Kleine Novellen

Текст
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

II.

Wenn ich sage, dass Baron Peter und seine Gäste vor Erstaunen sprachlos waren, als sie auf diese Weise erfuhren, dass Herr Cosway ein verheirateter Mann sei, so habe ich damit noch sehr wenig gesagt.

Der allgemeine Eindruck schien der zu sein, dass er verrückt sei. Seine Tischnachbarn zogen sich, mit Ausnahme seines Freundes, alle von ihm zurück. Herr Stein blickte auf die Zeitung, drückte Herrn Cosway in stiller Teilnahme die Hand — und wandte sich an den Gastgeber.

»Erlauben Sie mir, dass ich für meinen Freund spreche« sagte er, »bis er die nötige Ruhe gefunden hat, für sich selbst einzutreten. Die Umstände sind so außergewöhnlicher Art, dass ich annehmen darf, ihn durch sie entschuldigt zu sehen. Wollen Sie uns erlauben, mit Ihnen privatim zu sprechen?«

Baron Peter öffnete, indem er sich mit einer Entschuldigung an seine Gäste wandte, die Tür, die zu seiner Studierstube führte. Herr Stein nahm Herrn Cosways Arm und ging mit ihm aus dem Zimmer. Cosway achtete auf niemand, sprach mit niemand — und bewegte sich nur mechanisch fort wie ein Nachtwandler.

Nach Verlauf einer Stunde, für die Zurückbleibenden eine unerträgliche Zeit, kehrte Baron Peter allein in das Frühstückszimmer zurück. Herr Cosway und Herr Stein waren mit ihres Gastgebers vollständigem Einverständnis bereits nach London abgereist.

»Es ist in mein Belieben gestellt« fuhr Baron Peter fort, »Ihnen wieder zu erzählen, was ich in meiner Studierstube gehört habe. Ich will dies tun unter der einen Bedingung — dass Sie alle sich auf Ehrenwort verpflichtet betrachten, die wahren Namen und die wirklichen Orte nicht zu nennen, wenn Sie die Geschichte anderen erzählen.«

Unter diesem klugen Vorbehalte wird die Geschichte hier von einem aus der Gesellschaft wieder erzählt. Dieser findet, wenn er darüber nachdenkt, wie er seine Aufgabe aufs vorteilhafteste lösen könne, dass die Ereignisse, welche Herrn Cosways unglücklicher Heirat vorausgingen und ihr folgten, sich in gewisse wohlmarkierte Teile bringen lassen. Indem er diese Einteilung zu Grunde legt, erzählt er die Geschichte wie folgt:

Erster Zeitabschnitt in Cosways Leben

Die Abfahrt Ihrer Majestät Schiff Albicorn wurde durch die ernste Krankheit des Kapitäns verzögert. Ein Mann, der keinen politischen Einfluss besaß, würde auf den bedenklichen Bericht des Arztes hin durch einen anderen Kommandanten ersetzt worden sein. Im vorliegenden Falle aber zeigten sich die Herren im Marineministerium als ein Muster von Geduld und Teilnahme Sie hielten das Schiff im Hafen zurück und warteten des Kapitäns Wiederherstellung ab.

Unter den jüngeren Offizieren in minder wichtigen Stellungen, die unter diesen Umständen an Bord nicht nötig waren und demgemäß leichten Urlaub erhielten, um auf dem Lande weitere Ordre abzuwarten, befanden sich auch zwei junge Männer im Alter von 22 und 23 Jahren, die unter den Namen Cosway und Stein bekannt waren.

Das Ereignis, durch das sie uns jetzt bekannt werden, nimmt seinen Anfang in einem bedeutenden Seehafen an der Südküste Englands und zeigt uns die beiden jungen Herren am Mittagstische in einem Privat-Zimmer ihres Gasthofes.

»Ich glaube, dass wir die letzte Flasche Champagner entkorkt haben« sagte Cosway. »Lass uns noch eine versuchen. Du bist der Schelle am nächsten, Stein. Schelle!«

Stein zog die Schelle, aber er machte seine Bedenken geltend. Er war der ältere von beiden und ein Muster von Besonnenheit.

»Ich fürchte, dass unsere Rechnung schrecklich aufläuft« sagte er. »Wir sind länger als drei Wochen hier gewesen —«

»Und wir haben uns nichts versagt« fügte Cosway hinzu. »Wir haben wie Fürsten gelebt. Kellner, noch eine Flasche Champagner! Wir haben unsere Reitpferde, unsere Wagen, die beste Loge im Theater und Zigarren, wie sie London selbst nicht liefern kann. Das heiße ich den höchsten Vorteil aus dem Leben ziehen. Probiere einmal die neue Flasche! Herrliches Getränk, nicht wahr? Warum hat denn nur mein Vater keinen Champagner auf seinem Familientische?«

»Ist dein Vater ein reicher Mann, Cosway?«

»Ich könnte es nicht sagen. Er gab mir nichts als das gehoffte Geld, als ich ihm Lebewohl sagte — und ich glaube sogar, er ermahnte mich beim Abschiede ernstlich, mit ihm recht sparsam umzugehen. ‚Du bekommst keinen Heller mehr‘, sagte er, ‚bis euer Schiff von seiner Fahrt nach Südamerika wieder zurückkehrt.‘«

»Dein Vater ist ein Geistlicher, Stein.«

»Ja, und was willst du damit sagen?«

»Nun, einige Geistliche sind reich.«

»Mein Vater ist keiner von diesen, Cosway.«

»Dann lass uns nicht mehr von ihm sprechen. Schenke dir selbst ein und reiche mir dann die Flasche.«

Anstatt dieser Aufforderung zu folgen, erhob sich Stein mit sehr ernster Miene und zog noch einmal die Schelle.

»Bitten Sie die Wirtin heraufzukommen« sagte er, als der Kellner erschien.

»Was willst du mit der Wirtin?« fragte Cosway.

»Ich wünsche die Rechnung.«

Die Wirtin — eine Frau Pounce — betrat das Zimmer. Sie war Witwe, von kleiner Statur, alt, wohlbeleibt und geschminkt.

Leute, die Charaktere studieren, wie solche im Gesicht ausgeprägt sind, würden Bosheit und List in ihren glänzenden kleinen schwarzen Augen und ein heftiges, rachsüchtiges Gemüt in den Linien ihrer dünnen roten Lippen wahrgenommen haben. Die beiden jungen Offiziere waren solch feiner Unterscheidungen nicht fähig und gingen daher in ihren Ansichten über Frau Pounce weit auseinander. Cosways sorgloser, heiterer Sinn gefiel sich in der Behauptung, dass er verliebt in sie sei. Stein hatte dagegen von Anfang an eine Abneigung gegen sie gefasst. Als sein Freund nach deren Grunde fragte, gab er eine merkwürdig dunkle Antwort.

»Erinnerst du dich jenes Morgens, als du im Walde die Schlange tötetest?« sagte er. »Ich fasste eine Abneigung gegen die Schlange.«

Cosway stellte keine weiteren Fragen an ihn.

»Nun, meine jungen Helden« rief Frau Pounce, die immer laut, immer heiter und immer zutraulich gegen ihre Gäste war, »was wünschen Sie denn von mir ?«

»Nehmen Sie ein Glas Champagner, mein Liebchen« sagte Cosway, »und lassen Sie mich versuchen, ob ich meinen Arm um Ihre Taille legen kann. Das ist alles, was ich von Ihnen wünsche.«

Die Wirtin ließ diese Bemerkung unerwidert vorübergehen. Obgleich sie zu beiden gesprochen hatte, blieben doch ihre kleinen, listigen Augen von dem Augenblicke ihres Eintritts an auf Stein haften. Instinktmäßig erkannte sie den Mann, der sie nicht leiden mochte — und sie wartete bedächtig auf Steins Antwort.

»Wir sind eine Zeitlang hier gewesen« sagte dieser, »und Sie würden uns verpflichten, Madame, wenn Sie uns die Rechnung geben wollten.«

Frau Pounce öffnete mit einem Ausdruck unschuldiger Überraschung weit die Augen. »Ist der Kapitän wieder gesund und müssen Sie heute abend an Bord gehen?« fragte sie.

»Nichts von alledem!« warf Cosway dazwischen. »Wir haben keine Nachricht von dem Kapitän und gehen heute abend ins Theater.«

»Aber« wiederholte Stein, »wir wünschen die Rechnung zu haben, wenn es beliebt.«

»Gewiss, verehrter Herr« sagte Frau Pounce, indem sie plötzlich eine ehrerbietige Miene annahm. »Aber wir sind drunten sehr beschäftigt und hoffen, dass Sie uns heute abend nicht drängen werden.«

»Natürlich nicht!« rief Cosway.

Frau Pounce verließ augenblicklich das Zimmer, ohne auf eine weitere Bemerkung von Cosways Freund zu warten.

»Ich wünschte, wir wären in ein anderes Haus gegangen« sagte Stein. »Merke dir, was ich sage, diese Frau will uns betrügen.«

Cosway äußerte seine abweichende Meinung in der freundlichsten Weise. Er füllte das Glas seines Freundes und bat ihn, doch von Frau Pounce nicht solche böse Dinge zu reden.

Aber das gewöhnlich so sanfte Gemüt Steins schien nun einmal erregt zu sein; er beharrte auf seiner Ansicht. »Sie ist unverschämt und neugierig, wenn sie nicht geradezu unredlich ist« sagte er. »Was für ein Recht hat sie, dich zu fragen, wo wir zu Hause wohnten; und welches unsere Vornamen seien; und wer von uns der ältere sei, du oder ich? O ja — das ist alles ganz schön gesagt, dass sie nur ein schmeichelhaftes Interesse für uns zeige! Ich vermute, sie zeigte ein schmeichelhaftes Interesse für meine Geschäfte, als ich ein wenig früher wie gewöhnlich aufwachte und sie in meinem Schlafzimmer mit meiner Brieftasche in der Hand erwischte.«

»Glaubst du, dass sie im Begriffe war, die Brieftasche der Sicherheit wegen einzuschließen? Sie weiß ebensogut, wie viel Geld wir bekommen haben, als wir selbst. Jeder Pfennig, den wir besitzen, wird morgen in ihrer Tasche sein. Aber es hat auch sein Gutes — wir werden genötigt sein, das Haus zu verlassen.«

Selbst dieser zwingende Grund vermochte nicht, Cosway zu einer Erwiderung zu bringen. Er nahm Steins Hut und überreichte ihn seinem prophetischen Freunde mit der äußersten Höflichkeit.

»Es gibt nur ein Mittel für eine solche Gemütsverfassung wie die deinige« sagte er. »Komm mit mir ins Theater.«

Am nächsten Morgen um zehn Uhr befand sich Cosway allein am Frühstückstische. Es wurde ihm gesagt, dass Herr Stein ausgegangen sei, um einen kleinen Spaziergang zu machen, und bald wieder zurück sein werde. Als er sich zu Tische setzte, bemerkte er auf seinem Teller ein Kuvert, das augenscheinlich die Rechnung enthielt. Er ergriff es, überlegte einen Augenblick und warf es dann uneröffnet wieder hin. In demselben Augenblick stürzte Stein in großer Aufregung ins Zimmer.

»Nachrichten, welche dich wundern werden« rief er. »Der Kapitän ist gestern abend angekommen. Die Ärzte sagen, dass die Seereise seine vollständige Wiederherstellung bewirken werde. Das Schiff segelt heute noch ab — und wir haben den Befehl, uns innerhalb einer Stunde an Bord zu melden. Wo ist die Rechnung?«

 

Cosway zeigte auf sie. Stein nahm sie aus dem Kuvert. Sie bedeckte zwei Seiten eines ungeheuer langen Streifens Papier. Die Gesamtsumme war mit Linien in roter Tinte schön verziert. Sten sah nach ihr und gab dann Cosway schweigend die Rechnung. Diesmal war selbst Cosway in Bestürzung. In unheimlicher Stille zogen die beiden jungen Männer ihre Brieftaschen hervor, rechneten ihr bares Geld zusammen und verglichen das Ergebnis mit der Rechnung. Ihre gesamten Mittel betrugen etwas mehr als ein Drittel der Forderung der Wirtin.

Der einzige Weg, der sich darbot, war nach Frau Pounce zu schicken, um ihr die Verhältnisse auseinanderzusetzen und ihr auf der noblen Geschäftsbasis des Kredits einen Vergleich vorzuschlagen.

Frau Pounce erschien und war prächtig in ein Promenadenkostüm gekleidet. War sie im Begriffe auszugehen oder war sie gerade nach dem Gasthofe zurückgekehrt? Nicht ein Wort entschlüpfte ihr, sie wartete mit ernster Miene, um zu hören, was die Herren wünschten.

Cosway, darauf vertrauend, dass Frau Pounce ihm bisher ihre Gunst zugewendet hatte, bot ihr den Inhalt ihrer beiden Brieftaschen an und teilte ihr die traurige Wahrheit mit. »Das ist alles Geld, was wir haben« sagte er zuletzt. »Wir hoffen, dass Sie damit einverstanden sind, den Rest Ihres Guthabens in einem Wechsel auf drei Monate in Empfang zu nehmen.«

Frau Pounce antwortete mit einem Ernst in Wort und Miene, der für Cosway und Stein ganz neu war.

»Meine Herren, ich habe für Ihre Pferde und Wagen bares Geld an Miete bezahlt« sagte sie; »hier sind die Quittungen der Mietspferdehalter, die dies nachweisen. Ich nehme niemals Wechsel an, wenn ich nicht im voraus ganz sicher bin, dass sie auch bezahlt werden. Ich bestreite, dass Sie eine Überforderung in der gestellten Rechnung nachweisen können und erwarte, dass Sie Zahlung leisten, ehe Sie mein Haus verlassen.«

Stein sah nach seiner Uhr. »In dreiviertel Stunden« sagte er, »müssen wir an Bord sein.«

Frau Pounce war ganz seiner Ansicht. »Und wenn Sie nicht an Bord sind« bemerkte sie, »so werden Sie vor ein Kriegsgericht gestellt und vom Dienste entfernt werden, und Ihr guter Ruf wird fürs ganze Leben zu Grunde gerichtet sein.«

»Verehrteste Frau, wir haben keine Zeit nach Hause zu schicken, und kennen in der Stadt niemand« erklärte Cosway. »Nehmen Sie um Gottes willen unsere Uhren und Juwelen und unser Gepäck und lassen Sie uns gehen.«

»Ich bin kein Pfandleiher« sagte die unbeugsame Dame. »Sie müssen entweder Ihre unbestreitbare Schuld mir in richtigem Gelde bezahlen oder —«

Sie machte eine Pause und blickte nach Cosway. Ihr wohlgenährtes Gesicht heiterte sich auf — zum erstenmal zeigte sich ein anmutiges Lächeln auf demselben.

Cosway starrte sie in unverhohlener Verwirrung an. Verwirrt wiederholte er ihre letzten Worte. »Wir müssen entweder die Rechnung bezahlen« sagte er, »oder was?«

»Oder« antwortete Frau Pounce, »einer von Ihnen muss mich heiraten.« Scherzte sie? War sie berauscht? Oder war sie von Sinnen? Nichts von all dem. Sie war vollständig Herrin ihrer selbst, und ihre Erklärung war ein Muster von klarer und überzeugender Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse:

»Meine Stellung hier hat ihre Unannehmlichkeiten« fing sie wieder an. »Ich bin eine alleinstehende Witwe; es ist bekannt, dass ich ein ausgezeichnetes Geschäft und erspartes Geld habe. Die Folge davon ist, dass ich von einer Schar geldgieriger Lumpen zu Tode gequält werde, die mich heiraten wollen. In dieser Lage bin ich Beleidigungen und Verleumdungen ausgesetzt. Selbst wenn ich nicht wüsste, dass die Männer es nur auf mein Geld abgesehen haben, wäre doch nicht einer unter ihnen, den ich zu heiraten wagen würde. Er möchte sich als Tyrann erweisen und mich schlagen, oder als Trunkenbold, und mich beschimpfen, oder als ein Spieler, der mich zu Grunde richtet. Wie Sie sehen, ist es zu meiner eigenen Sicherheit und Ruhe nötig, dass ich mich für verheiratet erklären und den Beweis dafür durch einen Heiratsschein erbringen kann. Ein Herr aus gebildeter Familie, der eine angesehene Stellung zu gewähren hat und an Jahren so viel jünger ist als ich selbst, dass er nicht daran denkt, mit mir zusammenzuleben — das wäre so ein Ehegatte, der mir passte! Meine Herren, ich bin eine vernünftige Frau. Ich würde darauf eingehen, mich von meinem Gemahl an der Kirchtür wieder zu trennen, und nachher niemals wieder versuchen, ihn zu sehen, oder ihm auch nur zu schreiben. Ich würde, wenn nötig, nur meinen Heiratsschein vorzeigen, ohne irgendwelche Erklärungen abzugeben. Ihr Geheimnis würde ganz sicher bei mir aufgehoben sein. Ich kümmere mich nicht im geringsten um Sie, so lange Sie meinem Zweck entsprechen.

Was sagen Sie dazu, dass einer von Ihnen in dieser Weise meine Rechnung bezahlt? Ich bin bereits für den Altar gekleidet und der amtierende Geistliche hat Nachricht erhalten.

Ich ziehe Herrn Cosway vor« fuhr das schreckliche Weib in grausamster Ironie fort, »weil er mich bisher mit Aufmerksamkeit behandelt hat. Die Heiratserlaubnis, die ich vor vierzehn Tagen in dieser Voraussetzung erwirkt habe, ist auf seinen Namen ausgestellt. So weit geht meine Vorliebe für Herrn Cosway. Aber das hat nichts zu sagen, falls Herr Stein seinen Platz einnehmen will. Er kann unter seines Freundes Namen aufgerufen werden. O ja, er kann es! Ich habe meinen Rechtsanwalt befragt. So lange als Braut und Bräutigam darin übereinstimmen, können sie unter einem beliebigen Namen getraut werden, und die Ehe ist rechtsgültig. Sehen Sie nochmals auf Ihre Uhr, Herr Stein. Die Kirche ist in der nächsten Straße. Nach meiner Berechnung haben Sie gerade noch fünf Minuten Zeit, sich zu entschließen. Ich bin eine pünktliche Frau, meine lieben Jungen, und werde auf die Minute wieder zurück sein.« Sie öffnete die Tür, zögerte einen Augenblick und kehrte in das Zimmer zurück.

»Ich hätte sagen sollen« fing sie wieder an, »dass ich Ihnen am Schlusse der Feierlichkeit mit der quittierten Rechnung ein Geschenk machen werde. Ich werde Sie mit allem Gelde, das Sie in der Tasche haben, in meinem eigenen Boote auf das Schiff bringen lassen und Ihnen einen Korb mit guten Esswaren mitgeben. Danach habe ich mit Ihnen nichts mehr zu schaffen. Sie können Ihren eigenen Weg zum Teufel gehen.«

Mit diesem Abschiedssegen verließ sie die beiden.

Nachdem sie so in die Falle der Wirtin geraten waren, blickten sich die beiden Opfer in bedeutsamem Schweigen einander an. Ohne hinreichende Zeit, um den Rat eines Rechtskundigen einzuholen, ohne Freunde auf dem Lande und ohne die Möglichkeit, Offiziere ihres Ranges auf dem Schiffe anzusprechen, hatten sie allerdings nur die Wahl zwischen einer Heirat und dem Verderben.«

Stein machte einen Vorschlag, der eines Helden würdig war.

»Einer von uns muss heiraten« sagte er. »Ich bin bereit, mich dafür herzugeben.«

Cosway kam ihm an Großmut gleich.

»Nein« antwortete er. »Ich war es, der dich hierher brachte und dich zu diesen höllischen Ausgaben verleitete. Ich muss dafür büßen und ich will es auch.«

Ehe noch Stein Einwendungen machen konnte, waren die fünf Minuten vorüber. Pünktlich erschien Frau Pounce wieder in der Tür.

»Nun?« fragte sie, »wer soll es sein, Cosway oder Stein?«

Cosway trat so sorglos wie immer vor und bot ihr seinen Arm.

»Nun denn, Fettklümpchen« sagte er, »komm und lass dich heiraten!«

In weiteren fünfundzwanzig Minuten war Frau Pounce eine Frau Cosway geworden, und die beiden Offiziere befanden sich auf dem Weg zum Schiffe.

Zweiter Zeitabschnitt in Cosways Leben

Vier Jahre waren verflossen, ehe die »Albicore« nach dem Hafen zurückkehrte, aus dem sie ihre Fahrt angetreten hatte. In der Zwischenzeit waren Cosways Eltern gestorben. Der Rechtsanwalt, der während seiner Abwesenheit von England seine Geschäfte besorgt hatte, benachrichtigte ihn, dass die Erbschaft aus seines verstorbenen Vaters »Besitztum« sich auf ein jährliches Einkommen von achthundert Pfund belaufe. Seine Mutter hatte nur die lebenslängliche Nutznießung ihres Vermögens besessen; sie hatte ihm ihre Juwelen, sonst nichts, hinterlassen.

Die Erfahrungen, welche Cosway als Seeoffizier im Auslande gemacht hatte, hatten ihn in seinen Erwartungen vollständig getäuscht, denn er besaß keinen politischen Einfluss, der seine Beförderung hätte beschleunigen können. Er entschloss sich daher, vom Dienste zurückzutreten, sobald das Schiff »außer Dienst gestellt« sei.

Zum Erstaunen seiner Kameraden hatte er indessen keine Eile, von dem ihm bewilligten Urlaub aufs Land Gebrauch zu machen. Der treue Stein war der einzige Mann an Bord, der da wusste, dass er seiner »Frau« zu begegnen fürchtete. Dieser gute Freund erbot sich, in den Gasthof zu gehen und die notwendigen Erkundigungen mit aller Vorsicht anzustellen.«

»Vier Jahre sind eine lange Zeit, in ihrem Alter« sagte er. »Vieles kann sich in vier Jahren zutragen.«

Eine Stunde später kehrte Stein zum Schiffe zurück und machte seinem Kameraden an Bord eine schriftliche Mitteilung in den Worten: »Packe deine Sachen sogleich ein und komme zu mir ans Land.«

»Was für Nachrichten?« fragte der Ehegemahl besorgt. Stein blickte bedeutsam nach den Müßiggängern am Landungsplatze »Warte« sagte er, »bis wir allein sind.«

»Wohin gehen wir?«

»Zur Eisenbahn-Station.«

Sie begaben sich in einen leeren Wagen, und Stein benahm seinem Freunde sogleich jede weitere Besorgnis.

»Niemand kennt das Geheimnis deiner Heirat, als wir beide« fing er ruhig an. »Ich meine, Cosway, du hättest nicht nötig, traurig zu sein.«

»Du willst doch nicht sagen, dass sie tot ist!«

»Ich habe einen Brief von ihrem eignen Anwalt gesehen, der ihren Tod meldet« erwiderte Stein. »Er war so kurz, dass ich glaube, ihn Wort für Wort wiederholen zu können: —

,Werter Herr! Ich habe Nachricht von dem Tode meiner Klientin erhalten. Bitte, zahlen Sie die nächste und letzte Rate des Kaufschillings für den Gasthof an die Testamentsvollstrecker der verstorbenen Frau Cosway.« Das war der Brief. Mit den Worten ‚Werter Herr‘ meinte er den gegenwärtigen Inhaber des Gasthofes. Dieser erzählte mir in einigen Worten die frühere Lebensgeschichte deiner Frau. Nachdem sie ihr Geschäft mit gewohnter Klugheit länger als drei Jahre fortgeführt hatte, wurde sie kränklich und ging nach London, um einen Arzt zu befragen. Dort blieb sie unter dessen Obhut. Das nächste war, dass ein Agent erschien, der mit Rücksicht auf die schwankende Gesundheit der Wirtin den Auftrag hatte, das Geschäft zu verkaufen. Nimm nun noch den späteren Tod hinzu — und du hast den Anfang und das Ende der Geschichte Fortuna schuldete dir eine glückliche Wendung, Cosway — und Fortuna hat ihre Schuld entrichtet. Empfange meine besten Glückwünsche.«

In London angekommen, begab sich Stein sogleich zu seinen im nördlichen Teile wohnenden Verwandten. Cosway ging auf das Bureau des Herrn Atherton, des Anwaltes der Familie, der während seiner Abwesenheit seine Interessen vertreten hatte. Sein Vater und Herr Atherton waren Schulkameraden und alte Freunde gewesen. Er wurde herzlich aufgenommen und eingeladen, am nächsten Tage dem Rechtsanwalte in seinem Landhause zu Richmond einen Besuch abzustatten.

»Sie werden London nahe genug sein, um Ihre Geschäfte im Marineministerium zu besorgen« sagte Herr Atherton, »und in meinem Hause eine Besucherin antreffen, die eins

der reizendsten Mädchen in England ist — die einzige Tochter des hochangesehenen Herrn Restall. Guter Himmel! Haben Sie nie von ihm gehört? Mein werter Herr, er ist einer der Teilhaber der berühmten Firma Benshaw, Restall und Benshaw.«

Cosway war verständig genug, diesen letzten Teil der Auskunft als ganz selbstverständlich hinzunehmen. Am nächsten Tage stellte ihn Frau Atherton dem reizenden Fräulein Restall vor, und Frau Athertons unvermählte Tochter, die in ihrer Kindheit seine Spielgenossin gewesen war, flüsterte ihm, halb im Scherz, halb im Ernste zu: »Benutze deine Zeit aufs beste; Fräulein Restall ist noch frei.«

Cosway schauderte bei dem bloßen Gedanken an eine zweite Heirat innerlich zusammen. War Fräulein Restall die Frau, die seine Zuversicht wieder aufrichten konnte? Sie war klein und zierlich und hatte dunkles Haar — ein anmutiges, wohlerzogenes, recht verständiges Mädchen, und sie hatte eine Stimme, die außerordentlich lieblich und einnehmend war. Ohr, Hand und Fuß waren bewunderungswürdig, und sie hatte den jetzt bei Frauen höchst seltenen Reiz eines ganz natürlichen Lächelns.

 

Ehe noch Cosway eine Stunde im Hause war, fand sie, dass seine lange Dienstzeit im Auslande ihm eine Unterhaltungsgabe verliehen hatte, die vorteilhaft gegen das gewöhnliche Geschwätz abstach, das sie von anderen Männern gehört hatte.

Cosway wurde bald ihr Liebling, wie Othello seinerzeit ein solcher geworden war.

Die Damen des Hauses freuten sich alle des Erfolges des jungen Offiziers mit Ausnahme von Fräulein Restalls Gesellschafterin, einer Frau Margery, die vermutlich gegen hohen Lohn Mutterstelle bei ihr versah.

Zu vorsichtig, um sich durch Worte bloßzustellen, drückte diese Frau Zweifel und Missbilligung in ihrem Blicke aus. Sie hatte weißes Haar, eisengraue Augenbrauen und geschwollene Augen; ihr Blick war ungewöhnlich scharf. Eines Abends erwischte sie den guten Herrn Atherton allein und befragte ihn vertraulich über Cosways Einkommen. Dies war die erste Warnung, die dem braven Rechtsanwalt über die Art der zwischen seinen beiden Gästen bereits bestehenden ‚Freundschaft‘ die Augen öffnete. Er kannte Fräulein Restalls hochangesehenen Vater sehr wohl und fürchtete, dass es bald seine unangenehme Pflicht werden könnte, dem Besuche Cosways ein Ende zu machen.

Als an einem Sonnabendnachmittag Herr Atherton noch darüber nachdachte, wie er es Cosway am freundlichsten und rücksichtsvollsten beibringen könne, dass es Zeit sei, sich zu verabschieden, kam ein leerer Wagen im Landhause an.

Herr Restall sandte Frau Atherton ein Billet, in dem er mit vollendeter Höflichkeit für die seiner Tochter erwiesene Güte dankte. »Umstände« fügte er hinzu, »machen es notwendig, dass meine Tochter heute nachmittag noch nach Hause zurückkehrt.«

Die ‚Umstände‘ bezogen sich vermutlich auf eine Gartengesellschaft, welche von Herrn Restall in der folgenden Woche veranstaltet werden sollte. Aber warum war seine Tochter zu Hause nötig, ehe noch der Tag für die Veranstaltung gekommen war?

Die Damen des Hauses, immer noch für Cosway eingenommen, waren der Meinung, dass Frau Margery ohne Zweifel insgeheim mit Herrn Restall in Verbindung getreten und dass die Ankunft des Wagens die natürliche Folge davon sei. Frau Athertons verheiratete Tochter tat alles, was getan werden konnte. Sie schaffte sich Frau Margery für einen Augenblick vom Halse und wusste es so einzurichten, dass Cosway und Fräulein Restall in ihrem eigenen Wohnzimmer voneinander Abschied nehmen konnten. Als die junge Dame im Hausgange erschien, hatte sie ihren Schleier vors Gesicht gezogen. Cosway eilte auf die Straße und sah gerade noch den Wagen, als er davonfuhr.

In wenig mehr als vierzehn Tagen war seine Abneigung gegen eine zweite Heirat ein überwundenes Gefühl geworden. Er verweilte aus Dankbarkeit gegen seine guten Freunde noch bis zum Montagmorgen im Landhause, und dann begleitete er Herrn Atherton nach London. Geschäfte bei dem Marineministerium dienten ihm als Entschuldigung. Aber er täuschte damit niemand. Er war augenscheinlich auf dem Wege zu Fräulein Restall.

»Legen Sie Ihre Geschäfte in meine Hand« sagte der Rechtsanwalt auf dem Wege zur Stadt, »und gehen Sie zu Ihrem Vergnügen auf das Festland. Ich kann Sie nicht tadeln, dass Sie sich in Fräulein Restall verliebt haben; ich hätte die Gefahr vorhersehen und warten müssen, bis sie uns verlassen hatte, ehe ich Sie in mein Haus einlud. Aber ich möchte Sie wenigstens warnen, die Sache nicht weiter zu treiben. Wenn Sie auch ein Einkommen von achttausend Pfund anstatt von achthundert jährlich hätten, würde es Herr Restall doch für eine Anmaßung von Ihrer Seite halten, nach der Hand seiner Tochter zu trachten, wenn Sie nicht auch einen Titel mit in den Kauf zu geben hätten. Betrachten Sie es im wahren Lichte, mein lieber Junge, und Sie werden es mir eines Tages danken, deutlich mit Ihnen gesprochen zu haben.«

Cosway versprach, »es im wahren Lichte zu betrachten.«

Diese Betrachtung führte ihn, von seinem Standpunkte aus, zu einer Verlegung seines Wohnsitzes. Er verließ seinen Gasthof und nahm eine Wohnung in einer Nebenstraße, die dem Palaste des Herrn Restall in Kensington am nächsten gelegen war.

An demselben Abend wandte er sich, gestützt auf eine vorausgegangene Verabredung, wegen eines Briefes an das benachbarte Postamt und erhielt einen solchen, der an E. C. — die Anfangsbuchstaben von Edwin Cosmay — adressiert war. »Bitte, sei vorsichtig« schrieb ihm Fräulein Restall, »ich habe versucht, dir eine Eintrittskarte für unsere Gartengesellschaft zu verschaffen, aber das gehässige Geschöpf, die Margery, hat offenbar mit meinem Vater gesprochen; es ist mir nicht eine einzige Karte anvertraut worden. Ertrage es wie ich, geduldig, mein Teurer, und lass mich hören, ob es dir gelungen ist, eine Wohnung in unserer Nähe zu bekommen.«

Cosway fügte sich nicht sehr geduldig diesem ersten Missgeschick, sondern sandte seine Antwort, die an A.R. — die Anfangsbuchstaben von Adele Restall — adressiert war, zum Postamt. Am nächsten Tage schon fragte der ungeduldige Liebhaber bei der Post nach einem weiteren Briefe. Dieser war auch eingetroffen, aber seine Adresse war nicht von Adeles Hand geschrieben. War ihre Korrespondenz entdeckt worden? Er öffnete den Brief in der Straße und las mit Staunen folgende Zeilen:

»Werter Herr Cosway!

Mein Herz hat Mitgefühl mit zwei treuen Liebenden, trotz meines Alters und trotz meiner Pflicht. Ich füge eine Einladung zu der morgen stattfindenden Gartengesellschaft bei. Bitte verraten Sie mich nicht und erweisen Sie Adele keine zu auffällige Aufmerksamkeit. Vorsicht ist leicht zu beobachten, denn es werden zwölfhundert Gäste da sein.

Dem äußeren Scheine zum Trotz

Ihre Freundin

Louise Margery.«

Wie abscheulich ungerecht hatten sie doch alle diese ausgezeichnete Frau beurteilt! Cosway begab sich als dankbarer und glücklicher Mann zur Gesellschaft. Die ersten ihm bekannten Personen, die er unter der Menge der Fremden erkannte, waren die Athertons. Sie waren so erstaunt wie möglich, ihn zu sehen. Aber die Rücksicht auf Frau Margery verbot ihm, sich in irgendwelche Erklärungen einzulassen.

Wo war denn nun diese beste und treueste Freundin? Mit einiger Mühe gelang es ihm, sie aufzufinden. War es unschicklich, ihre Hand zu ergreifen und sie herzlich zu drücken? Die Folge dieser Dankesbezeugung war, gelinde gesagt, geradezu verblüffend. Frau Margery benahm sich wie die Athertons. Sie war erstaunt, ihn zu sehen, und stellte genau dieselbe Frage:

»Wie gelangten Sie hierher?«

Cosway konnte nur annehmen, dass sie scherze.

»Wer sollte dies, teure Frau, besser als Sie selbst wissen?« erwiderte er.

»Ich verstehe Sie nicht« antwortete Frau Margery gereizt.

Nachdem er einen Augenblick nachgedacht, geriet er auf eine Lösung des Geheimnisses. Besucher waren in der Nähe, und Frau Margery hatte ihren besonderen Gebrauch von Herrn Restalls Eintrittskarte gemacht. Sie mochte wichtige Gründe haben, äußerst vorsichtig zu sein. Cosway blickte sie bedeutungsvoll an.

»Das geringste, was ich tun kann, ist verschwiegen zu sein« flüsterte er ihr zu — und verließ sie.

Er wandte sich einem Seitengange zu, und dort traf er endlich Adele! Es schien wirklich ein Verhängnis zu sein. Sie war erstaunt, und auch sie fragte: »Wie gelangtest du hierher?« Diesmal waren keine zudringlichen Besucher in der Nähe. »Meine Teuere!« wandte Cosway ein, »Frau Margery muss es dir doch gesagt haben, als sie mir eine Einladung schickte.« Adele erblasste. »Frau Margery?« wiederholte sie. »Frau Margery hat mir nichts gesagt; sie verabscheut dich. Wir müssen dies aufklären. Nein! Jetzt nicht — ich muss für unsere Gäste sorgen. Erwarte einen Brief von mir, und, um des Himmels willen, Edwin, bleibe meinem Vater aus dem Wege. Einer der Eingeladenen, den er ganz besonders zu sehen wünschte, hat sich entschuldigt — und er ist darüber schrecklich ärgerlich."

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»