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Der Pechvogel

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Eines Abends gegen fünf Uhr wachte er an Luisens Bett sitzend; er hielt die kleine Huberte in seinen Armen und spielte schweigend mit ihr, weil er fürchtete, das Kind möchte, sich selbst überlassen, die Großmutter aufwecken. Man pochte heftig an die Thüre. Franz Guichard erhob sich um zu öffnen, während er den Störer zu allen Teufeln der Hölle wünschte. Der Störer war ein Mann der einen schlechten Ueberrock und schwarze, vom Staub graumelirte Hosen trug. Dieser Mann übergab ihm ein Papier, nachdem er gefragt hatte ob er wirklich Franz Guichard sei.

Der Fischer konnte weder lesen noch schreiben; er fühlte sich versucht den Mann zurückzurufen und zu fragen was da geschrieben stehe; aber dieser hatte sich mit einer eigenthümlichen Hast entfernt.

Franz Guichard warf das Papier auf ein Tischchen; er gedachte es Luise lesen zu lassen so bald sie etwas besser wäre.

Am zweiten und an den folgenden Tagen aber wurde Luise nicht besser, sondern vielmehr schlimmer, und Franz Guichard hatte ganz andere Sachen zu thun als sich mit diesem Wisch abzugeben. Er dachte nicht mehr daran.

Acht Tage nachher lag Luise in den letzten Zügen. Franz Guichard saß auf einer hölzernen Bank vor seiner Thüre und schaute in der Richtung von Champigny, ab der Arzt nicht komme. Vom Skepticismus in Bezug auf die medicinischen Wissenschaften zum Aberglauben übergehend, wollte er sich dem Doctor zu Füßen werfen, ihn anflehen sein armes Weib zu retten, ihm sein eigenes Leben für das der Kranken anbieten, als er bei einem Blick rückwärts nach der Fähre eine kleine Gruppe von Leuten bemerkte die auf ihn zu kamen.

Voran schritten der Schwarze der acht Tage vorher gekommen war und der Verwalter des Prinzen hinter ihnen kamen die zwei Aufseher und drei Gendarmen.

Sie näherten sich dem Fischer-.

– Seid Ihr Franz Guichard? Fragte der Anführer.

– Habt Ihr denn nicht mehr Gedächtniß als ein Weißfisch, wenn Ihr mich nicht kennt? Erst vor acht Tagen habt Ihr mich dasselbe gefragt, und da habe ich Euch geantwortet daß ich allerdings Franz Guichard heiße.

– Gut. Seid Ihr bereit der Aufforderung die ich Euch überbrachte Folge zu leisten?

Der Fischer zuckte die Achseln.

– Mein armes Weib liegt am Sterben, sagte er; ich habe keine Zeit mich mit solchen Narrenpossen abzugeben; kommt in acht Tagen wieder; bis dahin wird sie besser sein, und man wird Euch antworten.

Jetzt war es der Mann des Gesetzes der die Achseln zuckte.

– Das geht nicht so wie Ihr es wünschet, mein Kamerad; Ihr habt acht Tage Zeit gehabt um Eure Vertheidigung und Eure Einwendungen vorzubringen; Ihr habt es nicht gethan und deßhalb müßt Ihr noch heute den Platz räumen.

– Den Platz räumen! rief der Fischer, dessen Stimme drohend und zitternd wurde.

– Ja! und wenn Ihr es nicht freiwillig thut, so werden wir Euch dazu zwingen.

– Tausend Donnerwetter! rief Franz Guichard, tretet nicht hinein, sonst spalte ich Euch den Kopf mit meiner Axt . . Ha! die Lumpenhund! die Lumpenhunde! sie werden noch mein armes Weib· aufwecken.

– Versuchet keinen Widerstand, denn er wäre nutzlos, sagte der Huissier; Ihr sehts, wir sind die Mehrzahl.

– Machet doch keine Umstände mit diesem Elenden, sagte einer der Aufseher; wenn er sich regt, so werden wir ihn schon zur Ordnung bringen.

Die Aufseher luden ihre Flinten.

Franz Guichard wollte auf sie losstürzen, aber er dachte an Luise; wenn er getödtet wurde, so mußte sie unfehlbar sterben. Er bewältigte seinen Zorn und raufte sich seine grauen Haare büschelweise aus.

– Mein Gott! mein Gott! sagte er; habt Ihr denn nicht gehört daß drinnen eine Frau in den letzten Zügen liegt?

– Bah! Bah! sagte einer der Aufseher, der Teufel ist ein guter Arzt, er verläßt seine Diener nicht.

Der Fischer blieb unempfindlich gegen diese Spötterei.

– Laßt mich noch acht Tage in diesem armseligen Häuschen bleiben; in acht Tagen muß das Schicksal Luisens entschieden sein; wenn Gott sie zu sich ruft, so werde ich diese alten Mauern sehr gern verlassen: wenn er mir erlaubt sie zu behalten, so werde ich wenigstens Zeit gehabt haben ein anderes Obdach für sie zu suchen.

»In der Stimme des Fischers lagen so viele zusammengehaltene und zurückgedrängte Thränen, daß der Huissier, so sehr er auch an solche Scenen gewöhnt sein mochte, gerührt wurde; er wandte sich gegen die Aufseher, als wollte er fragen ob man dem Unglücklichen nicht die geringfügige Gnade gewähren solle die er flehte.

– Nein, antwortete der Vornehmste unter der Gruppe in rauhem Tone. Der Herr Prinz will morgen in Varenne jagen: der Platz muß von diesem Ungeziefer gesäubert werden. Vollziehen Sie Ihren Befehl.

– Ich sage Euch daß Ihr nicht hineinkommen sollt, rief Franz Guichard.

In diesem Augenblick hörte man Luise, die erwacht war.

– Franz! Franz! sagte sie, was gibt es denn? Warum streitest du mit diesen Herrn? Komm doch herein, laß mich nicht allein, ich fürchte mich.

Diese kläglichen Töne machten den Fischer schwindelig; ein verworrenes Gesumme brauste in seinen Ohren, tausend Feuerfünkchen hüpften vor seinen Augen umher, er verlor den Kopf.

– Ha! ihr elenden Gesellen! rief er, ihr wollt sie tödten, und ihr geht zu sieben auf einen einzigen Mann los! Aber gleichviel, ihr kommt nicht hinein, sage ich euch. Der Erste der einen Schritt thut fällt von meiner Hand.

So sprechend hatte der Fischer sich vor seiner Thüre aufgestellt, indem er eine kleine Axt schwang womit er Holz zu spalten pflegte.

Auch die Entschlossensten wichen zurück.

Simonneau, den sein anererbter Haß gegen die Guichards trieb, warf sich ganz allein vorwärts. Die Axt war aufgehoben; sie fiel, nicht auf den Aufseher, sondern auf die Flinte welche dieser gegen seinen Feind zu gebrauchen versuchte; die Waffe entfuhr, etwas unter dem Griff entzweigespalten, den Händen Simonneaus, und die Erschütterung war so heftig, daß beide Hähne zuschnappten, beide Schüsse zugleich losgingen, und daß das Blei, sich zu einer Kugel ballend, zwei Löcher in die Thüre schlug vor welcher der Fischer stand, jedoch ohne ihn zu verletzen.

Bei dieser doppelten Explosion erscholl lautes Geschrei aus der Hütte; es kam von der Sterbenden und der zum Tod geängsteten kleinen Huberte.

Franz Guichard wartete einen zweiten Angriff nicht ab, sondern stürzte auf seine Gegner los.

Der arme Gerichtsdiener mußte den ersten Anprall aushalten.

Der Fischer versetzte ihm mit seiner Schulter einen so derben Stoß, daß er rücklings auf das Ufer fiel, den ganzen Abhang hinabrollte und zuletzt förmlich in den Fluß plumpste. Der Verwalter und ein Gendarm, denen es nicht unlieb war den Püffen eines so furchtbaren Angreifers ausweichen zu können, eilten dem Mann des Gesetzes zu Hilfe. Der Kampf blieb auf die beiden Kameraden des letzteren und die Aufseher beschränkt; aber was sie auch thun mochten, sie konnten den Fischer nicht festnehmen; seine herculische Stärke spottete aller ihrer Anstrengungen. Sie mußten zurückweichen.

In diesem Augenblick trat der Fährmann auf Franz Guichard zu.

– Fliehe, Franz, fliehe! sagte er zu ihm; Du hast Dich da in einen bösen Handel eingelassen; Du kannst zwei Gendarmen in die Pfanne bauen, aber Du wirst zehn und zwanzig nicht bezwingen, und im Nothfall würde man die ganze Garnison von Vincennes gegen Dich ausschicken. Flieh also, wir wollen Deine Luise zu uns hinüberschaffen; wir werden sie so gut verpflegen als Du selbst thun könntest; darum flieh, wenn Du sie je wieder zu sehen wünschest.

Der Fischer riß sich eine Hand voll Haare aus, aber er sah ein daß der Rat des Fährmanns vernünftig war. Die Gegner von Franz Guichard bildeten ihre Reihen wieder und zeigten sich fest entschlossen den Angriff zu erneuern.

Es war also keine Zeit zu verlieren. Der Fischer warf einen letzten Blick in seine arme Wohnung und sah, aber nur undeutlich, die Silhouette seiner Frau gleich einem weißen Gespenst auf dem schwärzlichen Grund und der Serschevorhänge sich abheben; sie saß mit verstörten Augen und zerzausten Haaren auf ihrem Bett und hörte voll Angst auf das Getöse des Kampfes das bis zu ihr gedrungen war. Er rief ihr zu:

– Bald, Luise, bald!

Dann umging er das Gehege und lief aus Leibeskräften querfeldein.

Aufseher und Gendarmen verfolgten ihn aufs Hartnäckigste, während der Gerichtsdiener und der Verwalter, gleich erbittert über den Widerstand und über das Bad welches der Erstere genommen hatte, ihr trauriges Geschäft vollzogen. Sie durchstreiften den Wald bis in die Nacht, aber der Fischer entging allen Nachforschungen; er war blos durch das Gehau gelaufen und sodann in den Fluß gestiegen an einem Platz wo eine dichte Gruppe von Pappeln seine Ufer verdeckte: er war bis an den Hals ins Wasser getreten, hatte seinen Kopf unter einer überhängenden Weidenwurzel versteckt und sich dadurch für alle Welt, ausgenommen für seine alten Bekannten, die Fische, unsichtbar gemacht.

Franz Guichard blieb da wie eine Otter zusammengekauert bis zum Abend, befand sich aber in der heftigsten Aufregung; vergebens sagte er sich daß der Fährmann Mathias seine Luise so zärtlich verpflegen würde wie nur je ein Sohn seine Mutter verpflegt habe, und daß seine Rückkehr zur Fähre sowohl den Zustand seiner Frau als seine eigene Lage blos verschlimmern könnte; seine Unruhige und Bangigkeit wurde so qualvoll, daß sein sonst so solider und dem Wirklichen zugekehrter Verstand auf Augenblicke aus den Fugen wich. Die Fluthen in ihrem Geroll schienen Ihm Klagen zu murmeln; er sah menschliche Gestalten zwischen den cristallenen Wellen umherschleichen die vor ihm dahinflossen; er hörte von den Glockenthürmen aller Dörfer der Umgebung Todtengeläute.

Als die Nacht gekommen war, setzte er so viel als möglich schwimmend über den Fluß, erreichte das Ufer von Chennevière und ging hinab bis er seiner Wohnung gegenüber kam.

 

Als er die Pappelbäume und die schattigen Massen der großen Insel hinter sich hatte, fiel ihm eine Centnerlast vom Herzen.

Er bemerkte aus dem andern Ufer sein Häuschen, das sich schwarz auf dem röthlichen Grund abhob welchen der Himmel in der Gegend von Paris selbst in den dunkelsten Nächten behält.

Dort stand es, aufrecht, unversehrt zwischen den zwei Bäumen die seine Facade zeigten, und aus seinem Kamin stiegen Rauchsäulen auf, welche das Leben im Innern der Hütte verriethen.

Man hatte es also nicht zerstört, wie man ihm zu verstehen gegeben.

Man sah nicht blos Rauch, sondern man sah auch die Fensterchen über der Thüre gleich Diamanten funkeln.

Man hatte also die arme Kranke nicht aus ihrer Wohnung vertrieben; man hatte Mitleid mit ihr gehabt.

Franz Guichard, der Abkömmling der Wilddiebe bei welchen die Ungläubigkeit erblich war, warf sich auf seine Kniee und betete aus vollem Herzen.

Da er nun überzeugt war daß Gott, der kaum erst so viel für ihn gethan, ihn nicht mehr verlassen könne, so sprang er mit großem Getöse und ohne die geringsten Vorsichtsmaßregeln in den Fluß.

Mit zehn Stößen befand er sich am andern Ufer und und wollte eben auf sein Häuschen zulaufen, als ein Gedanke ihm durch den Kopf fuhr.

Wenn hinter dieser Ruhe, dieser Beleuchtung ein Fallstrick läge!

Das Haus des Fährmanns stand fünfzig Schritte entfernt, aber Franz Guichard konnte es nicht über sich gewinnen so weit auf Erkundigungen auszuziehen, während sein eigenes Haus ganz in der Nähe und in demselben ohne Zweifel Luise war.

Er legte sich auf seinen Bauch und kroch wie eine Schlange; so kam er an die Hütte, richtete dann langsam seinen Kopf bis zur Höhe des Fensters empor das den Fluß abwärts schaute, und warf einen Blick in das Innere des Hauses.

So wenig Franz Guichard für heftige Eindrücke geeignet war, so brachte ihn doch das was er jetzt sah in eine solche Bestürzung als wäre er plötzlich ins Thal Josaphat versetzt worden, oder als hätte er in den Wolken die furchtbare Trompete des jüngsten Gerichts erschallen gehört.

Das Fenster an welches er sich zur Beobachtung gestellt hatte stand dem Bett gegenüber; in diesem Bett hatte er Luise gesucht und er hatte eine vollständig in ein weißes Tuch eingehüllte menschliche Gestalt gesehen.

Bei diesem Anblick blieb er eine Minute lang stumm und starr vor Entsetzen stehen.

Die Helle der beiden Kerzen die um das Crucifix her brannten, und die neben diesem Todtenbett auf einem Stuhle stehende Weihwasserschale hoben die Formen des Leichnams ungemein hervor; die Gesichtszüge zeichneten sich deutlich auf dem Leintuch ab: man hätts glauben können eine Marmorstatue vor sich zu haben.

Das Feuer flammte lebhaft und lustig im Kamin; Mathias der Fährmann saß auf einem Schemel; er hielt die kleine Huberte auf seinem Schoß und gab ihr in kleinen Löffeln voll von der Suppe zu essen die er aus einem Napf in der Ecke des Kamins schöpfte.

Diese ungewohnte Beleuchtung belustigte das Kind; es suchte durch sein Geplauder die Stirne des Fährmanns zu entrunzeln, der in Gram versunken schien.

Franz Guichard sah Nichts von den Nebenpartien dieses Gemäldes; seine Augen blieben auf den Leichnam wie auf ein Gespenst geheftet; durch die Umhüllung hindurch sah er Luise so wie sie wirklich unter dem Schweißtuche war, mit ihren langen gesenkten Wimpern, ihrem halboffenen Mund, ihren geschlossenen Zähnen, ihren etwas zusammengezogenen Nasenflügeln und ihrer elfenbeinweißen Haut; aber sein Herz wollte sie nicht erkennen; er sagte: »Nein, nein, sie ist es nicht.«

Der arme Fischer stürzte auf die Thüre zu, stieß sie heftig auf, trat ein, und ohne sich um die kleine Huberte zu bekümmern, die ihm ihre Aermchen entgegenstreckte, riß er das Leintuch vom Gesicht der Todten weg.

Seine Augen hatten ihn in ihrem übernatürlichen Scharfblick nicht getäuscht: es war wirklich Luise Pommereuil die da lag.

Franz Guichard ergriff die Hand seiner Frau und behielt sie bis zum Tag in der seinigen, indem er sie mit seinen Küssen und Thränen bedeckte.

V.
Wo Franz Guichard auf einen Prinzen schießt und eine Schnepfe bekommt

—–

Als der unbestimmte, schwankende Schein der Morgenröthe den Gipfel der Höhe von Chennevière schattirte, erhob sich Mathias, der Fährmann, der sich bisher, mit jener Pietät welche selbst der skeptischste Bauer dem Tode gegenüber bewahrt, gescheut hatte seinen Freund auch nur durch Unterhaltung des Feuers zu stören, und berührte Franz Guichard sachte bei der Schulter.

Dieser aber drehte sich nicht um.

– Franz, sagte der brave Mann zu ihm, man lebt nicht mit den Todten; man muß an die Lebendigen denken; diese Leute werden bald wiederkommen.

– Gut! sie sollen nur kommen! antwortete Franz Guichard.

Aus dem Ton womit er diese Worte gesprochen, auf dem Beben seiner Nasenflügel, aus dem drohenden Glanz seines Blickes ersah Mathias, der Fährmann, daß Aufseher und Gendarmen für das Schicksal büßen sollten, welches Franz Guichard die Nacht hindurch wegen seines Unglücks angeklagt hatte.

– Hör einmal, versetzte er in bestimmtem Tone, Alles das sind Dummheiten! Du kannst einen, vielleicht auch zwei oder drei umbringen dann werden zehn dafür kommen; und wenn Du auch den letzten zu Brei zermalmtest, so würde das die arme Verstorbene nicht ins Leben zurückrufen.

– Dann habe ich sie wenigstens gerächt, erwiderte der Fischer mit knirschender Stimme – Dummheiten, Nichts als Dummheiten! wiederholte der Fährmann, der sich in seinem gefunden Verstand nicht irre machen ließ; Du habest sie gerächt, sagst Du? Vor allen Dingen, kannst Du wohl glauben daß es ihr Vergnügen machen würde, diesem armen Lamm Gottes das selbst dem schlechtesten Halunken nichts Böses wünschte? Und dann laß uns jetzt vernünftig reden: an wem willst Du Dich rächen, Franz? An Unschuldigen.

– Unschuldig! diese Elenden? – Allerdings unschuldig. Sogar Simonneau, der Schlechteste von der ganzen Bande, der höchst wahrscheinlich die ganze Geschichte gegen Dich angezettelt hat, sogar dieser Simonneau ist unschuldig. Sein Herr liebt die Kaninchen. Franz Guichard ist angeklagt daß er die Kaninchen beunruhige. Da sagt der Herr zu Simonneau und seinen Aufsehern: »Jaget mir diesen Kerl da aus meinem Revier fort.« Diesem Herrn mußt Du also die Schuld zuschreiben, aber nicht armen Schluckern welche die erhaltenen Befehle blos vollzogen haben um ihr Brod nicht zu verlieren.

– Aber, Mathias, beim Haupte meiner armen Frau, die da liegt, schwöre ich Dir daß ich seit meinem Aufenthalt hier nicht ein einziges Mal im Wald oder in der Ebene gearbeitet habe.

Der Wilderersruf der Familie Guichard war in der öffentlichen Meinung dermaßen festgestellt, daß die Ableugnungen ihres letzten Vertreters die Ueberzeugung seines Freundes Mathias nicht zu erschüttern schienen. Er schüttelte den Kopf.

– Wieder Dummheiten! antwortete er; Du hättest Recht wenn Du zu einem Andern als zu mir so sprächest; aber merke Dirs, Franz, daß ich unfähig bin einen Menschen zu verkaufen.

Der Fischer zuckte ungeduldig die Achseln; der er es aber für unnöthig hielt auf dem letzteren Punkt zu bestehen, versetzte er:

– Du glaubst also daß der Prinz selbst den Befehl gegeben habe mein Häuschen einzureißen?

– Zum Henker, Ja! Man ist der Herr oder man ist es nicht. Glaubst Du etwa daß mein Knecht sich erlauben würde ohne meine Einwilligung einem Passagier zu creditiren? Würden wohl die gelben Wehrgehänge von Saint-Maux sich blos um diesen Simonneau so viel Mühe gegeben haben? «

– Ha! wenn ich es wüßte! murmelte der Fischer in dumpfem, drohendem Tone.

– Immer wieder deine Idee! Dieser Mann leistet Dir ja einen Dienst.

– Er leistet mir einen Dienst!

– Allerdings; indem er Dich zwingt in einem Augenblick auszuziehen wo Deine schlechte Höhle Dir doch entleidet wäre.

– Entleidet! O wenn ich sie nicht mehr hätte, ich will Dirs nur gestehen, Mathias, siehe so würde ich mich bald mit meiner theuern Todten wiedervereinigen.

Ei warum nicht gar? So lang die arme Todte noch lebte, und in diesen letzten Zeiten gingest Du oft ganze Wochen lang nicht heim.

– Dieß geschah blos weil ich das arme Geschöpf nicht betrüben wollte.

– Weil Du Deine Frau nicht betrüben wolltest?

– Nun ja, freilich. Diese alten Mauern da die Du für stumm hältst, verstehen mich und sprechen mit mir. Wenn ich heimkam, plauderte ich mit ihnen, ich befragte sie, sie antworteten mir, sie erzählten mir mein Glück, mein entschwundenes Glück; wir unterhielten uns von. . . ihnen. Der Sand im Garten erinnerte mich daran wie er unter den Holzschuhen der Kleinen trachte; die Zweige dieser Bäume mahnten mich an ihre Spiele, wenn sie ein Nest erreichen wollten das ein Distelfink in diese Gabel gebaut hatte; sieh, diese schwarzen, rauchigen Balken da wiederholten mir ihr Gewimmer in der Wiege; das Feuer im Kamin ahmte so gut ihr Geschwätze nach, daß ich manchmal ihre rothen, schrundigen Hündchen zu sehen meinte, wie sie mit der Zunge der Flammen spielten. Mein Herz war zerrissen, aber Du glaubst nicht welches Glück ich im Leiden fand; es war mir als müßte ich sterben, aber dieser Tod öffnete mir das Paradies wo ich sie wiederzusehen hoffte. Inzwischen weinte ich, und obschon diese Thränen mehr süß als bitter waren, so beugten sie doch Luise in Verzweiflung, und da ich mich, sobald ich hier war, nicht enthalten konnte an die Dahingeschiedenen zu denken, so war ich, um die Frau nicht zu betrüben, zuletzt gar nicht mehr heimgekommen. Jetzt da ich auch sie nicht mehr sehen soll, jetzt da diese armen Mauern, welche Zeugen ihrer Hochzeits- und ihrer Todesnacht gewesen, Alles sind was mir von ihr und von ihnen übrig geblieben, so begreifst Du daß ich meinem einzigen Trost nicht entsagen kann. Ich will sie behalten, ich will sie behalten oder mich in der Vertheidigung tödten lassen, und dann nun wohl! wo sie auch sein mögen, so werde ich bei ihnen sein.

Mathias betrachtete den Fischer mit inniger Betrübniß: er meinte der Kummer habe seinem Freund den Kopf verrückt. Da jedoch in diesem vermeintlichen Wahnsinn etwas tief Trauriges lag, so wurde er davon gerührt.

– Höre« Franz« sagte er, es gibt ein Mittel die Sache ins Geleise zu bringen.

Du mußt Dich stellen. . .

– Mich stellen! – Laß mich doch aussprechen.

Du mußt Dich stellen, und während dieser Zeit verpflichte ich mich die Mauern und Möbel deines Hauses Stück für Stück nach Deinem kleinen Gütchen oben auf der Anhöhe zu tragen, so daß Du, wenn Du aus dem Gefängniß kommst, Dein Haus, mit Ausnahme seines früheren Platzes, so wieder finden sollst wie Du es gelassen hast.

– Was sprichst Du denn von Gefängniß? fragte Franz Guichard, der immer blässer und gelber wurde; warum sollte ich ins Gefängniß wandern?

– Zum Henker! antwortete der Fährmann etwas verlegen, weil Du mit dem Gerichtsdiener ein wenig grob verfahren bist. Du hast ihn gestoßen, er ist in den Fluß hinab gerollt, und es scheint daß es diesen Leuten wie den Katzen geht; sie lieben das Wasser nicht, und wer sie hineinwirft, kommt ins Loch. Als Du fort warst, sagte der Brigadier, der ein guter Kerl ist und keinem Menschen Etwas zu Leide thut, es könne sich um drei Monate handeln.

– Drei Monate!

– Nun ja! ich sagte also höre wohl was ich sagte: der Prinz kommt heute und Deine Sache kann auf den Abend ausgemacht werden.

– Drei Monate! wiederholte Franz Guichard außer sich.

Und er ergriff den Arm des Fährmanns und zog ihn nach der Wiege der kleinen Huberte.

– Mathias, sagte er, bist Du mein Freund?

– Ei so sei doch vernünftig, Franz; drei Monate, das geht vorüber, wenn es auch etwas lang ist; ich werde während dieser Zeit auf Dein Schiff und Dein Geräthe Acht haben.

Aber Franz Guichard hörte ihn nicht an.

– Schwöre mir auf Dein Wort als ehrlicher Mann daß Du dieses Kind da nicht verlassen, daß Du Vaterstelle an ihm vertreten und es, wenn auch nicht zu einem glücklichen, doch wenigstens zu einem rechtschaffenen Weib machen willst.

– Das schwöre ich von Herzen gern; aber sage mir wenigstens was Du thun willst.

– Nichts, Nichts, versetzte der Fischer mit Nachdruck; leiste mir nur den Eid den ich verlange, sonst spreche ich im Augenblick einen Andern darum an.

– Ich schwöre Dirs; Franz; vor allen Dingen liebt meine Frau die Kleine sehr, aber ich will mich vorher erkundigen. . .

– Mehr verlange ich nicht, rief der Fischer, indem er sich aus den Händen des von der Feierlichkeit seines Eides noch ganz betäubten Fährmannes losmachte: sodann ergriff er eine über dein Kaminmantel hängende Flinte und lief fort.

Der Prinz von Condé« von welchem die beiden Freunde soeben gesprochen hatten, vereinigte zwei Neigungen die man nicht so häufig beisammen findet als man zu glauben versucht sein könnte: er liebte sowohl die Bürsch als den Anstand.

 

Die Erinnerung an seine ebenso vollkommenen und geschickt dressirten als zahlreichen Meuten ist noch jetzt die Verzweiflung der Jäger, welche den Leuten gerne weißmachen möchten daß die Wissenschaft deren Lehren König Modus zuerst vorgezeichnet mit dem letzten der Herren von Chantilly nicht gestorben sei. Die Schilderung dieser wundervollen Jagden, bei welchen der siebzigjährige Nimrod einen verlaufenen Hirsch der sich aus den Grasplätzen der fürstlichen Wälder lustig machte bis in die Ardennen verfolgte, ist noch jetzt einer der ausgiebigsten Stoffe für die Jagdchroniken.

Alle zwei Tage, was für Wetter es immer sein mochte, und zwar bis zu seinem Tode, ritt der Prinz von Condé auf die Bürsch.

Meistens trieben seine Meuten mehrere Thiere an einem einzigen Tage auf.

Tags darauf ging er, um auszuruhen, in den Verhauen von Ciantilly oder Morfontaine auf den Anstand. Das waren dann schreckliche Hecatomben von Wildpret.

Aber diese Mördereien unter Zäunen und Schlingen, unter Förstern und Treibern belustigten den hohen Herrn nicht sehr. So oft es ihm möglich war, so oft die Etikette ihm gestattete keine Besuche zu haben denen er die Honneurs seines Anstandes machen mußte, entledigte er sich seines Gefolges und durchstreifte den Wald wie ein gewöhnlicher Sterblicher, mit einem Hund der vor ihm her lief und einem Jäger der hintendrein kam.

Der Hund trieb das Wild auf, der Prinz tödtete es, der Jäger hob es auf und steckte es in seine Waidtasche.

Der Prinz von Condé befand sich seit acht Tagen in Paris: er hatte sich fortgestohlen um sich seiner Lieblingszerstreuung hinzugeben; aber beim Einsteigen in den vierspännigen Wagen der ihn nach Varenne gebracht, hatte er sich fest vorgenommen das Vergnügen der Jagd unter all den Bedingungen zu genießen wodurch sie für ihn am angenehmsten wurde; er ließ also den Inspector hart an, als dieser würdige Beamte, unter dem Vormund es habe sich seit gestern ein gefährlicher Wilddieb im Walde verborgen, ihn begleiten wollte.

Mit Verlust zurückgeschlagen, verlangte der arme Mann daß Simonneau, welchen er für den stärksten und muthigsten von seinen Untergebenen hielt, mit dem gnädigsten Herrn gehen solle.

Der Inspector muß sich, wenigstens zur Hälfte, in seinen Voraussetzungen getäuscht haben, denn der Todfeind des Franz Guichard wurde sehr blaß, als man ihm diese Entscheidung ankündete.

Indeß gehorchte er ohne eine Bemerkung zu machen; der Prinz und Simonneau begaben sich also auf den Weg.

In zwei Jahren hatten sich Ebene und Wald, trotz der Mördereien deren man den Fischer bezichtigte, recht hübsch wiederbevölkert; man konnte an keinem Busch anstreifen ohne daß ein Kaninchen heraussprang; die Hasen tauchten zu Dutzenden auf und entfernten sich in einem ganz gemäßigten Tempo, welches die Vortrefflichkeit ihrer Beziehungen zu den Bewohnern der Halbinsel bewies. Die Fasanen und Rebhühner, die, ein Lieblingsausdruck des Prinzen, in ganzen Rudeln aufflogen und kaum hundert Schritte von dem Ort wo man sie aufgestört sich zur Ruhe niederließen, gaben gleichfalls zu erkennen daß sie Varenne als ein wahres Paradies aus Erden betrachteten.

Der Prinz fand weder Rast noch Ruhe; sein Hund stellte jeden Augenblick ein neues Thier. Mit pulvergeschwärzten Händen und beschmutztem Gesicht lud er seine Flinte in einer fieberischen Aufregung.

Simonneau bog sich unter dem Gewichte des Wildprets.

– Simonneau, sagte Herr von Condé zu seinem Aufseher, wirst Du mirs glauben? ich amüsire mich in Deiner Gesellschaft besser als bei Herrn von Talleyrand, der doch der geistreichste Mann von Frankreich und Navarra sein soll.

– Sie erweisen mir große Ehre, gnädigster Herr, antwortete Simonneau, dem der Kamm wieder schwoll, denn er begann sich zu beruhigen als er sah daß der größte Theil des Tages ohne Widerwärtigkeiten verstrichen war.

– Wie Schade daß dieß Alles jetzt sogleich aufhören mußt sagte der Prinz von Condé.

– Warum denn, gnädigster Herr? versetzte Simonneau, dem es unendlich schmeichelte daß er angenehmer gefunden wurde als ein Mann auf welchen er Prinz so große Stücke hielt. Wir können den Wald noch einmal absuchen; wir werden zwar den Wind nicht haben, aber das Wild wird so wenig beunruhigt, daß es ganz und gar nicht scheu ist.

– Und die Munition, Simonneau? Wenn ich diese zwei letzten Schüsse da losgebrannt habe, so finde ich keine zwei weiteren mehr in unsern Taschen.

– Nein, nein, man muß des Guten nicht zu viel thun, Simonneau, sagte der Prinz mit einem Seufzer.

Aber hör einmal, zum guten Ende laß mich doch auch etwas Anderes schießen als diese ewigen Fasanen, die mir gerade wie zahme Hennen vom Hühnerhof vorkommen welche man vor mir loslässt.

Habt Ihr denn keine Schnepfen?

– Ei! gnädigster Herr. . .

– Ha! wenn wir den Wilddieb getroffen hätten!

– Gott bewahre uns davor, gnädigster Herr!

– Bah! bah! ich würde ihm einen Louisdor geben und dann würde ich sogleich die Verhaue erfahren wo sie sich am meisten aushalten. Dieß ist ein Wild das man in der Schlinge fängt; man bezahlt es euch Leuten, und deßhalb wollt ihr es nicht gerne Einem zeigen der es euch unbezahlt wegnähme; ich begreife das. Gleichwohl habe ich verdammt Lust eine Schnepfe zu schießen.

– Ach! gnädigster Herr! versetzte Simonneau, als hätte die Unterstellung des Prinzen ihn zur Verzweiflung gebracht.

Es stand in den Sternen geschrieben daß der Zufall sich an diesem Tag verpflichten sollte die Unschuld Simonneaus darzuthun, wie auch den Eifer zu beweisen womit er und seine Collegen für die Vergnügungen ihres Gebieters sorgten. Kaum hatte er ausgeredet, als ein röthlicher Vogel mit großem Geräusch aus einem Eichenbusche fuhr, sich senkrecht über den Verhau emporschwang und dann weiter flog, indem er die Gipfel der Bäume mit seinen launischen Flügelschlägen berührte.

Dieß war das Wild welches der Prinz gewünscht hatte.

Er feuerte seinen ersten Schuß darauf ab, fehlte, erlegte es aber mit dem zweiten. Die Schnepfe fiel flatternd, was anzeigte daß sie blos verwundet war.

Simonneau sprang durch das Gebüsch um sie aufzuheben; der Hund folgte ihm nicht; er hatte einige Schritte von dem Gebüsch aus welchem der Vogel gekommen war ein anderes Wild gestellt.

Der Prinz von Condé schüttete eben Pulver in seine Pfanne als er einen lauten Schrei hörte und seinen Aufseher schrecklich blaß und aufgeregt gegen sich her laufen sah.

– Fliehen Sie, gnädigster Herr, fliehen Siel rief Simonneau mit einer von Furcht erstickten Stimme.

Fast zur gleichen Zeit, und als ob er sich jetzt erst erinnerte daß er eine Waffe besaß, legte Simonneau an und feuerte schnell hinter einander seine beiden Schüsse ins dichteste Gehölz ab; dann warf er seine Flinte auf die Haide, lief aus Leibeskräften davon und ließ seinen Herrn im Stich. Der Prinz von Condé sah ihn im Verhau verschwinden, ohne daß er von dem ganzen Vorgang Etwas begriff; aber als er sich umwandte, war eine dritte Person, welche die Zweige aus einander gebogen hatte, in der Lichtung erschienen.

Es war dieß ein Mann in kurzer Blouse und breiten Beinkleidern wie die Flußleute sie tragen; in der Hand eine von Rauch bronzirte Commisflinte. Seine Physiognomie war so drohend, daß der Prinz sogleich begriff daß mit diesem Manne der Tod kam. Er schien darüber nicht zu erschrecken, steckte seinen Arm in den Tragriemen seiner Flinte und nahm diese auf seine Schulter.

Der Mann seinerseits blieb stehen und schaute den Prinzen an.

– Nicht zufrieden daß Du mein Weib ermordet hast, sagte er mit durchdringender Stimme, hast Du auch meinen Tod gewollt, Du hast durch Deinen Knecht auf mich schießen lassen. Seit zwei Stunden die ich Dir folge, habe ich Bedenken getragen einen Mord zu begehen; aber, so wahr uns der Tag bescheint, jetzt mußt Du sterben. Verrichte Dein Gebet.

– Herr, antwortete der Prinz, mein Diener hat ohne meinen Befehl aus Euch geschossen; ich bedaure es und würde Eure Drohungen nicht abgewartet haben um es ihm zu verweisen.

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