Inhaltsverzeichnis 1
Das Buch 3
Der Autor 4
Duell der Mörder 6
Brazzaville, Kongo, 30. April 6
Schermbeck, 2. Mai 13
Schermbeck, 10. Mai 15
Weilburg an der Lahn, 10. Mai 19
Schermbeck, 11. Mai 26
Duisburg Dellviertel, 11. Mai 43
Duisburg Röttgersbach, 11. Mai 50
Duisburg Wedau, 12. Mai 54
Duisburg Wedau, 12. Mai 58
Indischer Ozean, 4. Mai 64
Schermbeck, 12. Mai 74
Duisburg Dellviertel, 13. Mai 91
Schermbeck, 13. Mai 95
Duisburg Dellviertel, 14. Mai 108
Schermbeck, 14. Mai 110
Duisburg Dellviertel, 14 Mai 115
Schermbeck, 14. Mai 126
Duisburg Röttgersbach, 14. Mai 131
Schermbeck, 15. Mai 134
Duisburg Dellviertel, 17. Mai 145
Duisburg Dellviertel, 19. Mai 149
Duisburg Dellviertel, 20. Mai 155
Schermbeck, 20. Mai 159
Duisburg Dellviertel, 21. Mai 165
Schermbeck, 22. Mai 167
Nairobi, 22. Mai 172
Ratingen, 23. Mai 190
Gladbeck, 23. Mai 196
Meru – Wajir, 24. Mai 200
Pakistan, Khaiberpass, 24. Mai 215
Wajir – Buta, 25. Mai 222
Schermbeck, 25. Mai 244
Buta – Meru, 26. Mai 249
Duisburg Röttgersbach, 28. Mai 253
Duisburg Dellviertel, 29. Mai 255
Duisburg Röttgersbach, 29. Mai 261
Schermbeck, 1. Juni 265
Potsdam Babelsberg, 1. Juni 276
Duisburg Dellviertel, 1. Juni 281
Duisburg Röttgersbach, 2. Juni 288
Duisburg Dellviertel, 3. Juni 292
Duisburg Orsoy, den 4. Juni 297
Duisburg Dellviertel, 5. Juni 303
Duisburg Dellviertel, 6. Juni 306
Schermbeck, 6. Juni 308
Duisburg Dellviertel, 7. Juni 312
Schermbeck, 7. Juni 314
Duisburg Dellviertel, 7. Juni 319
Düsseldorf Stadtmitte, 8. Juni 321
Duisburg Dellviertel, 9. Juni 324
Gladbeck, 9. Juni 328
Schermbeck, 10. Juni 331
Duisburg Dellviertel, 11. Juni 340
Ratingen, 11. Juni 343
Duisburg Dellviertel, 11. Juni 350
Ratingen, 11. Juni 353
Düsseldorf Kaiserswerth, 11. Juni 356
Duisburg Mitte, Kaiserswerth, 11. Juni 364
Duisburg Dellviertel, 12. Juni 370
Düsseldorf Kaiserswerth, 12. Juni 374
Breitscheid, 12. Juni 382
Ratingen Lintorf, 12. Juni 384
Duisburg Dellviertel, 12. Juni 390
Ratingen, 12. Juni 394
Duisburg Meiderich, 12. Juni 398
Duisburg Dellviertel, 13. Juni 412
Ratingen Hösel, 13. Juni 422
Duisburg Dellviertel, 13. und 14. Juni 432
Duisburg Neudorf, 14. Juni 438
Duisburg Dellviertel, 15. Juni 441
Duisburg Neumühl, 15. Juni 446
Duisburg Kasslerfeld, 15. Juni 449
Duisburg Dellviertel, 16. Juni 452
Ratingen, 17. Juni 455
Düsseldorf Lohausen, 17. Juni 458
Duisburg Dellviertel, 17. Juni 467
Duisburg Hamborn, 18. Juni 472
Duisburg Dellviertel, 18. Juni 475
Schermbeck, 18. Juni 477
Duisburg Dellviertel, 18. Juni 480
Schermbeck, 18. Juni 482
Duisburg Dellviertel, 29. Juli 491
Duisburg Dellviertel, 11. August 496
Anmerkung 498
Der Mann ohne Konturen 499
Der Flug des Fasans 500
In Schermbeck wird die Leiche einer dunkelhäutigen Frau aufgefunden. Der Körper ist oberflächlich entsorgt worden. Die Enträtselung des Mordfalls scheint einfach, weil die Frau sich prostituierte, und einige Freier durchaus ein Motiv haben. Dem ermittelnden Kommissar Mikael Knoop wird eine Kollegin vor die Nase gesetzt. Diese glaubt an einen schnellen Ermittlungserfolg und dadurch an eine schnelle Beförderung.
Je tiefer sich die Ermittlungen indes gestalten, um so langwieriger erweist sich der Ermittlungsweg. Immer deutlicher tritt nämlich ein anderes Mordmotiv in den Vordergrund. Der internationale Waffenhandel scheint auch von Schermbeck aus gesteuert zu werden. Als der Auftraggeber des Mordes bekannt ist, wird dieser selbst ermordet. Schnell stellt Mikael Knoop fest, es muss einen weiteren Mörder geben. Während die Polizei nun gleichzeitig gegen zwei Verdächtige ermitteln muss, haben auch die beiden Mörder ein gemeinsames Problem miteinander. Sie können es nur lösen, wie sie gelernt haben Probleme zu lösen: Durch Mord.
Volker Buchloh, Jahrgang 1947, hat neben dem Studium des Lehramts an beruflichen Schulen ein Diplom in Sozialwissenschaften erworben. Durch eine Schlosserlehre und zwei Studiengängen ist die Verbindung zwischen Theorie und Praxis geschlossen. Dabei besteht sein Interesse am Menschen im Vordergrund.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielgältigungen aller Art, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungen und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Copyright 2016. Alle Rechte liegen beim Autor.
Impressum
© 2016 Volker Buchloh
Duell der Mörder
veröffentlicht als ebook über: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Veröffentlich als Buch: Eigenverlag
Homepage: www.buchloh-krimis.de
Printed in Germany
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-****-***-*
Drittes Buch
Die Bezeichnung 'De Broughler Avenue' war der Kolonialzeit geschuldet. Die Belgier hatten die Namensgebung der wichtigsten Straßen ihrer Kolonie selbst vorgenommen. Die Benennung war schon erfolgt, als der Kongo noch Privateigentum des Belgischen Königs war. Als diesem sein Besitztum zu kostspielig wurde – er musste mehr hineinstecken, als er herauspressen konnte - ließ er sich sein koloniales Eigentum vom Belgischen Staat abkaufen. So waren auch die Straßen in Brazzaville bei den belgischen Bezeichnungen geblieben. Als die Kongolesen 1964 in die Freiheit entlassen worden waren, hatten sich die Probleme im Lande überschlagen. So hatten die herrschenden Eliten keine Zeit gefunden, die Straßenbezeichnungen in einheimische Namen zu überführen. Viel wichtiger war damals die Sicherung und Verteilung der künftigen Staatseinnahmen durch die einheimische Oberschicht gewesen.
Besagte De Broughler Avenue zog sich parallel zur Avenue Central hin. Sie war asphaltiert, was sie als einen Hauptverbindungsweg auszeichnete. An ihr stand ein buntes Gemisch von Kolonialbauten, Steinhäusern, Stahlbetonskeletten und niedrigen Hochhäusern. Aber es gab auch freie Flächen, wo das Unkraut den fliegenden Müll eingefangen hatte.
Die Sonne strahlte aus wolkenlosem Himmel. Man hatte sich mit der Temperatur von über 30 Grad Celsius arrangiert. So war es eben. Wer kein schattiges Plätzchen fand, der eilte über Straße und Bürgersteig, um den Sonnenstrahlen zu entfliehen. Die Männer trugen Hosen. Die waren bei den älteren länger und bei den jüngeren kürzer. Wenn sie nicht mit nacktem Oberkörper herumliefen, dann trugen sie Buschhemden oder langärmlige Blousons. Die Frauen trugen Blusen und knöchellange Röcke. Ein abendländisch geschultes Auge vermisste eine Abstimmung von Mustern und Farben. Dabei verkannte es, dass gerade diese vielfältige Kombination von Farben und Mustern das Modische ausmachte. Für die Größe einer Metropole wie Brazzaville waren zu dieser Zeit wenige Fahrzeuge unterwegs. Es war Mittagszeit. Unter den Kraftfahrzeugen befanden sich weniger Pkws als Lastwagen. Unabhängig von der Außentemperatur musste man Geld verdienen, wenn man denn zu den Glücklichen gehörte, welche die Möglichkeit dazu hatten. Häufiger traf man auf die Lkws der Kleinen Leute - Fahrräder. Geschoben oder gefahren waren sie mit allem beladen, was man stapeln konnte. Kästen, Kisten, Behälter oder Ballen gehörten ebenso dazu, wie Bretter, Balken oder Rohre. Die Grenze der Beladung war nicht die Menge der Ladung, sondern die Festigkeit der Fahrradkonstruktion. Wer fortschrittlicher transportierte, der setzte Mopeds ein.
Vor einem unscheinbaren, vier Etagen umfassenden Ziegelsteinbau standen zwei uniformierte Männer im Schatten des Eingangs. Ihre einzige Aufgabe bestand darin, nur die Umgebung zu beobachten und den Zutritt zu kontrollieren. Suchte eine Person den Zugang zum Gebäude, wurde sie abgetastet und bei befriedigendem Ergebnis nach innen weitergereicht. Da dies recht selten geschah, war dies ein langweiliger Job, der bei dem hohen Stand der Sonne mehr eine Tortur war, denn eine Sicherungsaufgabe.
Die beiden Männer in einer fußknöchellangen Galabiya erregten keine Aufmerksamkeit. Sie passten ins Straßenbild. Ihr Abstand zueinander war abgestimmt, aber er erschien für den Betrachter zufällig. Sie waren nicht die einzigen, welche die Häuserfront der Firma Lambarde Traffic Ltd. passierten. Lambarde Traffic hatte als Geschäftsfeld internationalen Transport auf einem schmutzigen Messingschild angegeben. Als beide Männer so gleichzeitig an den Wachen vorbeischlenderten, verschafften zwei kleinkalibrige Pistolen dem Sicherheitspersonal ein schnelles Ende. Während die Mörder die Leichen einfach an der Hauswand ablegten, fuhren zwei schwarz lackierte Range Rover vor. Neun mit Kuffija vermummte Gestalten sprangen aus dem ersten Fahrzeug heraus. Während sie geräuschlos im Gebäude verschwanden, blieben einige Passanten stehen. Kommentarlos warteten sie auf weitere Ereignisse. Weil alles ruhig blieb, schüttelten sie nach einiger Zeit ihren Kopf, um ihre eigentlichen Tätigkeiten zur Sicherung ihres Lebensunterhaltens wieder aufzunehmen.
Im Innern des Gebäudes wurde das Sicherungspersonal von den Vorderen des Stoßtrupps durch Schläge mit den Gewehrschäften außer Gefecht gesetzt, während die Letzten den Ohnmächtigen jeweils zwei Kopfschüsse verpassten. Die Eindringlinge kannten sich aus, und sie hatten ein Konzept. Sie wussten, wo das Sekretariat war, wohin sie wollten. Während die ersten beiden sofort in das Zimmer des Chefs von Lambarde Traffic Ltd. durchstürmten, legten die nachfolgenden Söldner mit angelegten Kalaschnikows das Sekretariat lahm. Drei Frauen und ein junger Mann warfen sich sofort auf den Boden. Sie wollten schließlich überleben.
Das Büro war durchaus komfortabel eingerichtet. Ein Schreibtisch aus Ebenholz trug eine moderne Telefonanlage. Ein Flachbildschirm verriet, dass es irgendwo einen Computer geben musste. An der Wand hinter dem Schreibtisch hatte man das Fell eines Löwen gespannt, dem man den Kopf und die Krallen nicht entfernt hatte. Schräg vor dem Ebenholztisch stand eine übermannshohe Wurzel, aus der man Teile von Elefanten, Krokodil und Gepard geschnitzt hatte.
Immerhin schaffte es Abduhl Barnasadahleh, so der Name des Firmeninhabers, nach seiner Pistole in der Schreibtischschublade zu fischen. Nachdem er aber in den Lauf zweier Brownings blickte, gab er seine Verteidigung auf. Ohne Waffe zog er seine Hand aus der Schublade. Nachdem man seinen Ledersessel gegen die seitliche Wand unter einem Bild des Staatspräsidenten Secu Sese Secam gefahren hatte, griff einer der Kuffijaträger zum Mobiltelefon. Daraufhin verließ ein Mann im hellen Anzug westlichen Zuschnitts den zweiten Range Rover. Er war ein unscheinbar wirkender Weißer mit kurzgeschnittenen Haaren, die er linksgescheitelt trug. Seine Bewegungen verrieten Geschmeidigkeit.
Bei dieser Aktion lauteten seine Papiere auf den Namen Pierre Lacuste, Belgien. Lacuste hatte viele Ausweispapiere. Er fühlte sich in keiner Nationalität heimisch. Nur seinen Geburtsnamen gebrauchte er nie. Es waren keine Schutzgründe dafür ursächlich. Nein, er wollte nur nicht an seine Gebärerin erinnert werden. Außer Prügel und Hunger hatte er von dieser Nutte nichts geerbt. Seit er denken konnte, hatte diese 'Mutter' es darauf angelegt, dass er aus ihrem Leben verschwinden sollte. Als er es dann schließlich tat, befand er sich im Sumpf von Tirana. Alles, was er benötigte, musste er sich erkämpfen. Bald fand er heraus, wo man schnell an Geld kam: Drogen. Nachdem er anstelle eines Konkurrenten ein Geschäft auf eigene Rechnung gemacht hatte, setzte ihm dieser ein Messer an den Hals. Dass es nicht zum entscheidenden Schnitt kam, lag an einem Partner, der lieber mit Lacuste dealen wollte. Während dieser Partner den Angreifer nur in den Rücken trat, vollendete er, Lacuste, selbst das, wozu sein Gegner nicht den Mut dazu hatte. Er schnitt ihm die Kehle durch.
Mit angsterfüllten Augen starrte Abduhl Barnasadahleh den hereinkommenden Lacuste an. Er erinnerte an einen überdimensionalen dunkelhäutigen Schneemann. Barnasadahleh hatte gewaltige vertikale Körpermaße. Deshalb saß er auf einem gutgepolsterten Rollsessel, dessen Sonderkonstruktion den Massen seines Benutzers durchaus standhielt. Um den Hals trug er eine Menge goldener Ketten, die auf einer behaarten Brust baumelten. Es war seine Art, den Reichtum zu zeigen, den er sich ergaunert hatte. Ein kurzärmeliges, fünffarbiges Seidenhemd verhüllte seine Leibesfülle wie ein Segel.
Ein Deckenventilator verteilte die herumliegenden Blätter weiter auf dem Boden. Es roch nach Zigarettenqualm, obwohl keiner der Anwesenden im Moment rauchte. Gelassen hob der momentane Belgier einen Stuhl vom Boden auf, der beim Stürmen des Zimmers durch den Raum gesegelt war.
„Wir kennen uns nicht. Das ist auch nicht wichtig. Aber wir haben einen gemeinsamen Freund. Und sie, Abduhl, haben unseren Freund verärgert, sehr verärgert.“ Er schnalzte mit der Zunge, als er den Kopf schüttelte. Die dunkelbraunen Augen des Weißen standen etwas eng und waren nur auf das Gesicht seines Gegenübers gerichtet. Sie verbreiteten den Eindruck, als verabscheue er solche Gespräche.
Barnasadahleh zerrte an den Stricken, mit denen man inzwischen seinen massigen Oberkörper mit seinem Drehstuhl fixiert hatte. Vergebens. Auf eine müde Handbewegung von Lacuste hin verkürzte einer seiner Begleiter den Strick um dessen fetten Hals. Schweiß rann über die Schläfen des Gefesselten, eilte die feisten Backen hinunter, um am Hals vom Stoff seines Kaftans aufgesogen zu werden. Der Luftmangel beendete die Gegenwehr.
„Wir wollen uns doch vernünftig unterhalten. Das ist doch in Ihrem Sinne, oder? Wo war ich stehen geblieben? Ach, ja. Unser gemeinsamer Freund. War er nicht sehr entgegenkommend? Zweimal hatte er Ihnen einen Termin gesetzt. Leider kam Ihnen wohl immer etwas dazwischen. Nun sind wir beim dritten Meeting. Drei ist Ihre Glückszahl, denn heute wird gezahlt.“
Barnasadahleh schnappte nach Luft. Seine Augen weiteten sich. „Die Geschäfte schlecht sind, sehr schlecht. Ich habe...“
Mit einer barschen Handbewegung beendete der Belgier den Satz. „Wir sind nicht hier, um Sprüche auszutauschen oder zu verhandeln. Ich will Geld. Wir haben ohne Visematentschen die Maschinengewehre, Panzerfäuste und Kalaschnikows geliefert. Nun will unser gemeinsamer Freund auch die Bezahlung, die ihm zusteht.“
Hoffnung tauchte in Barnasadahlehs Augen auf. „Soviel Geld habe ich nicht hier, 12 Millionen. Wer hat soviel in der Tasche? Und die Bank?“
Ausdruckslos ruhten die Augen des Weißen auf den Lippen des Kongolesen. Nichts geschah. In den Augen des Misshandelten keimte Hoffnung auf. Seine Ausrede mit der Bank hatte doch bislang immer funktioniert. Der Belgier hatte von einem Beistelltisch den Unterkiefer eines fast dreijährigen Alligators ergriffen und damit herumgespielt, so als langweile ihn diese Angelegenheit über alle Maßen. In dem Moment, wo der Zahlungsunwillige sich entspannte und sich mit der rechten Hand auf dem Schreibtisch aufstützte, schnellte der Unterkiefer des Reptils nach vorne. Die gebogenen Zähne bohrten sich in die Handoberfläche. Instinktiv wurde die Hand zurückgezogen, was die Schmerzen allerdings noch erhöhte. Es dauerte etwas, bis der Schwarze begriff, dass Wegziehen keine Option war. Ungerührt drückte Lacuste den umgedrehten Unterkiefer des Reptils in den Handrücken. Die Schmerzensschreie des Gemarterten beeindruckten ihn ebenso wenig wie dessen Tränen, die nach unten abliefen.
„Hören Sie zu! – Hören Sie einfach zu! Und halten Sie vor allem die Schnauze.“
Barnasadahlehs Kopf nickte wie eine Nähmaschine. Als Entgegenkommen wurde der Druck etwas verringert, blieb aber die ganze Zeit über bestehen.
Langsam schüttelte Lacuste den Kopf mit den kurzgeschnittenen blonden Haaren. „Mein Guter, Sie begreifen nicht. Vor allem halten Sie uns doch nicht für so dumm. Sie zahlen elektronisch, wir kassieren elektronisch. Internet Banking heißt das. Wo ist da das Problem? Sie mailen Ihre Bank an. Selbstverständlich schaue ich weg, wenn Sie Ihr Kennwort eingeben. Wenn die Summe auf unserem Konto in Barbados angekommen ist, dann erhalte ich einen Anruf.“ Der Belgier hob sein Satelliten-Mobiltelefon in die Höhe. „Dann sind Sie uns los. So einfach ist das. Haben Sie noch Fragen?“
Um seiner Erklärung wieder Nachdruck zu verleihen wurde der Druck des Kiefers erneut erhöht. An einigen Stellen begannen die Raubtierzähne den Zusammenhalt der Haut aufzuheben. Der Kongolese hatte weder weitere Fragen, noch Anmerkungen. Es dauerte über eine halbe Stunde bis das Satellitentelefon seine Melodie in den Raum schmetterte und die Wartenden aufschreckte. Der Belgier drückte eine Taste, bevor er das Gerät ans Ohr hielt. Er nickte nur mit dem Kopf. Dann lächelte er. „Das Geld ist da. Wir können aufbrechen.“
Abduhl Barnasadahleh atmete erleichtert auf. Er blinzelte gegen die Schweißtropfen an, die ihm auch in die Augen gelaufen waren. Er hatte sich nicht getraut auch noch dagegen zu protestieren. Auf dem Wege zur Türe drehte sich der Belgier um.
„Ach, noch was. Sie sollten in Zukunft beim Abschluss der Geschäfte mit uns daran denken.“ Er machte eine Handbewegung.
Die beiden Kuffijaträger rollten den Ledersessel eng an die Tischplatte. Während der eine den Arm von Barnasadahleh auf der Oberfläche fixierte, presste der andere die Hand auf die Fläche. Lacuste zückte ein Messer. Es war Schneide und Säge in einem. Bevor der Gefesselte überhaupt denken konnte, wurde ihm der kleine Finger abgetrennt. Ruhigen Fußes verließen die eigenartigen Besucher das Gebäude.
Die Range Rover fädelten sich in den nachmittäglichen, spärlich fließenden Verkehr von Brazzaville ein. Der Belgier griff zu seinem Satellitenhandgerät. Im fernen Schermbeck schlug der Festnetzanschluss an. Es dauerte eine Weile, bis jemand abnahm.
„Das Geschäft ist abgeschlossen.“ Lacuste lehnte sich in die Rückenpolster.
„Gut.“
„Was ist mit der Sache von nächster Woche?“ Die Stimme des Angerufenen klang drängend.
Lacuste setzte die Sonnenbrille auf die Nase. „Im Moment nicht. Darüber reden wir später. Aber ich glaube, es klappt.“
„Gut.“
Die Verbindung nach Deutschland war unterbrochen.
Angst weitete die Augen auf maximale Größe. Das Gehirn hatte keine Befehlsgewalt mehr über den Körper. Alles, was ablief, unterstand dem Kommando autonomer Reflexe und diese wurden durch die Sinneseindrücke bestimmt, die ihr Gehirn wahrnahm. Und diese befahlen die absolute Starre aller Muskeln. Die Hände hatten sich am Saum der Bettdecke festgekrallt. Die Kraft war so gewaltig, dass der obere Teil der Finger nicht mehr durchblutet wurde. Die dunkle Farbe der Haut erschien dadurch heller. Die Frau wollte die Bettdecke über den Kopf ziehen, um das Grauen nicht mehr ansehen zu müssen. Aber genau so gewaltig wie dieser Drang war auch die Angst, sie würde nicht mehr mitbekommen, was Matatanga mit ihr vorhatte.
Draußen wurde es dunkel und es war nicht das erste Mal gewesen, dass der große Geist sie um diese Zeit besuchte. Es war abgelaufen, wie es immer ablief. Der Wind wehte Steine gegen die Scheiben ihres einzigen Zimmerfensters. Dann ertönten Stimmen, deren Sinn sie nicht verstand. Nomfunda wusste aber, der Große Geist sprach nie Worte, die Menschen verstehen konnten. Das wusste sie von ihrer Mutter und die hatte es von ihrer Mutter gelernt. Und wenn die Ahnen das sagten, dann war dies die Wahrheit. Und Wahrheiten bezweifelte man nie. Langsam bewegte sich der Kopf Matatangas von unten nach oben. Er schwankte, so als klettere er die Außenfassade des Gebäudes hoch. Geister brauchten keine Leitern und Matatanga erst recht nicht. Und die Höhe eines zweiten Stockwerks war für den Geist eine Kleinigkeit. Die krausen Kopfhaare bewegten sich im Winde, der draußen herrschte. Die in Falten gelegte Stirne kündigte das Unheil an, denn nun erschienen wieder die glühenden Augen oberhalb der Fensterbank. Blutrot gefärbt suchten sie nach ihr. Und Matatanga fand immer, was er suchte. Die abgeknickte Nase, verunstaltet mit vielen Runzeln und Warzen, drehte sich zu ihr hin. Der Odem des Todes drang aus den Nasenlöchern. Pendelnd erschien nun der Mund in ihrem Sichtfeld. Weit aufgerissen zeigten sich riesige Zähne, die mehr an das Gebiss eines Hais erinnerten, als an die eines Menschen. Aber wer hatte behauptet, Matatanga sei ein Mensch?
Als ihre Mutter ihr als Kleinkind von Matatanga erzählte, hatte sie ein anderes Bild vom Großen Geist gehabt. Aber dies waren Gedankenbilder längst vergangener Tage. Dass er selbst tatsächlich so furchtbar aussah, hatte sie sich in ihren schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können. Aber es war einleuchtend. Matatanga, so hatte man ihr immer eingebläut, erschien nie ohne Grund. Und sie aufzusuchen, das war eigentlich überfällig. Sie hatte schwere Schuld auf sich geladen. Es gab keine Ausreden bei den Begleitumständen, unter denen dies geschehen war. Matatanga hatte sie für schuldig befunden. Der Große Geist wusste alles, auch das, was sie entgegnen wollte. Sie musste seinen Schiedsspruch widerspruchslos akzeptieren. Alles andere würde nur viel schlimmer sein.
Matatanga schien draußen vor dem Fenster zu bleiben. Überlegte er, ob er in diese armselige Kammer eindringen sollte? Nun erkannte sie seine Absicht. Er wollte ihr wohl noch einmal all die Verbrechen vor Augen führen, denen sie sich schuldig gemacht hatte. Vor ihren Augen erschienen Bilder, die nicht weniger schrecklich waren, als das Aussehen Matatangas da draußen. Aber der Große Geist wollte ihr wohl nicht die Zeit geben, in Echtzeit noch einmal alles zu erblicken, was sich ereignet hatte. Der Film vor ihren Augen lief im Zeitraffer ab. Sie sah die Mengen toter Körper, diejenigen welche andere umgebracht hatten, wie auch solche, die sie selbst erschlagen, erschossen oder massakriert hatte. Sie wusste, ihr Tod stand ihr unmittelbar bevor.
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