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Der Pechvogel

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III.
Wie es Gott gefiel über Franz Guichard ähnliche Prüfungen zu verhängen wie einst über Hiob

—–

Dieses Ereigniß machte Lärm in der Ebene und auf der Höhe.

Acht Tage lang brauchten sich die Gevatterinnen, von Joinville bis Ormesson, von Gravelle bis Sucy, nach keinem andern Text für ihre Klatschereien umsehen. Lange Zeit schwatzten die am Ufer knieenden Wäscherinnen von diesem Abenteuer, während sie mit dem Bläuel auf ihre Wäsche losklopften.

Im Allgemeinen und mit Ausnahme einiger bösartigen Murrköpfe gab Jedermann dem alten Pommereuil Unrecht. Der Winzer hatte zu früh frohlockt. Ohne alle Ahnung davon daß das Schicksal ihm solche Repressalien gedachte, hatte er die Unvorsichtigkeit begangen sich öffentlich über die Geduld und Einfalt des Fischers lustig zu machen, und dagegen die Feinheit und Pfiffigkeit zu rühmen womit er gegen Leidenschaft für Luise auszudeuten gewußt habe.

Man verspottete ihn und dadurch wurde sein Grimm über den Räuber immer giftiger.

Chennevière besaß einen Maire, einen rechtschaffenen Mann der übrigens die reinsten Grundsätze jener Epoche eingesogen hatte, einen wahren Römer in Holzschuhen. Man nannte ihn den Bürger Cornelius.

Als Bürger Cornelius durch die Fama den Vorfall erfuhr, begab er sich zu seinem Untergebenen und predigte ihm nach seiner Art und Weise; er erkannte zwar die Rechte des Vaters an, aber blos um dagegen an die älteren und unverjährbaren Rechte der Natur zu appellieren. Er beschwor ihn sich dieser erhabenen Kundgebung des freien Willens nicht zu widersetzen; er sprach von Plato, er sprach von Rousseau, er wurde fast bis zu Thränen gerührt, als er ihm das Glück des Vaters schilderte dem es vergönnt sei im Verein mit Amor zwei liebenden jungen Leuten den Kranz Hymens auf die, Stirne zu drücken.

Diese Predigt rührte den Vater Pommereuil sehr wenig; aber glücklicher Weise machte ein Nachbar, ein etwas schreibereiverständiger Krämer, ihn darauf aufmerksam daß Luise majorenn sei, folglich ihr Muttergut ansprechen und mittelst gewisser sehr theurer Formalitäten über den bösen Willen ihres Vaters obsiegen könnte, und so gab der alte Bauer nach.

Er verabscheute seinen künftigen Schwiegersohn, zwanzigmal des Tags wünschte er aus vollem Herzen derselbe möchte an seinem Wurfnetz hängen bleiben und in die tiefste Marne hinabfahren; aber wenn er bedachte daß ein schönes Stück Geld, das er als sein bleibendes Eigenthum zu betrachten sich angewöhnt hatte, diesem Lumpenpack von Gerichtsschreibern in die Hände fallen sollte, so erschien ihm dieß als ein Aberwiz womit er sein Gewissen unmöglich belasten konnte.

Er willigte also darein daß Luise Pommereuil die Ehefrau des Franz Guichard wurde, jedoch unter der Bedingung daß sie einen förmlichen Verzicht auf die Hinterlassenschaft ihrer seligen Mutter unterzeichnete.

Franz Guichard war also besser daran als seine Ahnen je geträumt hatten.

Nicht blos herrschte er als unumschränkter Gebieter über die Marne, nicht blos konnte er nach freiem Belieben seine Geräthschaften darauf spazieren führen, ohne händelsüchtige Aufseher oder eifersüchtige Eigenthümer fürchten zu müssen, nein, er besaß auch die einzige Frau die er je geliebt hatte, und was noch weit erstaunlicher ist, diese Frau hielt mehr als das junge Mädchen versprochen hatte.

Wenn je ein enthusiastischer Eheherr auf seine Hälfte die Bezeichnung Schatz anwenden konnte, so war es Franz Guichard. Luise war rüstig, dabei aber sanft und unterwürfig; folglich hatte Frankreichs Himmel nie eine so vollendete Hausfrau gesehen.

Sie flickte die Netze ihres Mannes; sie begleitete ihn auf dem Fluß, sie lenkte das Schiff wie ein echter Fischerknabe, und zwar mit solcher Geschicklichkeit, daß ihre Ruder so wenig Lärm auf dem Wasser machten, als eine Breitjungfer die über die Seeblumen hin hüpft, und daß Franz Guichard, wenn seine Leinen sich irgendwo verfingen, niemals genöthigt war nach dem letzten Mittel, zum Messer zu greifen. Ueberdieß wußte sie es trotz all ihrer Geschäfte immer so einzurichten, daß er, wenn er nach Hause kam, eine Suppe oder einen Ragout fertig vorfand, was dem Fischersmann in seiner Hütte auf der Inselspitze eine Idee von den gastronomischen Genüssen der Bürger Direktoren im Luxembourg beibrachte.

Mit all diesen Vorzügen verband Luise noch einen anderen, der sich bei armen Weibern die neben schwerer Handarbeit die Schmerzen der Mutterschaft durchzumachen haben sehr selten vorfindet: sie blieb schön. Allerdings hatte die Sonne ihren einst so weißen Armen, ihrem ehemals so frischen Gesichte die Farbe des florentinischen Erzes verliehen, aber ihre Züge blieben rein, und diese warme, männliche Färbung stand ihr vortrefflich zu Gesichte.

Zwanzig Jahre hindurch war Franz Guichard gewiß der glücklichste Mann seines Departements, obschon dieß das Departement der Seine war, das diverse Millionäre unter seinen Bewohnern zählte.

Aber das Glück gleicht jenen Wucherern die den reichen Söhnen ihre Casse öffnen, deren habgierige Gefälligkeit und eigennützige Beeiferung aber bei der Berechnung der Zinsen grell zu Tage kommen.

Der Verfalltag nahte für die arme Familie in Varenne.

Im Jahr 1813 besaßen Franz Guichard und Luise Pommereuil drei schöne Kinder: zwei Söhne und eine Tochter.

Die Conseciption nahm ihnen die beiden Jungen weg.

Der Fischer ertrug diese erste Prüfung ziemlich gut, denn seine Erinnerungen an die Belagerung von Mainz verliehen ihm Kraft: er gedachte des Orcans von Eisen und Blei in dessen Mitte er drei Monate lang gelebt hatte; er sprach mit einer gewissen Verachtung davon und behauptete die Canone mache mehr Lärm als nöthig sei.

Luisens Herz blutete und ihre Augen weinten, Sie hätte gerne ihre zwei Kinder loskaufen mögen, aber in jenen Zeiten war das Menschenblut theuer, und mit den Mitteln der armen Familie war es schlecht bestellt. Aus Rache für den Ungehorsam seiner Tochter hatte der alte Pommereuil wieder geheirathet, und trotz seiner sechzig Jahre hatte ein neuer Nachwuchs die Zahl seiner Erben vermehrt, so daß bei seinem Tod der Antheil seiner ältesten Tochter auf die Hälfte herabgeschmolzen war. Inzwischen konnte man durch Verkauf der Weinberge vielleicht für einen der beiden Söhne einen Ersatzmann erschwingen; aber nun entstand ein Wettstreit an Edelmuth unter den Brüdern, und da der eine nicht ohne den andern bleiben wollte, so war die Folge daß beide abzogen. Franz Guichard und seine Frau blieben allein im Hause, denn ihre Tochter war schon seit einem Jahr verheirathet.

Sie hatte einen alten Soldaten dem man nach der Schlacht bei Wagram ein Bein abgenommen, und welcher der Busenfreund von Franz Guichard geworden war.

Dieser Veteran hatte als Invalidenlohn die Aufseherei über die Staatswaldungen von Varenne erhalten.

Kraft des traditionellen Rückstoßes jagte Franz Guichard nicht, sah aber gerne zu. Mehrere Male hatte der Fischer, wenn Peter Maillard – so hieß der alte Kriegsmann – dem Federvieh seiner Herren zu Leibe ging, ihn als Liebhaber begleitet. Der Forstmann hatte ein Kaninchen angeboten, der Wassermann hatte sich mit einer Platte Fische revanchirt, und Plaudereien hatten vollendet was kleine Geschenke begonnen. Peter Maillard war hoch erfreut gewesen in den Einöden von Varenne einen Mann zu treffen der zum Handwerk gehört hatte und mit dem er über die edle Kriegskunst plaudern konnte; Franz Guichard seinerseits, der sich noch immer auf seine Anwesenheit bei der Belagerung von Mainz viel zu gut that, blieb ihm keine Antwort schuldig.

Mitten in der Erzählung des egyptischen Feldzugs, nach einer malerischen Schilderung der geheimnißvollen Harems der Paschas, war Peter Maillard auf diese Idee einer Verbindung gekommen welche die Bande zwischen den beiden Freunden noch fester knüpfen würde.

Der Fischer hatte ihn mit Enthusiasmus, Luise mit einer gewissen Kälte, das junge Mädchen mit Ergebung angenommen, denn er stand nicht mehr in der ersten Jugend, und trotz fünf oder sechs Narben die ihm, wie er behauptete, ein gewisses Etwas verliehen, war er niemals schön gewesen.

Trotz einigem Widerwillen von Seiten der beiden Frauenzimmer kam die Heirath zu Stande, und keine von ihnen hatte sie zu bereuen, denn die Herzensgüte des Aufsehers bot reichlichen Ersatz für seine physischen Unvollkommenheiten.

Gegen Anfang des Jahres 1814, an demselben Tag wo die Tochter des Franz Guichard ihn zum Großvater gemacht hatte, im Augenblick wo seine Frau ihm das arme kleine Wesen darbot damit er es küssen sollte, erschien ein verwundeter Soldat der in sein Dorf zurückkehrte und in demselben Regiment gedient hatte wie die zwei Söhne des Fischers, vor dem Hause Peters und meldete der unglücklichen Familie daß bei Montmirail eine und dieselbe Kugel beide Brüder weggerafft habe.

Franz Guichard ließ beinahe das kleine Mädchen fallen das Luise aus seine Arme gelegt hatte. Er gab es dieser zurück und brach in Schluchzen, in Verwünschungen in Schmerzensschreie aus. Dieser gegen sich selbst so harte, an schwere und rauhe Arbeit gewohnte Mann hatte herzzerreißende Töne, als er nach seinen beiden Söhnen rief; er wälzte sich auf dem Boden, er zertrümmerte was ihm unter die Hand kam, er flehte zum lieben Gott um Gnade und Erbarmen; man glaubte er würde ein Narr werden.

· Dieser Zustand ihres Mannes riß Luise aus dem Schmerz welchem sie sich selbst hingegeben hatte; sie suchte ihn zu beruhigen und verschwendete die zärtlichsten Worte an ihn. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren stieß der Fischer diejenige zurück die er so heiß geliebt hatte.

Jetzt hatte die arme Mutter eine Eingebung: sie bot ihrem Manne das neugeborne Kind zum zweiten Mal hin und schaute Franz mit so flehenden Augen an, daß diese verzweifelte Wuth aufhörte, wie der Regen aufhört wenn der Wind die Wolken in die Ferne jagt. Der Fischer drückte das kleine Mädchen, an sein Herz und verhielt sich bis zum Abend stumm und unbeweglich; nur rollten über seine Wangen dicke Thränen hinab die auf die Windeln und auf das Gesicht des Kindes fielen.

 

Diese Thränen waren die erste Taufe des kleinen Mädchens das in unserer Erzählung eine bedeutende Rolle spielen soll.

Franz Guichard war untröstlich; er blieb düster und schweigsam: er floh seine Frau, er konnte ganze Tage zubringen ohne ein Wort zu ihr zu sprechen; er hatte die Gewohnheiten seiner Jugend wieder angenommen· Um das arme Zimmer nicht wiedersehen zu müssen wo seine todten Kinder geboren worden« verbrachte er manche Nacht in seinem Schiffe. Wenn er zufällig mit Luise seine Mahlzeiten einnahm, wenn dann die Blicke von Mann und Frau sich kreuzten, dann begannen alle beide in Thränen auszubrechen, ohne einander ihre Gedanken mitgetheilt zu haben.

Eines Morgens wurde der Fischer in seiner Barke durch ein außerordentliches Getöse geweckt.

Es war Kanonendonner.

Er kam nicht regelmäßig und in kleinen Zwischenzeiten wie bei den Uebungen von Vincennes, sondern dumpf und anhaltend wie fernes Donnergerolle.

Franz Guichard saß auf der Bank seines Nachens und horchte. Eine Minute genauer Achtsamkeit bewies ihm daß dieses Kampfgetöse nicht aus dem Fort kam; der Wind führte es von der Seite von Saint-Denis her.

Tags zuvor hatten Flüchtlinge, als sie auf der Fähre von Varenne über die Marne setzten, gemeldet daß die preußischen Plänkler in der Gegend von Maux herumstreiften.

Frankreich sollte jetzt, wie Franz Guichard, seine zwanzig Jahre des Glückes und Ruhmes büßen.

Der Fischer richtete sich in seinem Boote empor. Seine Augen waren mit Blitzen geladen, seine Brauen gerunzelt, seine Nasenflügel weit geöffnet um den Schlachtengeruch einzuathmen der bis zu ihm zu gelangen schien; der Schmerz der seine Seele schwelte verwandelte sich in Zorn: der alte Soldat der Republik fühlte seinen furchtbaren Haß gegen die Ausländer neu erwachen, der Vater fühlte daß die Mörder seiner Söhne herannahten.

Zum ersten Mal vielleicht in seinem Leben hing er sein Schiff nachlässig ein und schritt auf das Haus zu. Er traf hier Peter Maillard, der mit einer Flinte auf der Schulter und einer andern in der Hand ihn erwartete.

Als der Waldaufseher seinen Schwiegervater erblickte, bot er ihm eine der beiden Waffen hin. Ohne eine Frage zu stellen, ergriff dieser sie; die beiden Männer hatten sich verstanden. Sie schlossen, der eine sein Weib und seine Tochter, der andere seine Schwiegermutter und sein Weib, in ihre Arme; dann zogen sie, Hand in Hand, dem Kanonendonner entgegen, der offenbar immer näher an die Stadt kam.

Die beiden Frauen blieben, knieten nieder und beteten für die beiden Männer ihrer Liebe.

Aber die Frau Peters besaß weder die Seelenstärke noch die Willenskraft womit das Beispiel und die Liebe des wackeren Fischers Luise Pommereuil begabt hatten.

Allmählig wuchs und steigerte sich ihre Verzweiflung; sie verlor den Kopf; halb toll benützte sie einen Augenblick wo ihre Mutter sie nicht sehen konnte, entwischte auf das Feld und lief, ohne ihr Kind niederzulegen das sie auf den Armen hatte, in der Richtung fort welche sie die geliebten Männer einschlagen gesehen hatte.

Der Kanonenschall leitete sie übrigens wie er diese geleitet hatte; er kam eben jetzt klar und deutlich von den Höhen von Montmartre und Romainville herab.

Die Tochter des Fischers stieß bei ihrem Lauf querfeldein auf kein Hinderniß; aber die Schnelligkeit womit sie dahineilte, sowie das Bewußtsein der Gefahr welcher ihr Vater und ihr Gatte entgegengingen, steigerten ihre Verzweiflung noch mehr.

Sie flog durch den Wald von Vincennes, kam bei Montreuil hinter diejenigen von unsern Soldaten die dem Schwarzenbergischen Corps Stand hielten, und gelangte nach Belleville in dem Augenblick wo die Preußen von allen Seiten hereinbrachen.

Zum ersten Mal hörte die Frau des Waldaufsehers das Geknister des Flintenfeuers in die feierliche Stimme der Kanonen sich mischen; jeder Schuß fand ein Echo in ihrem Herzen, es war ihr als müßte die Flinten- oder Kanonenkngel deren Bote er war einen ihrer Theuern getroffen haben.

Aus allen ihren Stellungen vertrieben, von einem zwanzigfach überlegenen Feind erdrückt, wichen die Soldaten und Bürger welche für die Ehre der Fahne Frankreichs hatten sterben wollen zwar zurück, kämpften aber fortwährend mit einer Entschlossenheit die sich während dieses ganzen Unglückstages nicht einen einzigen Augenblick verleugnete.

Zu der letzten Reihe ging der Marschall Marmont mit zerrissenen, pulvergeschwärzten Kleidern, barhäuptig, eine Soldatenflinte in seiner verstümmelten Hand, Schritt für Schritt die Rue de Paris hinab. Als er sich umwandte, als er einen jener Rufe: Vorwärts! ausstieß die man aus der Brust eines der Helden der Ilias hervorgekommen glaubte, als er zuerst sich auf die Preußen losstürzte die ihm auf hundert Schritt folgten, wichen diese entsetzt zurück. Wie ein von der Meute bedrängter Eber warf er sich dann mit der Handvoll Tapferer die ihn umgab über die Feinde her; Leichenhaufen bezeichneten jeden dieser Kämpfe; einen Augenblick hörte die Verfolgung auf und die Besiegten waren die Sieger. Aber die Massen die hinter den ersten kamen, waren so zahlreich und dicht daß die Arme der Helden vom Dreinschlagen ermüdeten, und daß sie, diesen unaufhörlich neuerstehenden Feinden gegenüber, an den Rückzug denken mußten.

Die Tochter des Fischers kam, im Augenblick eines dieser Handgemenge, durch eine Seitengasse in die Hauptstraße von Belleville.

Sie hatte das Bewußtsein der Gefahr so gänzlich verloren, daß sie, trotz der Kugeln die sie von allen Seiten her umpfiffen und an die Wände fuhren, bis an die Ecke des Gäßchens vorschritt.

Ganz nahe bei dem Mann in gestickter Uniform welcher die Kämpfer gegen einander trieb und durch Beispiel und Zuruf aufmunterte, bemerkte sie durch diesen dicken, von Blitzen durchzuckten Rauch hindurch Franz Guichard und seinen Schwiegersohn.

Der Invalide schoß mit seiner Jagdflinte aus nächster Nähe auf die Preußen; der Fischer, der seine Munition erschöpft hatte, gebrauchte seine Flinte umgekehrt und hatte so eben mit einem Kolbenschlag einen feindlichen Offizier zu Falle gebracht.

Die junge Frau stürzte mit einem furchtbaren Schrei auf sie los; bei diesem Schrei drehte Peter Maillard sich um und erkannte sein Weib; er bemerkte sein Kind das sie ihm hinbot, gleich als wollte sie ihn im Namen dieses unschuldigen Geschöpfes anflehen sich nicht weiter auszusetzen; und siehe da, dieser Mann der seit fünf Stunden mit der heldensinnigsten Tapferkeit gekämpft hatte, verlor jetzt auf einmal seine Kraft und seinen Muth. Die Waffe entfiel seinen erschlaffenden Händen; wahnsinnig vor Angst um Alles was er in dieser Welt liebte, stürzte er, so schnell seine Schwäche es ihm gestattete, gegen seine Frau und sein Kind zu.

In diesem Augenblick marschirten die Preußen, hinter denen fortwährend Andere nachdrängten, vorwärts; sie befanden sich in bedeutender Anzahl zwei Schritte von Peter Maillard hinweg; zehn Bajonette kreuzten sich zumal über dem flüchtigen Invaliden; er fiel von Stichen durchbohrt, indem er seinem Schwiegervater zurief:

– Rette Deine Tochter! rette mein Kind! Diese Scene war Franz Guichard, der seinerseits vollan mit dem Feind zu thun hatte, gänzlich entgangen.

Bei dem Zuruf seines sterbenden Schwiegersohnes schaute er voll Entsetzen nach der Richtung welche der letzte Blick des armen Invaliden ihm anzeigte, und durch den Rauch und Staub hindurch die sich spiralförmig drehten und in dichten Wirbeln kreuzten, glaubte er, mitten unter den dunkeln Uniformen der Feinde verloren, eine weiße Gestalt zu bemerken.

Er stürzte in dieser Richtung fort, indem er mit seiner Flinte ein so wüthendes Rad schlug, daß das ganze dichte Gemenge sich vor ihm öffnete.

– An der Ecke dieses Gäßchens fand er seine Tochter.

Sie saß mit dem Rücken gegen den Weichstein.

Obschon sie ohnmächtig schien, drückte sie doch ihr schreiendes kleines Kind kräftig an ihre Brust.

Franz Guichard that was Peter Maillard gethan hatte: er warf seine Flinte weg, nahm seine Tochter in seine Arme, lud sie auf seine Schulter und entfloh, ohne rückwärts zu schauen, in der Richtung von Varenne.

Erst im Walde von Vincennes machte er Halt.

Jetzt erst bemerkte er daß sein Hals und seine Schultern ganz feucht waren.

Er griff darnach und überzeugte sich daß diese Feuchtigkeit Blut war.

Er legte seine Tochter auf den Rasen, und nun sah er daß alle Kleider der armen jungen Frau damit beschmutzt waren.

Er blieb stumm, unbeweglich stehen; er wagte es nicht mehr sie zu berühren, er fürchtete sich eine Bewegung zu machen, es schien ihm als ob der Himmel, die Bäume, Alles sich um ihn drehte, als ob die Erde unter seinen Füßen wankte.

Endlich entschloß er sich zu einer letzten Anstrengung die seinem Muth weit schwerer wurde als alle Kämpfe des Morgens; er öffnete das Mieder des jungen Weibes und legte seine Hand an ihr Herz.

Das Herz hatte aufgehört zu schlagen.

Das Kind lag noch immer in den Armen seiner Mutter, nur war es zuletzt eingeschlafen.

Franz Guichard nahm seine Last wieder und kehrte nach Hause zurück.

Dort legte er seine Tochter auf sein Bett, befreite sachte die arme Kleine aus der Umschlingung der Todten, und ohne ein Wort zu sagen, ohne in seinen vertrockneten Augen eine Thräne zu finden, raffte er seine Geräthschaften zusammen und kehrte nach seinem Boote zurück.

IV.
Wo, in Folge der Einmischung der Großen der Erde, sehr wenig dazu fehlt daß im Jahr der Gnade 1817 Franz Guichard seinen kleinen Roman ebenso endigt wie wie kleinen Romane seiner Ahnen geendigt hatten

—–

Wenn ein Wilderer Hasenpfeffer essen will, so sucht er, er mag nun den berühmten Lehrsatz der bürgerlichen Köchin kennen oder nicht, vor allen Dingen einen Hafen zu erbeuten.

Als Franz Guichard auf den Einfall gerathen war Hausbesitzer zu werden, hatte er sich, bevor er Bruchsteine in der Ebene gesammelt, ferner auf den Inselchen der Marne sein bisschen Bauholz geholt und die Binsen an den Ufern des Flusses abgeschnitten hatte, einen Grund und Boden erwildert.

Er hielt es für lächerlich Dinge zu kaufen die er sich umsonst verschaffen konnte.

Die Republik confiscirte die Güter der Feinde des Vaterlands; unserem Franz Guichard bewies eine Logik daß er sich als vortrefflicher Bürger erweisen würde wenn er sich bei dem Verfahren der Republik betheiligte.

Der Prinz von Condé befehligte das Emigrantencorps das am Rhein operierte; er hatte Franz Guichard, bevor dieser sich in den Mauern von Mainz verschloß, gar manchmal warm gemacht. Die Nation hatte die Güter des Geächteteten mit Beschlag belegt; der Fischer sagte sich daß die Nation es ihm wohl nicht verübeln würde wenn er auf dieselbe Weise wie sie gegen einen Mann verführe den er, so gut wie sie, als einen persönlichen Gegner zu betrachten das Recht hatte.

Auf den alten Domänen der Familie Condé hatte Franz Guichard den Grund zu dem Hause gelegt das wir unter seinen Händen erstehen sahen.

Er zeigte sich übrigens bescheiden und sehr gemäßigt bei seiner Besitznahme. Die Pärke Bannforste und Kaninchengehäge hatten seiner Familie Unheil genug gebracht um in ihm den Wunsch nach einem ähnlichen eigenen Besitz hervorzurufen; er konnte sich etwa ein Dutzend Morgen aneignen, und die Republik würde sich gewiß nicht beleidigt gefühlt haben. Er begnügte sich vier bis fünfhundert Meter einzuzäunen, die er in einen Garten umschuf, und wo die für die arme Haushaltung nothwendigen Gemüse sowie die Blumen wuchsen aus denen er am St. Ludwigstag seiner Frau einen Strauß wand.

Das Consulat, sogar das Kaiserreich respectirte die demokratische Eroberung unseres Franz Guichard: unter Eroberern muß man sich schon etwas zu gut halten.

Aber eine der ersten Folgen der Rückkehr der Bourbonen bestand darin daß man den Ursurpatoren, die nicht verkauften Güter wieder abnahm und sie ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgab. Mit Chantilly, seinen Wäldern und ungeheuren Jagdrevieren nahm der Erbe der Condés auch von Demjenigen Besitz was seinen Vätern in der Ebene von Varenne gehört hatte, und bald setzte sich ein Verwalter auf dem Hauptgute fest, an die beiden Enden des Gebiets aber wurden zwei Aufseher gestellt welche die Verrichtungen des verstorbenen Peter Maillard zu übernehmen hatten.

Einer dieser Aufseher, derselbe für welchen das Häuschen bestimmt war das der Schwiegersohn des Fischers bewohnt hatte, war, wie Franz Guichard, aus der Umgegend von Ramboulliet: er war der Großneffe desjenigen welchen der Vater Guichard's getödtet hatte. Der Mord hatte, obschon er durch hie Hinrichtung des Verbrechers gesühnt worden, obschon Simonneau – so hieß der Aufseher des Prinzen von Condé – ihn nur durch die Ueberlieferung kannte, bei letzterem einen Gährungsstoff von Haß zurück gelassen welchen die Nachbarschaft mit dem Sohne des Mörders unvermeidlich wieder aufregen mußte.

 

Dieß geschah in der That.

Simonneau hatte nicht so bald erfahren daß der Marnefischer, der Schwiegervater seines Vorgängers, ein Guichard war, so schilderte er ihn seinem Verwalter mit den düstersten Farben, gab ihm eine kurze Geschichte dieser unverbesserlichen Wilddiebsfamilie und erklärte daß er, so lange ein so gefährlicher Mensch auf den Domänen des Prinzen wohne,nicht für die Erhaltung eines einzigen Fasans, eines einzigen Kaninchens gutzustehen vermöge.

Die erste Folge dieser Erklärung war daß die beiden Aufseher, die Gendarmen und der Verwalter selbst dem armen Fischer aufzulauern anfingen.

Man folgte ihm bei Tag, man bespionierte ihn bei Nacht.

Seit seine Tochter und ihr Mann den beiden Jungen ins Grab gefolgt waren, hatte Franz Guichard sich äußerlich und innerlich gleich stark verändert: seine Haare waren schneeweiß geworden, seine Wangen und seine Stirne waren von tiefen Runzeln durchfurcht.

Er hatte Luise und das Häuschen gänzlich verlassen; er schien entschlossen Nichts mehr wiederzusehen was ihm seine von so schmerzlichen Erinnerungen erfüllte Vergangenheit zurückrufen konnte. Er erschien mehr als traurig, mehr als düster; er schien bösartig geworden zu sein, und die Zusammenziehung seiner Lippen sowie das Runzeln seiner Brauen gaben seiner Physiognomie einen solch unheimlichen Character, daß man sich bei Begegnungen mit ihm kaum eines Schauders zu erwehren vermochte.

Bei diesen Gewohnheiten und diesem Aussehen mußte Alles was über Franz Guichard geschwatzt wurde nicht blos glaublich, sondern gewiß erscheinen.

Inzwischen war es trotz der strengsten Ueberwachung unmöglich ihn auf der wirklichen That der Wilderer zu ertappen. Abends sah man ihn, nachdem er Stunden lang, den Kopf in seine Hände gestützt, im Nachen gesessen, sich in seine Decke einwickeln und auf den Fußboden schlafen legen; im Röhricht versteckt, glaubte der Aufseher ihn nicht aus dem Auge zu verlieren; aber wenn es wieder tagte, bemerkte er weit und breit kein Schiff mehr, er schlug sogleich Lärm, das ganze Personal machte sich auf die Beine, man durchsuchte jedes Gebüsch, durchstreifte die Ebene und den Wald, und wenn man, ein paar Meilen von dem Ort wo man ihn gestern gelassen, ans Ufer zurückkam, so fand man den Fischer ganz ruhig und friedlich mit Herrichtung seiner Geräthe beschäftigt.

Man schlich Luisen nach wenn sie in Creteil oder Saint-Maux Fische verkaufte; aber trotz aller Pfiffe und Kniffe die man gebrauchte, war es unmöglich, unter den Körben voll Brachsen, Karpfen und Rothaugen die sie an ihre Kunden verkaufte, einen Fuß von einem Rebhuhn, ein Ohr von einem Kaninchen oder einen Schwanz von einem Fasan zu entdecken.

Und gleichwohl fand man an allen Enden und Ecken des Waldes Schlingen; die Rebhühner entflohen mit einer Sachkenntniß und Schnelligkeit welche anzeigten daß sie mit knapper Noth dem Garn entgangen waren. Es gab wenig Nächte wo die Aufseher nicht, während sie alle Bewegungen von Franz Guichard beobachteten, Flintenschüsse hörten welche den aufgesessenen Fasanen galten.

Der natürliche Schluß den sie daraus hätten ziehen müssen, ging dahin daß irgend ein wohlunterrichteter Wilddieb dieses Mißtrauen gegen den Fischer ausbeute um in aller Ruhe das Wild des Prinzen zu bearbeiten; aber dieser Schluß war viel zu einfach als daß man dabei hätte bleiben mögen. Der Haß ergibt sich nicht so leicht. Simonneau wollte lieber Wunderbares und Unmögliches annehmen. Er erklärte, der Abkömmling der Guichards besitze einen erblichen Zauber mit dessen Hilfe seine Seele sich von seinem Körper trenne: der Körper bleibe im Schiff um die Neugierigen zu täuschen, während die Seele über Berg und Thal streife um die Fasanen zu bekriegen.

Der Verwalter schauderte als er dieses Märchen vernahm, und sann auf Mittel die ihm anvertrauten Güter von einem Kerl zu befreien der mit dem leibhaftigen Satan in so vertrautem Umgang stehe.

Diese Idee führte ihn auf Nachforschungen über die Art und Weise wie Franz Guichard Eigenthümer seiner Hütte und seines kleinen Gehäges geworden sei.

Er ging aufs Finanzministerium um die Arten über den Verkauf der Nationalgüter einzusehen, und so kam er bald zu der Gewißheit daß der Fischer ein Usurpator sei dem man, kraft eines berühmten Manifestes, augenblicklich zu Leib gehen müsse um ihn wo möglich in die Marne zu werfen.

Am Tag wo der Verwalter diese Entdeckung preisgab, herrschte großer Jubel, im Lager der Aufseher und Gendarmen; man aß eine Riesengibelotte, man benetzte sie mit Fluthen von Sucywein, man trank auf die Vertilgung des Zauberers und seines ganzen Gelichters.

Trotz seiner Vertrautheit mit dem bösen Geist hatte Franz Guichard keine Ahnung von all diesen Vorgängen.

Die Fischerei war verpachtet worden; in andern Zeiten würde er sich vielleicht geweigert haben die Gebühr zu bezahlen die man ihm für das Recht den Fluß zu durchstreifen abforderte; aber unter dem Einfluß seiner damaligen Traurigkeit hatte er nicht mehr die Kraft für Etwas zu streiten, nicht einmal für sein Lieblingsprincip daß der Fisch demjenigen gehöre der ihn zu fangen verstehe; er bezahlte, er stellte sich auf regelrechten Fuß mit dem Gesetze.

Er hatte allerdings bemerkt daß die Nachfolger des seligen Peter Maillard ihn einer gewissen Ueberwachung unterstellten, aber er besaß, in Bezug auf Alles was außer seinem wässerigen Gebiete vorging, ein zu ruhiges Gewissen, als daß er dem Thun und gilt und Lassen von Leuten die ihm nicht behagten die mindeste Beachtung geschenkt hätte.

Ohnehin nahmen andere Bekümmernisse ihn in diesem Augenblick in Anspruch.

Seit einem Monat war Luise krank geworden.

Diese geringe Bäuerin besaß ein starkes, wackeres Herz.Die rasch auf einander erfolgten Schläge welche sie getroffen, hatten sie ebenso schwer niedergedrückt wie ihren Mann; aber um die Verzweiflung nicht zu vergrößern welche dieser auf seiner Physiogonomie lesen ließ, hatte sie, selbst auf die Gefahr hin daß er sie der Gleichgültigkeit zeihen könnte, verborgen was in ihrem Innern vorging. sie hatte all ihre Seelenqualen in ihrer Brust verschlossen, und außer dem wehmüthigen Ausdruck in ihrem blassem«, mit einem schwarzen Wolltüchlein eingefaßten Gesichte verrieth sich die Verwüstung welche der Kummer in ihr anrichtete durch Nichts.

So trieb sie es so lang ihre Kräfte es gestatteten, so lange sie das Uebel bezwingen konnte das sie untergrub.

Eines Morgens rief die kleine Huberte, die Tochter des Peter Maillard, nach ihr. Luise wollte aufstehen, ihre Glieder versagten, jede Bewegung; sie that sich Gewalt an, sprang aus dem Bett und fiel ohnmächtig am Fuß der Wiege nieder.

Als das Kind seine Großmutter auf dem Boden liegen sah, begann es zu schreien; die Frau des Fährmanns hörte es, eilte herzu, hob die arme Luise auf und lief zu Franz Guichard, der auf dem Flusse war.

Als der Fischer das blasse, farblose Gesicht derjenigen erblickte die er so heiß geliebt hatte, erstarrte er vor Entsetzen; er ergriff die kalte Hand der armen Frau und rief mit einem krampfhaften Lachen:

– Und Du bist die Fünfte!

Sodann lief er, von einer plötzlichen Eingebung erfaßt, nach Champigny und fragte nach dem Arzte, was seinen Ideen und Gewohnheiten ganz zuwider war; aber als er das letzte der Geschöpfe die ihm die Krone eines glücklichen Mannes aufgesetzt hatten bedroht sah, da hatte er sich vorgenommen es aufs Hartnäckigste zu vertheidigen.

Es war ein wunderlicher aber erhobener Anblick wie dieser Mann von rauhen Manieren und beinahe wilden Neigungen sich in eine barmherzige Schwester verwandelte und sorglich, aufmerksam wurde wie eines dieser heiligen Mädchen. Er horchte mit angstvoller Gier auf die Orakel des Doktors; er prägte sich die Vorschriften desselben aufs Pünktlichste ein, er hätte sich lieber einen Arm abgehauen als daß er eine einzige von ihnen vergessen hätte. Er legte die arme Luise,, deren thränenfeuchte Augen ihm dankten, in ihrem Bette zurecht; er ging barfuß und mit unendlichen Vorsichtsmaßregeln auf dem steinernen Boden; er gönnte sich, Tag und Nacht, keinen Augenblick Schlaf..

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