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Der Graf von Bragelonne

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Einer von diesen zwei Männern hielt in der Hand eine kleine Lampe, deren rother Schein das traurigste Gemälde beleuchtete, das ein König erschauen konnte.

Ludwig sagte sich, sein Traum wahre fort, und um ihn aufhören zu machen, genüge es, die Arme zu bewegen oder seine Stimme hören zu lassen. Er wandte sich nun an denjenigen von den zwei Männern, welcher die Lampe hielt, und sprach:

»Was ist das, mein Herr, und woher rührt dieser Scherz?«

»Es ist kein Scherz,« antwortete mit dumpfer Stimme derjenige von den zwei Männern, welcher die Lampe hielt.

»Seid Ihr im Dienste von Herrn Fouquet?« fragte der König, ein wenig verblüfft.

»Gleichviel, in wessen Dienste wir sind!« erwiederte das Gespenst. »Wir sind nun Eure Gebieter.«

Mehr ungeduldig, als eingeschüchtert, wandte sich der König an die zweite Larve und sprach:

»Ist das eine Komödie, so sagt Herrn Fouquet, ich finde sie unschicklich, und ich befehle, daß sie aufhöre.«

Die zweite Larve, an die sich der König wandte, war ein Mann von hohem Wuchse und von großem Umfang. hielt sich aufrecht und unbeweglich, wie ein Marmorblock.

»Nun!« fügte der König, mit dem Fuße stampfend, bei: »Ihr antwortet mir nicht!«

»Wir antworten Euch nicht, mein kleiner Herr,« erwiederte der Riese mit einer Stentorstimme, »weil Euch nichts zu antworten ist, wenn nicht, daß Ihr der erste Aergerliche seid, und daß Herr Coquelin von Volière Euch in der Zahl der Seinigen vergessen hat.«

»Aber was will man denn von mir?« rief Ludwig, voll Zorn die Arme kreuzend.

»Ihr werdet es später erfahren,« erwiederte der Lampenträger.

»Sagt mir einstweilen, wo ich bin?«

»Schaut!«

Ludwig schaute wirklich; doch beim Scheine der Lampe, die der Verlarvte aushob, erblickte er nur feuchte Wände, an denen da und dort der silberne Sog von Erdschnecken glänzte.

»Hol ho! ein Kerker!« machte Ludwig.

»Nein, ein unterirdisches Gewölbe.«

»Welches führt? . . . «

»Wollt uns folgen.«

»Ich rühre mich nicht von der Stelle!« rief der König.

»Macht Ihr den Widerspänstigen, mein junger Freund,« erwiederte der Stärkere von den beiden Männern, »so hebe ich Euch aus und wickle Euch in meinen Mantel, und wenn Ihr darin erstickt, meiner Treue! desto schlimmer für Euch.«

Indem er diese Worte sagte, zog der Sprechende unter dem Mantel, mit dem er den König bedrohte, eine Hand hervor, die Milon von Kroton gern an dem Tage besessen hätte, wo ihm der unglückliche Gedanke kam, seine letzte Eiche auseinander zu reißen.

Es schauderte dem König vor einer Gewaltthat, denn er begriff, daß diese zwei Männer, in deren Gewalt er sich befand, nicht so weit vorgerückt waren, um zurückzuweichen, und daß sie folglich die Aeußerste treiben würden. Er schüttelte den und sagte:

»Es scheint, ich bin in die Hände von zwei Mördern gefallen. Vorwärts!«

Keiner von den zwei Männern erwiederte etwas auf dieses Wort. Derjenige, welcher die Lampe trug, ging voran; der König folgte ihm; dann kam die zweite Larve. Man durchschritt eine lange, gekrümmte Gallerie, mit so vielen Treppen, als man in dem geheimnißvollen, düsteren Palaste von Anna Radcliff findet. Alle diese Krümmungen, in denen der König wiederholt das Rauschen von Wasser über seinem Kopfe hörte, mündeten am Ende in einen langen, mittelst einer eisernen Thüre verschlossenen Gang aus. Der Mann der Lampe öffnete diese Thüre mit Schlüsseln, die er an seinem Gürtel trug, wo sie der König aus dem ganzen Wege hatte klirren hören.

Als sich diese Thüre öffnete und Luft einströmen ließ, erkannte der König die balsamischen Düste, welche die Bäume nach heißen Sommertagen ausströmen. Einen Augenblick blieb er stehen, aber der kräftige Wächter, der ihm folgte, schob ihn aus dem unterirdischen Gang hinaus.

»Ich frage Euch noch einmal,« sagte Ludwig, indem er sich gegen denjenigen umwandte, der sich die verwegene Handlung, seinen Souverain zu berühren, erlaubt hatte, »was wollt Ihr mit dem König von Frankreich machen?«

»Sucht diesen Namen zu vergessen,« erwiederte der Lampenmann mit einem Ton, der ebensowenig eine Einwendung zuließ, als die berühmten Sprüche von Minos.

»Ihr müßtet für dieses Wort gerädert werden,« fügte der Riese bei, der nun das Licht auslöschte, das ihm sein Gefährte reichte; »doch der König ist zu leutselig.»,

Bei dieser Drohung machte Ludwig eine so ungestüme Bewegung, daß man glauben konnte, er wolle entfliehen! doch die Hand des Riesen legte sich aus seine Schulter und hielt ihn an seinem Platze fest.

»Aber wohin gehen wir denn?« fragte der König.

»Kommt,« erwiederte der Erste von den zwei Männern mit einer Art von Ehrfurcht.

Und er führte seinen Gefangenen zu einem Wagen, der zu warten schien.

Dieser Wagen war ganz im Blätterwerk verborgen. Zwei Pferde, welche Fesseln an den Beinen hatten, waren mittelst eines Halfters an die niedrigen Zweige einer großen Eiche gebunden.

»Steigt ein,« sagte derselbe Mann, indem er den Kutschenschlag öffnete und den Fußtritt niederließ.

Der König gehorchte und setzte sich aus den Rücksitz des Wagens, dessen gepolsterter und mit einem Schlosse versehener Schlag sogleich hinter ihm und seinem Führer zugemacht wurde. Der Riese durchschnitt die Fesseln und Halfter der Pferde, spannte selbst an und stieg aus den Bock, der nicht besetzt war. Sogleich fuhr der Wagen in scharfem Trabe ab, erreichte die Straße nach Paris und fand im Walde von Senort ein wie die ersten Pferde an die Bäume gebundenes Relais ohne Postillon. Der Mann vom Bock wechselte das Gespann und setzte rasch die Fahrt nach Paris fort, wo er gegen drei Uhr Morgens ankam. Der Wagen folgte dem Faubourg Saint-Antoine, und nachdem er der Schildwache: »Befehl des Königs!« zugerufen hatte, lenkte der Kutscher die Pferde in die kreisförmige, auf den Hof des Gouvernement zulaufenden Ringmauer der Bastille. Hier hielten die Pferde rauchend bei den Stufen der Freitreppe an. Ein Sergent von der Wache lief herbei.

»Man wecke den Herrn Gouverneur!« rief der Kutscher mit einer Donnerstimme.

Abgesehen von dieser Stimme, welche man vom Eingange des Faubourg Saint-Antoine aus hätte hören können, blieb Alles ruhig im Wagen, wie im Schloß. Nach zehn Minuten erschien Herr von Baisemeaux im Schlafrock auf seiner Thürschwelle.

»Was gibt e« wieder?« fragte er. »Und wen bringt Ihr mir da?«

Der Mann mit der Laterne öffnete den Wagenschlag und sagte zwei Worte zum Kutscher. Sogleich stieg dieser von seinem Bocke ab, nahm die Muskete, die er unter seinen Füßen hielt, und setzte den Laus des Gewehres dem Gefangenen aus die Brust.

»Und gebt Feuer, wenn er spricht!« fügte laut der Mann, der aus dem Wagen stieg, bei.

»Gut,« erwiederte der Andere ohne eine weitere Bemerkung.

Nachdem er diesen Auftrag ertheilt hatte, stieg der Führer des Königs die Stufen hinauf, auf deren oberster der Gouverneur wartete.

»Herr d’Herblay!« rief dieser.

»St!» sagte Aramis, »treten wir bei Euch ein.«

»Ach! mein Gott! Und was führt Euch denn zu dieser Stunde hierher?«

»Ein Irrthum, mein lieber Herr von Baisemeaux,« antwortete Aramis ruhig. »Es scheint, Ihr hattet neulich Recht.«

»In welcher Hinsicht?«

»In Beziehung aus den Freilassungsbefehl, theurer Freund.«

»Erklärt mir das, mein Herr, nein, Monseigneur,« sagte Baisemeaux ganz beklommen zugleich von Verwunderung und von Schrecken.

»Das ist ganz einfach. Ihr erinnert Euch, lieber Herr von Baisemeaux, daß man Euch einen Freilassungsbefehl überschickt hat?«

»Ja, für Marchiali.«

»Nicht wahr, wir haben Alle geglaubt, er wäre für Marchiali?«

»Gewiß. Entsinnt Euch jedoch, daß ich zweifelte, daß ich nicht wollte, daß Ihr mich gezwungen habt.«

»Oh! welches Wort gebraucht Ihr da, lieber Baisemeaux! aufgefordert, nicht mehr.«

»Aufgefordert, ja. Euch den Gefangenen zu übergeben, und Ihr habt ihn in Eurem Wagen mitgenommen.«

»Wohl! mein lieber Herr von Baisemeaux, das war ein Irrthum. Man hat ihn im Ministerium erkannt, so daß ich Euch einen Befehl des Königs bringe, einen Anderen in Freiheit zu setzen . . . Seldon, den armen Teufel von einem Schotten, Ihr wißt?«

»Seldon! seid Ihr diesmal Eurer Sache sicher?«

»Ei! leset selbst,« rief Aramis.

Und er reichte ihm den Befehl.

»Aber dieser Befehl ist mir schon einmal durch die Hände gegangen,« sagte Baisemeaux.«

»Wahrhaftig!«

»Es ist der, von welchem ich Euch betheuerte, ich habe ihn an jenem Abend gesehen. Bei Gott! ich erkenne ihn an dem Tintenklecks.«

»Ich weiß nicht, ob es derselbe ist, soviel bleibt aber wahr, daß ich ihn Euch überbringe.«,

»Doch der Andere?«

»Welcher Andere?«

»Marchiali.«

»Ich führe ihn Euch zurück.«

»Das genügt mir nicht. Um ihn wieder aufzunehmen, brauche ich einen neuen Befehl.«

»Sagt doch nicht solche Dinge, mein lieber Baisemeaux! Ihr sprecht wie ein Kind! Wo ist der Befehl, den Ihr in Beziehung aus Marchiali erhalten habt?«

Baisemeaux lief an seinen Schrank und zog den Befehl daraus hervor. Aramis nahm ihn, zerriß ihn kalt in vier Stücke, hielt die Stücke an die Lampe und verbrannte sie.

»Was macht Ihr denn?« rief Baisemeaux, im höchsten Grade erschrocken.

»Betrachtet ein wenig die Lage der Dinge, mein lieber Gouverneur,« erwiederte Aramis mit seiner unstörbaren Ruhe, »und Ihr werdet sehen, wie einfach sie ist. Ihr habt keinen Befehl mehr, der den Abgang von Marchiali rechtfertigt.«

»Ei! mein Gott, nein, ich bin ein verlorener Mann,«

»Keines Wegs, da ich Euch Marchiali zurückbringe. Sobald ich ihn Euch bringe, ist es, als ob er gar nicht weggegangen wäre.«

»Ah!« machte der Gouverneur verblüfft.

»Allerdings. Ihr sperrt ihn auf der Stelle wieder ein.«

»Das glaube ich wohl!«

»Und Ihr gebt mir diesen Seldon, den der neue Befehl frei macht. Aus diese Art ist Eure Verantwortlichkeit in Ordnung. Begreift Ihr?«

 

»Ich . . . ich . . . «

»Ihr begreift,« sagte Aramis. »Sehr gut!«

Baisemeaux faltete die Hände.

»Aber warum bringt Ihr mir denn Marchiali zurück, nachdem Ihr mir ihn genommen habt?« rief der unglückliche Gouverneur in einem Paroxismus des Schmerzes und der Bestürzung.

»Für einen Freund, wie Ihr,« sagte Aramis, »für einen Diener, wie Ihr, habe ich keine Geheimnisse.«

Und er näherte seinen Mund dem Ohre von Baisemeaux und flüsterte:

»Ihr wißt, welche Aehnlichkeit zwischen diesem Unglücklichen und . . . «

»Dem König stattfindet, ja.«

»Wohl! der erste Gebrauch, den Marchiali von seiner Freiheit machte, war, daß er behauptete, erratet, was?«

»Wie soll ich das errathen?«

»Daß er behauptete, er sei der König von Frankreich.«

»Oh! der Unglückliche!« rief Baisemeaux.

»Dies geschah, um Kleider denen des Königs ähnelte anzuthun und sich als Usurpator aufzuwerfen.«

»Gütiger Himmel!«

»Deswegen bringe ich ihn Euch zurück, lieber Freund. Er ist ein Narr und sagt seine Narrheit aller Welt.«

»Was ist nun zu thun?«

»Das ist ganz einfach: Ihr dürft ihn mit Niemand reden lassen. Ihr begreift, daß, als die Sache dem König zu Ohren kam, der mit seinem Unglück Mitleid gehabt hatte und nun seine Güte mit dem schwärzesten Undank belohnt sah, der König wüthend war. So daß nun, behaltet das wohl, mein lieber Herr von Baisemeaux, denn das geht Euch an, daß nun die Todesstrafe für diejenigen daraus gesetzt ist, welche ihn mit andern Personen, als mit mir oder mit dem König selbst, sich unterreden ließen. Ihr versteht, Baisemeaux, Todesstrafe.«

»Ob ich verstehe, alle Teufel!«

»Und nun geht hinab, und führt den armen Teufel wieder in seinen Kerker, wenn Ihr ihn nicht lieber hier heraus kommen lassen wollt.«

»Wozu dies?«

»Ja, nicht wahr, es ist besser, ihn sogleich einzusperren.«

»Bei Gott!«

»Gehen wir also.«

Baisemeaux ließ die Trommel rühren und die Glocke läuten, was verkündigte, daß Jeder in seine Wohnung zurückzukehren hatte, um das Begegnen eines geheimnißvollen Gefangenen zu vermeiden. Dann, als die Wege frei waren, nahm er aus dem Wagen den Gefangenen, den Porthos, dem Befehl getreu, die Muskete auf die Brust gesetzt bewachte.

»Ah! Ihr seid der Unglückliche!« rief Baisemeaux, als er den König erblickte. »Es ist gut! es ist gut!«

Und er ließ sogleich den König aus dem Wagen steigen, führte ihn, stets begleitet von Porthos, der seine Larve nicht abgelegt, und von Aramis, der die seinige wieder aufgenommen hatte, in die zweite Bertaudière und öffnete ihm die Thüre der Stube, in der Philipp sechs Jahre lang geseufzt hatte.

Der König trat in den Kerker ein, ohne ein Wort zu sprechen. Er war bleich und verstört.

Baisemeaux machte die Thüre wieder hinter ihm zu, drehte den Schlüssel selbst zweimal im Schlosse um, kehrte dann zu Aramis zurück und sagte leise zu diesem:

»Es ist, bei meiner Treue! wahr, er gleicht dem König; doch weniger, als Ihr sagt.«

»So daß Ihr Euch durch die-Unterschiebung nicht hättet täuschen lassen.«

»Ah! was denkt Ihr!»,

»Ihr seid ein kostbarer Mann, mein lieber Baisemeaux,« sagte Aramis. »Setzt nun Seldon in Freiheit.«

»Es ist richtig; ich vergaß . . . Ich will den Befehl geben . . . «

»Bah! Ihr habt morgen Zeit.«

»Morgen! nein, nein, aus der Stelle. Gott behüte mich, daß ich eine Secunde warte.«

»Dann geht an Eure Geschäfte, ich gehe an die meinigen. Doch nicht wahr, das ist abgemacht?«

»Was ist abgemacht?«

»Das Niemand der Eintritt zu dem Gefangenen gestattet wird, außer mit einem Befehl des Königs, welchen Befehl ich selbst überbringen werde.«

»Abgemacht. Gott befohlen, Monseigneur.« . Aramis kehrte zu seinem Gefährten zurück.

»Vorwärts, Freund Porthos, nach Vaux! Und geschwinde!«

»Man ist leicht, wenn man seinem König treu gedient und, indem man ihm gedient, sein Vaterland gerettet hat,« sagte Porthos. »Die Pferde werden nichts zu ziehen haben. Marsch!«

Und von einem Gefangenen befreit, der Aramis in der That sehr schwer scheinen konnte, fuhr der Wagen über die Zugbrücke der Bastille, welche hinter ihm wieder ausgezogen wurde.

XVIII.
Eine Nacht in der Bastille

Das Leiden steht in diesem Leben im Verhältnis, zu den Kräften des Menschen. Wir wollen damit nicht behaupten, Gott bemesse bei den Kräften des Menschen immer die Marter, die er ihn ausstehen läßt: das wäre nicht genau, da Gott den Tod gestattet, der oft die einzige Zuflucht zu lebhaft im Körper bedrängter Seelen ist. Das Leiden steht im Verhältniß zu den Kräften, das heißt, der Schwache leidet mehr, bei gleichem Uebel, als der Starke. Aus welchen Elementen besteht nun die menschliche Stärke? nicht wahr, besonders aus der Uebung, der Gewohnheit, der Erfahrung? Das werden wir nicht einmal zu beweisen bemüht sein, denn es ist dies ein Axiom in der Moral, wie in der Physik.

Als der junge König, verdutzt, gelähmt, sah, daß man ihn in ein Zimmer der Bastille führte, stellte er sich Anfangs vor, der Tod sei wie ein Schlaf, er habe seine Träume, das Bett sei in den Boden von Vaux eingesunken, der Tod sei darauf erfolgt, und seinen Traum als König fortsetzend, träume Ludwig eines von den im Leben unmöglichen Gräueln, welche man die Entthronung, die Einkerkerung und die Verletzung eines kurz zuvor noch allmächtigen Königs nennt.

Ein greifbares Gespenst seinem schmerzlichen Leiden beiwohnen; in einem unfaßlichen Geheimniß zwischen der Aehnlichkeit und der Wirklichkeit schwimmen; Alles hören, Alles sehen, ohne einen von den einzelnen Umständen der Agonie zu vermengen, war das nicht, sagte sich der König, eine um so gräßlichere Marter, als sie ewig sein konnte?

»Ist hier das, was man die Ewigkeit, die Hölle nennt?« murmelte Ludwig XlV. in dem Augenblick, wo die Thüre von Baisemeaux selbst hinter ihm geschlossen wurde.


Er schaute nicht einmal umher, und in dieser Stube, an irgend eine Wand angelehnt, ließ er sich durch die furchtbare Voraussetzung seines Todes fortziehen, indem er die Augen schloß, um es zu vermeiden, noch etwas Schlimmeres zu sehen.

»Wie bin ich gestorben?« sagte er halb wahnsinnig zu sich selbst. »Hat man nicht dieses Bett durch ein Kunstwerk hinabsinken lassen? Nein, keine Erinnerung an irgend einen Stoß, an irgend eine Quetschung. Sollte man mich nicht eher im Mahle oder im Dampfe der Wachskerzen vergiftet haben, wie meine Urgroßmutter Johanna d’Albret!«

Plötzlich fiel die Kälte dieser Stube wie ein Mantel auf die Schultern von Ludwig.

»Ich habe.« sprach er, »ich habe meinen Vater in seinem königlichen Gewande auf seinem Bett ausgesetzt gesehen. Dieses bleiche, so ruhige und so eingefallene Gesicht, diese geschickten, nun unempfindlich gewordenen Hände, diese starren Beine, dies Alles verrieth keinen mit Träumen bevölkerten Schlaf. Und dennoch, wie viel Träume mußte nicht Gott diesem Todten schicken! diesem Todten, dem so viele Andere, von ihm in den ewigen Tod befördert, vorangegangen waren!!! Nein, dieser König war noch der König; er thronte noch aus diesem Todtenbette, wie in dem sammetenen Thronsessel, Er hatte nichts von seiner Majestät abgelegt. Gott, der ihn nicht bestraft hatte, kann mich nicht bestrafen, mich, der ich nichts gethan habe.«

Ein seltsames Geräusch erregte die Aufmerksamkeit des jungen Mannes. Er schaute und erblickte aus dem Kamin, unter einem ungeheuren plump al fresco gemalten Christus, eine Ratte von monstruöser Gestalt, welche, während sie einen verständigen und neugierigen Blick aus den neuen Gast der Wohnung heftete, einen Rest harten Brodes zu zerknaupeln beschäftigt war.

Der König hatte Angst; er fühlte einen Ekel und wich, einen gewaltigen Schrei ausstoßend, gegen die Thüre zurück. Und als hätte es dieses seiner Brust entschlüpften Schreis bedurft, damit er sich selbst er, kannte, begriff Ludwig, daß er lebte, daß er vernünftig und mit seinem natürlichen Bewußtsein versehen war.

»Gefangener!« rief er, »ich, Gefangener!« Er suchte mit den Augen eine Glocke, um zu rufen.

»Es gibt keine Glocken in der Bastille,« sagte er, »und in der Bastille bin ich eingeschlossen. Wie bin ich nun zum Gefangenen gemacht worden? Das ist nothwendig eine Verschwörung von Herrn Fouquet. Ich bin in Vaux in eine Falle gelockt worden. Herr Fouquet kann nicht allein bei dieser Sache sein . . . Sein Agent . . . diese Stimme . . . Es war Herr d’Herblay! ich habe ihn erkannt. Colbert hatte Recht. Aber was will Fouquet mit mir? wird er an meiner Stelle regieren? Unmöglich! Wer weiß! . . . « dachte der König düster geworden. »Mein Bruder, der Herzog von Orleans, thut vielleicht gegen mich, was sein ganzes Leben lang mein Oheim gegen meinen Vater thun wollte. Aber die Königin? aber meine Mutter? aber la Vallière? oh! la Vallière! sie würde Madame preisgegeben. Theures Kind! ja, so ist es, man wird sie eingesperrt haben, wie ich selbst eingesperrt bin, Wir sind aus ewig getrennt!«

Und schon bei diesem Gedanken an Trennung brach der Liebende in Seufzer, in Schluchzen, in Schreie aus.

»Es ist ein Gouverneur hier,« fuhr der König wüthend fort. »Ich werde mit ihm sprechen. Rufen wir.«

Er rief. Keine Stimme antwortete aus die seinige.

Er nahm seinen Stuhl und bediente sich desselben, um an die massige eichene Thüre zu klopfen. Das Holz dröhnte aus dem Holz und ließ mehrere unheimliche Echos in den Tiefen der Treppe sprechen; aber kein lebendes Geschöpf antwortete.

Das war für den König ein neuer Beweis von der geringen Achtung, die man ihm in der Bastille zollte. Dann, nach dem ersten Zorn, als er ein vergittertes Fenster bemerkte, durch das eine goldene Raute drang, was die leuchtende Morgenröthe sein mußte, fing Ludwig an zu rufen, Anfangs sanft, dann stark. Es wurde ihm nicht geantwortet.

Zwanzig weiteren Versuchen, die er nach und nach machte, wurde kein besserer Erfolg zu Theil,

Das Blut sing an sich zu empören und stieg dem Fürsten zu Kopf. An das Befehlen gewöhnt, bebte diese Natur vor einem Ungehorsam. Allmälig nahm der Zorn zu. Der Gefangene zerbrach den für seine Hände zu schweren Stuhl und bediente sich desselben wie eines Sturmbockes, um an die Thüre zu stoßen. Er stieß so gewaltig und so oft, daß nach und nach der Schweiß von seiner Stirne floß. Da und dort antworteten hieraus einige unterdrückte Schreie.

Dieses Geräusch brachte aus den König eine seltsame Wirkung hervor. Er hielt inne, um zu horchen. Es waren die Stimmen der Gefangenen, die, einst seine Opfer, heute seine Gefährten. Die Stimmen stiegen wie Dünste durch dicke Plafonds und undurchsichtige Mauern empor. Sie klagten den Urheber dieses Lärms an, wie ohne Zweifel die Seufzer und die Thronen ganz leise den Urheber ihrer Gefangenschaft anklagten. Nachdem er so vielen Leuten die Freiheit geraubt hatte, kam der König zu ihnen, um ihnen auch den Schlaf zu rauben.

Dieser Gedanke hätte ihn beinahe wahnsinnig gemacht. Er verdoppelte seine Kräfte oder vielmehr seinen Willen, der gierig darnach trachtete, eine Aufklärung oder einen Schluß zu erhalten. Der Stuhl begann wieder seinen Dienst. Nach einer Stunde hörte Ludwig etwas im Gange vor seiner Thüre, und ein heftiger Schlag der Erwiederung an diese Thüre selbst machte seine Stöße aufhören.

»Ah! seid Ihr verrückt?« rief eine rauhe, plumpe Stimme. »Was kommt Euch diesen Morgen an?«

Diesen Morgen, dachte der König erstaunt.

Dann fragte er höflich:

»Mein Herr, seid Ihr der Gouverneur der Bastille?«

»Mein Braver, es spukt heute in Eurem Gehirn,« antwortete die Stimme, »doch das ist kein Grund, einen solchen Lärm zu machen. Alle Wetter! schweigt.«

»Seid Ihr der Gouverneur?« fragte der König abermals.

Eine Thüre schloß sich wieder. Der Kerkermeister war weggegangen, ohne nur ein Wort mehr zu erwiedern.

Als der König die Gewißheit hatte, daß er weggegangen, da kannte sein Zorn keine Grenzen mehr. Behende wie ein Tiger sprang er vom Tisch an das Fenster und rüttelte am Gitter. Er stieß eine Scheibe hinaus, deren Scherben mit tausendfachem harmonischem Geklirre in die Höfe fielen. Er schrie, daß er heiser wurde: »Der Gouverneur! der Gouverneur!« Dieser Anfall dauerte eine Stunde, was eine Periode des hitzigen Fiebers war.

Die Haare verwirrt und an seine Stirne geklebt, seine Kleider zerrissen und weiß gemacht, seine Wäsche in Fetzen, hörte der König nicht eher aus, als bis seine Kräfte erschöpft waren, und dann erst begriff er die unbarmherzige Dicke dieser Mauern, die Undurchdringlichkeit dieses Mörtels, der für jeden andern Versuch, als den der Zeit, welche die Verzweiflung zum Werkzeug hat, unbesiegbar war.

 

Er drückte seine Stirne an die Thüre und ließ sein Herz allmälig sich beruhigen. Ein Schlag mehr hätte es zerspringen gemacht.

»Es wird ein Augenblick kommen,« sagte er, »wo man mir die Nahrung bringt, die man allen Gefangenen gibt. Ich werde dann Jemand sehen, ich werde sprechen, man wird mir antworten.«

Und der König suchte in seinem Gedächtniß, zu welcher Stunde das erste Mahl der Gefangenen in der Bastille stattfand. Er wußte selbst diesen Umstand nicht. Es war ein dumpfer, grausamer Dolchstich, dieser Gewissensbiß, fünf und zwanzig Jahre gelebt zu haben, als König und glücklich gelebt zu haben, ohne an Alles das zu denken, was ein Unglücklicher leidet, den man ungerechter Weise seiner Freiheit beraubt. Der König erröthete vor Scham. Er fühlte, daß Gott, indem er diese schreckliche Demüthigung gestattete, nur einem Menschen die Marter zurückgab, die dieser Mensch so vielen Anderen auferlegt hatte.

Nichts konnte wirksamer sein, um diese durch das Gefühl der Schmerzen niedergeschmetterte Seele zur Religion zurückzuführen. Aber Ludwig wagte es nicht einmal, niederzuknieen, um zu Gott zu beten und ihn um das Ende dieser Prüfung anzuflehen.

»Gott thut wohl,« sagte er, »Gott hat Recht. Es wäre feig von mir, von Gott zu verlangen, was ich so oft meines Gleichen verweigert habe.«

Er war so weit in seinen Betrachtungen, das heißt in seinem Seelenkampfe, als dasselbe Geräusch vor seiner Thüre hörbar wurde. Diesmal aber gefolgt vom Knirschen der Schlüssel und dem Klirren der in den Schließkappen spielenden Riegel. Der König machte einen Sprung vorwärts, um sich demjenigen zu nähern, welcher eintreten würde: sogleich aber bedenkend, es wäre dies eine eines Königs unwürdige Bewegung, blieb er stehen, nahm eine edle und ruhige Haltung au, was ihm leicht war, und wartete, den Rücken dem Fenster zugekehrt, um seine Aufregung ein wenig vor den Blicken des Ankommenden zu verbergen.

Es war nur ein Schließer mit einem Korbe voll Lebensmittel.

Der König schaute diesen Menschen mit einer gewissen Unruhe an: er erwartete, daß er reden würde.

»Ah!« sprach der Schließer, »Ihr habt Euren Stuhl zerbrochen. Ich sagte es wohl. Doch Ihr müßt rasend geworden sein.«

»Mein Herr,« erwiederte der König, »gebt wohl Acht auf Alles, was Ihr sagen werdet; es ist für Euch von einem sehr ernsten Interesse.«

Der Schließer stellte seinen Korb aus den Tisch und schaute Ludwig an.

»Was meint Ihr?« fragte er erstaunt.

»Laßt mir den Gouverneur herauskommen,« fügte der König mit einem edlen Wesen bei.

»Ei! mein Kind,« versetzte der Schließer, »Ihr seid immer vernünftig gewesen, doch die Narrheit macht boshaft, und wir wollen Euch warnen: Ihr habt Euren Stuhl zerbrochen und Lärm gemacht, das ist ein Vergehen, das mit dem finstern Loch bestraft wird. Versprecht mir, nicht wieder anzufangen, und ich werde dem Gouverneur nichts sagen.«

»Ich will den Gouverneur sehen,« erwiederte der König, ohne eine Miene zu verziehen.

»Nehmt Euch in Acht, er läßt Euch ins schwarze Loch stecken.«

»Ich will! versteht Ihr mich?«

»Ah! Euer Auge wird wieder stier. Gut! ich nehme Euch Euer Messer.«

Der Schließer that, was er sagte, schloß die Thüre, ging weg und ließ den König mehr erstaunt, mehr unglücklich, mehr allein, als je, zurück.

Vergebens begann er wieder das Spiel mit dem Stuhlfuß; vergebens schleuderte er Platten und Teller durch die Fenster: nichts antwortete ihm mehr.

Zwei Stunden nachher war es nicht mehr ein König, ein Edelmann, ein Mensch, ein Gehirn, es war ein Wahnsinniger, der sich die Nägel an den Thüren zerschund, den Boden auszureißen versuchte und so furchtbare Schreie ausstieß, daß die alte Bastille bis in ihren Grundfesten zu erbeben schien, weil sie es gewagt, sich gegen ihren Herrn zu empören.

Der Gouverneur ließ sich nicht im Geringsten stören. Die Schließer und die Schildwachen machten ihre Meldung, doch wozu nützte es? Waren die Narren nicht etwas Gewöhnliches in der Festung, und waren die Mauern nicht stärker, als die Narren?

Durchdrungen von Allem dem, was ihm Aramis gesagt hatte, und vollkommen in der Ordnung mit seinem königlichen Befehl, wünschte Herr von Baisemeaux nur Eines: der Narr Marchiali möchte Narr genug sein, um sich ein wenig an seinem Betthimmel oder an einer von den Stangen seines Gitters auszuhängen.

Dieser Gefangene trug in der That nicht viel ein und wurde lästiger, als in früherer Zeit. Die Verwickelungen mit Seldon und Marchiali, mit der Befreiung und der Wiedereinsperrung, mit dieser Aehnlichkeit, hätten eine sehr bequeme Lösung gefunden. Baisemeaux glaubte sogar bemerkt zu haben, dies würde Herrn d’Herblay nicht zu sehr mißfallen.

»Und dann, in der That,« sagte Baisemeaux zu seinem Major, »ein gewöhnlicher Gefangener ist schon unglücklich genug, daß er Gefangener ist; er leidet genug, daß man ihm mildherziger Weise den Tod wünschen kann. Um so viel mehr, wenn dieser Gefangene verrückt geworden ist und beißen und Lärm machen kann; dann ist es wahrhaft Menschenfreundlich, wenn man ihm den Tod wünscht; es wäre ein gutes Werk, ihn nach und nach aufhören zu machen.«

Hiernach nahm der gute Gouverneur sein zweites Frühstück ein.

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