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Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3

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XXXII.
Der Rat

Der König trat nach seiner Gewohnheit lebhaft und zugleich schwerfällig ein.

Er hatte eine geschäftige, neugierige Miene, die seltsam mit der eisigen Strenge in der Haltung der Königin kontrastierte.

Die frische Farbe hatte den König nicht verlassen. Er war frühzeitig aufgestanden, und das Gefühl guter Gesundheit, das er mit der Morgenluft eingeschlürft, machte ihn ganz stolz; er atmete geräuschvoll und trat mit dem Fuß sehr kräftig auf dem Boden auf.

»Der Doktor?« sagte er, »was ist aus dem Doktor geworden?«

»Guten Tag, Sire. Wie geht es Ihnen heute? Sind Sie sehr müde?«

»Ich habe sechs Stunden geschlafen, das ist meine Zeit. Ich befinde mich sehr wohl. Der Geist ist scharf. Sie sind ein wenig bleich, Madame. Der Doktor, man hat mir gesagt, Sie haben ihn zu sich gerufen?«

»Hier ist der Doktor Gilbert,« erwiderte die Königin, während sie die Fenstervertiefung enthüllte, in welcher der Doktor bis zu diesem Augenblick verborgen gewesen war.

Die Stirne des Königs klärte sich sogleich auf.

»Ah! ich vergaß!« sagte er. »Sie haben den Doktor gerufen; Sie sind also leidend.«

Die Königin errötete.

»Sie erröten?« rief Ludwig XVI.

Sie wurde purpurrot.

»Abermals ein Geheimnis?« sagte der König.

»Welches Geheimnis, mein Herr?« unterbrach ihn die Königin mit Stolz.

»Sie verstehen mich nicht, ich sage Ihnen, Sie, die Sie Ihre Lieblingsärzte haben, konnten den Doktor Gilbert nicht rufen, ohne den bewußten Wunsch  . . .«

»Welchen Wunsch meinen Sie?«

»Den, es immer zu verbergen, wenn Sie leiden.«

»Ah!« machte die Königin, ein wenig beruhigt.

»Ja,« fuhr Ludwig XVI. fort, »doch nehmen Sie sich in acht, Herr Gilbert gehört zu meinen Vertrauten, und wenn Sie ihm etwas erzählen, so wird er es mir berichten.«

Gilbert lächelte.

»Was das betrifft, nein, Sire,« sagte er.

»Gut, so verdirbt die Königin meine Leute!«

Marie Antoinette ließ jenes kurze erstickte Lachen hören, das nur bedeutet, daß man das Gespräch abbrechen will, oder daß man es sehr langweilig findet.

Gilbert begriff, der König begriff nicht.

»Hören Sie, Doktor, sprach er, da es die Königin belustigt, erzählen Sie mir, was sie Ihnen sagte.«

»Ich fragte den Doktor,« unterbrach ihn Marie Antoinette, »warum Sie ihn so frühzeitig gerufen haben. Ich gestehe in der That, daß seine Gegenwart in Versailles schon am frühen Morgen mich neugierig macht und beunruhigt.«

»Ich erwartete den Doktor, um über Politik mit ihm zu reden,« erwiderte der König, während seine Miene sich verfinsterte.

»Ah! sehr gut,« sprach die Königin.

Und sie setzte sich, als wollte sie zuhören.

»Kommen Sie, Doktor,« sagte der König, »indem er sich nach der Thüre wandte.«

Gilbert verbeugte sich tief vor der Königin und schickte sich an, Ludwig XVI. zu folgen.

»Wohin gehen Sie?« rief die Königin; »wie! Sie entfernen sich?«

»Wir haben nicht über sehr heitere Dinge zu reden, Madame, und es ist besser, wir machen der Königin eine Sorge weniger.«

»Sie nennen Sorgen Schmerzen!« rief majestätisch die Königin.

»Ein Grund mehr, meine Teure.«

»Bleiben Sie, ich will es haben,« sprach Marie Antoinette. »Herr Gilbert, ich denke, Sie werden mir nicht ungehorsam sein.«

»Herr Gilbert!« rief der König sehr unwillig.

»Nun! was?«

»Ei! Herr Gilbert! der mir einen Rat geben, der frei und nach seinem Gewissen mit mir sprechen sollte, Herr Gilbert wird hier Anstand nehmen.«

»Warum denn?« versetzte die Königin.

»Weil Sie da sein werden, Madame.«

Gilbert machte eine eigentümliche Geberde, der die Königin sogleich eine wichtige Bedeutung beilegte.

»In welcher Hinsicht,« sagte sie, um ihn zu unterstützen, »in welcher Hinsicht wird Herr Gilbert Gefahr laufen, mir zu mißfallen, wenn er nach seinem Gewissen spricht?«

»Das ist leicht zu begreifen, Madame,« erwiderte der König: »Sie haben Ihre eigene Politik; sie ist nicht immer die unsre  . . . so daß  . . .«

«So daß Herr Gilbert – Sie sagen mir das klar – in seinen Ansichten sehr weit von meiner Politik abweicht.«

»Nach den Ideen, Madame, die Eure Majestät als die meinigen kennt, ist das nicht anders möglich. Nur darf Eure Majestät versichert sein, daß ich die Wahrheit eben so frei vor ihr, als in Gegenwart des Königs allein sagen werde.

»Ah! das ist schon etwas,« sprach Marie Antoinette.

»Die Wahrheit ist nicht immer gut zu sagen,« murmelte Ludwig XVI.

»Wenn sie nützlich ist?« versetzte Gilbert.

»Oder auch nur auf einer guten Absicht beruht,« fügte die Königin bei.

»Was das betrifft, so werden wir nicht daran zweifeln,« sprach der König. »Doch wenn Sie vernünftig wären, Madame, so würden Sie dem Doktor die volle Redefreiheit lassen, die mir gegenwärtig Bedürfnis ist.«

»Sire,« erwiderte Gilbert, »da die Königin die Wahrheit selbst herausfordert, da ich weiß, daß der Geist Ihrer Majestät edel und mächtig genug ist, um sie nicht zu fürchten, so spreche ich lieber vor meinen beiden Souveräns.«

»Sire,« sagte die Königin, »ich bitte darum.«

»Ich hege Vertrauen zu der Weisheit Eurer Majestät,« sprach Gilbert, indem er sich vor der Königin verbeugte. »Es handelt sich um das Glück und den Ruhm Seiner Majestät des Königs.«

»Sie haben recht, wenn Sie Vertrauen hegen,« versetzte die Königin. »Fangen Sie an, mein Herr.«

»Alles das ist sehr schön,« entgegnete der König, »der seiner Gewohnheit nach hartnäckig wurde; aber die Frage ist zarter Natur, und ich weiß, Madame, daß Sie in Bezug auf meine Person mich sehr beengen werden.«

Die Königin konnte sich einer Bewegung der Ungeduld nicht erwehren; sie stand auf und setzte sich dann wieder, ihren raschen, kalten Blick in den Geist des Doktor tauchend.

Ludwig XVI., als er sah, daß ihm kein andres Mittel blieb, um der ordentlichen und außerordentlichen Folter zu entgehen, setzte sich mit einem schweren Seufzer in einen Lehnstuhl Gilbert gegenüber.

»Um was handelt es sich?« fragte die Königin, nachdem sich diese Art Ratsversammlung konstituiert und installiert hatte.

Gilbert schaute den König zum letztenmal an, als wollte er ihn um Vollmacht bitten, ohne Zwang sprechen zu dürfen.

»Immerzu, mein Gott, immerzu, mein Herr, da es die Königin will,« sagte Ludwig XVI.

»Wohl denn, Madame,« sagte der Doktor, »ich werde mit wenigen Worten Eure Majestät von dem Zwecke meines frühzeitigen Besuches in Versailles unterrichten. Ich kam, um Seiner Majestät zu raten, sich nach Paris zu begeben.«

Ein Funke, der auf die vierhundert Centner Pulver, die damals das Stadthaus enthielt, gefallen wäre, hätte nicht die Explosion hervorgebracht, die diese Worte im Herzen der Königin bewirkten.

»Der König nach Paris! der König! ah!«

Und sie stieß einen Schrei des Entsetzens aus, der Ludwig XVI. beben machte.

»Da haben Sie es,« sprach der König, Gilbert anschauend; »was sagte ich Ihnen, Doktor?«

»Der König,« fuhr Marie Antoinette fort, »der König in einer Stadt, die in der Empörung begriffen ist! Der König mitten unter Heugabeln und Sensen! Der König unter diesen Menschen, welche die Schweizer niedergemetzelt, Herrn de Launay und Herrn von Flesselles ermordet haben! der König über den Platz vor dem Stadthause hinschreitend und im Blute seiner Verteidiger watend!  . . . Sie sind ein Wahnsinniger, mein Herr, daß Sie so gesprochen! Oh! ich wiederhole Ihnen, Sie sind ein Wahnsinniger.«

Gilbert schlug die Augen nieder wie ein Mensch, den der Respekt zurückhält; doch er erwiderte nicht ein Wort.

Bis in die Tiefe seiner Seele bewegt, drehte sich der König in seinem Lehnstuhle hin und her, wie ein Gefolterter auf dem Rost der Inquisitoren.

»Ist es möglich!« fuhr die Königin fort, »ist es möglich, daß eine solche Idee in einem verständigen Kopf, in einem französischen Herzen Raum gefunden hat? Wie, mein Herr, Sie wissen also nicht, daß Sie mit dem Nachfolger des heiligen Ludwig, mit dem Urenkel von Ludwig XIV. sprechen?«

Der König stieß mit dem Fuß auf den Teppich.

»Ich denke indessen nicht,« fuhr Marie Antoinette abermals fort, ich denke nicht, daß Sie den König des Beistands seiner Garden und seines Heeres berauben wollen; daß Sie ihn aus seinem Palaste, der eine Festung ist, zu locken suchen, um ihn allein und nackt seinen erbittertsten Feinden preiszugeben; Sie haben nicht den Wunsch, den König ermorden zu lassen, nicht wahr, Herr Gilbert?«

»Wenn ich glauben könnte, Eure Majestät hege nur einen Augenblick den Gedanken, ich sei eines solchen Verrates fähig, so wäre ich nicht ein Wahnsinniger, sondern würde mich als einen Elenden betrachten. Doch, Gott sei Dank, Sie glauben das ebensowenig als ich; nein, ich bin gekommen, um meinem König einen Rat zu geben, weil ich den Rat für gut und sogar für besser als jeden andern halte.«

Die Königin preßte ihre Finger auf ihrer Brust so krampfhaft zusammen, daß der Batist unter dem Drucke krachte.

Mit einer leichten Bewegung der Ungeduld zuckte der König die Achseln.

»Um Gottes willen!« sagte er, »hören Sie ihn doch an, Madame; es wird immer noch Zeit sein, nein zu sagen, wenn Sie ihn gehört haben.«

»Der König hat recht, Madame,« sprach Gilbert; »denn was ich Eurer Majestät zu sagen habe, wissen Sie nicht; Sie glauben sich inmitten einer sicheren, ergebenen Armee, einer Armee, bereit, für Sie zu sterben – Irrtum; unter den französischen Regimentern konspiriert die Hälfte mit den Männern der Wiedergeburt für die revolutionäre Idee.«

»Mein Herr,« rief die Königin, »nehmen Sie sich in acht. Sie beschimpfen die Armee.«

»Ganz im Gegenteil, Madame,« erwiderte Gilbert, »ich spende ihr Lob. Man kann seinen König achten und seinem König ergeben sein, während man zugleich sein Vaterland liebt und der Freiheit ergeben ist»«

 

Die Königin schleuderte auf Gilbert einen Blick, ähnlich dem flammenden Blitz.

»Mein Herr,« rief sie, »diese Sprache  . . .«

»Ja, diese Sprache verletzt Sie, Madame, ich begreife das; denn aller Wahrscheinlichkeit nach hört sie Eure Majestät zum ersten Mal.«

»Man wird sich wohl daran gewöhnen müssen,« murmelte Ludwig XVI. mit dem fügsamen, gesunden Verstand, der seine Hauptstärke bildete.

»Nie!« rief Marie Antoinette, »nie!«

»Hören Sie doch! hören Sie!« rief der König; »ich finde, daß das, was der Doktor sagt, ganz vernünftig ist.«

Die Königin setzte sich zitternd nieder.

Gilbert fuhr fort:

»Ich sagte, Madame, ich habe Paris gesehen, und Sie haben nicht einmal Versailles gesehen. Wissen Sie, was Paris in diesem Augenblick thun will?«

»Nein,« erwiderte der König unruhig.

»Es will vielleicht nicht zum zweitenmal die Bastille nehmen,« versetzte die Königin mit Verachtung.

»Sicherlich nicht, Madame,« erwiderte Gilbert; »aber Paris weiß, daß es eine andre Festung zwischen dem Volke und seinem König giebt. Paris hat im Sinne, die Abgeordneten der zwanzig Bezirke, die es bilden, zu versammeln und diese Abgeordneten nach Versailles zu schicken.«

»Sie mögen kommen, sie mögen kommen,« rief die Königin mit einer wilden Freude. »Oh! sie werden hier gut empfangen werden.«

»Warten Sie, Madame,« entgegnete Gilbert, »und nehmen Sie sich in acht, diese Abgeordneten werden nicht allein kommen.«

»Und mit wem werden sie kommen?«

»Sie werden kommen, unterstützt von zwanzigtausend Mann Nationalgarde.«

»Nationalgarde!« versetzte die Königin, »was ist das?«

»Oh! Madame, sprechen Sie nicht so leicht von diesem Institut, es wird eines Tags eine Macht werden, es wird binden und lösen.«

»Zwanzigtausend Mann!« rief der König.

»Ei! mein Herr,« sprach die Königin, »Sie haben hier zehntausend Mann, die soviel wert sind, als hunderttausend Empörer. Rufen Sie sie, sage ich Ihnen; die zwanzigtausend Schurken werden hier die Bestrafung und das Beispiel finden, wie es dieser ganze revolutionäre Auswurf nötig hat, den ich in acht Tagen ausfegen würde, wenn man nur eine Stunde auf mich hören wollte.«

Gilbert schüttelte traurig den Kopf und erwiderte:

»Oh! Madame, wie täuschen Sie sich, oder wie hat man Sie vielmehr getäuscht. Ach! ach! bedenken Sie, den Bürgerkrieg durch eine Königin herausgefordert! Eine einzige hat das gethan, und sie hat den gräßlichen Beinamen: die Fremde mit ins Grab genommen.«

»Herausgefordert, von mir, mein Herr, wie verstehen Sie das? Habe ich ohne Herausforderung gegen die Bastille geschossen?«

»Ei! Madame,« sagte der König, »statt zur Gewaltthätigkeit zu raten, hören Sie zuerst die Vernunft!«

»Die Schwäche!«

»Hören Sie, Antoinette, hören Sie,« sprach der König mit strengem Tone, »die Ankunft von zwanzigtausend Mann, die man wird hier mit Kartätschen niederschießen müssen, ist keine geringfügige Sache.«

Dann sich an Gilbert wendend:

»Fahren Sie fort, – mein Herr.«

»Alle diese Gehässigkeiten, die sich durch die Entfernung erhitzen, alle diese Prahlereien, die bei Gelegenheit Mut werden; all dieses Gemenge einer Schlacht, deren Ausgang unsicher ist, ersparen Sie es dem König und sich selbst, Madame, sprach der Doktor; Sie können durch die Milde diese Ankunft zerstreuen, die Ihre Gewaltthätigkeiten vielleicht verstärken werden. Die Menge will zum König ziehen; kommen wir ihr zuvor, lassen Sie den König zu der Menge gehen; lassen Sie ihn umgeben, wie er es heute von seinem Heere ist, morgen eine Probe von Kühnheit und politischem Geist ablegen. Diese zwanzigtausend Mann, von denen wir sprechen, könnten vielleicht den König erobern. Lassen wir den König allein diese zwanzigtausend Mann erobern, denn diese zwanzigtausend Mann, Madame, die sind das Volk.«

Der König konnte sich nicht enthalten, ein Zeichen des Beifalls zu geben, das Marie Antoinette nicht entging.

»Unglücklicher,« sagte sie zu Gilbert, »Sie wissen also nicht, was die Gegenwart des Königs in Paris, unter den Bedingungen, wie Sie es verlangen, wird besagen wollen? Das will besagen: Ich billige  . . . das will besagen: Ihr habt wohl daran gethan, meine Schweizer zu töten  . . . das will besagen; Ihr habt wohl daran gethan, meine Offiziere niederzumetzeln, meine schöne Hauptstadt mit Feuer und Schwert zu verheeren; Ihr habt wohl daran gethan, mich zu entthronen! Ich danke, meine Herren, ich danke.«

Und ein verächtliches Lächeln zog über die Lippen von Marie Antoinette.

»Nein, Madame,« erwiderte Gilbert, »Eure Majestät täuscht sich, das wird nichts andres besagen, als: der Schmerz des Volkes hat einige Gerechtigkeit für sich. Ich habe verziehen, ich bin das Haupt und der König; ich bin an der Spitze der Revolution, wie sich einst Heinrich III. an die Spitze der Ligue gestellt hat. Eure Generale sind meine Offiziere; Eure Nationalgarden meine Soldaten; Eure Behörden meine Geschäftsführer; statt mich anzutreiben, folgt mir, wenn Ihr könnt. Die Größe meines Schrittes wird abermals beweisen, daß ich der König von Frankreich, der Nachfolger von Karl dem Großen bin.

»Er hat recht,« sagte der König traurig.

»Oh!« rief die Königin, »ich flehe Sie an, hören Sie diesen Mann nicht, dieser Mann ist Ihr Feind.«

»Madame,« sprach Gilbert, »Seine Majestät wird Ihnen selbst sagen, was sie von meinen Worten denkt.«

»Ich denke, mein Herr, daß Sie bis jetzt der einzige gewesen sind, der es gewagt hat, mir die Wahrheit zu sagen,« versetzte der König.

»Die Wahrheit!« rief die Königin. »Oh! was sagen Sie mir da, großer Gott!«

»Ja, Madame,« sprach Gilbert, »und glauben Sie, die Wahrheit ist in diesem Augenblicke die einzige Fackel, deren Licht es verhindern kann, daß der Thron und das Königtum nicht in den Abgrund rollen.«

Nachdem er so gesprochen, verbeugte sich Gilbert demütig bis auf die Kniee vor Marie Antoinette.

XXXIII.
Die Entscheidung

Zum ersten Male schien die Königin tief bewegt zu sein. War es von der Vernunftsprache des Doktors, war es von seiner Demut? Der König war mit einer entschlossenen Miene aufgestanden. Aber gewohnt, nichts zu thun, ohne die Königin um Rat zu fragen, sagte er zu dieser:

»Madame, billigen Sie  . . .«

»Ich muß es wohl, mein Herr,« antwortete Marie Antoinette.

»Ich verlange von Ihnen diese Verleugnung nicht, Madame,« sagte der König ungeduldig. »Ich verlange von Ihnen eine Ueberzeugung, welche die meinige bestärkt.«

»Sie verlangen von mir eine Ueberzeugung? Oh! wenn es nur das ist, ich bin überzeugt, mein Herr.«

»Von was?«

»Davon, daß der Augenblick gekommen ist, der aus der Monarchie den beklagenswertesten und erniedrigendsten Stand machen wird, den es auf der Welt giebt.«

»Oh!« sagte der König, »Sie übertreiben. Beklagenswert, das will ich zugeben, aber erniedrigend, das ist unmöglich.«

»Mein Herr, es ist Ihnen von den Königen, Ihren Ahnen, ein trauriges Erbe vermacht worden,« sprach düster Marie Antoinette.

»Ja,« sagte Ludwig XVI., »ein Erbe, das ich Sie zu meinem Schmerze teilen lasse, Madame.«

»Wollen Sie erlauben Sire,« versetzte Gilbert, den im Grunde seines Herzens Mitleid mit diesen gefallenen Fürsten ergriff; »ich glaube nicht, daß Eure Majestät Ursache hat, die Zukunft so entsetzlich anzusehen, als sie sagt. Eine despotische Monarchie hat aufgehört, eine konstitutionelle Regierung beginnt.«

»Ei! mein Herr,« sprach der König, »bin ich denn der Mann, den Frankreich braucht, um eine solche Regierung zu gründen?«

»Warum nicht, Sire?« versetzte die Königin, ein wenig gestärkt durch die Worte Gilberts.

»Madame,« sagte der König, »ich bin ein Mann von gutem Verstand und ein unterrichteter Mann. Ich sehe klar, statt trübe zu sehen, und ich weiß genau, was ich alles nicht zu wissen brauche, um dieses Land zu regieren. Von dem Tage an, wo man mich von der Unverletzlichkeit der absoluten Fürsten herabstürzt, – von dem Tage an, wo man in mir den einfachen Menschen entblößt läßt, verliere ich die ganze scheinbare Stärke, die allein für die Regierung Frankreichs nötig war, wie sich, genau genommen, Ludwig XIII., Ludwig XIV. und Ludwig XV. durchaus und nur mittelst dieser scheinbaren Stärke erhalten haben. Was brauchen die Franzosen heute? Einen Herrn. Ich fühle mich nur fähig, ein Vater zu sein. Was brauchen die Revolutionäre? Ein Schwert. Ich fühle nicht die Kraft in mir, zu schlagen.«

»Sie fühlen nicht die Kraft in sich, zu schlagen,« rief die Königin,»Leute zu schlagen, welche die Güter Ihrer Kinder rauben, und alle Kleinodien der Krone Frankreichs, eines nach dem andern, auf Ihrer Stirne zerbrechen wollen?«

»Was werde ich antworten?« sagte ruhig Ludwig XVI.; »werde ich Nein antworten? Ich werde abermals Stürme bei Ihnen hervorrufen, die mich in meinem Leben stören. Sie vermögen zu hassen! Oh! desto besser für Sie; Sie vermögen sogar ungerecht zu sein, ich mache Ihnen das nicht zum Vorwurf, das ist eine ungeheure Eigenschaft bei Herrschern.«

»Würden Sie mich zufällig ungerecht gegen die Revolution finden?« sprechen Sie.

»Bei meiner Treue, ja.«

»Sie sagen ja, Sire, Sie sagen ja?«

»Wenn Sie eine einfache Bürgerin wären, meine liebe Antoinette, so würden Sie nicht sprechen, wie Sie es thun.«

»Ich bin es nicht.«

»Darum entschuldige ich Sie; doch das will nicht heißen, daß ich Ihre Ansicht billige. Nein, Madame, nein, fügen Sie sich; wir sind in einem Augenblicke des Sturms auf den Thron von Frankreich gekommen; wir müßten die Kraft haben, den mit Sensen bewaffneten Karren, den man die Revolution nennt, vorwärts zu stoßen, und an dieser Kraft fehlt es uns.«

»Das ist gerade schlimm!« rief Marie Antoinette, »denn er wird über unsre Kinder hinfahren.«

»Ach! ich weiß es; doch wir werden ihn nicht vorwärts stoßen?«

»Wir werden ihn zurückweichen machen, Sire.«

»Oh!« versetzte Gilbert mit einem tiefen Ausdruck, »nehmen Sie sich in acht, Madame, zurückweichend wird, er Sie zermalmen.«

»Mein Herr,« sagte die Königin ungeduldig, »ich bemerke, daß Sie die Freimütigkeit Ihrer Ratschläge weit treiben.«

»Ich werde schweigen, Madame.«

»Ei! mein Gott, Madame, lassen Sie ihn doch sprechen,« rief der König, »wenn er das, was er Ihnen da verkündigt, nicht in zwanzig Blättern gelesen hat, die es seit acht Tagen sagen, so hat er es nicht lesen wollen. Wissen Sie ihm wenigstens Dank, daß er die Wahrheit seines Wortes nicht in Bitterkeit hüllt.«

Marie Antoinette schwieg eine Zeit lang.

Dann sprach sie mit einem schmerzlichen Seufzer:

»Ich fasse mich kurz oder ich wiederhole mich vielmehr: gehen Sie aus eigenem Antrieb nach Paris, so sanktionieren Sie dadurch alles, was geschehen ist.«

»Ja,« sprach der König, »ich weiß es wohl.«

»Sie demütigen, Sie verleugnen Ihr Heer, das Sie zu verteidigen sich anschickte.«

»Es wird aber dadurch das französische Blut gespart.«

»Sie erklären, daß fortan der Aufruhr und die Gewaltthat dem Willen des Königs die den Aufrührern und Verrätern beliebige Richtung geben können.«

»Madame, ich glaube, Sie haben vorhin die Güte gehabt, zu gestehen, ich sei so glücklich gewesen, Sie zu überzeugen.«

»Ja, vorhin, ich gestehe es, hat sich eine Ecke des Schleiers vor mir erhoben. Jetzt, mein Herr, oh! jetzt werde ich wieder blind, wie Sie sagen, und ich will lieber in meinem Innern die Herrlichkeiten sehen, an die mich die Erziehung, die Überlieferung, die Geschichte gewöhnt haben; ich will mich immer lieber als Königin sehen, als eine schlechte Mutter für dieses Volk sein, das mich beleidigt und haßt.«

»Antoinette! Antoinette!« rief Ludwig XVI., erschrocken über die plötzliche Blässe, die sich der Wangen der Königin bemächtigte, was nichts andres war, als das Vorzeichen eines heftigen Zornausbruches.

»Oh! nein, nein, Sire, ich werde sprechen,« erwiderte die Königin.

»Nehmen Sie sich in acht, Madame,« sagte Ludwig XVI., während er sie durch einen Augenwink aufmerksam machte auf die Anwesenheit des Doktors.

»Ei! der Herr weiß alles, was ich sagen werde. Er weiß sogar, was ich denke,« fügte sie mit einer bitteren Erinnerung an die Szene bei, die kurz zuvor zwischen ihr und Gilbert stattgefunden hatte; »warum sollte ich mir also Zwang anthun? Ueberdies haben wir den Herrn als einen Vertrauten aufgenommen, und so wüßte ich nicht, warum ich etwas fürchten sollte! Ich weiß aber, daß man Sie entführt, fortreißt, Sire. Wohin gehen Sie  . . . Ich weiß es nicht; doch Sie gehen dahin, von wo Sie nie mehr zurückkommen werden!«

»Ei, nein, Madame, ich gehe ganz einfach nach Paris,« antwortete Ludwig XVI.

 

Marie Antoinette zuckte die Achseln.

»Halten Sie mich für toll?« sagte sie mit einer dumpf gereizten Stimme. »Sie gehen nach Paris; gut. Doch wer sagt Ihnen, Paris sei nicht der Schlund, den ich nicht sehe, aber errate? Warum sollte man Sie in dem Tumult, der notwendig um Sie her stattfinden wird, nicht töten? Wer weiß, woher die verlorne Kugel kommt? wer kennt unter hunderttausend drohenden Fäusten eben diejenige, die den Stoß mit dem Dolch geführt hat?«

»Oh! von dieser Seite fürchten Sie nichts, Madame, sie lieben mich,« rief der König.

»Oh! sagen Sie mir das nicht, Sie würden mein Mitleid erregen, Sire. Sie lieben Sie und töten und erwürgen und schlachten diejenigen, welche auf Erden in Ihrem Namen, in des Königs Namen handeln! Sie, Sie sind das Ebenbild Gottes! Der Gouverneur der Bastille, das war Ihr Vertreter, das war das Ebenbild des Königs. Glauben Sie mir, ich werde mich nicht der Übertreibung beschuldigen lassen: wenn sie de Launay, diesen brauen und treuen Diener getötet haben, so hätten sie, wären Sie an de Launays Statt in ihrer Gewalt gewesen, auch den König getötet, und zwar noch leichter als ihn, denn sie kennen Sie und wissen, daß Sie, statt sich zu verteidigen, ihnen die Seite dargeboten hätten.«

»Machen Sie Ihren Schluß,« sprach der König.

»Ich glaube ihn gemacht zu haben, Sire.«

»Sie werden mich töten?«

»Ja, Sire.«

»Nun!«

»Und meine Kinder?« rief die Königin.

Gilbert dachte, es sei Zeit, dazwischen zu treten.

»Madame,« sagte er, »der König wird dergestalt in Paris geachtet, und seine Gegenwart wird dort ein solches Entzücken bereiten, daß ich, wenn ich je etwas befürchte, nichts für den König, sondern für die Fanatiker fürchte, welche imstande sind, sich unter den Füßen seiner Pferde zertreten zu lassen.«

»Oh, mein Herr, mein Herr!« rief Marie Antoinette.

»Dieser Zug nach Paris wird ein Triumphzug sein, Madame.«

»Aber, Sire, Sie antworten nicht.«

»Weil ich ein wenig der Ansicht des Doktors bin, Madame.«

»Und nicht wahr, es drängt Sie die Ungeduld, diesen Triumph zu genießen?«

»Der König hätte in diesem Falle recht, und seine Ungeduld würde beweisen, mit welch tief richtigem Sinn Seine Majestät die Menschen und die Dinge beurteilt. Je mehr Seine Majestät sich beeilen wird, desto größer wird der Triumph sein.«

»Ja, Sie glauben das, mein Herr?«

»Ich bin dessen sicher, denn wenn er zögert, kann der König den ganzen Vorteil der Freiwilligkeit verlieren. Bedenken Sie wohl, Madame, man kann anderswo den Anfang mit einer Bitte machen, die dann in den Augen der Pariser die Stellung Seiner Majestät verändern und sie gleichsam einem Befehle würde nachkommen lassen.«

»Sie sehen,« rief die Königin, »der Doktor gesteht: man würde Ihnen befehlen. Oh! Sire, sehen Sie doch!«

»Der Doktor sagte nicht, man habe befohlen, Madame.«

»Geduld! Geduld! verlieren Sie die Zeit, und die Bitte oder vielmehr der Befehl wird kommen.«

Gilbert preßte seine Lippen mit einem Gefühle des Ärgers leicht zusammen, was die Königin, wie schnell sich auch die verdrießliche Miene wieder verzog, dennoch sogleich bemerkte.

»Was habe ich gesagt!« murmelte sie, »ich arme Wahnsinnige, die ich bin, ich habe gegen mich selbst gesprochen.«

»Worin, Madame?« fragte der König.

»Darin, daß ich durch einen Aufschub Ihnen den Vorteil entreiße, den ersten freiwilligen Schritt zu thun, und dennoch nicht davon ablassen kann, einen Aufschub von Ihnen zu fordern.«

»Oh! Madame! Madame! verlangen Sie alles, nur dieses nicht.«

»Antoinette,« sprach der König, den Kopf schüttelnd, »Sie haben geschworen, mein Verderben zu bereiten.«

»Oh! Sire,« rief die Königin mit einem Ausdruck des Vorwurfs, der alle Bangigkeiten ihres Herzens offenbarte, »können Sie so mit mir sprechen!«

»Warum versuchen Sie es denn, diese Reise zu verzögern?« fragte der König.

»Bedenken Sie wohl, Madame, unter solchen Umständen ist der geeignete Zeitpunkt alles. Bedenken Sie wohl das Gewicht der Zeit, die man in solchen Augenblicken unbenutzt verschwinden läßt, wahrend ein ganzes in Wut geratenes Volk voller Ungeduld die Stundenschläge zählt.«

»Nur nicht heute,« Herr Gilbert. »Morgen, Sire, oh! morgen, bewilligen Sie mir die Frist bis morgen, und ich schwöre Ihnen, daß ich mich dieser Reise nicht mehr widersetzen will.«

»Ein verlorner Tag,« murmelte der König.

»Vierundzwanzig lange Stunden,« sagte Gilbert, »bedenken Sie, Madame, bedenken Sie.«

»Sire, es muß sein,« sprach flehend die Königin.

»Einen Grund wenigstens,« versetzte der König.

»Nichts als meine Verzweiflung, Sire, nichts als meine Thränen, nichts als mein Flehen.«

»Weiß man denn, was von jetzt bis morgen geschehen wird?« rief der König, ganz verwirrt beim Anblick der Verzweiflung von Marie Antoinette.

»Was soll geschehen?« fragte die Königin, indem sie Gilbert mit flehender Miene anschaute.

»Oh!« erwiderte Gilbert, »dort noch nichts; eine Hoffnung, und wäre sie auch so schwankend wie eine Wolke, wird genügen, um sie zum Warten bis morgen zu bewegen; aber  . . .«

»Aber hier, nicht wahr?« sagte der König.

»Ja, Sire.«

»Die Nationalversammlung?«

Gilbert nickte mit dem Kopf.

»Die Nationalversammlung,« fuhr der König fort, »die mit Männern, wie Herr Monnier, Herr Mirabeau, Herr Siéyès imstande ist, mir eine Adresse zu schicken, die mir allen Vorteil meines guten Willens nehmen wird.«

»Nun wohl!« rief die Königin mit einer düstern Wut, »desto besser, weil Sie dann abschlagen, weil Sie dann Ihre Königswürde behaupten, weil Sie nicht nach Paris gehen werden, und weil, wenn hier der Krieg auszuhalten ist, wir ihn aushalten werden! weil wir, wenn man hier sterben muß, als erhabene und unangetastete Personen, wie wir sind, als Könige, als Gebieter, als Christen, die auf Gott bauen, von dem Sie Ihre Krone haben, sterben werden.«

Als König Ludwig XVI. diese fieberhafte Überspannung der Königin sah, begriff er, daß in diesem Augenblick nichts andres zu thun war, als nachzugeben..

Er winkte Gilbert, ging auf Marie Antoinette zu, nahm sie bei der Hand und sagte:

»Beruhigen Sie sich, Madame, es wird geschehen, wie Sie wünschen. Sie wissen, liebe Gemahlin, daß ich um mein Leben nichts thun möchte, was Ihnen unangenehm wäre, denn ich hege die gerechteste Zuneigung für eine Frau von Ihrem Verdienst, und besonders von Ihrer Tugend.«

Ludwig XVl. betonte diese Worte mit einem unaussprechlichen Adel und erhob so mit allen seinen Kräften die so sehr verleumdete Königin, und zwar in den Augen eines Zeugen, der zur Not fähig war, zu berichten, was er gesehen und gehört.

Diese Zartheit rührte Marie Antoinette aufs tiefste; sie drückte ihm die Hand und sprach:

»Nun, Sire, bis morgen, also nicht später, das ist die äußerste Frist; doch um diese bitte ich Sie inständig, auf den Knieen; morgen, zur Stunde, die Ihnen beliebt, das schwöre ich Ihnen, werden Sie nach Paris abreisen.«

»Nehmen Sie sich in acht, Madame, der Doktor ist Zeuge,« sagte lächelnd der König.

»Sire, Sie haben mich nie ein Wort brechen sehen,« erwiderte die Königin.

»Nein, nur gestehe ich, daß es mich zu erfahren verlangt, warum Sie vierundzwanzig Stunden von mir fordern. Erwarten Sie eine Nachricht von Paris? eine Nachricht von Deutschland? handelt es sich um ein Eintreffen von Truppen, um eine Verstärkung, um eine politische Berechnung?«

»Sire! Sire!« murmelte die Königin im Tone des Vorwurfs. »Es handelt sich um nichts.«

»Dann ist es ein Geheimnis.«

»Nun wohl, ja; das Geheimnis einer besorgten Frau, nichts andres.«

»Laune, nicht wahr?«

»Laune, wenn Sie wollen.«

»Oberstes Gesetz.«

»Das ist wahr. Warum ist es nicht in der Politik wie in der Philosophie, warum ist es nicht den Königen erlaubt, ihre politischen Launen als oberste Gesetze aufzustellen?«

»Man wird dazu kommen, seien Sie unbesorgt. Was mich betrifft, so ist das schon geschehen,« sprach der König scherzend. »Morgen also.«

»Morgen,« erwiderte trübsinnig die Königin.

»Behalten Sie den Doktor, Madame?« fragte der König.

»Oh! nein, nein,« entgegnete die Königin mit einer Art von Lebhaftigkeit, die Gilbert lächelnd machte.

»Ich werde ihn also mitnehmen.«

Gilbert verbeugte sich zum dritten Male vor Marie Antoinette, die diesmal seinen Gruß nicht mehr als Königin, sondern als Frau erwiderte.

Der König ging auf die Thüre zu, und Gilbert folgte ihm.

»Mir scheint,« sagte der König, während er die Gallerie durchschritt, »Sie stehen gut mit der Königin, Herr Gilbert?«

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