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Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3

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»Ich habe diese Anmaßung nicht, Madame.«

»Ei, schade, daß Sie sie nicht haben, mein Herr! Wie viel Ungeheuer würden Sie auf der Schwelle unsrer Hölle einschläfern!«

Als sie das Wort sprach: Sie würden einschläfern, heftete die Königin ihren Blick forschernder als je auf den Doktor.

Diesmal errötete Gilbert unwillkürlich.

Das war eine unbeschreibliche Freude für Marie Antoinette. Sie fühlte, daß diesmal der Schlag, den sie gethan, wirklich verwundet hatte.

»Denn Sie schläfern ein,« fuhr sie fort; Sie, der Sie überall und über alles studiert haben, Sie haben ohne Zweifel die Wissenschaft des Magnetismus mit den Einschläferern unsres Jahrhunderts studiert, mit diesen Leuten, die aus dem Schlafe einen Verrat machen und die Geheimnisse der andern in ihrem Schlafe lesen?«

»In der That, Madame, ich habe oft und lange unter dem gelehrten Cagliostro studiert.«

»Ja, unter demjenigen, welcher diesen moralischen Diebstahl, von dem ich soeben sprach, ausübte und seine Adepten ausüben ließ, unter demjenigen, welcher mit Hilfe dieses magischen und, wie ich ihn nennen muß, schändlichen Schlafes den einen die Seelen, den andern die Leiber gestohlen hat.«

Gilbert begriff abermals und erbleichte diesmal, statt zu erröten. Die Königin bebte darob vor Freude bis in die Tiefe ihres Herzens.

»Ah! Elender,« murmelte sie, »ich habe dich auch verwundet, und ich sehe das Blut.«

Doch die tiefsten Gemütsbewegungen blieben auf dem Angesicht Gilberts nicht lange bemerkbar. Er näherte sich der Königin, die ihn, erfreut über ihren Sieg, vermessen anschaute.

»Madame,« sagte er, »Eure Majestät würde sich sehr im Unrecht befinden, den gelehrten Männern, von denen Sie sprechen, den schönsten Gehalt ihrer Wissenschaft streitig zu machen, diese Macht, nicht Opfer, sondern Unterthanen durch den Magnetismus einzuschläfern; sie würde besonders im Unrecht sein, wenn sie ihnen das Recht nicht einräumen wollte, durch alle möglichen Mittel eine Entdeckung zu verfolgen, deren Gesetze, einmal anerkannt und geregelt, vielleicht berufen sind, die Welt zu revolutionieren.«

Während er sich der Königin näherte, hatte sie Gilbert ebenfalls mit jener Willensmacht angeschaut, der die nervöse Andrée unterlegen war.

Die Königin fühlte, daß bei der Annäherung dieses Mannes ein Schauer ihre Adern durchlief.

»Schande!« sagte sie, »Schande über die Menschen, die gewisse finstere und geheime Kunstgriffe mißbrauchen, um die Seelen oder die Leiber zu verderben  . . . Schande über diesen Cagliostro!«

»Oh!» erwiderte Gilbert mit einem gefühlvollen Ausdruck, »hüten Sie sich, Madame, im Urteil über die Fehler der menschlichen Geschöpfe gar so übermäßig streng zu sein.«

»Mein Herr!«

»Jedes menschliche Geschöpf, Madame, ist dem Irrtum unterworfen; jedes Geschöpf schadet dem Geschöpfe, und ohne den individuellen Egoismus, der die allgemeine Sicherheit bildet, wäre die Welt ein weites Schlachtfeld. Diejenigen sind die Besten, die gut sind, das ist das Ganze. Andre würden Ihnen sagen: Diejenigen sind die Besten, die minder schlecht sind. Die Nachsicht muß größer sein, Madame, je höher der Richter steht. Von Ihrem Throne herab, haben Sie weniger als irgend jemand das Recht, streng gegen die Fehler andrer zu sein. Auf dem Throne der Erde sollen Sie die höchste Nachsicht sein, wie auf dem Throne des Himmels Gott die höchste Barmherzigkeit ist.«

»Mein Herr, ich schaue meine Rechte und besonders meine Pflichten mit einem andern Auge an, als Sie: ich bin auf dem Throne, um zu strafen und zu belohnen.«

»Ich glaube nicht, Madame. Meiner Ansicht nach sind Sie als Frau und Königin auf dem Thron, um zu versöhnen und zu verzeihen.«

»Ich denke, Sie moralisieren nicht, mein Herr.«

»Sie haben recht, Madame, und ich antworte nur Eurer Majestät. Ich entsinne mich dieses Cagliostro zum Beispiel, von dem Sie vorhin sprachen und dem Sie seine Wissenschaft streitig machten, – und diese Erinnerung ist älter als die Ihrige aus Trianon, – ich entsinne mich, daß er in den Gärten des Schlosses Taverney Gelegenheit hatte, der Dauphine von Frankreich eine Probe von seiner Wissenschaft, ich weiß nicht welche, zu geben, von der sie ein tiefes Andenken bewahrt haben muß; denn diese Probe hatte einen grausamen Eindruck auf sie gemacht, dergestalt, daß sie in Ohnmacht fiel.«

Das war nun auch ein Schlag von Gilbert; er schlug allerdings auf den Zufall, doch der Zufall bediente ihn, und er schlug so richtig, daß die Königin entsetzlich bleich wurde.

»Ja,« sagte sie mit einer heiseren Stimme, »ja, er hat mich im Traume eine abscheuliche Maschine sehen lassen; doch wüßte ich bis jetzt nicht, daß diese Maschine in Wirklichkeit existiert.«

»Ich weiß nicht, was er Sie hat sehen lassen, Madame,« erwiderte Gilbert, zufrieden mit der Wirkung, die er hervorgebracht: »doch ich weiß, daß man den Gelehrtentitel einem Mann nicht abstreiten kann, der über andre, über Menschen seinesgleichen, eine solche Gewalt ausübt.«

»Seines Gleichen  . . .« murmelte verächtlich die Königin.

»Es mag sein, daß ich mich täusche,« versetzte Gilbert; »und seine Macht ist um so größer, als er den Kopf der Könige und Fürsten der Erde, unter dem Joche der Angst, zu seinem Standpunkt niederbeugt.«

»Schändlich! schändlich sind diejenigen, sage ich Ihnen, welche die Schwäche oder die Leichtgläubigkeit mißbrauchen.«

»Schändlich, sagen Sie, seien diejenigen, welche von der Wissenschaft Gebrauch machen?«

»Schimären, Lügen, Erbärmlichkeiten!«

»Was will das besagen?« fragte Gilbert ruhig.

»Das will besagen, daß Cagliostro ein erbärmlicher Charlatan, und daß sein angeblicher magnetischer Schlaf ein Verbrechen ist.«

»Ein Verbrechen!«

»Ja, ein Verbrechen,« fuhr die Königin fort, »denn er ist das Resultat eines Trankes, einer Vergiftung, deren Urheber die menschliche Gerechtigkeit, die ich vertrete, zu erreichen und zu bestrafen wissen wird. Madame, versetzte Gilbert mit derselben Geduld, wenn ich bitten darf, etwas Nachsicht für diejenigen, welche in dieser Welt gefehlt haben.«

»Ah! Sie gestehen also?«

Die Königin täuschte sich und glaubte nach der Sanftheit von Gilberts Stimme, er flehe für sich selbst.

Sie täuschte sich; das war ein Vorteil, den sich Gilbert wohlweislich nicht entschlüpfen ließ.

»Wie!« rief er, während er sein entflammtes Auge, unter dem Marie Antoinette ihren Blick wie vor einem blendenden Sonnenstrahl niederzuschlagen genötigt war, weit öffnete.

Die Königin ward betroffen, strengte sich aber gegen sich selbst an und sagte:

»Man fragt eine Königin ebensowenig, als man sie verwundet, erfahren Sie dies abermals, Sie, der Sie Ankömmling bei Hofe sind; doch Sie sprachen, wie mir scheint, von denjenigen, welche gefehlt haben, und verlangten Nachsicht von mir.«

»Ach! Madame, welches ist das vorwurfsfreie menschliche Geschöpf? Ist es vielleicht dasjenige, welches sich in dem tiefen Rückenschild seines Gewissens so wohl zu verschließen weiß, daß der Blick der andern nicht einzudringen imstande ist? Das ist es, was man häufig die Tugend nennt. Seien Sie nachsichtig, Madame.«

»Hernach,« versetzte unklug die Königin, »hernach giebt es also keine tugendhafte Geschöpfe für Sie, mein Herr, für Sie, den Zögling der Männer, deren Blick die Wahrheit aus der Tiefe der Gewissen hervorholt?«

»Das ist wahr, Madame.«

Sie brach in ein Gelächter aus, ohne entfernt darauf bedacht zu sein, die Verachtung, die dieses Gelächter in sich schloß, zu verbergen.

»Oh! ich bitte, mein Herr,« rief sie, »wollen Sie sich doch erinnern, daß Sie nicht auf einem öffentlichen Platze mit blödsinnigen Bauern oder Patrioten sprechen.

»Ich weiß, mit wem ich spreche, Madame, glauben Sie mir das,« erwiderte Gilbert.

»Dann mehr Achtung, mein Herr, oder mehr Geschicklichkeit! Durchgehen Sie selbst Ihr ganzes Leben, sondieren Sie die Tiefen dieses Gewissens, das auch die Männer der Thaten, trotz ihres Genies und ihrer Erfahrung, als ein Gemeingut der Sterblichen besitzen müssen; erinnern Sie sich wohl alles dessen, was Sie niedriges, schädliches, strafbares gedacht, alles dessen, was Sie an Grausamkeiten, an Attentaten, an Verbrechen sogar begangen haben können. Unterbrechen Sie mich nicht, und wenn Sie die Summe von alledem gemacht haben werden, Herr Doktor, so beugen Sie das Haupt, werden Sie demütig, nähern Sie sich nicht mit diesem frechen Stolz der Wohnung der Könige, die wenigstens bis zu einer neuen Ordnung der Dinge – von Gott eingesetzt sind, um die Seelen der Verbrecher zu ergründen, die Falten der Gewissen zu erforschen und ohne Mitleid, wie ohne Appellation, die Strafen auf die Schuldigen anzuwenden  . . . Das ist es, mein Herr, was sich für Sie zu thun geziemt, fuhr die Königin fort. Man wird Ihnen für Ihre Reue Dank wissen. Glauben Sie mir, das beste Mittel, eine Seele, die so krank ist, wie die Ihrige, zu heilen, wäre, in der Einsamkeit zu leben, fern von den Größen, die den Menschen falsche Ideen von ihrem eigenen Werte geben. Ich würde Ihnen also raten, sich nicht dem Hofe zu nähern und darauf zu verzichten, den König bei seinen Krankheiten zu pflegen. Sie haben eine Kur zu machen, für die Ihnen Gott mehr Dank wissen wird, als für irgend eine fremde Kur: Ihre eigene. Das Altertum hatte ein Sprichwort hierüber: Ipse cura medici

Statt sich gegen diesen Vorschlag zu empören, den die Königin als den unangenehmsten der Schlüsse betrachtete, antwortete Gilbert mit sanftem Ton:

»Madame, ich habe schon alles gethan, was mir Eure Majestät zu thun empfiehlt.«

»Und was haben Sie gethan, mein Herr?«

»Ich habe nachgedacht.«

»Ueber Sie selbst?«

»Ueber mich, ja, Madame.«

»Und in Beziehung auf Ihr Gewissen?«

»Besonders in Beziehung auf mein Gewissen, Madame.«

»Glauben Sie dann, ich sei hinreichend von dem unterrichtet, was Sie darin gesehen haben?«

 

»Ich weiß nicht, was mir Eure Majestät sagen will, doch ich vermute es; wie oft muß ein Mensch von meinem Alter Gott beleidigt haben!«

»Wahrhaftig, Sie sprechen von Gott?«

»Ja. Warum nicht?«

»Ein Philosoph! Glauben die Philosophen an Gott?«

»Ich spreche von Gott und glaube an ihn.«

»Und Sie entfernen sich nicht?«

»Nein, ich bleibe, Madame.«

»Herr Gilbert, nehmen Sie sich in acht,« rief die Königin.

Und ihr Gesicht nahm einen unbeschreiblichen Ausdruck von Drohung an.

»Oh! ich habe wohl nachgedacht, Madame, und durch diese Erwägungen bin ich zum Bewußtsein gekommen, daß ich nicht weniger wert bin, als ein andrer: Jeder hat seine Sünden. Diese Grundwahrheit habe ich einsehen gelernt, nicht, indem ich die Bücher durchblätterte, sondern indem ich das Gewissen andrer durchforschte.«

»Diese Grundwahrheit ist wahrscheinlich universell und unfehlbar?« versetzte die Königin spottend.

»Ach! Madame, wenn nicht universell, wenn nicht unfehlbar, so doch wenigstens sehr heilsam im menschlichen Elend, sehr erprobt in tiefen Schmerzen. Und das ist so wahr, daß ich Ihnen sagen würde, – wenn ich nur den Kreis Ihrer ermüdeten Augen, wenn ich nur die Linie, die sich von einer Ihrer Brauen zur andern zieht, wenn ich nur die Falte sehe, welche die Winkel Ihres Mundes zusammenzieht, – daß ich Ihnen sagen würde, Madame, wie viel strenge Prüfungen Sie ausgestanden haben, wie oft Ihr Herz vor Bangigkeit geschlagen, wie viel geheimen Freuden dieses Herz sich hingegeben hat, um getäuscht zu erwachen. Dies alles, Madame, wenn Sie es wünschen sollten, kann ich Ihnen sagen. Ich werde es Ihnen sagen mit der Sicherheit, nicht Lügen gestraft zu werden; ich werde es Ihnen offenbaren, indem ich bloß einen Blick auf Sie hefte, der lesen kann und will. Und wenn Sie das Gewicht dieses Blickes, wenn Sie das Blei dieser Forschgierde in die Tiefe Ihrer Seele eindringen fühlen, wie das Meer das Blei der Sonde fühlt, die in seine Abgründe eindringt, dann werden Sie begreifen, Madame, daß ich viel vermag, und daß man mir, wenn ich mich ruhig verhalte, Dank wissen muß, statt mich zum Kriege herauszufordern.«

Diese Sprache, unterstützt durch einen entsetzlich unbeugsamen, herausfordernden Willen des Mannes gegen die Frau; diese Verachtung aller Etikette in Gegenwart der Königin machten einen unbeschreiblichen Eindruck auf Marie Antoinette.

Sie fühlte es wie einen kalten Nebel auf ihre Stirn fallen und ihre Ideen vereisen; sie fühlte ihren Haß in Schrecken verwandelt, ließ ihre Hände ermattet fallen und machte einen Schritt rückwärts, um der Annäherung dieser unbekannten Gefahr zu entfliehen.

»Und nun, Madame,« sprach Gilbert, »der klar sah, was in ihr vorging, begreifen Sie, daß es mir sehr leicht ist, zu erfahren, was Sie vor aller Welt verbergen und was Sie sogar vor sich selbst verbergen; begreifen Sie, daß es mir leicht ist, Sie auf diesem Stuhle auszustrecken, den Ihre Finger instinktartig suchen, um eine Stütze daran zu finden.«

»Oh!« machte die Königin erschrocken, denn sie fühlte unbekannte Schauer bis in ihr Herz eindringen.

»Ich darf nur ein Wort in mich selbst hineinsprechen, das ich nicht sagen will,» fuhr Gilbert fort, »ich darf nur einen Willen befestigen, auf den ich verzichte, und Sie fallen niedergedonnert in meine Gewalt. Sie zweifeln, Madame; oh! zweifeln Sie nicht. Sie würden mich vielleicht versuchen, und wenn Sie mich einmal versuchen! Doch nein, nicht wahr, Sie zweifeln nicht?«

Halb zurückgeworfen, stöhnend, beklommen, verwirrt, klammerte sich die Königin mit der Energie der Verzweiflung und der Wut einer nutzlosen Verteidigung an die Lehne ihres Stuhles an.

»Oh!« fuhr Gilbert fort, »glauben Sie mir, Madame, wenn ich nicht der ehrerbietigste, der ergebenste, der fußfälligste Ihrer Unterthanen wäre, so würde ich Sie durch ein furchtbares Experiment überzeugen. Aber seien Sie unbesorgt! Ich neige mich in Demut; sage ich Ihnen, einen Gedanken zu haben, der Ihren Gedanken nur oberflächlich antastet, ich würde mich eher töten, als daß ich Ihre Seele zu beengen suchte.«

»Mein Herr, mein Herr,« rief die Königin, indem sie mit ihren Armen die Luft schlug, als wollte sie Gilbert, der mehr als drei Schritte von ihr entfernt stand, zurückstoßen.

»Und dennoch haben Sie mich in die Bastille einsperren lassen,« fuhr Gilbert fort. »Sie bedauern es nur, daß Sie erstürmt ist, weil das Volk mir die Thore geöffnet hat. Ihr Haß bricht in Ihren Augen gegen einen Mann aus, dem Sie persönlich nichts vorzuwerfen haben. Und sehen Sie, ich fühle es, seitdem ich den Einfluß abspanne, mit dem ich Sie im Zaume hielt – wer weiß, ob Sie nicht mit dem freien Atemzug wieder den Zweifel in sich aufnehmen!«

In der That, seitdem Gilbert nachließ, ihr mit Blick und Hand zu befehlen, hatte sich Marie Antoinette beinahe drohend wieder erhoben, wie der Vogel, der, von der Erstickung der Luftpumpe befreit, seinen Gesang und seinen Flug wieder zu beginnen versucht.

»Ah! Sie zweifeln; Sie spotten; Sie verachten. Soll ich Ihnen die entsetzliche Idee mitteilen, die mir durch den Kopf gegangen ist? Hören Sie, Madame, was ich zu thun im Begriffe war: ich wollte Sie verurteilen, mir Ihre innersten Leiden, Ihre verborgensten Gedanken zu enthüllen; ich wollte Sie nötigen, sie hier auf diesem Tisch, den Sie in diesem Augenblick berühren, aufzuschreiben; und wenn Sie später erwachend zu sich gekommen wären, hätte ich Ihnen durch Ihre Handschrift bewiesen, wie wenig schimärisch die Macht ist, die Sie zu bestreiten scheinen; wie echt besonders die Geduld – soll ich es sagen? ja, ich werde es sagen – die Großmut des Mannes ist, den Sie beleidigt haben, den Sie seit einer Stunde fortwährend beleidigen, ohne daß er Ihnen einen Augenblick das Recht oder den Vorwand dazu gegeben hat.«

»Mich nötigen, zu schlafen, mich zwingen, im Schlafe zu sprechen, mich!« rief die Königin, völlig erbleichend. »Sie hätten das gewagt, mein Herr? Kennen Sie den Umfang der Drohung, die Sie gegen mich aussprechen? Das ist ein Verbrechen der beleidigten Majestät, mein Herr. Bedenken Sie, das ist ein Verbrechen, das ich, sobald ich wieder erwacht und in den Besitz meiner selbst gelangt wäre, mit dem Tode hätte bestrafen lassen.«

»Madame,« erwiderte Gilbert, die schwindelhafte Aufregung der Königin mit dem Blicke verfolgend, »beeilen Sie sich nicht, anzuklagen und besonders zu drohen. Gewiß hätte ich Eure Majestät eingeschläfert; gewiß hätte ich der Frau alle ihre Geheimnisse entrissen; doch sicherlich, glauben Sie mir, wäre es nicht bei einer Gelegenheit, wie diese, geschehen. Es wäre nicht bei einem Alleinsein der Königin mit ihrem Unterthan, der Frau mit einem fremden Manne geschehen; nein, ich hätte die Königin eingeschläfert, das ist wahr, und nichts wäre mir leichter gewesen; doch ich hätte mir nicht erlaubt, sie einzuschläfern, hätte mir nicht erlaubt sie sprechen zu machen, ohne einen Zeugen zu haben.«

»Einen Zeugen?«

»Ja, Madame, einen Zeugen, der getreu alle Ihre Worte, alle Ihre Geberden, kurz alle Einzelheiten der Szene, die ich hervorgerufen, aufgenommen hätte, um Ihnen selbst nach Vollendung dieser Szene nicht einen Augenblick einen Zweifel zu lassen.«

»Einen Zeugen?« wiederholte die Königin erschrocken, »und wer wäre dieser Zeuge gewesen? Bedenken Sie, mein Herr, das Verbrechen würde sich verdoppelt haben, denn in diesem Fall hätten Sie sich einen Mitschuldigen beigesellt.«

»Und wenn dieser Mitschuldige, Madame, kein andrer, als der König selbst gewesen wäre?« versetzte Gilbert.

»Der König?« rief Marie Antoinette mit einem Schrecken, der die Gattin energischer verriet, als es das Bekenntnis der Somnambule hätte tun können. »Oh! Herr Gilbert! Herr Gilbert!«

»Der König,« fügte Gilbert ruhig bei, »der König, Ihre Stütze, Ihr natürlicher Verteidiger, der König, der Ihnen bei Ihrem Erwachen, Madame, erzählt hätte, wie ehrerbietig und stolz zugleich ich der allerverehrtesten Fürstin gedient, meine Wissenschaft zu beweisen.«

Und nachdem Gilbert diese Worte gesprochen, ließ er der Königin volle Zeit, um über ihre Tiefe nachzusinnen.

Die Königin verharrte einige Minuten in einem Stillschweigen, das nur das Geräusch ihres schweren Atems unterbrach.

»Mein Herr,« sprach sie endlich, »nach allem, was Sie mir gesagt haben, müssen Sie ein Todfeind sein  . . .«

»Oder ein feuerfester Freund, Madame.«

»Unmöglich, mein Herr, die Freundschaft kann nicht neben der Furcht oder dem Mißtrauen leben.«

»Die Freundschaft, Madame, im Verhältnis des Untertans zur Königin, kann nur durch das Vertrauen leben, das der Unterthan einflößt. Nicht wahr, Sie werden sich schon gesagt haben, daß derjenige unmöglich ein Feind ist, der sich schon beim ersten Wort das Mittel zu schaden entreißen läßt, ganz besonders, wenn er sich die Waffen des ersten Angriffs verbietet?«

»Was Sie da sagen, mein Herr, darf man daran glauben?« versetzte die Königin mit Aufmerksamkeit und Bangigkeit, indem sie Gilbert mit einer forschenden Miene anschaute.

»Warum sollten Sie nicht daran glauben, Madame, da Sie alle Beweise von meiner Aufrichtigkeit haben?«

»Man ist veränderlich, mein Herr, man ist veränderlich!«

»Madame, ich habe das Gelübde getan, das gewisse in der Handhabung gefährlicher Waffen ausgezeichnete Männer taten, ehe sie ins Feld zogen. Ich werde meine Vorteile immer nur benützen, um das Unrecht, das man mir antun will, zurückzuschlagen, gar nicht für den Angriff, sondern für die Verteidigung. Das ist mein Wahlspruch.«

»Ach!« seufzte die Königin.

»Ich verstehe Sie, Madame. Es ist schmerzlich für Sie, Ihre Seele in den Händen des Arztes zu sehen, für Sie, die Sie sich zuweilen empörten, ihm Ihren Körper zu überlassen. Fassen Sie Mut. Derjenige will Ihnen wohl raten, welcher Ihnen heute den Beweis von Langmut gegeben, den Sie von mir erhalten haben. Ich will Sie lieben, Madame; ich will daß man Sie liebe. Die Ideen, die ich schon dem König gegeben, werde ich Ihnen erörtern.«

»Doktor, nehmen Sie sich in acht»« versetzte ernst die Königin; »Sie haben mich in der Falle gefangen, nachdem Sie dem Weibe bange gemacht, glauben Sie die Königin beherrschen zu können?«

»Nein, Madame,« erwiderte Gilbert, »ich bin kein elender Spekulant. Ich habe meine Ideen, ich begreife, daß Sie die Ihrigen haben. Ich weise von diesem Augenblick an die Beschuldigung zurück, die Sie ewig gegen mich vorbringen würden, die Beschuldigung, ich habe Sie in Schrecken gesetzt, um Ihre Vernunft zu unterjochen. Ich sage mehr: Sie sind die erste Frau, in der ich gleichzeitig alle Leidenschaften des Weibes und alle Herrscherfähigkeiten des Mannes vereinigt finde. Sie können zugleich eine Frau und ein Freund sein. Die ganze Menschheit wird sich zur Not in Ihnen zusammenfassen. Ich bewundere Sie, und ich werde Ihnen dienen. Ich werde Ihnen dienen, ohne etwas von Ihnen zu empfangen, einzig und allein, um Sie zu studieren, Madame. Ich werde noch mehr für Ihren Dienst thun; für den Fall, daß ich Ihnen als ein zu sehr beengendes Palastgeräte erscheinen würde, für den Fall, daß der Eindruck der heutigen Szene sich nicht in Ihrem Gedächtnis verwischen sollte, verlange ich von Ihnen, bitte ich Sie, mich entfernen zu dürfen.«

»Sich entfernen?« rief die Königin mit einem Ausdruck, der Gilbert nicht entging,

»Wohl denn, das ist beschlossen, Madame,« sprach er mit einer bewunderungswürdigen Kaltblütigkeit. »Ich werde dem König nicht einmal sagen, was ich ihm zu sagen hatte, und abreisen. Muß ich so weit gehen, um Sie zu beruhigen?«

Sie schaute ihn an, erstaunt über diese Verleugnung.

»Ich sehe,« sprach er, »was Eure Majestät denkt. Mehr als man glaubt, von den Geheimnissen des magnetischen Einflusses unterrichtet, die Sie vorhin erschreckten, sagt sich Eure Majestät: ich würde in der Entfernung gefährlich und nicht weniger beunruhigend sein.«

»Wieso?« fragte die Königin.

»Ja, ich wiederhole es, Madame, wenn irgend jemand durch die Mittel, die Sie soeben meinen Meistern und mir vorgeworfen haben, schaden wollte, so könnte er seine schädliche Tätigkeit ebensogut ausüben auf die Entfernung von hundert oder tausend Meilen, als auf die Distanz von drei Schritten. Seien Sie sorglos, Madame, so was werde ich niemals versuchen.«

Die Königin blieb einen Augenblick nachdenkend und wußte nicht, was sie diesem seltsamen Mann, der ihre festesten Entschlüsse wanken machte, zur Antwort geben sollte.

Plötzlich vernahm man in der Tiefe des Korridors ein Geräusch von Tritten, und Marie Antoinette richtete sich auf.

»Der König,« sagte sie, »der König kommt.«

»Dann, Madame, antworten Sie mir, ich bitte Sie, soll ich bleiben, soll ich gehen?«

»Aber  . . .«

»Beeilen Sie sich, ich kann dem König ausweichen; wenn Sie es wünschen, so wird mir Eure Majestät eine Thüre bezeichnen, durch welche ich mich entferne.«

 

»Bleiben Sie,« sagte die Königin.

Gilbert verbeugte sich, während Marie Antoinette in seinen Zügen zu lesen suchte, in welchem Grade der Triumph verräterischer wäre, als es der Zorn oder die Unruhe gewesen.

Gilbert blieb unempfindlich.

»Er hätte wenigstens Freude offenbaren müssen,« sagte die Königin zu sich selbst.

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