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Der Schiffs-Capitain

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XII

An dem Tage, wo die eben erwähnte, fruchtlose Zusammenkunft der jungen Dame mit ihrem Verlobten stattfand, rief die Speiseglocke den Baron um vier Uhr zur Mittagstafel. Manuel mach die Honneurs, denn die Marquise war bei ihre Gemahl geblieben, und Margarethe hatte sich entschuldigt zu kommen. Die übrigen Gäste war der Notar, Verwandte und Zeugen. Die Mahlzeit war traurig, trotz Lectours unermüdlich Unterhaltung, es war sichtbar, daß dieser lustig Humor so thätig war, daß er ein Fieber sein mußte, er war gesonnen, sich selbst zu betäuben Von Zeit zu Zeit drohte auch diese Lustigkeit wie eine Lampe zu verlöschen, der es an Oel gebricht, dann flammte sie von Neuem empor, blitzt um so heller, wie jene Flamme, wenn sie ihr letzte Nahrung verzehrt. Um sieben Uhr stand man auf, um sich in den Salon zu begeben.

Schwerlich kann man sich eine Idee machen von dem seltsamen Anblicke dieses alterthümliche Schlosses, dessen weite Zimmer mit damastnen gothisch decorirten Stoffen behangen, und mit Meublen aus den Zeiten Ludwig XIII. erfüllt waren. So lange zugeschlossen, schienen sie des Lebens entwöhnt, und trotz der Menge der Kerzen, welche die Diener angezündet hatten, schien doch das schwache, zitternde Licht derselben für diese ungeheuern Gemächer nicht zureichend, und die Stimmen darin wiederholten sich wie unter den Schwibbogen eines Doms. Die kleine Zahl der Gäste, welche zum Abende, kaum drei oder vier benachbarte Edelleute vermehren sollten, vergrößerte die Traurigkeit, die unter diesen mit Wappen gezierten Gewölben, durch das Schloß zu schweben schien.

Im Mittelpunkt des Saals, in dem nämlichen, wo Manuel, im Augenblick seiner Ankunft von Paris den Kapitän Paul empfangen hatte, fand ein festlich geschmückter Tisch, mit einer verschlossenen Mappe, die für einen Unkundigen, eben so gut ein Todesurtheil, als einen Ehecontract enthalten konnte. Mitten unter diesem traurigen Anblicke und düstern Eindrücken, erschallte von Zeit zu Zeit ein höhnisches, abgebrochenes Gelächter, zu den Gruppen der hier leise sprechenden Personen; es war Lectour, der sich auf Kosten einiger guten Landjunker belustigte, ohne Barmherzigkeit für Manuel, auf den ein Theil seines Spottes zurückfiel. Zuweilen warf aber doch der Bräutigam ängstliche Blicke, auf das andere Ende des Zimmers, und dann flog plötzlich eine trübe Wolke über seine Stirne, denn weder die Schwiegereltern, noch die Braut erschienen. Er hat die Marquise gar nicht und Margarethe so kurze Zeit gesehen, daß er trotz seines Leichtsinns doch nicht ganz ohne Sorgen über dasjenige war, was bei der Unterzeichnung des Contracts vorgehen könne, die diesen Abend stattfinden sollte. Eben so wenig war Manuel ohne Besorgniß, und er hatte sich eben entschlossen seiner Schwester hinauf zu gehen, als er durch das Zimmer gehend, auf dem Baron stieß, ihn zu sich winkte.

»Bei Gott! sie kommen eben Recht, lieb Graf!« sagte er, indem er mit der größten Aufmerksamkeit auf dasjenige zu hören schien, was ihm ein guter Landedelmann erzählte, mit dem er eine vollkommene Freundschaft geschlossen haben schien. »Hier ist Herr von Nozay, der mir sehr merkwürdige Dinge erzählt, auf Ehre, aber wissen sie,« fuhr er fort, sich zu diesen wendend, »daß das eine charmante Jagd ganz für gute Gesellschaft geeignet! Auch besitze Sümpfe und Teiche; ich muß nur mein Intendanten fragen, wenn ich wieder nach Par. . . komme, wo sie liegen. Und fangen sie viele Enten auf diese Weise?«

»Ungeheuer viel!« antwortete der Edelmann mit dem Ausdrucke der vollkommensten Gutmüthigkeit, der Lectour bewieß, daß er ohne Nachtheil die Unterhaltung in demselben Tone fortsetzen könne.

»Was ist denn das für eine wunderbare Jagd?« fragte Manuel.

»Stellen sie sich vor, mein Lieber,« sagte Lectour sehr ernsthaft, »der Herr geht bis an den Hals ins Wasser.«

»Aber – ohne Unbescheidenheit – zu welcher Jahreszeit?«

»Nu,« antwortete jener, »im Monat December oder Januar!«

»Das ist ja ganz pittoresk! ich sage ihnen, der Herr geht bis an den Hals ins Wasser, jetzt einen Filz auf den Kopf und versteckt sich in’s Geröhrig. Das verändert ihn dermaßen, daß ihn die Enten durchaus nicht kennen, und ganz nahe kommen. – Nicht so? – «

»So nahe, wie sie hier! – «

»Ei – wahrhaftig?« rief Manuel.

»Und dann tödtet er soviel ihm beliebt fuhr der Baron fort.

»Zu Dutzenden!« versicherte der Landjunker entzückt über die Aufmerksamkeit der beiden jungen Leute.

»Wenn ihre Frau gern Enten ißt, muß das ein großes Vergnügen sein!« sagte Manuel.

»Sie ist ganz toll darauf!« antwortete er.

»Ich hoffe, sie werden mir die Ehre erzeigen, mich einer so interessanten Dame zu präsentieren versetzte Lectour sich verbeugend.

»Wie, Herr Baron!«

»Ich schwöre ihnen, sobald ich nach Par . . . komme, ist das das Erste, was ich bei dem pet. . . lever erzähle, und ich bin überzeugt, Sr. Majestät versuchen es in dem Wasser des suisses

»Vergebung, lieber Baron!« flüsterte indes Manuel, ihn beim Arme nehmend, in's Ohr, »aber es ist ein Gutsnachbar, den ich unmöglich bei dieser Feierlichkeit zurücklassen konnte.«

»Ei was!« erwiderte dieser auf gleiche Weise, es wäre ja sehr Schade gewesen, mich seiner berauben. Er gehört von Rechts wegen zur Mitgift meiner Gemahlin, und ich wäre untröstlich, gewesen, wenn ich eine Bekanntschaft nicht gemacht hätte.«

»Herr von la Jerry!« meldete der Bediente.

»Auch ein Jagdgefährte?« fragte Lectour.

»Nein!« erwiderte Manuel, »ein Reisender!«

»Ah! ah!« sagte Lectour mit einem Ausdrucke als wollte er auch diesen zum Besten haben; aber eben trat der Ankömmling ein, in einer Tunika mit Pelz besetzt.

»Ah, mein bester la Jerry!« rief Manuel, indem er ihm entgegen ging und demselben die Hand reichte. »Aber wie sie ausgerüstet sind! auf Ehre sie sehen aus wie der Czar Peter.«

»Das macht, sehen sie lieber Graf, weil ich gerade aus Neapel komme!« antwortete dieser schauernd, ob es gleich nicht kalt war, »perr!«

»Ah so, der Herr kommen von Neapel!« mengte sich Lectour in das Gespräch.

»Geraden Wegs, mein Herr!«

»Sie waren auf dem Vesuv?«

»Nein, ich begnügte mich, ihn aus meinem Fenster zu sehen, und dann,« fuhr der reisende Gentleman mit einem für den Vulkan sehr demüthigenden Ausdrucke fort, »das ist eben in Neapel nicht das Merkwürdigste, der Vesuv ein rauchender Berg! mein Kamin thut dasselbe, wenn der Wind von Belle-Isle kommt. Und dann hatte meine Frau eine entsetzliche Furcht vor den Ausbrüchen.«

»Aber die Hundsgrotte besuchten sie?«, fuhr der Baron fort.

»Zu was denn?« erwiderte la Jerry, »um ein Thier zu sehen, das Krämpfe bekommt, geben sie einen Pudel ein Fleischklöschen, macht er's eben so. Und dann hat meine Frau eine Vorliebe für die Hunde, es hätte ihr leiden gethan!«

»So hoffe ich wenigstens,« sprach Manuel sich verbeugend, »daß ein Gelehrter wie sie, das Solfatara nicht verabsäumt hat?«

»Ich? – keinen Fuß habe ich hingesetzt ich kann mir doch wahrhaftig wohl denken, warum es mit drei oder vier Morgen Landes für ein Beschaffenheit hat, die nichts einbringen als Schwefelhölzchen, und meine Frau kann keine Schwefel riechen!«

»Wie finden sie diesen hier!« fragte Manuel mit Lectour in den Saal zurückkehrend.

»Ich weiß nicht, macht es weil ich jenen zuerst sah, der Jäger ist mir lieber!« antwortete er.

»Herr Paul!« meldete plötzlich der Bediente.

»Wie? was!« rief Manuel sich umkehrend.

»Wer ist das?« sagte Lectour, sich reckend, »auch ein Gutsnachbar?«

»Nein, mit dem ist's was anders!« antwortete Manuel unruhig, »wie der Mensch sich nur hier her wagen kann?«

»Aha! . . .ein Bürgerlicher, Herr? – ein Gemeiner, nicht wahr? aber reich? . . . Nicht? Dichter?. . . Musikus?. . . Maler? – Nun, Manuel, ich versichere ihnen, daß man anfängt diese Gattung anzunehmen. Die verdammte Philosophie hat alles vermischt! was wollen sie, mein Lieber, man muß sichs gefallen lassen. So weit ist es gekommen! Ein Künstler setzt sich zu einem großen Herren, stößt an ihn an, grüßt ihn mit nur wenig gelüftetem Hute, bleibt sitzen, wenn jener aufsteht, spricht mit von Hofangelegenheiten, macht sich darüber lustig, scherzt. Das ist der schlechte Geschmack des besten Tons.«

»Sie irren sich, Lectour!« antwortete Manuel, »er ist weder Dichter, noch Maler, noch Musikus, es ist ein Mann mit dem ich zu reden habe. Nehmen die Nozay in Befehl, ich will la Jerry entfernen.«

Beide junge Leute bemächtigten sich des Jägers und des Reisenden, und kaum waren die Nebenthüren hinter ihnen zugemacht, als Paul zu mittelsten eintrat.

Er ging in das Zimmer, welches ihm bereits bekannt war, und wo jeder Winkel eine Thür verbarg, die eine führte in die Bibliothek, andere in das Cabinet, wo er bei seinem erst Besuche gewartet hatte, als Margarethe zu Manuel kam. Dann trat er an den Tisch, blieb ein Augenblick stehen, und sah nach beiden Thüre als erwartete er, daß sie sich aufthun würde. Seine Hoffnung ward nicht getäuscht, die Thür der Bibliothek ging auf, und er gewahrte Schatten eine weiße Gestalt, auf die er zuging.

»Sind sie es? Margarethe?« fragte er.

»Ja!« antwortete eine zitternde Stimme.

»Nun?«

»Ich habe ihm alles gesagt.«

»Und? . . .«

»Und in zehn Minuten unterschreibt man den Contract!«

»Ich dachte mir's! es ist ein Elender!«

»Was ist zu thun?« rief sie.

»Muth, Margarethe!«

»Ich habe keinen mehr!«

»Hier ist etwas, das ihn wiederbringen wird!« sagte Paul, und gab ihr ein Billet.

»Was enthält dieser Brief?«

»Den Namen des Dorfes, wo ihr Sohn sie erwartet, und den Namen der Frau, bei der man ihn verborgen hat.«

»Mein Sohn? – o! so sind sie denn mein Schutzgeist!« rief Margarethe, und wollte die Hand küssen, die ihr das Papier hinreichte.

»Still, still! man kommt!« sagte Paul, »was auch geschehen mag, bei Achard finden sie mich!«

 

Margarethe eilte in die Thüre zurück, ohne zu antworten, denn sie hörte Manuel kommen. Paul wandte sich um und ging auf ihn zu, bei dem Tische trafen sie zusammen.

»Ich erwartete sie zu einer andern Stunde, mein Herr! und vor minder zahlreicher Gesellschaft!« sprach der Graf

»Wir sind aber allein, wie mir's vorkommt!« antwortete Paul, um sich hersehend.

»Ja! aber man unterschreibt hier den Contract, und in einem Augenblicke wird der Saal voll seyn!«

»Man kann viel in wenig Minuten sagen.«

»Sie haben Recht!« erwiderte dieser, »aber man muß auch einem Mann begegnen, der einen in einem Augenblick verstehen kann.«

»Ich höre!« sprach Paul.

»Sie haben mir von Briefen gesagt?« fuhr Manuel fort, trat näher, und sprach leiser.

»Das ist wahr!« versetzte Paul ruhig.

»Sie haben einen Preis für diese Briefe bestimmt?«

»Ist wieder wahr!«

»Nun denn, wenn sie ein Mann von Ehre sind, so müssen sie bereit sein, die mir für diesen Preis, für diese Summe, die in dieser Brieftasche befindlich ist, zuzustellen!«

»Ja, Herr Graf!« antwortete Paul, »so verhielt sich's, als ich glauben mußte, ihre Schwester habe ihre geleisteten Eide vergessen, sobald der Fehler begangen war, sie habe sogar ihr Kind vergessen, und unterstütze ihren Ehrgeiz durch Meineid. Da dachte ich, es wäre eine zu bittere Thränentaufe, in die Welt zu treten ohne Namen, ohne Familie, um nicht wenigstens einiges Vermögen mitzubringen. Und so verlangte ich von ihnen diese Summe, gegen diese Briefe. Aber jetzt hat sich die Sache geändert, Herr Graf. Ich sah, daß sich ihre Schwester zu ihren Füßen warf; ich hörte wie sie bat, die nicht zu dieser Heirath zu zwingen, die eine infame ist; weder ihre Thränen, noch ihr Bitten und Flehen machten Eindruck auf ihr Herz. So ist's denn heut an mir, mein Herr, an mir, der ihre Ehre, und die Ehre ihrer Familie in Händen hat, die Mutter von Verzweiflung zu retten, wie ich das Kind vom Elend retten wollte. Diese Briefe, Herr Graf, werden ihnen zurückgegeben werden, wenn, auf diesem Tische, statt des Ehecontracts ihrer Schwester mit dem Baron von Lectour, wir dem von Fräulein Margarethe d’Auray mit Herren Anatole von Lusignan unterschreiben.«

»Nie, Herr, nie!« »Sie erhalten die Briefe aber nur unter dieser Bedingung, Graf!«

»O! da giebts vielleicht Mittel, die zur Zurückgabe zu zwingen!«

»Ich kenne keines,« antwortete Paul kalt.

»Wollen sie mir die Briefe zurückgeben, mein Herr?«

»Graf!« sagte Paul den Jüngling mit einer diesem unerklärlichen Miene betrachtend, »hören sie mich an!«

»Wollen sie mir die Briefe zurückgeben, mein Herr?«

»Graf! . . .«

»Ja, oder Nein!«

»Zwei Worte . . .«

»Ja, oder Nein!«

»Nein!« sprach Paul kalt.

»Gut, mein Herr! sie haben ihren Degen an der Seite wie ich den meinigen; wir sind von Adel alle beide, oder – ich will glauben, daß sie es sind. lassen sie uns einen Gang thun; wer von uns allein zurückkehrt, soll frei und eigenmächtig, durch den Tod des Andern, thun was er will.«

»Ich bedaure, Herr Graf, dieses Anerbieten nicht annehmen zu können!«

»Wie! sie tragen diese Uniform, dieses Kreuz und einen Degen, und verweigern ein Duell?«

»Ja, Manuel, ich verweigre es!«

»Und warum das?«

»Weil ich mich nicht mit ihnen schlagen kann! Glauben sie, was ich ihnen sage!«

»Sie können sich nicht mit mir schlagen?«

»Auf Ehre!«

In diesem Augenblicke erschallte hinter dem Rücken beider ein Gelächter; sie wandten sich um und sahen Lectour.

»Aber,« fuhr Paul fort, die Hand nach den Baron ausstreckend, »mit dem Herren da, kann ich mich schlagen, der ein Elender, ein Nichtswürdiger ist!«

Eine glühende Röthe flog über Lectours Gesicht, wie der Widerschein einer Flamme. Er ging einen Schritt auf Paul zu, dann blieb er stehen, und sagte zu ihm:

»Sehr wohl mein Herr!« senden sie ihren Secundanten zu dem Grafen; sie werden die Sache zusammen arrangieren!«

»Und unter uns, versteht sich,« sagte Manuel, »ist die Parthie blos aufgehoben!«

»Still!« sagte Paul, »man meldet ihre Mutter!« —

»Ja, still, bis morgen!« versetzte Manuel, »kommen sie, Lectour, wir wollen meine Mutter empfangen!«

Paul sah schweigend den beiden jungen Leuten nach, die sich entfernten; dann ging er in das Cabinet, das er schon kannte, weil er das erste Mal darinnen gewesen war.

XIII

Kaum war Paul in dem Cabinete, als die Marquise zur Thüre des Salons, in Begleitung des Notars und der Personen, die zur Unterschrift des Contracts ersucht worden waren, eintrat. So feierlich auch die Begebenheit war, so hatte sie gleich wohl nicht für nöthig erachtet, ihre Wittwentrauer abzulegen, und ihr folgte einige Augenblicke später: der Marquis, dem Alle, die zugegen waren, selbst sein Sohn, nicht seit Jahren gesehen hatten. So mächtig waren die Anforderungen der Etiquette, daß die Dame den Ehecontract ihrer Tochter nicht ohne die Unterschrift des Familienhauptes wollte unterschrieben wissen, so verstandlos er auch war. So wenig Lectour auch geneigt schien, sich durch Etwas einschüchtern zu lassen; so brachte dennoch die Marquise auch auf ihn ihren gewöhnlichen Eindruck hervor, und als er sie so ernst und würdevoll einher schreiten sah, verbeugte er sich mit dem Gefühle der höchsten Ehrfurcht.

»Ich bin ihnen, meine Herren,« sprach sie, die Gesellschaft begrüßend, »sehr verbunden für die Ehre, der Verlobung des Fräuleins Margarethe d’Auray mit dem Herrn Baron von Lectour beiwohnen zu wollen. Auch habe ich gewünscht, daß der Marquis, so leidend er auch ist, diesem Vereine sich zugeselle und ihnen wenigstens durch seine Gegenwart, wenn auch nicht durch Worte dafür danke. Sie kennen seine Lage und werden sich also nicht wundern, wenn einige unzusammenhängende Reden – — «

»Ja, gnädigste Frau,« fiel Lectour ein, »wir kennen das Unglück, das ihn betroffen hat, und bewundern die pflichtergebene Gemahlin, die, seit zwanzig Jahren, die Hälfte dieses Unglücks trägt.«

»Sie sehen, gnädigste Frau,« sagte Manuel, sich ihr nahend und ihre Hand küssend, »wie Jedermann ihre eheliche Frömmigkeit anbetet.«

»Wo ist Margarethe? « fragte sie halblaut.

»Sie war vor einem Augenblicke hier,« antwortete Manuel.

»Benachrichtigt sie!« fuhr sie in gleichem Tone fort.

»Der Marquis d'Auray!« meldete jetzt der Bediente.

Alles stellte sich so, daß die Thüre frei blieb und alle Blicke richteten sich dahin, wo er herkommen sollte. Bald ward diese Neugier befriedigt; der Marquis schritt herein, von zwei Dienern unterstützt.

Es war ein Greis, der trotz den Spuren des Leidens, die sein Gesicht furchten, noch die Haltung des Adels und der Würde besaß, die ihm als einem der ausgezeichnetsten Höflinge eigen gewesen waren. Seine großen, hohlen, fieberhaften Augen überblickten die Versammlung mit einem sonderbaren Ausdrucke von Verwunderung. Er trug eine Uniform als Feldmarschall, am Halse den heiligen Geistorden und den des heiligen Ludwigs im Knopfloche. Er kam langsam näher und sprach kein Wort. Die beiden Diener führten ihn, während des tiefsten Schweigens zu einem Sessel, auf den er sich niederließ; dann zogen sie sich zurück. Die Marquise nahm neben ihm zur Rechten Platz. Der Notar zog den Contract aus der Mappe und fing an zu lesen. Der Marquis und die Marquise bescheinigten Lectour die Summe von 5.000.000 Franken, und bestimmten dieselbe Summe zur Mitgift für Margarethen.

Während dieser Vorlesung hatte die Marquise trotz einer anscheinenden Gleichgültigkeit, einige Zeichen von Unruhe gegeben. Als endlich der Notar den Contract wieder auf den Tisch legte, nahte sich Manuel wiederum seiner Mutter.«

»Und Margarethe?« fragte sie.

»Folgt mir!« war Manuels Antwort.

»Gnädige Frau!« flehte Margarethe mit gefaltenen Händen. Die Marquise that, als ob sie. Nichts höre, und auf die Feder zeigend, sagte sie:

»Es ist an ihnen, Herr Baron!«

Lectour ging an den Tisch und unterschrieb.

»Gnädigste Frau!« sagte Margarethe zum zweiten Male mit bittender Stimme und that einen Schritt auf die Marquise zu.

»Geben sie ihrer Braut die Feder, Herr von Lectour!« sprach die Marquise. Der Baron ging um den Tisch herum und nahte sich Margarethen.

»Gnädige Frau!« rief diese zum dritten Male mit einer so ausdrucksvollen, Thränen erfüllten Stimme, daß sie allen Anwesenden bis ins Innerste ging und selbst der Marquis den Kopf in die Höhe hob.

»Unterschreibe!« sagte die Marquise mit den Finger auf den Contract zeigend.

»O, mein Vater! mein Vater!« schrie jetzt Margarethe und warf sich zu den Füßen ihres Vaters.

»Was machst du?« sagte die Marquise, lehnte sich auf den Armsessel des Marquis, und sich über ihn hinweg beugend, setzte sie hinzu: »Bist du wahnsinnig, Mädchen?«

»Mein Vater! mein Vater!« sagte Margarethe, ihn mit ihren Armen umfassend; »Erbarmen! retten sie ihre Tochter! . . .«

»Margarethe!« murmelte mit schrecklich drohendem Ausdrucke die Marquise.

»O lassen sie mich,« antwortete diese, »meinen Vater anflehen, da ich mich nicht an sie wenden soll, Wenn sie (und fiel deutete mit standhafter, entschlossener Geberde auf den Notar) nicht vor ziehen, daß ich die Gesetze auffordere!«

»Das ist also eine Familienscene!« erwiderte die Marquise, aufstehend, mit bitterem Hohne, »und solche Dinge, die für Großeltern sehr rührend sind, werden gewöhnlich für Fremde sehr lästig. Meine Herren, in den Nebenzimmern stehen Erfrischungen bereit. Mein Sohn, mache die Honneurs. Herr Baron, sie vergeben – — «

Manuel und Lectour verbeugten sich schweigend, und alle Anwesende folgten ihnen. Die Marquise stand unbeweglich, bis der Letzte fort war, dann schloß sie die Thüren, und zu den Marquis zurückkehrend, den Margarethe umfaßt hielt, sprach sie:

»Jetzt, da Niemand mehr zugegen ist, als diejenigen, welche das Recht haben, dir zu gebieten, so unterschreibe oder geh

»Aus Barmherzigkeit, gnädige Frau!« sprach Margarethe, »verlangen sie diese Infamie nicht von mir!«

»Hast du mich nicht verstanden!« rief die Marquise mit einer so gebieterischen Stimme, daß es unmöglich schien, ihr zu widerstehen, »oder muß ich dir es wiederholen? Unterschreibe oder geh

»O! mein Vater! mein Vater!« rief Margarethe, »Gnade! Gnade! Nein! nein! man soll nicht sagen können, daß man mich aus den Armen meines Vaters gerissen hat, den ich seit zehn Jahren wiedersehe, ohne daß er mich erkannt hätte und umarmt! – Vater! Vater! ich bins – ich deine Tochter!«

»Was ist das für eine weinende Stimme, die mich anfleht?« murmelte der Marquis, »was ist das für ein Kind, das mich Vater nennt? . .

»Diese Stimme,« sprach die Marquise, den Arm ihrer Tochter ergreifend, »ist eine Stimme, die sich gegen die Rechte der Natur erhebt! dieses Kind ist ein rebellisches Kind!«

»Mein Vater!« schrie Margarethe, »sieh mich an, rette mich! . . . vertheidige mich! . . . ich bin Margarethe!«

»Margarethe … Margarethe!« stammelte er, » einstmals hatte ich ein Kind dieses Namens! . . .«

»Ich bins! ich bins!« fing Margarethe , wieder an, »ich bin ihr Kind! – bin ihre Tochter!«

»Es giebt keine andern Kinder, als die so gehorchen!« sprach die Marquise, »Gehorche! dann hast du das Recht zu sagen, daß du unsere Tochter bist!«

»O ja – ja, ihnen bin ich bereit zu gehorchen, mein Vater! sie – ach sie werden mir nicht befehlen, unglücklich zu sein – unglücklich zum Sterben!«

»Komm, komm!« sagte jetzt der Marquis, und hielt sie fest in seinen Armen, »Ach! ein süßes – unbekanntes Gefühl ergreift mich! . . . und – jetzt – warte! warte!« er legte die Hand an die Stirne, »mir däucht – — ich erinnere mich!« —

»Marquis!« schrie die Dame, »sagen sie ihr, sie müsse gehorchen, und Gott verfluche rebellische Kinder; sagen sie ihr das eher, als daß sie in ihrer Gottlosigkeit von ihnen bestärkt wird!«

Der Marquis erhob langsam das Haupt, und heftete eine feurigen Augen auf sie, dann sprach er mit langsamer Stimme:

»Nehmen sie sich in Acht, Madame! habe ich Ihnen nicht gesagt, daß ich anfange mich zu erinnern!«

Dann senkte er seine Stirn auf die Stirne seiner Tochter, so daß seine grauen Locken sich mit Margarethens schwarzen vermengten, und fuhr fort, »Rede! rede! – was willst du, mein Kind! Sage es mir!«

»Ach! ich bin sehr unglücklich!« —

»So ist denn alles unglücklich in der Welt! Schwarze und weiße Haare! Kind und Greis! . . . ach! ich auch! ich auch! – bin sehr unglücklich, geh! . . .«

»Marquis, gehen sie wieder hinauf in ihr Zimmer! fort!« sagte die Marquise.

 

»Ja, um immer wieder mit ihnen allein zu sein, eingesperrt wie ein Gefangener! . . . das ist gut genug, wenn ich ein Narr bin, Madame!«

»Ja – ja, mein Vater! Sie haben Recht, Es ist lange genug, daß meine Mutter sich ihnen weiht. Mein Vater! lassen sie mich bei ihnen bleiben! ich will sie weder Tag noch Nacht verlassen; sie sollen nur ein Wort sagen, einen Wink mir geben dürfen, und auf den Knien werde ich ihnen dienen!«

»Ha! du würdest nicht den Muth haben das zu thun!«

»Ja, mein Vater! ja ich würde! so wahr als ich Ihre Tochter bin!«

»Wenn du meine Tochter bist!« versetzte er, »warum habe ich dich seit zehn Jahren nicht gesehen?« —

»Weil man mir sagte, sie wollten mich nicht sehen, mein Vater! weil man mir sagte, sie liebten mich nicht!«

»Man hat dir gesagt, daß ich dich nicht sehen wollte, Engelsgesicht!« rief der Marquis, und nahm mit Liebe ihren Kopf in seine beiden Hände, »man hat dir das gesagt? – gesagt, daß ein armer Verdammter den Himmel nicht sehen wolle? Und wer hat denn gesagt, daß ein Vater sein Kind nicht sehen wollte? wer hat gewagt, zu einem Kinde zu sagen, dein Vater liebt dich nicht!«

»Ich!« sprach die Marquise, und noch einmal versuchte die Margarethen aus seinen Armen zu reißen.

»Sie!« unterbrach sie der Marquis, »sie sind's! o ist ihnen die widrige Bestimmung geworden, mich in Allen zu täuschen, was ich liebe? Müssen denn alle meine Schmerzen von ihnen herkommen? so müssen sie denn heute das Vaterherz brechen, wie sie vor zwanzig Jahren, das Herz des Gatten brachen!«

»Sie rasen, Marquis!« rief sie, ließ ihre Tochter los, und trat zu einer rechten Hand, »schweigen sie! schweigen sie!«

»Nein, Madame, nein, ich rase nicht!« antwortete er, »nein . . . nein! jagen sie vielmehr – sagen sie, und das würde Wahrheit sein, sagen die ich stehe zwischen einem Engel, der mich zur Vernunft zurückführen und einem Teufel der mich wahnsinnig machen will! Nein! nein! ich bin nicht wahnsinnig mehr! . . . soll ich es ihnen beweisen?« er hob sich im Sessel empor, und stemmte die Hände auf die Lehnen.

»Muß ich ihnen denn von dem Briefe sagen? . . . von den Duell ! «

»Ich sage Ihnen!« sprach die Marquise, ihn beim Arm" ergreifend, »daß sie Gott mehr verlassen hat als je! wenn sie von solchen Dingen reden, ohne die Ohren zu bedenken, die ihnen zuhören! . . . schlagen sie die Augen nieder, Marquis, und wagen sie noch einmal zu sagen, daß sie nicht wahnsinnig wären.«

»Sie haben Recht!« antwortete er, und fiel in den Sessel zurück, »die Mutter hat Recht!« sagte er zu Margarethen gewendet, »ich bin ein Narr, und du mußt nicht glauben, was ich sage, sondern was sie sagt! . . . Deine Mutter – ha! das ist die Pflichttreue, die Tugend ! auch hat sie weder Schlaflosigkeit, noch Gewissensbisse, noch – Wahnsinn!«

»Mein ewiges – ewiges Unglück, Vater!« schrie Margarethe.

»Und wie kann ich's denn verhindern, dieses Unglück?« sagte der elende Greis, mit herzzerreißender Stimme, »wie kann ich's denn hindern, ich armer Narr, der stets Blut quellen sieht aus einer Wunde! der immer ein redendes Grab zu hören glaubt.«

»Ach! sie vermögen Alles! sagen sie ein Wort, so bin ich gerettet man will mich verheirathen.«

Der Marquis warf den Kopf zurück. »Hören sie mich an! man will mir einen Mann geben, den ich nicht liebe! . . .fassen sie das? . . . einen Elenden . . . und man hat sie hierher gebracht. . . hier auf dieses Schloß . . . vor diesen Tisch.. . . sie, die meinen Vater, um einen niederträchtigen Contract zu unterschreiben!. . . hier. . . hier. . . den Contract, den sie hier sehen!« sie gab selbigen ihm in die Hand.

»Ohne mich zu Rathe zu ziehen? ohne mich zu fragen, ob ich will oder nicht will? hält man mich für todt? und wenn man mich für todt hält, fürchtet man mich weniger als Gespenst? diese Heirath macht dich unglücklich, sagt du?«

»Ewig, ewig!« rief sie.

»Gut, diese Heirath wird nicht geschehen!«

»Ich habe ihr Wort und mein Wort, ihren und meinen Namen zum Pfande gegeben!« sagte die Marquise, mit um so größerer Kraft, als sie ihre Gewalt einzubüßen fürchten mußte.

»Diese Heirath wird nicht geschehen,« sagte der Marquis mit einer Stimme, die die ihrige überschrie, »ich sag' es ihnen!« und mit dumpfem, hohlen Accente fuhr er fort: »es ist eine furchtbare Sache um eine Heirath, wo das Weib den Mann nicht liebt! . . . das macht wahnsinnig! . . . Ja – ich – die Marquise hat mich stets geliebt – treu geliebt! … was mich wahnsinnig macht – ja – das ist etwas Anderes!«

Ein Strahl höllischer Freude blitzte in den Augen der Marquise, denn sie sah alle Kennzeichen des wiederkehrenden Wahnsinnes an ihm.

»Dieser Contract!« fuhr der Marquis fort, und er schickte sich an, ihn zu zerreißen. Lebhaft griff die Dame darnach. Margarethe schwebte wie zwischen Himmel und Hölle.

»Was mich wahnsinnig macht,« fuhr er fort, »das ist ein Grab, das sich aufthut! ein Gespenst, das aus der Erde kommt! ein Geist, der mit mir spricht und zu mir sagt – «

»Ihr Leben ist in meiner Hand,« flüsterte die Marquise ihm ins Ohr, des sterbenden Morlaix letzte Worte wiederholend, »ich könnte es nehmen.«

»Hörst du hörst du!« schrie der Marquis, zitterte schrecklich und stand auf, als wolle er entfliehen.

»Vater Vater! komm zu dir! es ist kein Grab, kein Geist, kein Gespenst hier . . diese Worte spricht . . . die Marquise!«

Aber ich will, daß sie leben,« fuhr diese fort, ihr begonnenes Werk vollendend, »um mir zu vergeben, wie ich ihnen vergebe!«

»Gnade, Morlaix, Gnade!« schrie der Marauis, in seinen Sessel zurückfallend; das Haar sträubte sich vor Furcht, und der Angstschweiß fand ihm auf der Stirne.

»Mein Vater! mein Vater!«

»Du siehst, daß er wahnsinnig ist!« sprach die Marquise triumphierend. »Laß ihn! . . .«

»O!« sagte Margarethe, »ich hoffe, Gott wird ein Wunder thun. Meine Liebe, meine Liebkosungen, meine Thränen werden ihm die Vernunft wieder geben!«

»Versuche es!« antwortete sie kalt und überließ den Marquis seiner Tochter, der ohne Willen, ohne Stimme, ohne Bewußtsein war. »Mein Vater!« rief Margarethe mit herzzerreißender Stimme.

»Marquis!« fuhr die Dame ihn gebieterisch an.

»He! He!« sagte er schaudernd.

»Mein Vater! mein Vater!« schrie Margarethe mit Verzweiflung, »mein Vater zu mir! zu mir!«

»Nehmen sie die Feder und unterschreiben sie,« sagte die Marquise, gab ihm die Feder in die Hand und legte die ihrige auf den Contract. »Sie müssen! ich will

»O nun bin ich verloren!« schrie Margarethe, von diesem Kampfe zermalmt und ohne Kraft, sich aufrecht zu halten.

Allein in dem Augenblicke, wo der überwundene Marquis unterschreiben wollte, wo die Marquise sich triumphierend zu ihren Siege Glück wünschte, wo Margarethe voll Verzweiflung entfliehen wollte; änderte plötzlich ein unerwarteter Umstand – Alles. Die Thüre des Cabinets ging auf, und Paul, der unsichtbar dieser Szene beigewohnt hatte, erschien plötzlich.

»Frau Marquise d’Auray,« sagte er, »ehe dieser Contract unterschrieben wird – auf ein Wort.«

»Wer ruft mich!« sagte die Marquise, und versuchte zu unterscheiden, wer mit ihr aus der Ferne und also im Schatten sprach.

»Ich kenne diese Stimme!« schrie der Marquis und erbebte, wie von einem glühenden Eisen getroffen. Paul that drei Schritte vor und stand nun in dem Lichtkreise des Kronleuchters.

»Ist's ein Geist!« rief jetzt die Marquise der Aehnlichkeit des Jünglings mit ihrem Geliebten betroffen.

»Ich kenne dieses Gesicht!« murmelte der Marquis, und glaubte den zu sehen, der getödtet hatte.

»Mein Gott! mein Gott schütze mich stammelte Margarethe knieend, die Hände Himmel erhoben.

»Morlaix! . . . Morlaix!« sagte der Marquis stand auf und ging auf Paul zu, »Morlaix Morlaix! Verzeihung! Gnade!« und er fiel so lang er war zu Boden.

»Mein Vater!« schrie Margarethe, zu ihm stürzend.

In diesem Augenblicke trat ein Bedienter ganz erschrocken ein, und wendete sich an die Marquise.

»Gnädige Frau!« sagte er, »Achard verlangt den Geistlichen und den Arzt. Er stirbt.

»Sag' ihm,« antwortete sie, ihm den Leichnam zeigend, den Margarethe vergebens sich bemüthe, in's Leben zurückzurufen, »sage ihm beide würden bei dem Marquis bleiben.«

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