen persönlichsten und wüthendsten Feind betrachtete.

»Ich wollte sie aufsuchen, mein Herr!« sprach er, und legte die Pistolen auf den Tisch, indem er in einiger Entfernung von Paul stehen blieb, »ob ich gleich nicht recht wußte, wo sie zu finden wären; denn sowie der böse Geist in unsern Volkssagen, scheinen sie die Gabe empfangen zu haben, überall und nirgends zu sein. Endlich versicherte mir ein Bedienter, er habe sie ins Schloß gehen sehen. Ich danke ihnen, daß sie mir die Mühe erspart haben, die ich diesmal zu übernehmen entschlossen war, ihnen entgegen zu kommen.«

»Ich schätze mich glücklich,« antwortete Paul, »daß sie in diesem Falle mit dem ihrigen harmonisch gewesen ist, wiewohl der Grund dazu wahrscheinlich verschieden sein möchte! Was wollen sie von mir?«

»Erathen sie es nicht, mein Herr?« fuhr, Manuel fort, mit steigender Aufregung. »In diesem Falle – und erlauben sie mich darüber zu wundern! – kennen sie die Pflichten eines Cavaliers und Officier so wenig, und es ist eine neue Beleidigung die sie mir anthun!«

»Glauben sie mir, Manuel,« versetzte Paul mit Ruhe. – »Gestern hieß ich Graf, heute heiße ich Marquis von Auray,« fiel Manuel ihm hochmüthig und verächtlich ins Wort, »ich muß sie bitten, es nicht zu vergessen!«

Ein fast unmerkliches Lächeln flog über Pauls Lippen. »Ich sagte also,« fuhr Manuel fort, »daß sie die Gesinnungen eines Cavaliers wenig kennen, wenn sie glauben sollten, daß ich einem andern gestatten würde, an meiner Stelle den Streit, den sie mit mir gesucht haben, zu erledigen. Ja, Herr, sie sind's, der sich auf meinen Weg warf, und ich bin es nicht, der sie gesucht hat.«

»Herr Marquis d'Auray,« sagte Paul, »vergessen sie ihren Besuch am Bord der Indianerin!«

»Keine Ausflüchte mehr, mein Herr, kommen wir zum Ziele. Ich bot ihnen gestern, Gott weiß aus welcher sonderbaren, unerklärlichen Empfindung, alles an, was jeder Edelmann und Officier, ja jeder Mann von Muth und Ehre, sogleich angenommen hätte, ohne sich zu besinnen; sie weigerten sich, mein Herr, meine Aufforderung auf die Seite schiebend, suchten sie sich willkührlich einen, Gegner hinter meinem Rücken auf, der gerade dem Streite nicht fremd war, aber den hineinzuziehen, der Anstand verbat.«

»Glauben sie mir, mein Herr,« versetzte Paul mit derselben Ruhe, die er bis jetzt behauptet hatte, »daß ich den Verhältnissen in diesem Stücke gehorchte, die mir nicht die Wahl eines Gegners gestatteten. Ein Duell, das mir von ihnen angetragen ward, das ich mit ihnen nicht eingehen konnte, war mir gleichgültig mit jedem andern; solche Dinge bin ich zu gewohnt, und wohl ganz andere furchtbare, tödtliche Kämpfe, als daß so etwas in meinem Augen etwas anderes, als ein gewöhnlicher Zufall in meinem abentheuerlichen Tagewerke sein könnte! Aber das erinnern sie sich, daß ich das Duell nicht suchte, daß sie mir es anboten, und da ich mich, und ich wiederhole es, mit ihnen nicht schlagen kann, so forderte ich den Herrn von Lectour, wie ich den Herrn von Nozay oder la Jerry gefordert hätte, weil er eben da war, ich ihn bei der Hand hatte, und da ich durch aus jemand tödten sollte, so war mir's lieber einen Geck zu tödten, der unnütz und unverschämt ist, als einen wackern, ehrlichen Landedelmann, der sich entehrt glauben würde, wenn er im Traume den infamen Handel vollzöge, den ihnen Lectour in der Wirklichkeit vorschlägt.«

»Genug, mein Herr!« lachte Manuel, »fahren, Sie nur fort, sich zum Verbesserer des Unrechts und zum Ritter irrender Prinzessinnen aufzuwerfen, und sich hinter das phantastische Schild geheimnißvoller Antworten zurückzuziehen! solange dieser altväterische Don Quinxottismus, meine Wünsche, meine Verpflichtungen und mein Interesse nicht berühren wird, so durchlaufen sie mit ihm Land und Meer, gehen sie von einem Pol zum andern, und ich werde mich damit beruhigen, darüber zu lachen, wenn er an mir vorübergeht; aber, wenn mich diese Narrheit direct ergreift, wie die ihrige gethan hat, mein Herr, und ich in einer Familie, deren Oberhaupt ich bin, einen Unbekannten begegne, der als Gebieter anordnet, wo ich allein das Recht dazu habe, so werde ich ihn zu Leibe gehen, wie jetzt ihnen, wenn ich das Glück habe, ihn allein zu begegnen; wenn ich dann gewiß bin, daß mich Niemand in einer nöthig gewordenen Erklärung, vor Ende derselben stören wird, würde ich zu ihm sagen: sie haben mich insultiert, wenigstens verletzt, denn sie mischten sich in mein Interesse, in mein Familienleben. Sie müssen sich also mit mir schlagen, und mit keinem Andern, und sie werden es!«

»Sie irren sich, Manuel!« antwortete Paul, »ich schlage mich nicht, wenigstens nicht mit ihnen, Es ist unmöglich!«

»Herr!« rief Manuel ungeduldig, »die Zeit der Räthel ist vorbei; wir leben in einer Welt, wo wir aller Augenblicke uns an eine Wirklichkeit stoßen. lassen wir also Dichtung und Mystik den Romanen- und Tragödienschreibern. Ihre Anwesenheit hier im Schlosse ist mit zu niedrigen Umständen bezeichnet, als daß wir unterlassen sollten, das was noch nicht ist, dem hinzuzufügen, was bereits geschah. Lusignan ist zurückgebracht, trotz der Ordre der Deportation; meine Schwester rebelliert zum ersten mal gegen den Willen ihrer Mutter; meinen Vater tödtete ihr bloßer Anblick; diese Unglücksfälle haben sie geleitet, sind vom Ende der Welt mit ihnen hier hergekommen, wie ein Leichenzug, und sie sollen mir dafür stehen! Also sprechen sie, mein Herr; sprechen sie wie ein Mann von Ehre, bei hellen Tage, und nicht wie ein Gespenst das im Finstern schleicht, und mit Hilfe der Nacht entwischt, indem es einige Worte aus der andern Welt fallen läßt, prophetische, feierliche Worte, gut für Ammen und Kinder, sie zu erschrecken! reden sie, Herr! sehen sie, ich bin ruhig. Wenn fiel mir was zu entdecken haben, will ich es hören!«

»Das Geheimniß, das sie von mir fordern, ist nicht mein eigen,« antwortete Paul, dessen Ruhe seltsam mit Manuels Aufregung kontrastierte, »glauben sie mir, und dringen sie nicht weiter in mich. Adieu!«

Er wollte fortgehen, Manuel stürzte zur Thür und vertrat ihm den Weg. »Sie werden so nicht fortkommen, mein Herr! ich befinde mich mit ihnen hier allein, ich habe sie nicht hergelockt, sondern sie sind gekommen. Achten sie also auf das, was ich ihnen sagen will. Sie haben mich beleidigt! mir sind sie Genugthuung schuldig, und mit mir sollen und müssen sie sich schlagen!«

»Sie sind närrisch, Herr!« antwortete Paul, »ich habe ihnen schon gesagt, daß das eine Unmöglichkeit ist. lassen sie mich gehen!«

»Nehmen sie sich in Acht!« schrie jetzt Manuel und griff nach den Pistolen, »mein Herr! da ich alles gethan habe, um sie zu zwingen wie ein Cavalier zu handeln, so kann ich mit ihnen verfahren, wie mit einem Räuber! sie sind hier in einem fremden Hause; sie sind hergekommen, ich weiß weder wie? noch warum? ist es nicht um unser Gold und Kleinodien zu entwenden, so ist es geschehen, um den Gehorsam der Tochter, ihrer Mutter, um das heilige Versprechen eines Freundes zum Freunde zu fehlen. So sind sie in beiden Fällen ein Räuber, den ich in dem Moment begegne, wo er die Hand auf den Schatz, den Schatz der Ehre, den köstlichsten von allen, legt! Da – nehmen sie lieber diese Waffe!« —

Manuel warf eine der Pistolen Paul vor die Füße, und schrie: »Vertheidigen sie sich!«

»Sie können mich tödten, mein Herr!« antwortete Paul, und lehnte sich von Neuem an den Kamin, als führe er eine gewöhnliche Unterhaltung, »wiewohl ich nicht glaube, daß Gott ein so großes Verbrechen gestattet; allein zwingen können sie mich nicht, mich mit ihnen zu schlagen. Ich habe es ihnen gesagt, und wiederhole es!«

»Heben sie dieses Pistol auf, Herr! heben sie es auf, ich sage es ihnen! sie halten das, was ich ihnen sage, für eine leere Drohung; irren sie sich nicht! seit drei Tagen ermüden sie meine Geduld! seit drei Tagen erfüllen sie mein Herz mit Galle und Haß, seit drei Tagen endlich habe ich mich an alle Vorstellungen gewöhnt, die mich ihrer entledigen können: Zweikampf oder Mord! glauben sie nicht, daß mich die Furcht vor Strafe abhält; dieses Schloß ist öde, stumm und taub! das Meer ist hier, und sie wären noch nicht im Grabe, so wär ich schon in England. Also, Herr, zum aller – aller letzten mal! heben sie das Pistol auf, und schießen zu ihrer Vertheidigung.«

Ohne zu antworten, zuckte Paul die Achseln und stieß das Pistol mit dem Fuße von sich.

»Nun denn,« rief Manuel, aufs Aeußerste getrieben durch die Kaltblütigkeit seines Gegners, »da du dich nicht vertheidigen willst, wie ein Mann – so stirb wie ein Hund!« Und jetzt richtete er das Pistol auf die Brust des Kapitäns.

 

In diesem Augenblicke hörte man einen entsetzlichen Schrei an der Thüre: es war Margarethe, die wieder kam und auf den ersten Blick Alles begriff. Sie stürzte zu Manuel und zugleich fiel der Schuß; aber die Kugel, welche durch den Eingriff der jungen Dame eine andere Richtung erhalten hatte, ging drei Finger breit über Pauls Haupte hinweg und zerschmetterte den Spiegel über dem Kamine.

»Mein Bruder« schrie Margarethe, war mit einem Sprunge bei Paul und schloß ihn in ihre Arme; »mein Bruder! bist du nicht verwundet?«

»Dein Bruder?« sprach Manuel, und ließ das noch rauchende Pistol fallen, »dein Bruder!«

»Nun ja, Manuel!,« antwortete Paul mit derselben Ruhe, die er die ganze Zeit über bewiesen hatte; »begreifst du nun, weshalb ich mich nicht mit dir schlagen konnte?«

»In diesem Augenblicke erschien die Marquise auf der Thürschwelle, bleicher als ein Geist; sie sah um sich her mit einem unaussprechlichen Ausdrucke von Furcht, und als sie sah, daß Niemand verwundet war, hob sie schweigend die Augen zum Himmel, als wolle sie fragen, ob er endlich versöhnt sei? Sie blieb einige Augenblicke in diesem Ausdrucke des Dankes. Als sie ihre Blicke senkte, erblickte sie Manuel und Margarethen zu ihren Füßen, und jedes hielt eine ihrer Hände und bedeckte sie mit Küssen und Thränen.

»Ich danke euch, meine Kinder!« sprach sie, nach einigen Augenblicken des Schweigens, »jetzt laßt mich mit diesem jungen Manne allein.«

Margarethe und Manuel neigten sich vor ihr mit dem Ausdrucke der tiefsten Ehrfurcht und gehorchten dem Befehle ihrer Mutter.

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