Бесплатно

Teverino

Текст
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

I
Vogue la Galére!

Pünktlich beim Rendezvous, verließ Leonce vor Tagesanbruch das Hôtel des étrangers, und noch war die Sonne nicht aufgegangen, als er die schattige, in Bogenlinien sich hinziehende Allee der Villa betrat; die leichten Räder seines deutschen Wagens ließen kaum ihre Spur in dem feinen Sande zurück, in welchem gleicherweise das Getrappel seiner prächtigen Pferde erstarb. Er fürchtete indeß, zu früh gewesen zu sein, als er bemerkte, daß keine Wagenspur derselben Art der seinigen vorhergegangen war und in der Wohnung der eleganten Lady noch tiefes Schweigen herrschte.

Vor der mit Blumen geschmückten Freitreppe stieg er dann ab, befahl seinem Jockey, den Wagen in den Hof zu führen, und nachdem er sich versichert hatte, daß die Krystallglasthüren mit vergoldetem Simswerk im Erdgegeschosse noch geschlossen seien, trat er unter Sabinas Fenster und summte halblaut die Arie aus dem Barbier:

 
Ecco ridente il cielo,
Già spunta la bella aurora . . .
. . . . E Puoi dormir cosi? 1
 

Wenige Augenblicke nachher öffnete sich das Fenster, und in einen Burnus von weißem Caschemire gehüllt, hob Sabina den Vorhang etwas in die Höhe und sprach mit lieblich nachlässigem Wesen:

»Ich sehe, mein Freund, daß Sie mein Billet von gestern Abend nicht erhalten haben und folglich nicht wissen, was uns begegnet. Die Herzogin ist übler Laune und erlaubt ihren Liebhabern nicht, ohne sie zu spazieren. Die Marquise muß einen häuslichen Zwist gehabt haben, denn sie gibt sich für krank aus. Der Graf ist es wirklich; der Doktor hat Geschäfte, und so hält mir Niemand Wort und bittet man mich, unsern Plan einer Spazierfahrt auf die nächste Woche zu verschieben.«

»Und so komme ich denn, da Ihr Billet mir nicht zugestellt wurde, sehr ungelegen,« sagte Leonce, »und benehme mich wie ein Provinzbewohner, indem ich Ihren Schlaf störe? Ich schäme mich meiner Unartigkeit so sehr, daß ich keine Worte finde, um mir Verzeihung zu erbitten.«

»Lassen Sie sich das nicht anfechten, ich schlief schon lange nicht mehr. Die Laune aller dieser Damen hatte mich gestern Abend so verdrießlich gemacht, daß nachdem ich ihre dummen Billets ins Feuer geworfen, ich sehr zeitig zu Bette ging und dann vor Wuth einschlief. Ich bin sehr froh, Sie zu sehen, ich sehnte mich nach Jemand, mit dem ich die Vergnügungspläne und Landpartien, die Weltleute und die hübschen Weiber verwünschen könnte.«

»Nun! da müssen Sie dieselben allein verwünschen, denn in diesem Augenblick lobpreise ich sie von Grund der Seele.«

Und über das Fenstergesimse gelehnt, auf welches Sabina sich stützte, kam Leonce in Versuchung, eine ihrer schönen weißen Hände zu ergreifen, allein die ruhig spöttelnde Miene dieser edeln Person hinderte ihn daran und er begnügte sich, auf ihren prächtigen Arm, den der Burnus halb entblößt ließ, einen höchst bedeutungsvollen Blick zuwerfen.

»Leonce,« antwortete sie, indem sie ihren Burnus mit einem anmuthsvollen Ausdruck und Verächtlichkeit zugleich, übereinanderschlug, »wenn Sie mir Fadheiten sagen, so schließe ich Ihnen mein Fenster vor der Nase zu und gehe wieder ins Bett. Nichts macht so schläfrig wie die Langeweile, ich fühle das seit einiger Zeit besonders und glaube, daß wenn es so fortgeht, ich nichts Anderes mehr zu thun habe, als mein Leben der Erhaltung meiner Frische und Wohlbeleibtheit zu widmen, wie es die Herzogin macht. Doch schauen Sie, seien Sie liebenswürdig und befleißen Sie sich Ihrerseits, Ihren gewohnten Geist und guten Geschmack zu erhalten. Wenn Sie mir versprechen wollen, unsrer Uebereinkunft getreu zu bleiben, so können wir den Vormittag angenehmer mit einander zubringen, als es in dieser glänzenden Gesellschaft geschehen wäre.«

»Wenn’s nur an dem fehlt! Verlassen Sie Ihr Heiligthum und kommen Sie, den Sonnenaufgang im Park zu schauen.«

»O! der Park! er ist hübsch, ich gebe es zu; allein er ist eine Hülfsquelle, die ich mir auf die Tage sparen will, wo ich langweilige Besuche zu erdulden habe. Ich führe sie spazieren und genieße die Schönheit dieses Wohnsitzes, statt dummem Geschwätze zu horchen, das ich doch anzuhören die Miene habe. Darum will ich mir die Annehmlichkeiten dieses Aufenthalts nicht schon verderben. Wissen Sie auch, daß es mich sehr reut, die Villa für drei Monate gemiethet zu haben?« Ich bin erst seit acht Tagen hier und langweile mich schon tödtlich an der Gegend und der Nachbarschaft.«

»Schönen Dank! Soll ich gehen?«

»Wozu sich so empfindlich stellen? Sie wissen wohl, daß ich Sie immer von meinem Anathema gegen das Menschengeschlecht ausschließe. Wir sind alte Freunde und werden es immer sein, wenn wir so klug sind, auf einer mäßigen Liebe zu beharren, wie Sie es mir versprochen haben.«

»Ja, nach dem alten Sprichwort:›Sich wenig auf’s Mal lieben, um sich lange zu lieben . . .‹ Doch wie, Sie versprechen mir einen guten Morgen und drohen mir, beim ersten mißbeliebigen Worte das Fenster zu schließen. Ich finde meine Lage nicht angenehm, das erkläre ich Ihnen, und ich kann erst fröhlich athmen, wenn Sie Ihre Festung verlassen haben werden.«

»Wohlan! Sie geben mir eine Stunde zum Ankleiden; während dieser Zeit wird man Ihnen in der Gartenlaube ein Frühstück auftragen. Ich komme dann, den Thee mit Ihnen zu trinken, und wir besinnen uns unterdeß, wie wir den Morgen angenehm zubringen können.«

»Wollen Sie auf mich hören, Sabina? Lassen Sie mich allein auf Etwas sinnen, denn wenn Sie sich drein mischen, so geht der Tag hin, indem ich Ihnen alle Arten von Ergötzungen vorschlage und Sie mir beweisen, daß sie alle eine dümmer und langweiliger als die andere sind. Glauben Sie mir, machen Sie Ihre Toilette in einer halben Stunde ab, frühstücken wir nicht hier, und überlassen Sie’s mir, Sie hinzuführen, wo ich will.«

»Aha! Sie berühren die magische Saite, das Unbekannte! Ich sehe, Leonce, daß Sie allein mich verstehen. Wohlan, ja, ich nehme es an; entführen Sie mich, und fort mit uns.«

Lady G*** sprach diese letzten Worte mit einem Lächeln und einem Blicke aus, die Leonce bis ins Innerste durchbebten.

»O, Sie kälteste der Frauen!« rief er in einer mit Bitterkeit gemischten Fröhlichkeit, »ich kenne Sie wohl, in der That, und ich weiß, daß Ihre einzige Leidenschaft die ist, den menschlichen Leidenschaften zu entfliehen. Wohlan denn, Ihre Kälte gewinnt mich, und ich will Alles vergessen, was mich von dem einzigen Ziele, das wir uns setzen können, von der Phantasie, abbringen kann.«

»Sie geben mir also die Versicherung, daß ich mich heute bei Ihnen nicht langweilen werde? O! Sie Bester der Männer. Sehn Sie, ich spüre schon die Wirkung Ihres Versprechens, wie die Kranken, die sich beim Anblick des Arztes erleichtert fühlen und die zum Voraus durch die Gewißheit, mit der er ihnen Heilung verspricht, geheilt sind. Gut, ich gehorche Ihnen, improvisirter Doktor, spitzfindiger Doktor, bewundrungswürdiger Doktor! Ich kleide mich eiligst an, wir reisen nüchtern ab und gehen . . . wohin Sie’s für gut finden. Welche Equipage soll ich verlangen?«

»Keine, Sie haben sich in Nichts zu mischen, Sie sollen Nichts wissen; ich bin es, der anordnet und befiehlt, weil ich auch der Erfinder bin.«

»Meinetwegen. Das ist köstlich!« rief sie, und ihr Fenster schließend, schellte sie ihren Kammerfrauen, die bald einen schweren Vorhang von blauem Damast zwischen ihr und Leonces Blicken niederließen.

Er ging, einige Befehle zu ertheilen, dann kam er wieder, setzte ich unweit von Sabinas Fenster auf das Fußgestell einer Statue und überließ sich seinen Träumereien.

»Ei!« rief Lady G*** nach Verfluß einer halben Stunde, indem sie ihm leicht auf die Schulter klopfte. »Sie sind mit unserer Reise nicht mehr beschäftigt, als so? Sie versprechen mir wundervolle Erfindungen, unerhörte Ueberraschungen, und nun sitzen Sie gleich einer Bildsäule da und sinnen nach, wie ein Mensch, der noch Nichts gefunden hat?«

»Alles ist bereit,« sagte Leonce aufstehend und Sabina’s Arm in den seinigen legend. »Mein Wagen erwartet Sie und ich habe bewundrungswürdige Dinge ersonnen.«

»Gehen wir so unter vier Augen mit einander?« bemerkte Lady G***.

»Das ist eine Regung von Koketterie, der ich Sie nicht fähig hielt,« dachte Leonce. »Nun, benützen will ich’s nicht . . . Wir nehmen die Negerin mit,« antwortete er.

»Warum die Negerin?« fragte Sabina.

»Weil sie meinem Jockey gefällt. In seinem Alter erscheinen alle Frauen weiß, und unsere Reisegefährten dürfen sich nicht langweilen, sonst würden sie uns langweilen.«

Wenige Augenblicke nachher hatte der Jockey die Befehle seines Herrn erhalten, ohne daß Sabina sie hörte. An seiner Seite auf dem breiten, niedern Sitz des Charabancs lächelte ihm die mit einem großen, weißen Sonnenschirm bewaffnete Negerin zu. Lady G*** lag, nachlässig ausgestreckt im Hintergrunde, und ihr gegenüber saß ehrerbietig Leonce, der die Landschaft betrachtete und schwieg; seine Pferde eilten wie der Wind dahin.

Es war das erste Mal, daß Sabina mit Leonce ein Zusammensein unter vier Augen wagte, das länger und traulicher sein konnte, als sie sich’s Anfangs vorgestellt hatte. Ungeachtet eine einfache Spazierfahrt im Plan lag und die beiden jungen Diener zugegen waren, die ihnen den Rücken wandten und viel zu lustig mit einander plauderten, um sich einfallen zu lassen, die Unterhaltung ihrer Gebieter zu behorchen, fühlte Sabina, daß sie doch zu jung sei, als daß diese Lage nicht einer Unbesonnenheit gliche; sie dachte daran, als sie das letzte Gitter des Parks hinter sich hatten.

 

Leonce schien indeß so wenig geneigt, aus seiner Rolle Vortheil zu ziehen, er war so ernst und so ganz in das Schauspiel des Sonnenaufgangs vertieft, der ein Lichtmeer über die Landschaft auszuströmen begann, daß sie ihre Verlegenheit nicht an den Tag zu legen wagte, und im Gegentheil sie überwinden zu müssen glaubte, um so ruhig, wie er, zu scheinen.

Sie fuhren einen steilen Weg hinan, von welchem aus man den ganzen Umkreis des grünenden Thales, den Lauf der Waldströme und die mit ewigem Schnee bedeckten Berge übersah, welche die ersten Sonnenstralen in Purpur und Gold tauchten.

»Das ist herrlich!« sagte endlich Sabina, einen Ausruf Leonce’s beantwortend; »aber wissen Sie, daß bei Gelegenheit dieses Sonnenaufgangs ich wider Willen an meinen Mann denke?«

»Wirklich, bei dieser Gelegenheit!« sagte Leonce, »wo ist er?«

»Ach, er ist ja auf der Villa; er schläft.«

»Und erwacht er zeitig?«

»Je nachdem Lord G*** ist, je nach dem Quantum Wein, das er beim Nachtessen getrunken, mehr oder weniger früh. Und wie kann ich es wissen, weil ich mich jener englischen Regel unterworfen habe, die eine so prächtige Erfindung ist, um die Frauen zu hindern, die Unmäßigkeit der Männer in Schranken zu halten?«

»Aber im Mittelpunkt des Tages?«

»Zu Mittag. Da werden wir wieder bei Hause sein?«

»Ich weiß nicht, Madame, das hängt nicht von Ihrem Willen, ab.«

»Ist’s wahr? Ich höre Sie gern so scherzen; das schmeichelt meinem Verlangen nach dem Unbekannten, Neuen. Doch im Ernste, Leonce? . . .«

»Im vollen Ernste, Sabina, ich weiß nicht, um wie viel Uhr Sie heimkommen. Sie haben mich ermächtigt, die Anwendung Ihres Tages zu bestimmen.«

»Nicht doch! Nur die meines Morgens.«

»Um Verzeihung! Sie haben die Dauer Ihrer Spazierfahrt nicht beschränkt, und bei meinen Plänen bin ich nicht von dem Recht abgestanden, nach Maßgabe meiner Phantasie zu erfinden. Wenn Sie meinem Genie Zügel anlegen, so stehe ich für Nichts mehr.«

»Was soll das heißen?«

»Daß ich Sie Ihrem Todfeinde, der Langeweile überlassen werde.«

»Welche Tyrannei! Wenn aber am Ende durch einen seltsamen Zufall Lord G*** gestern Abend nüchtern geblieben wäre? . . .«

»Mit wem hat er zu Nacht gegessen?«

»Mit Lord H***, mit Herrn D***, mit Sir I***, kurz mit einem Halbdutzend seiner lieben Landsleute.«

»In diesem Fall seien Sie ruhig, er wird vorerst die Sonnenuhr ihre Runde machen lassen.«

»Wenn Sie sich aber täuschen?«

»Ach, Madame, wenn Sie schon an der Vorsehung, das heißt, an mir zweifeln, der ich heute an Gottes Stelle über ihr Schicksal wache, wenn der Glaube Ihnen mangelt, wenn Sie vor- und rückwärts schauen, so entwischt uns der gegenwärtige Augenblick und mit ihm meine Allmacht.«

»Sie haben Recht, Leonce, ich lasse durch diese Erinnerungen an das wirkliche Leben meine Einbildungskraft erlöschen. Meinethalben! erwache Lord G*** wenn er wolle; frage er mir nach, erfahre er, daß ich mit Ihnen im Land umherkutschire, was thuts?«

»Erstens ist er ja nicht eifersüchtig auf mich.«

»Er ist auf Niemand eifersüchtig, aber der Anstand, aber die britische Prüderie!«

»Was wird er im schlimmsten Falle thun?«

»Er wird den Tag verwünschen, wo er sich’s in den Kopf gesetzt, eine Französin zu heiraten, und während wenigstens drei Stunden jede Gelegenheit ergreifen, die Reize von Albions großen Puppen herauszustreichen. Er wird zwischen den Zähnen murmeln, daß England die erste Nation des Weltalls sei, daß die unsere ein Narrenhospital sei, daß Lord Wellington Napoleon übertreffe und daß die Docks von London besser gebaut seien, als Venedigs Paläste.«

»Ist das Alles?«

»Ist es nicht genug? Solche Dinge anhören zu müssen, ohne ihn auszulachen und ihm widersprechen zu dürfen?«

»Und was begegnet dann, wenn Sie Ihr verächtliches Schweigen brechen?«

»Dann speist er mit Lord H***, mit Sir I***, mit Herrn D*** und schläft nachher vierundzwanzig Stunden lang.«

»Haben Sie ihn gestern erzürnt?«

»Sehr. Ich habe ihm gesagt, sein englisches Pferd mache eine dumme Miene.«

»In diesem Fall seien Sie doch ruhig, er wird bis Abends schlafen.«

»Stehen Sie dafür?«

»Ich befehle es.«

»Wohlan denn, Vivat! mögen seine Lebensgeister in Frieden ruhen und seine Ehe eine leichte sein! Wissen Sie Leonce, daß das ein abscheuliches Joch ist?«

»Ja, es gibt Männer, die ihre Frauen schlagen.«

»Das ist noch Nichts; es gibt Andere, die sie vor Langeweile zu Grunde gehen lassen.«

»Ist also das die ganze Ursache Ihres Spleens? Ich glaube es nicht, Mylady.«

»O! nennen Sie mich nicht Mylady, sonst ist mir, ich sei eine Engländerin. Es ist genug, daß, wenn ich in England bin, man mich überzeugen will, mein Mann habe mich denationalisirt.«

»Sie beantworten aber ja meine Frage nicht, Sabine?«

»Ei! was kann ich antworten? Weiß ich die Ursache meines Uebels?«

»Soll ich sie Ihnen sagen?«

»Sie haben mir’s schon hundertmal gesagt, kommen wir nicht unnützerweise darauf zurück.«

»Verzeihung, Verzeihung, Madame. Sie haben mich einen spitzfindigen, bewundrungswürdigen Doktor geheißen, Sie haben mich mit dem Rechte bekleidet, Sie zu heilen, und wär’ es auch nur für einen Tag . . .«

»Mich zu heilen, indem Sie mir Vergnügen schaffen, und was Sie mir sagen wollen, wird mich langweilen, ich weiß es.«

»Leere Ausflucht einer Schamhaftigkeit, die ein zärtlicher Liebhaber reizend fände, Ihr gestrenger Arzt aber höchst kindisch findet.«

»Wohlan, ich ziehe vor, wenn Sie spröde und grob sind. So reden Sie denn.«

»Der Mangel an Liebe verbittert Sie, Ihre Langeweile ist Sehnsucht nach dem Leben und nicht Lebensüberdruß, Ihr übertriebener Stolz verräth eine unglaubliche Schwäche. Sie müssen lieben, Sabina.«

»Sie sprechen vom Lieben, als ob es so leicht wäre, wie ein Glas Wasser zu trinken. Ist es mein Fehler, wenn Niemand mir gefällt?«

»Allerdings ist es Ihr Fehler! Ihr Geist hat eine üble Richtung genommen, Ihr Charakter sich verbittert, Sie haben Ihrer Eigenliebe geschmeichelt und achten sich fortan so hoch, daß Ihnen Niemand Ihrer würdig erscheint. Sie finden, ich sage Ihnen tüchtige Derbheiten, nicht wahr? Würden Sie etwa Fadheiten vorziehen?«

»O! ich finde Sie heute im Gegentheil allerliebst!« rief Lady G . . ., über deren Gesicht dennoch etwas Unmuth geflogen, lachend. »Wohlan denn, hören Sie meine Rechtfertigung und nennen Sie mir Jemand, der mir Unrecht gebe. Ich finde alle Menschen, welche die Gesellschaft mit mir in Berührung bringt, entweder eitel und dumm, oder verständig und kalt wie Eis. Die Einen bemitleide, die Andern fürchte ich.«

»Sie haben nicht Unrecht. Warum suchen Sie nicht außerhalb der Gesellschaft?«

»Kann denn eine Frau suchen? Pfui doch!«

»Man kann ja bisweilen spazieren, antreffen und nicht zu sehr fliehen.«

»Nein, man kann nicht außerhalb der Gesellschaft spazieren, die Gesellschaft folgt uns überall, wenn man zur großen Welt gehört. Und dann, wer ist außerhalb dieser Welt? Bürger, eine gemeine und unverschämte Race; Pöbel, eine viehische und schmutzige Race; Künstler, eine ehrgeizige und höchst selbstsüchtige Race. All dies ist nicht besser als wir, Leonce. Und dann, wenn ich doch beichten soll, will ich Ihnen sagen, daß ich ein wenig an die Vortrefflichkeit unsers Patriezierblutes glaube. Wenn nicht Alles am Menschengeschlechte ausgeartet und verdorben wäre, so könnte man da noch hoffen, erhabene Typen und auserlesene Naturen zu finden. Ich glaube, daß die Zukunft Umgestaltungen bringen wird, aber jetzt sehe ich noch das Siegel der Knechtschaft auf allen diesen erst freigewordenen Stirnen. Ich hasse, verachte und fürchte sie nicht, diese Race, die, wie man sagt, uns verjagen wird; ich gebe meine Einwilligung dazu. Ich könnte Achtung, Ehrfurcht und Freundschaft für gewisse Plebejer fühlen; allein meine Liebe ist eine zarte Blume, die nicht im ersten, besten Erdreich gedeiht; ich habe Marquisenerven; ich werde mich nie ändern und nie umbilden lassen. Je mehr ich der künftigen Gleichheit Anerkennung verschaffe, desto weniger fühle ich mich fähig, zu lieben und zu hätscheln, was die Ungleichheit in der Vergangenheit befleckt hat . . .

»Das ist meine ganze Theorie, Leonce; Sie haben daher keinen Grund, mir zu predigen. Soll ich barmherzige Schwester werden? Nichts lieber, als meine Abneigung gegen die Barmherzigkeit überwinden, Sie wollen aber, daß ich das Glück der Liebe da suche, wo ich nur Opfer zu bringen habe und Buße üben sehe!«

»Ich werde Ihnen Nichts vorpredigen, Sabine; ich bin weder mehr noch weniger als Sie Werth; nur glaube ich, wärmere Neigungen als Sie und ein heißeres Verlangen nach Menschenwürde zu haben, und diese ächte Glut ist über mich gekommen, als ich mich Künstler fühlte. Von jenem Tage an ist mir das Menschengeschlecht nicht als in verschiedene Kasten getheilt, sondern mit erhabenen Typen durchsät, erschienen. Ich halte daher die Gewohnheit nicht für so einflußreich auf die Seelen, die göttliche Macht nicht für so zerstörerisch, daß sie die Nachkommenschaft der Sklaven auf immer mit Elend schlagen kann. Wenn es Gott gefällt, daß die Fornarina schön ist und Raphael Genie hat, so lieben sie sich, ohne nach dem Namen ihrer Vorfahren zu fragen. Schönheit der Seele und des Körpers, das ist edel und achtungswerth, und wenn auch der wilde Rosenstrauch aus Brombeerstauden hervorgewachsen ist, so ist seine Blume nicht desto weniger wohlriechend und lieblich.«

»Ja, aber um ihren Duft einzuathmen, müssen Sie sich in dem wilden Gestrüpp zerreißen. Und dann, Leonce, können wir ideale Schönheit nicht gleicherweise auffassen: Sie sind ein Mann und Künstler, das heißt, Sie haben ein zugleich materielleres und überspannteres Gefühl der Form; Ihre Kunst ist materialistisch. Sie ist der göttliche Raphael, welcher in die kräftige Fornarina verliebt ist. Nun ja, auch die Geliebte des Titian scheint mir ein schönes, dickes, sinnliches, keineswegs idealisches Weib. Wir Andern, wir Patrizierinnen, wir begreifen nicht . . . Doch, großer Gott! da kommt uns eine Equipage entgegen, die ganz der der Marquise gleicht!«

»Und sie ist es selbst, mit dem jungen Doktor!«

»Sehn Sie, Leonce, dieß ist eine Frau, die leichter zu befriedigen ist, als ich! Wir ertappen sie auf einer Intrigue. Sie gab sich für krank aus und da spaziert sie nun mit . . .«

»Mit ihrem Arzte, wie Sie mit dem Ihrigen, Madame. Sie macht sich Vergnügen auf ärztlichen Befehl hin.«

»Ja, aber Sie sind nur der Arzt meiner Seele . . .«

»Sie sind grausam, Sabina! wie wissen Sie, daß dieser schöne junge Mann sich nicht vielmehr an ihr Herz als an ihre Sinne wendet? . . . Und wenn sie eben so übel von Ihnen dächte, wäre sie nicht höchst ungerecht, weil ich, der ich mit Ihnen unter vier Augen bin, mich weder an Ihr Herz wende, noch . . .«

»Gerechter Himmel! Leonce, Sie erinnern mich daran. Sie ist boshaft, sie muß sich durch das Beispiel Anderer rechtfertigen . . . sie wird an uns vorüberkommen. Sie ist dreist; statt sich zu verbergen, wird sie uns beobachten, mich erkennen . . . es ist vielleicht schon geschehn.«

»Nein, Madame,« antwortete Leonce, »Ihr Schleier schützt Sie, und noch ist die Marquise nicht nah; überdieß . . . Den Weg zur Linken, nach St. Apollinaire, eingeschlagen!« rief er dem Jockey zu, der ihm als Kutscher diente und rasch und entschlossen die Pferde lenkte.

Die Wurst bog in einen schattigen Hohlweg ein und mehrere Minuten nachher fuhr die Kalesche der Marquise auf der Landstraße vorüber.

»Sie sehen, Madame,« sagte Leonce, »daß die Vorsehung heute über Sie wacht und in mir zu Fleisch geworden ist. Man kann oft lange in diesen Bergen kreuzen, ohne einen für den Wagen fahrbaren Nebenweg zu finden, und da hat sich im Augenblick, als Sie zu fliehen wünschten, ein solcher wie durch ein Wunder aufgethan.«

»Das ist in der That so wunderbar,« antwortete Lady G*** lächelnd, »daß ich zu glauben versucht werde, Sie haben denselben vermittelst einer Zauberruthe geöffnet und gebahnt. Ja, da waltet ein Zauber ob! Welch schöne blühende Hecken und welch herrliche Schatten! Ich bewundere Sie, wie Sie an Alles denken konnten, selbst an das, uns hier Blumen und Schatten zu geben, was uns an der Bergeshalde mangelte. Diese hundertjährigen Kastanienbäume, die Sie hierher verpflanzt, sind prachtvoll. Man sieht wohl, Leonce, daß Sie ein großer Künstler sind und Nichts nur halb schaffen können.«

»Sie sagen ja allerliebste Dinge, Sabina. Aber Sie sind blaß wie der Tod! Welche Furcht Sie doch vor Andrer Meinung haben! wie konnte dieses Zusammentreffen und diese Gefahr eines Argwohns Ihnen solches Entsetzen verursachen? Ich hätte nie geahnt, daß eine so starke und so stolze Person so schüchtern sein könnte!«

 

»Man lernt sich nur auf dem Lande kennen, sagen die Weltleute. Das will so viel heißen als, man kenne sich nur beim Beisammensein unter vier Augen. Somit, Leonce, werden wir uns diesen Morgen gegenseitig viele Eigenschaften und viele Fehler entdecken, die wir noch nie aneinander bemerkt hatten. Ob meine Schüchternheit Tugend oder Schwäche ist, weiß ich nicht.«

»Sie ist Schwäche.«

»Und das verachten Sie?«

»Ich tadle es vielleicht. Wenigstens finde ich die Erklärung, dieser raffinirten Neigungen, dieser Gewohnheit übertriebener Verachtung darin, wovon Sie mir soeben sprachen. Sie sind vielleicht über Sie selbst nicht recht im Klaren. Sie schreiben vielleicht der ungemeinen Delikatesse Ihrer aristokratischen Begriffe zu, was in Wahrheit nur Furcht vor dem Tadel und Hohn Ihresgleichen ist.«

»Meinesgleichen sind auch Ihresgleichen, Leonce; kümmern Sie sich denn gar Nichts um die Meinung Anderer? Sollte ich eine Wahl treffen, deren ich mich schämen müßte? Das wäre mir wunderlich.«

»Das wäre nur zu wunderlich und ich denke an so Was gar nicht. Allein eine stärker ausgesprochene, eine kühne Unabhängigkeit schien mir eine köstliche Hülfsquelle für Sie, und ich sehe, daß Sie diese nicht besitzen. Es ist hier nicht mehr die Frage, in welcher Sphäre man wählen solle; ich sage nur, daß im Allgemeinen, welche Wahl Sie auch treffen möchten, Sie mehr mit dem Urtheil, das man über Sie fällen würde, als mit den Genüssen, die Sie für Ihre Person daraus zögen, beschäftigt wären.«

»Das glaube ich nicht; auch übersteigt dies die Grunze der herben Wahrheiten, Leonce; es ist eine boshafte Neckerei, ein System übelwollender Beschuldigungen.«

»Ei, da fangen wir ja an, uns zu zanken,« sagte Leonce. »Alles geht gut; wenn es mir gelingt, Sie gegen mich aufzubringen, so werde ich wenigstens die Langweile entfernt haben.«

«Wenn die Marquise unsre Unterhaltung hörte,« sagte Sabina mit zurückkehrender Heiterkeit, »so fände Sie vermuthlich Nichts daran zu tadeln?«

»Da sie dieselbe aber nicht hört und wir andere Zusammentreffen haben können, so ist es gut, wenn wir unserm Beisammensein unter vier Augen ein Ende machen und uns mit einigen Reisegefährten umgeben.«

»Fangen Sie nun Ihrerseits an, übelgelaunt zu werden, Leonce?«

»Keineswegs; allein es liegt in meinen Absichten, Ihnen einen ehrbarern Begleiter, als ich bin, zu geben; ich sehe, daß er mir entgegenkommt. Das Schicksal, wo nicht meine Zaubergewalt, führt ihn an diesen Ort.«

Auf ein Zeichen seines Gebieters hielt der Jockey seine Pferde an. Leonce sprang leichtfüßig aus dem Wagen und lief dem Pfarrer von St. Apollinaire entgegen, welcher, ein Brevier in der Hand, am Eingang seines Dorfes ernst dahinwandelte.

1Schon lächelt der Himmel, Schon stralt die Morgenröthe, . . . Und Du schlummerst noch fest?

Другие книги автора

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»