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Der Pechvogel

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Und Valentin machte die beschimpfende Geberde womit er den Bildhauer bedroht hatte.

Die Augen des letzteren funkelten, seine Lippen zogen sich zusammen.

– Es sei, sagte er, schlagen wir uns, und ich meinerseits schwöre Dir jetzt daß zwei Leichname aus diesem Zimmer kommen sollen. In fünf Minuten werde ich mit den Waffen da sein.

– Er wandte sich ab um hinauszusehen.

– Waffen, Waffen, versetzte Valentin, indem er ihn aufhielt; ach ja, ein Herr, ein Künstler wie Du, kann nur nach den Regeln tödten, und dann möchtest Du gerne den Vortheil Deiner Erfahrung benützen. Rein, ich bin ein Arbeiter, und ich schlage mich mit dem was mir unter die Hand kommt; schließe nur die Hofthüre.

– Wie Du willst, rief der Bildhauers ich werde nötigenfalls einen Schmiedehammer nehmen, wenn ich Dich nur zermalme und für Deine Beschimpfung büßen lasse.

Während Richard in den Hof ging, verschwand Valentin in der Werkstatt. Er kam mit einem langen, spitzig zugeschliffenem eisernen Zirkel, so wie die Zimmerleute sie gebrauchen, zurück.

Vergebens versuchte er ihn zu zerbrechen.

– Gib her, gib her, sagte Richard, indem er ihn Valentin ungeduldig aus den Händen nahm, spare Deine Kräfte für den nächsten Augenblick- Dann legte er den Zirkel um, drehte ihn zwischen seinen Fingern und riß ihn am Gewinde auseinander. Daraus entstanden zwei Dolche von je ungefähr sechs Zoll.

– Wähle, sagt Richard, und sputen wir-uns; jetzt bin ich ebenso pressiert wie Du Valentin.

Valentin ergriff die Waffe die man ihm bot und warf einen letzten Blick auf Huberte.

Während dieser Zeit hatte der Bildhauer sein Faustgelenke mit einem Sacktuch umwunden, seine Waffe in eine der Falten desselben festgesteckt und sich in eine defensive Haltung gestellt.

– Und jetzt komm, sagte er; und möge Dein Blut auf Dem Haupt zurückfallen, Du hast es nicht anders gewollt.

Valentin antwortete nichts. Er schien in die Betrachtung der Todten versunken.

–Du sollst sogleich gerächt werden, Huberte, oder ich werde bei Dir sein, murmelte er.

Dann drehte er sich um und legte sich in Parade aus, ohne eine der Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen deren sich der Künstler bedient hatte.

Richard stand am Fuße des Bettes, welchem er den Rücken kehrte; er hatte diesen Platz in Folge einer Berechnung gewählt, wie er auch seine Waffe sorgfältig in seiner Hand zurecht gelegt hatte. Das List stand nämlich zu den Häupten Hubertens; Valentin mußte es also in die Augen bekommen, während er selbst im Schatten blieb.

Vielleicht wünschte er auch den Anblick des Leichnams zu vermeiden welcher der einzige Zeuge dieses Duells war.

Wie dem nun sein mochte, man sah ein daß er, wie Valentin, entschlossen war den Kampf zu einem tödtlichen zu machen.

Die Füße Beider berührten sich, die zwei Stücke Eisen womit je sie sich bewaffnet hatten, befanden sich zwei Zoll von einander, und der Kampf begann, wie alle Kämpfe von Mann gegen Mann beginnen, mit jenem Augenduell worin er Blick dem Eisen in die tust des Gegners zuvorzukommen sucht.

Auf seine Muskelkraft zählend, wollte Richard, sobald es Mann an Mann ging, auf Valentin losstürzen; dieser aber fuhr ihm lebhaft mit der Spitze seines Zirkels nach dem Gesicht. Richard sprang zurück, aber nicht rasch genug um nicht fühlen zu müssen wie das Eisen sein Gesicht durchwühlte und das Blut über seine Wangen hinabfloß.

Er nahm seine erste Haltung wieder an und suchte seinen Feind durch plötzliche und unvorhergesehene Angriffe aus der Fassung zu bringen.

Aber Valentin war flink und gewandt. Indem er mit beiden Armen parirte, wurde er nicht getroffen, und der Bildhauer bekam zum zweiten mal die scharfe Spitze zu empfinden die in seine Schulter rang.

Die Demüthigung von einem Menschen in Schach gehalten zu werden den er bisher wie ein schwaches Kind betrachtet hatte, machte Richard noch wüthender. Aber diese Wuth blendete ihn nicht. Er kehrte zu seiner ursprünglichen Taktik zurück und spähte nach einem günstigen Augenblick um auf Tod und Leben über den Arbeiter herzufallen.

Valentin durchschaute seine Absicht, und gleich als hätte sein glühender Wunsch Huberte zu rächen ihn mit einem doppelten Gesicht begabt, wußte er sich mit der Gewandtheit eines geübten Kämpfers nicht bloß den tödtlichen Umschlingungen Richards zu entziehen, sondern ergriff auch diesen beim Bein und warf ihn rückwärts.

Nur die Bettlehne verhinderte daß Richard aus den Boden fiel.

Valentin benützte diesen Umstand um Richard zu ergreifen. Er vollbrachte dieß Manöver so rasch, daß er ihn mit seinen Armen umschlang, so daß die bewaffnete Hand zwischen die beiden Brüste zu liegen kam und in Folge dieser Stellung keine offensive Bewegung machen konnte.

Valentins Waffe war über den Kopf Richards emporgehoben und im Begriff sich zwischen seinen beiden Schultern einzubohren. Trotz seiner verzweifelten Anstrengung war der Bildhauer verloren, als auf einmal Valentins Arm zwar aufgehoben, aber Unbeweglich blieb.

Sein Blick war auf Hubertens Gesicht gefallen, und die Augen des jungen Mädchens hatten sich wieder geöffnet und schauten starr diesem Kampfe zu, von welchem sie nichts zu begreifen schien.

Ein kalter Schweiß legte sich auf Valentins Gesicht, seine Haare starrten empor, der Zirkel entglitt zwischen seinen Fingern, es war ihm als ob Huberte eine Bewegung machte, und mit offenem Munde, bleich, verstörten Auges, vergebens zu sprechen versuchend, wich er wie vor einem Gespenste zurück.

Er fand seine Stimme nur wieder um einen furchtbaren Schrei auszustoßen

Der Zirkel seines Gegners war vollständig in seine Brust eingedrungen.

Ein schwächer unarticulirter Schmerzensschrei antwortete auf den ersten.

Richard drehte sich um. Es schien ihm als ob diesen zweiten Schrei Huberte ausgestoßen hätte.

Aber war es nun Schrecken oder war Valentins Gesicht bloß eine Blendung gewesen, Hubertens Augen hatten sich wieder geschlossen, ihr und war wieder verstummt.

Das Getöse womit Valentin aus den Boden fiel zwang Richard sich umzusehen.

Er warf seinen Zirkel weit von sich, fuhr krampfhaft mit beiden Händen in seine Haare, ließ seine Augen zuerst auf dem jungen Mädchen haften dessen Leib wieder die ganze Starrheit eines Leichnams angenommen hatte, und heftete sie dann wieder auf Valentin, der sich im Todeskampf zu seinen Füßen wälzte.

Mit einem Gebrülle das noch weit furchtbarer war als die Zuckungen Valentins und die Unbeweglichkeit Hubertens, stürzte er dann aus dem Zimmer und heulte:

– Ich habe sie getödtet, ich habe beide getödtet!

Etwas Schreckliches begab sich in diesem Zimmer wo der entfliehende Richard seine zwei Opfer zurückließ, von denen das eine dem Tod entgegeneilte, das andere ins Leben zurückkehrte.

In der That hatte Valentin sich nicht getäuscht. Huberte hatte wirklich die Augen geöffnet, sie hatte wirklich eine Bewegung gemacht.

Hubertens Todesohnmacht hatte nicht lange genug gewährt um vollständig zu sein; der Einfluß der Luft die zu gleicher Zeit vom Hof und von der Werkstatt hereindrang, hatte bewirkt was die unerfahrene Pflege des jungen Mannes nicht zu leisten vermochte; die gelähmte Lunge hatte allmählig ihr Spiel wieder begonnen, das Blut hatte wieder angefangen in den Adern zu kreisen, die Arterien pochten; nur war diese Auferstehung langsam, so langsam daß Richard sie nicht bemerkte.

Aber allmählig traten sichtbarere Lebenszeichen hervor: das Summen in den Ohren nahm ab, die Wimpern öffneten sich wieder, die starren, glanzlosen Augen bekamen Leben; der Nebel der alles Sehen verhinderte verzog sich unmerklich, und zu gleicher Zeit nahmen die Verstandeskräfte wieder Besitz von dem Gehirn.

Huberte begann zu erkennen was um sie her vorging sie hörte einen Seufzer, sie richtete sich auf, schaute hin und sah Valentin, der auf dem Boden lag, die Arme nach ihr ausgestreckt, den Mund von einem röthlichen Schaum umsäumt.

– Valentin, murmelte sie, mein Freund!

Als der junge Mann seinen Namen aus dem Munde derjenigen vernahm die er todt geglaubt hatte, raffte er alle seine Kräfte zusammen und schleppte sich zu Huberte. Endlich berührte seine geballte Faust die Hand des jungen Mädchens und es gelang ihm sich an das Bett anzulehnen.

– Ach, murmelte sie, Valentin, mein Freund, was ist Ihnen zugestoßen? Valentin wollte antworten, aber das Blut das sich innerlich ergoß erstickte seine Stimme; er konnte bloß Rock, Weste und Hemd aufreißen und seine Wunde zeigen.

Sie war kaum sichtbar und glich dem Stich eines Blutigels.

Sie befand sich zwei Zoll unter dem Herzen und gab kaum einige Tropfen Blut.

Bei diesem Anblick begriff Huberte alles; denn als sie jetzt sah, stellte sich die Erinnerung an das früher Gesehene wieder ein. Sie glitt vom Bett hinab, sank auf ihre Kniee und drückte ihre Lippen auf die Wunde Valentins.

In diesem Augenblick hörte sie ihren Namen seufzend flüstern und fühlte Valentins Kopf der mit seinem ganzen Gewicht auf dem ihrigen lag.

Sie machte eine Bewegung rückwärts.

Valentin seinerseits hatte seine Augen geschlossen und aus seinen bleichen blutigen Lippen drang das Röcheln des Todes.

Sie schaute ihn einige Zeit mit verstörten Augen an, dann brach sie auf einmal in ein nervöses, kurzes, schreckliches Lachen aus und rief:

– Du hast wohlgetan uns zu vereinigen, Richard; Du hast begriffen daß Valentin allein es war den ich liebte, und nun sind wir für die Ewigkeit getraut.

XX.
Ophelia

—–

Als Richard mit dem Arzt den er geholt hatte in Valentins Zimmer zurückkam, stieß er einen Schrei des Staunens aus und wich voll Entsetzen zurück.

Huberte lebte und Valentin schien todt.

Das junge Mädchen saß, den Rücken an das Bett gelehnt, mit starrem Blick und fieberheißem Auge, auf dem Boden; sie hatte den Kopf des Verwundeten auf ihren Schooß gelegt und sang ihm leise ein Wiegenlied.

 

Bei dem Schrei den Richard ausstieß, richtete sie ihren Kopf wieder empor und streckte ihre Hand gegen diejenigen aus die sie störten.

– Still sagte sie mit der trockenen Stimme der Narren oder Wahnsinnigem wecket ihn nicht; er schläft, er ist müde, und das ist kein Wunder, denn er hat einen langen Weg gemacht um zu mir zu kommen.

Indem sie dann mit der Hand eine Bewegung machte, als suchte sie eine Wolke zu entfernen welche sie verhinderte die Neuangekommenen zu erkennen, fuhr sie fort: .

– Morgen ist unsere Hochzeit; Dank daß Ihr gekommen seid; wir warten nur noch auf meinen Vater um in die Kirche zu gehen; aber seid ruhig; wenn er säumt, so weiß ich den Weg und ich werde ihn holen.

Und sie begann ihr Lied wieder.

Richard war bis an die Wand zurückgewichen; er stand am Getäfel, beide Hände m seinen Haaren vergraben, und bemühte sich ein Schluchzen zurückzuhalten das ihm die Brust sprengen wollte.

Der Arzt brach das Schweigen zuerst.

– Dieß arme Kind hat den Verstand verloren, sagte er; man muß sie fortschaffen oder wenigstens in ein Nebenzimmer bringen, damit ich mich mit dem Verwundeten beschäftigen kann.

Richard machte eine Bewegung um den Wunsch des Doctors zu erfüllen, aber er fühlte nicht den Muth in sich Huberte oder Valentin anzurühren und sank unter lautem Schluchzen auf einen Stuhl.

Der Arzt, dem jetzt der Concierge beistand, suchte dem Mädchen den blutigen Leib zu entreißen den sie in ihren Armen hielt, aber sie klammerte sich mit solcher Kraft an Valentins Kleidern fest, daß zu befürchten stand die heftigen Erschütterungen möchten die Blutung bei dem Sterbenden verstärken.

Um Eile seinem Zweck zu gelangen, entschloß sich jetzt der Arzt auf die Narrheit des armen Kindes einzugehen.

– Lassen Sie Ihren Bräutigam sich zur Hochzeit ankleiden, sagte er, und kleiden Sie sich selbst, denn in diesem Aufzug können Sie nicht in die Kirche gehen.

Huberte gab durch ein Kopfnicken ihr Einverständniß zu erkennen und folgte dem Arzt ohne Widerstand in die Werkstatt; er kam allein zurück, und um bei seinem Verband nicht gestört zu werden, schloß er die Verbindungsthüre.

Richard blieb unthätig und stumm auf dem Stuhle sitzen auf den er gesunken war.

Der Doktor besichtigte die Wunde, er wagte sie nicht zu sondiren, so schwer schien sie ihm. Zuweilen geschieht es auch daß bei tiefen Wunden die Natur der Kunst zu Hilfe kommt und daß ein Klumpen sich bildet welcher der Blutung Einhalt tut.

Diesen Blutklumpen kann die Sande zerstören, und dann tödtet nicht mehr die Wunde, sondern der Arzt. In Fällen dieser Art gibt es nur eine einzige Regel: man muß dem Kranken tüchtig zur Ader lassen um dem Blut einen zweiten Ausgang zu öffnen.

Nach einem reichlichen Bluterguß aus der Ader schien das Leben wieder Besitz von diesem Körper zu nehmen den man auf einen Augenblick für eine Leiche hätte halten können; endlich stellte sich der Athem wieder her, die Wimpern öffneten sich wieder, die matten Auf-gen gewannen neuen Ausdruck und schweiften offenbar suchend im Zimmer umher.

Sie hafteten auf Richard, der sich von seinem Stuhl erhob und einen Schritt näher trat, indem er den Namen Valentin murmelte.

Valentin konnte nicht sprechen: aber seine Lippen bewegten sich und seine Physiognomie bekam einen Ausdruck von Angst worüber man sich nicht täuschen konnte.

– Sie ist da, antwortete Richard auf die Werkstatt deutend, sie ist da, sie ist gerettet.

Valentin stieß einen Seufzer aus und ein Blitz der Freude leuchtete in seinen Augen.

– Sie lebt! stammelte er: Gott sei gelobt! Am Uebrigen liegt wenig.

Der Bildhauer trat einige Schritte näher und fiel vor dem Verwundeten auf die Kniee.

– Valentin, mein armer Valentin, murmelte er, o wenn Du wüßtest wie ich leide; so schwer ich mich verschuldet habe, Du würdest mir verzeihen, das schwöre ich Dir.

Der Verwundete blickte ihn mit einem schmerzlichen Lächeln an, legte den Finger auf seinen Mund um ihm Schweigen zu empfehlen und wandte sich dann an den Arzt.

– Mein Herr, sagte er mit einem Blick auf seinen Arm aus welchem noch ein Blutstrahl drang, ich fürchte sehr daß Sie sich vergeblich bemühen. Ach! ich bin tödtlich getroffen, das fühle ich, und vielleicht, ich wiederhole es, ist es besser daß es so ist.

– Warum verzweifeln? entgegnete der Arzt; die Wunden dieser Art sind schwer, aber nicht tödtlich; nur wünschte ich zu erfahren wie Ihnen der Unfall zugestoßen ist.

Richard, der sein Gesicht mit beiden Händen bedeckt hielt, nahm dieselben weg und betrachtete seinen Freund mit einem Ausdruck von Angst welcher dem Arzt nicht entgangen sein würde, wenn er nicht seine ganze Aufmerksamkeit dem Verwundeten zugewandt hätte.

– Ach mein Herr, sagte Valentin, das ist ganz einfach. Ich liebe das junge Mädchen das sich im Nebenzimmer befindet. Als ich nach Hause kam, fand ich sie auf ihrem Bett liegen, und zwei Schritte von ihr stand noch ein brennender Ofen mit Kohlen. Sie lag regungslos, ohnmächtig da; ich glaubte sie todt, ich wollte sie nicht überleben und stieß mir diesen halben Zirkel in die Brust. Man beunruhige also Niemand um meines Todes willen. Es ist ein Selbstmord; wenn man daran zweifeln sollte, so würden Sie meine Erklärung zu Protokoll geben, nicht wahr?

Richard hatte seinen Kopf in die Tücher gegraben; er weinte und ächzte wie ein Kind.

Der Blutfluß vom Aderlaß hatte aufgehört; der Arzt legte einen Verband auf die Wunde.

Als er fertig war, sagte Valentin zu ihm:

– Mein Herr, Sie haben mich eben durch eine Lüge beruhigen zu müssen geglaubt, für welche ich Ihnen danke; aber wenn Sie mich zu noch größerem Dank verpflichten wollen, so behandeln Sie mich als einen Mann. Wie lange habe ich noch zu leben?

– Ich wiederhole Ihnen, antwortete der Arzt, wenn keine Gemüthserschütterung eintritt, wenn kein neuer Unfall hinzukommt, so ist es möglich daß Sie wieder gesund werden.

Valentin unterbrach ihn mit einem wehmüthigen Lächeln.

– Aber, sagte er, nehmen Sie einmal solche Gemüthserschütterungen und Unfälle an, wie viel Zeit habe ich dann noch vor mir? Der Arzt schaute den Verwundeten an.

Es lag eine solche Sicherheit in seinem Blick, daß er ihm Nichts verbergen zu dürfen glaubte.

– Es ist ein trauriger Dienst den Sie von mir verlangen, antwortete er; aber wer uns auf eine solche Art fragt, dem sind wir die Wahrheit schuldig.

Also so gut Sie ohne Gemüthserschütterung und Unfall davon kommen können, eben so gut können Sie auch bei dem geringsten Unfall, bei der geringsten Gemüthserschütterung an Erstickung sterben.

– Ha, Doktor, Doktor! rief Richard. wiederholen Sie mir daß er davon kommen kann; sagen Sie mir daß er davon kommen wird.

– Genug, genug, Richard, fiel Valentin ein, noch einmal Dank, Doctor; und jetzt möchte ich sehr wünschen daß man mich mit meinem Freund allein ließe.

Richard schien dieses Tête-à-tête eben so sehr zu fürchten als sein Freund es augenscheinlich wünschte; aber der Doktor sagte ihm ins Ohr:

– Ich will mich inzwischen mit dem jungen Mädchen beschäftigen, sie kann meiner Hilfe bedürfen.

Richard fuhr zusammen.

– Thun Sie das, sagte er.

Der Arzt ging ins Nebenzimmer, der Concierge kehrte an seine Thüre zurück, Valentin und Richard blieben allein.

Letzterer flehte noch immer mit gefalteten Händen um Verzeihung.

Aber Valentin antwortete mit einem sanften und schwermüthigen Lächeln:

– Gott macht alles wohl, mein guter Richard; es scheint daß dieses Unglück nothwendig war, weil es Dir die Augen öffnen und die heiligen Gesetze des Rechtes und der Tugend zu Deiner Erkenntniß bringen sollte. Ich weiß es wohl, Gott fordert mein Leben für das Wunder das er vollbringt; aber wenn mein Leben Dein und Hubertens Glück sichert, so schwöre ich Dir, Richard, daß ich es ohne alles Bedauern hingebe.

– Aber ich kann nicht glauben daß Du sterben sollst, und zwar von meiner Hand sterben, rief der Bildhauer, indem er sich die Haare zerraufte; nein, nein, nein, das ist nicht möglich!

– Laß uns von der kostbaren Zeit nichts verlieren, Richard; dem Tod ist alles möglich, er kann in dem Augenblick kommen wo ich mit Dir rede; er kann den Satz den ich ausspreche entzweischneiden, das angefangene Wort unvollendet lassen; aber ich will auch nicht sterben, ohne daß Du mich versichert hast daß dein Schmerz sich nicht bloß in leeren Verwünschungen äußern, sondern daß er Dich zu bessern Gesinnungen zurückführen soll, d. h. daß Du Dein Unrecht einsehen und Huberten die Genugthuung geben wirst die Du ihr schuldest.

Richard schien einen heftigen Kampf zu kämpfen, aber er blieb stumm. Dieses Schweigen erschreckte Valentin.

– Mein Gott! seufzte er, indem er eine Anstrengung machte um seine Hände zum Himmel zu erheben; ich hatte gehofft daß mein Märtyrerthum nicht vergebens gewesen wäre.

– Nun wohl, nein, rief der Bildhauer, das soll es nicht sein! So unangenehme Folgen es für mich haben mag, so soll Huberte mein Weib werden. Ach dießmal kannst Du mir glauben; ich schwöre es Dir, Valentin, bei allein Heiligen was es hienieden für den Menschen gibt.

– Ich glaube Dir, ich glaube Dir, sagte der Verwundete, indem er mit seiner verwaltenden Hand die Hand Richards drückte; trotz all Deiner Leichtfertigkeit hast Du ein gutes Herz, Du möchtest nicht die Gewissensqual auf Dich nehmen einen alten Kameraden belogen zu haben der im Begriff ist auf immer zu scheiden. Aber warum von Unannehmlichkeiten reden? Glaube mir, Du begründest Dein eigenes Glück wenn Du Huberte glücklich machst. Ihr Wüstlinge sprechet von der Heirath wie die Atheisten von dem lieben Gott sprechen. Aber alle Witzeleien können nicht verhindern daß der heilige Bund zwischen Weib und Mann die einzige Ruhe und das einzige Glück hienieden bleibt. Schwöre diese Ideen ab, Richard; gib Dein regelloses ausschweifendes Leben auf; die Arbeit ist der edelste Zweck den der Mensch auf Erden haben kann, und in der neuen Stellung die Du einzunehmen hast wird sie zur Pflicht; Du wirst die ganze Bedeutung dieses Wortes zwar etwas spät erkennen, aber sobald Du angefangen hast Deiner Pflicht zu gehorchen, wird Dir auch die ganze Wonne offenbar werden die man in ihrer Erfüllung findet. Meine Predigten langweilen Dich, armer Richard, Du hast es mir oft gesagt; aber nimm diese hier in Geduld hin, es ist die letzte. Hör mich also an. Es sind keine Rathschläge mehr die ich Dir ertheile, es ist eine Bitte die ich an Dich richte. Huberte ist jung, sie tritt erst ins Leben ein, sie wird mich vergessen; überdieß wirst Du auf einen Todten nicht eifersüchtig sein können. Richard antwortete bloß mit einem lauten Schluchzen.

– Nun wohl, erinnere sie zuweilen an mich, wenn ihr allein am Feuer beisammen sitzt: laß meinen Namen von Deinen Lippen auf die ihrigen übergehen.

Jetzt war es Richard der seinem Freunde die Hand drückte.

– Und nun, ich fühle es wohl, fuhr der Verwundete fort, nein, nein, es stirbt nicht alles mit uns; meine Seele wird sich, wenn sie den Körper verlassen hat, niemals von dem Ort entfernen wo ihr weilet; meine Liebe zu euch wird selbst den Tod überleben, und es däucht mich daß, wenn mein Geist da sein, wenn er euch sehen und hören wird, das Glück aus ihrem Munde meinen Namen zu hören, ihre Augen vielleicht der Erinnerung an mich eine Thräne widmen zu sehen, alle Wonnen übersteigen wird die man uns im andern Leben verheißt.

Richard vermochte kaum zu athmen; endlich gelang es ihm einige Worte hervorzubringen.

– O ich werde Dich nie vergessen, Valentin, sagte er; und was Huberte betrifft. . .

– Richard, flehte der Verwundete, indem er seinen Freund unterbrach, Richard, kann ich sie nicht noch einmal sehen bevor ich sterbe?

Richard antwortete nicht.

– O! machte Valentin mit dem Ausdrücke des Vorwurfs.

Der Bildhauer begriff den ganzen Schmerz der in dieser einfachen Ausrufung lag.

– Unmöglich, Valentin, ich schwöre Dirs daß es unmöglich ist.

– Unmöglich! wiederholte dieser, indem seine Augen sich schrecklich erweiterten, unmöglich! Und weißt Du auch, Richard, daß Du einen seltsamen Argwohn in mir erregst? solltest Du mich getäuscht haben mit Deiner Versicherung daß sie noch lebe? Richard, todt oder lebendig, ich will sie sehen, hörst Du, ich will es.

Und trotz der Anstrengung welche Richard machte um ihn ruhig zu erhalten, erhob sich Valentin auf ein Knie.

– Was machst Du, Unglückseliger? rief Richard. Man hat Dir jede Aufregung, jede Bewegung verboten.

– Ich gehe zu ihr, da Du sie nicht zu mir kommen lassen willst.

In diesem Augenblick hörte man einen unartikulirten Schrei aus dem Zimmer wo Huberte war.

 

Valentin erkannte ihre Stimme.

– Was gibt es denn? fragte er, indem er eine Anstrengung machte um sich auf seine Füße aufzurichten, und warum dieses Geschrei?

– Um Gotteswillen, Valentin, bat Richard; bei allem was heilig ist, nicht in diesem Augenblicks Später!

– Aber hörst Du denn nichts, fragte Valentin, sie schreit, sie ruft um Hilfe.

Und er wandelte zwei Schritte gegen die Thüre zu.

– Nun wohl denn, es ist vielleicht noch das Beste, wenn Du die Wahrheit erfährst. Huberte. . .

Er zögerte.

– Nun wohl, Huberte. . .

– Sie ist wahnsinnig.

Valentin stieß einen Schrei aus der mit einer Art von Geröchel endete; er schwankte, drehte sich um sich selbst und fiel dann auf den Boden, wie ein entwurzelter Baum auf die Erde niederfällt.

Bei dem Schrei Valentins, auf welchen ein nicht minder furchtbarer Schrei von Richard folgte, und bei dem Getöse das der Verwundete in seinem Fall machte, öffnete sich die Thüre von Hubertens Zimmer von Neuem und der Doctor erschien wieder auf der Schwelle.

Der Arzt und Richard stürzten auf Valentin zu und hoben ihn auf: seine Augen standen weit offen, waren aber starr und matt, seine Lippen bewegten sich noch, konnten jedoch keinen Ton hervorbringen; sein Körper krümmte sich in einem letzten Krampf, ein schmerzlicher Seufzer stahl sich aus seinem Munde.

Mit diesem Seufzer hatte er seine Seele ausgehaucht.

– Es ist nichts mehr zu machen, sagte der Arzt, er ist todt.

Der Bildhauer blieb unbeweglich, bleich, unter heftigen Nervenzuckungen, eine Zeitlang vor dem Leichnam seines Freundes liegen; er betete und weinte, denn es gibt Stunden wo das Gebet, wenn die Lippen es auch nicht auszusprechen gelernt hätten, durch eigenen Drang aus der Tiefe der Seele aufsteigt.

Dann dachte er daß er, wenn etwas von uns wirklich uns überlebe, wie Valentin gesagt hatte, der armen Seele des Verstorbenen den besten Beweis für seine Reue, für seine Zärtlichkeit gegen Huberte geben könne.

Er gab seinem Freund einen letzten Kuß, drückte ihm Mund und Augen zu, dann taumelte er wie ein Betrunkener nach dem Zimmer wo er das Mädchen gelassen hatte.

Zu seiner großen Ueberraschung war der Arzt allein in diesem Zimmer dessen nach dem Höfchen gehende Thüre offen stand.

– Wo ist Huberte! fragte er ihn in einem halb stehenden, halb drohenden Tone.

– Sie sagte sie wolle ihren Vater holen der zu lang ausbleibe, antwortete der Arzt; daher das Geschrei das Sie hörten; ich hielt sie mit großer Mühe zurück, als Ihr eigenes Geschrei mich veranlaßte das arme Mädchen loszulassen und zu Ihnen zu eilen.

– O, rief Richard, o ich unglückseliger Mensch! Und er stürzte aus dem Zimmer um den Concierge zu fragen.

Dieser hatte Huberte ganz zerzaust herausstürzen gesehen und war ihr nachgelaufen.

Unglücklicherweise war in Folge des schrecklichen Ereignisses die Thüre nach der Straße zu offen geblieben; er hatte etwas wie einen Schatten nach dem Faubourg Saint-Antoine sich bewegen gesehen. Er hatte das Mädchen beim Namen gerufen, aber vergebens; sie war an der Ecke der Straße von Charenton verschwunden.

Richard machte sich eiligst auf denselben Weg um sie wo möglich einzuholen.

Die Nacht war kalt und regnerisch.

Es blieb Richard noch eine Hoffnung. Diese Hoffnung schöpfte er aus Hubertens eigenen Worten:

»Mein Vater bleibt so lange aus, ich muß ihn holen.«

Ohne Zweifel hatte sie diese ihr wohlbekannte Straße eingeschlagen, welche sie so manchmal zurückgelegt hatte wenn sie die Fische des Großvaters nach Paris brachte und den Erlös dafür heimtrug.

Er ging also nach der Barrière du Trone und blieb vor jedem Frauenzimmer stehen das auf der Straße umherwandelte, erkannte aber in keiner dieser Personen seine Huberte.

Im Uebrigen waren wenige Leute auf der Straße; im Augenblick wo er über die Barrière ging, schlug es zwölf Uhr.

Auf dieser langen geraden Linie welche die Straße von der Barrière du Trone bis Vincennes bildet, hatte er einige Hoffnung die Gesuchte wieder zu finden; aber er kam nach Vincennes, nach Joinville, nach Saint-Maux, ohne etwas gesehen zu haben.

Von Zeit zu Zeit blieb er stehen und blickte um sich; er hatte zwar die Idee Huberte zu rufen, aber er wagte es nicht, ohne sich seine Unschlüssigkeit erklären zu können.

Er hatte Furcht vor seiner eigenen Stimme.

In Saint-Maux ging er von der Hauptstraße ab und schlug sich querfeldein; er ging gerade auf die Häusergruppe zu welche damals das Dorf Varenne bildete und am Ufer stand.

Mitten unter diesen Häusern zeichnete sich die Wohnung des Franz Guichard durch ihr Alter aus.

Er näherte sich ihr mit pochendem Herzen und schwankenden Beinen.

Es war das einzige Haus durch dessen Fenster ein Strahl von Licht sickerte.

Dieser Lichtstrahl erregte eine Hoffnung in ihm.

Richard näherte sich dem Laden; wie er vorhergesehen, war derselbe von innen nicht geschlossen, sondern bloß an die Wand angelehnt.

Er schob ihn sachte weg.

Trotz der späten Stunde hatte sich Pechvogel nicht schlafen gelegt, sondern saß vor dem Kamin; die auf einem Vorsprung stehende Lampe beschien sein Gesicht.

Dieses Gesicht war bleich und welk, als gehörte es einem Leichnam.

Pechvogel war unbeweglich wie eine Bildsäule, und man hätte ihn für todt halten können, wenn nicht von Zeit zu Zeit eine große Thräne sich am Rand seiner Wimper gesammelt hätte und über seine Wange hinabgerollt wäre.

Offenbar war Huberte nicht erschienen.

Richard, dem dieser stumme Schmerz das Herz zuschnürte, stieß sachte den Laden auf.

Dann sagte er zu sich daß Huberte wahrscheinlich in Joinville den Fußpfad eingeschlagen habe der an der Marne hinführt, und daß er, wenn er denselben in entgegengesetzter Richtung einschlüge, ihr begegnen würde.

Er ging also aus diesem Pfade hin. Durch das lange Laufen in der Finsterniß hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt.

Gegenüber den letzten Häusern von Chennevière sah er ein Schiffchen das auf dem Wasser hinschaukelte und sich gegen Varenne hinab bewegte.

Er ging bis ans Wasser hinab und rief: da jedoch keine Bewegung im Boot stattfand, da der Mond in diesem Augenblick zwischen zwei Wolken hinglitt und einen Lichtstrahl auf die Marne fallen ließ, so wurde es ihm klar daß das Schiff leer war.

Als er an die Gardeninsel kam, machte er Halt.

Es war ihm als hätte er zwischen den Weiden und Gebüschen derselben eine weiße Gestalt hinschweben gesehen.

Mehrere Male verschwand diese Gestalt und erschien wieder. Richards Herz pochte, daß es ihm die Brust beinahe sprengte: ein eisiger Schweiß rieselte von seiner Stirne.

Endlich that er sich Gewalt an und rief:

– Huberte! Huberte!

Die weiße Gestalt blieb stehen, schien zu horchen, bückte sich aber sogleich von Neuem.

Man hätte glauben können sie pflücke Blumen.

– Huberte! rief Richard abermals.

– Bist Du’s, Valentin? rief eine Stimme an welcher Richard die Gesuchte erkannte.

Sein Herz pochte hoch.

– Ja, sagte er.

– So erwarte mich, sagte der Schatten.

Und als wäre sie gleich dem Apostel mit der Fähigkeit begabt auf dem Wasser zu gehen, stieg sie zwischen den Bäumen, Weiden und Gebüschen an den Fluß hinab.

Auf einmal ertönte ein Schrei.

Richards Augen suchten vergebens nach dem Schatten.

Er war verschwunden.

Der Bildhauer blieb einen Augenblick unbeweglich vor Staunen und Schrecken stehen dann sprang er in den Fluß.

Aber vergebens tauchte er zu wiederholten Malen unter. Nachdem er sich eine Viertelstunde mit nutzlosen Nachforschungen abgemühet, ging er aus Ufer zurück und fragte sich ob nicht ein Traum ihn genarrt habe.

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