Kleine Novellen

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III.

Drei Wochen sind seitdem vorübergegangen.

Das Entsetzen über jene furchtbaren Tage beschleicht mich wieder, wenn ich an sie denke. Ich gedenke die Wahrheit ohne Beben zu sagen; aber ich möchte doch wenigstens meine eigenen Gefühle insoweit berücksichtigen, als ich bei gewissen Einzelheiten so kurz wie möglich verweile. Ich werde mein Verhalten gegen die beiden Männer, die um mich warben, am deutlichsten schildern, wenn ich sage, dass ich keinen von beiden bevorzugte. Aber in unschuldiger, ja in törichter Weise ermutigte ich sie beide.

In Büchern werden die Frauen im allgemeinen so geschildert, dass sie in Fragen, welche sich auf Liebe und Heirat beziehen, ihr eigenes, sicheres Urteil haben. Diese Erfahrung habe ich bei mir selbst nicht gemacht.

Ein Tag folgte dem anderen, und so lächerlich dies auch erscheinen mag, ich konnte nicht entscheiden, welchen von beiden Verehrern ich am besten leiden mochte.

Anfänglich war Hauptmann Stanwick der Mann meiner Wahl. So lange er sein Temperament beherrschte, entzückte er mich. Aber wenn er ihm freien Lauf ließ, war ich enttäuscht, zuweilen sogar erzürnt. In dieser Verfassung wandte ich mich zum Trost an Herrn Varleigh, da ich fühlte, dass er der edlere und der würdigere der beiden Männer war, und ich alsdann ehrlich glaubte, dass ich ihn seinem Mitbewerber vorziehe. In den ersten Tagen nach unserem Besuche des Hernewaldes hatte ich vortreffliche Gelegenheit, sie miteinander zu vergleichen. Sie statteten uns zusammen ihre Besuche ab und teilten ihre Aufmerksamkeit sorgsam zwischen mir und meiner Tante. Am Ende der Woche indessen fingen sie an, sich getrennt vorzustellen. Wenn ich irgendwelche Erfahrung von dem Wesen der Männer gehabt hätte, so hätte ich wissen können, was dies bedeutete, und ich hätte die Möglichkeit einer ernsteren Entfremdung zwischen den beiden Freunden voraussehen können, deren Ursache ich unglücklicherweise sein sollte. So aber beunruhigte ich mich niemals darüber, was sich in meiner Abwesenheit ereignen mochte. Ob sie zusammen, oder ob sie einzeln kamen, ihre Besuche waren mir immer angenehm, und ich dachte an nichts und kümmerte mich um nichts.

Aber die Zeit, die mich aufklären sollte, war nicht mehr fern.

Eines Tages sprach Hauptmann Stanwick viel früher als gewöhnlich bei uns vor. Meine Tante war von ihrem Morgenspaziergang noch nicht zurückgekehrt. Der Hauptmann brachte eine Entschuldigung vor, dass er sich unter diesen Umständen einfinde, doch habe ich diese jetzt wieder vergessen.

Ohne wirklich bis zu einem Heiratsantrage zu gelangen, sprach er doch mit einem so zärtlichen Gefühle, und übte seinen Einfluss meiner Unerfahrenheit gegenüber in so feiner Weise, dass er mich dazu brachte, einige Worte meinerseits zu sagen, deren ich mich, sobald ich wieder allein war, mit einer gewissen Besorgnis erinnerte. Eine halbe Stunde später wurde Herr Lionel Varleigh als nächster Besucher gemeldet. Ich bemerkte sogleich in seinem Blicke aus seinem Benehmen eine gewisse Unruhe, welche, soweit ich ihn kannte, ganz neu bei ihm war. Ich bot ihm einen Stuhl an. Zu meiner Überraschung lehnte er ihn ab. »Von Ihrer Nachsicht erbitte ich mir die Erlaubnis, eine sonderbare Frage an Sie zu richten,« fing er an. »Es steht bei Ihnen, Fräulein Laroche, zu entscheiden, ob ich hier bleiben oder ob ich Sie von meiner Gegenwart befreien soll, indem ich das Zimmer verlasse.«

»Was können Sie damit nur meinen?« fragte ich.

»Ist es Ihr Wunsch,« fuhr Lionel Varleigh fort, »dass ich Ihnen fernerhin nur noch in Gesellschaft des Hauptmanns Stanwick, oder mit seiner ausdrücklichen Erlaubnis Besuche abstatte?«

Mein Erstaunen beraubte mich für den Augenblick der Fähigkeit ihm zu antworten. »Wollen Sie wirklich damit sagen, dass Hauptmann Stanwick Ihnen verboten habe, bei mir vorzusprechen?« fragte ich, sobald ich wieder sprechen konnte. »Ich habe genau das wiederholt, was Hauptmann Stanwick vor einer halben Stunde zu mir sagte,« antwortete Lionel Varleigh.

Als ich dies hörte, vergaß ich in meinem Unwillen ganz die unvorsichtigen Worte der Ermutigung, die der Hauptmann mir entlockt hatte. Wenn ich jetzt daran denke, schäme ich mich, die Ausdrücke zu wiederholen, in welchen ich die anmaßende Behauptung dieses Mannes von seiner Gewalt über mich zurückwies. Obgleich ich schon eine Unbesonnenheit begangen hatte, so trieb mich doch das Bestreben, mir die Freiheit des Handelns zu bewahren, dazu, noch eine solche zu begehen. Ich erklärte Herrn Varleigh, dass er mir willkommen sei, so oft es ihm beliebe, mich zu besuchen, und ich tat dies in Worten, die sein Gesicht unter den Gefühlen der Freude und Überraschung, die ich in ihm erweckt hatte, erröten ließen. Meine verletzte Eitelkeit kannte keine Grenzen. Ich winkte ihm, an meiner Seite auf dem Sofa Platz zu nehmen; ich versprach, am nächsten Tage mit meiner Tante zu ihm zu kommen und die Raritätensammlung, die er auf seinen Reisen zustande gebracht hatte, zu besichtigen. »Ich glaube beinahe, wenn er versucht hätte, mich zu küssen, wäre ich über den Hauptmann hinreichend erzürnt gewesen, jenen dies tun zu lassen.

Erinnert euch, was mein Leben früher gewesen war; erinnert euch, wie unwissend ich die kostbaren Tage meiner Jugend verbracht hatte, wie bedenklich dann ein plötzlicher Zuwachs von Vermögen und Ansehen meine Torheit und meinen Stolz ermutigt hatte — und versucht deshalb, wie gute Christen, ein wenig Nachsicht mit mir zu haben!

Meine Tante kehrte von ihrem Spaziergange zurück, ehe der Besuch des Herrn Varleigh zu Ende war. Sie empfing ihn ziemlich kalt, und er bemerkte dies. Nachdem er mich noch an unsere Verabredung für den nächsten Tag erinnert hatte, nahm er Abschied.

»Was für eine Verabredung meinte Herr Varleigh?« fragte meine Tante, sobald wir allein waren. »Ist es klug, unter den jetzigen Umständen mit Herrn Varleigh Verabredungen zu treffen?« sagte sie, als ich ihre Frage beantwortet hatte. Ich fragte natürlich, was sie meine. Meine Tante erwiderte: »Ich bin auf meinem Spaziergang Hauptmann Stanwick begegnet. Er hat mir etwas erzählt, was ich durchaus nicht verstehen kann. Ist es möglich, Bertha, dass du einen Heiratsantrag von ihm günstig aufgenommen hast, ohne mir auch nur ein Wort von deinen Absichten zu sagen?«

Ich leugnete es augenblicklich. Wie unbesonnen ich auch gesprochen haben mochte, so hatte ich doch sicherlich nichts gesagt, was Hauptmann Stanwick berechtigen konnte, mich als seine Verlobte zu bezeichnen.

In seiner niedrigen Furcht vor einer ehrlichen Mitbewerbung Herrn Varleighs hatte er meine Worte mit Vorbedacht falsch gedeutet.

»Wenn ich einen von beiden heirate,« erklärte ich, »so wird es Herr Varleigh sein.«

Meine Tante schüttelte den Kopf. »Diese beiden Herren scheinen in dich verliebt zu sein, Bertha. Es ist ihnen gegenüber eine bedenkliche Lage, in welcher du dich befindest, und ich fürchte, dass du ein wenig unvorsichtig gehandelt hast. Hauptmann Stanwick sagte mir, dass er und sein Freund bereits in Zwiespalt geraten seien. Ich fürchte, dass du die Ursache bist. Herr Varleigh hat den Gasthof, in dem er mit dem Hauptmann wohnte, infolge eines heute morgen zwischen ihnen stattgehabten Streites verlassen. Du wusstest dies nicht, als du seine Einladung annahmst. Soll ich eine Entschuldigung für dich schreiben? Wir müssen den Besuch wenigstens so lange verschieben, liebe Bertha, bis du dich mit Hauptmann Stanwick auseinandergesetzt hast.«

Ich fing an, mich ein wenig beunruhigt zu fühlen, aber ich war zu halsstarrig, um ohne Not nachzugeben. »Gib mir Zeit, darüber nachzudenken,« sagte ich. »Eine Entschuldigung schreiben hieße des Hauptmanns Gewalt über mich anerkennen. Lass uns bis morgen früh warten.«

IV.

Der nächste Morgen brachte uns noch einen Besuch des Hauptmanns Stanwick. Diesmal war meine Tante anwesend. Er blickte nach ihr, ohne zu sprechen, und wandte sich dann in seiner erregten Stimmung, die sich schon in seinen Augen zeigte, an mich.

»Ich habe mit Ihnen ein Wort unter vier Augen zu sprechen,« fing er an. »Ich habe keine Geheimnisse vor meiner Tante,« antwortete ich. »Was Sie mir auch zu sagen haben, Herr Hauptmann, es kann hier gesagt werden.«

Er öffnete die Lippen zu einer Erwiderung, hielt aber plötzlich inne. Er drängte seinen Ärger durch eine so gewaltsame Bemühung zurück, dass sein sonst so frisches Gesicht auf einmal leichenblass wurde. Für den Augenblick erlangte er seine Ruhe wieder – und er wandte sich an mich, indem er wenigstens den äußeren Schein einer Rücksichtnahme mir gegenüber wahrte.

»Hat dieser Varleigh gelogen,« fragte er, »oder haben Sie auch ihm Hoffnung gemacht — nach dem was Sie gestern mir sagten?«

»Ich habe Ihnen gestern nichts gesagt, was Ihnen irgendwelches Recht geben könnte, diese Frage an mich zu stellen,« erwiderte ich. »Sie haben mich gänzlich missverstanden, wenn Sie dies glauben.«

Meine Tante versuchte, ihm einige ruhige Worte zu sagen, in der Hoffnung, ihn zu besänftigen, aber er machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand, ohne sie anzuhören, und schritt näher auf mich zu.

»Sie haben mich missverstanden,« sagte er, »wenn Sie glaubten, dass ich ein Mann sei, der sich zum Spielzeug in der Hand einer Koketten machen ließe.«

Meine Tante legte sich wieder ins Mittel mit einer Entschiedenheit, die ich nicht von ihr erwartet hätte.

»Hauptmann Stanwick,« sagte sie, »Sie vergessen sich.« Er achtete nicht auf sie und sprach weiter mit mir. »Es ist mein Unglück, Sie zu lieben« stieß er heraus. »Mein Herz hängt an Ihnen. Ich hoffe, Ihr Gatte zu werden, und kein anderer Mann auf Erden soll mir im Wege stehen. Nach dem, was Sie mir gestern sagten, habe ich das Recht, anzunehmen, dass Sie meiner Werbung geneigt sind. Das ist keine Tändelei; denken Sie das nicht! Es ist die Leidenschaft eines Lebens! Hören Sie? Es ist die Leidenschaft des ganzen Lebens eines Mannes! Ich lasse nicht so mit mir spielen. Ich habe um Ihretwegen eine schlaflose, elende Nacht gehabt — ich habe Ihretwegen genug gelitten — und Sie sind dies nicht wert. Lachen Sie nicht! Das ist kein Gegenstand zum Lachen. Hüten Sie sich, Bertha, hüten Sie sich!«

 

Meine Tante erhob sich von ihrem Stuhle. Sie setzte mich in Erstaunen. Sie, die in gewöhnlichen Verhältnissen die zurückhaltendste und sanfteste Frau war, schritt nun auf Stanwick zu und blickte ihm fest ins Gesicht, ohne auch nur einen Augenblick zu wanken.

»Sie scheinen vergessen zu haben, dass Sie in Gegenwart von Damen sprechen,« sagte sie. »Ändern Sie Ihre Sprache, mein Herr, sonst werde ich genötigt sein, meine Nichte aus dem Zimmer zu nehmen.«

Halb erbittert, halb erschreckt versuchte ich ebenfalls zu sprechen. Meine Tante winkte mir aber, stille zu sein. Der Hauptmann trat einen Schritt zurück, als wenn er ihren Vorwurf fühlte; aber seine Augen, die noch immer auf mich gerichtet waren, blitzten mehr denn je in wildem Grimme auf. Hier vermochte die oberflächliche Bildung dieses Herrn nicht, seine wahre Natur zu verbergen.

»Ich will Sie im ungestörten Besitze des Zimmers lassen,« sagte er mit bitterer Höflichkeit zu meiner Tante. »Ehe ich gehe, werden Sie mir erlauben, ihrer Nichte Gelegenheit zu geben, nochmals über ihr Benehmen nachzudenken, ehe es zu spät ist.« Meine Tante zog sich zurück und gestattete ihm, mit mir zu sprechen. Nachdem er einen Augenblick überlegt hatte, legte er seine Hand fest, aber nicht rauh auf meinen Arm. »Sie haben die Einladung Varleighs, ihn zu besuchen, unter dem Vorwande angenommen, seine Raritäten zu besichtigen,« sagte er. »Denken Sie nochmals darüber nach, ehe Sie sich dazu entschließen, der Einladung zu folgen.

Wenn Sie morgen zu Varleigh gehen, werden Sie es bis zum letzten Tage ihres Lebens zu bereuen haben.« Indem er diese Worte in einem Tone sprach, der mich wider Willen erbeben ließ, ging er nach der Türe. Als er seine Hand auf das Schloss legte, wendete er sich zum letzten Mal nach mir um. »Ich verbiete Ihnen, zu Varleighs Wohnung zu gehen,« sagte er ruhig und bestimmt. »Hören Sie, was ich Ihnen sage! Ich verbiete es Ihnen.« Mit diesen Worten verließ er uns.

Meine Tante setzte sich an meine Seite und ergriff freundlich meine Hand. »Hier bleibt nur eins zu tun übrig,« sagte sie, »wir müssen sogleich nach Nettlegrove zurückkehren. Wenn Hauptmann Stanwick versuchen sollte, dich in deinem eigenen Hause zu belästigen, so haben wir Nachbarn, die uns beschützen werden, und wir haben Herrn Loring, unseren Pfarrer, um uns an ihn um Rat zu wenden. Was Herrn Varleigh betrifft, so will ich ihn schriftlich um Entschuldigung bitten, ehe wir abreisen.«

Sie streckte die Hand aus, um die Schelle zu ziehen und den Wagen zu bestellen. Ich hinderte sie daran. Mein kindischer Stolz trieb mich dazu, mich doch in irgendeiner Weise zu äußern, nachdem ich gezwungen gewesen war, während des Zusammentreffens mit Hauptmann Stanwick untätig zu bleiben.

»Nein,« sagte ich, »es ist nicht schön gegen Herrn Varleigh gehandelt, wenn wir unserer Verabredung mit ihm nicht nachkommen. Lass uns auf alle Fälle nach Nettlegrove zurückkehren, aber lass uns vorher bei Herrn Varleigh vorsprechen und Abschied von ihm nehmen. Sollen wir deshalb, weil Hauptmann Stanwick uns durch feige Drohungen zu erschrecken versucht hat, uns einem gebildeten Manne gegenüber ungeziemend benehmen, der uns immer mit der größten Aufmerksamkeit behandelt hat? Das gewöhnlichste Gefühl der Selbstachtung verbietet uns dies.«

Meine Tante widersprach ruhig und vernünftig diesem Ausbruch von Torheit, aber meine Hartnäckigkeit (meine Festigkeit, wie ich damals dachte) war unerschütterlich. Ich ließ ihr die Wahl, entweder mit mir zu Herrn Varleigh zu gehen, oder mich allein zu ihm gehen zu lassen. Da sie fand, dass es nutzlos sein würde, sich mir zu widersetzen, entschloss sie sich natürlich, ich brauche es nicht zu sagen, mit mir zu gehen.

Wir fanden Herrn Varleigh sehr höflich, aber ernster und stiller wie gewöhnlich. Unser Besuch währte nur einige Minuten: meine Tante benutzte den Einfluss, den das Alter und die Stellung ihr gab, ihn abzukürzen. Sie führte Familienangelegenheiten als den Grund an, der uns nach Nettlegrove zurückrufe. Ich nahm es auf mich, Herrn Varleigh einzuladen, mich in meinem eignen Heim zu besuchen. Er verneigte sich und dankte mir, ohne meine Einladung ausdrücklich anzunehmen. Als ich ihm beim Abschiede die Hand reichte, brachte er sie an seine Lippen und küsste sie mit einer Zärtlichkeit, die mich in Verwirrung setzte. Seine Augen blickten schmachtend und sorgenvoll in die meinigen, und es lag in ihnen zwar Bewunderung, aber auch das tiefe Bedauern, dass sie nun für lange Zeit von mir Abschied nehmen mussten. »Vergessen Sie mich nicht,« lispelte er, als er an der Tür stand, während ich meiner Tante hinausfolgte. »Kommen Sie nach Nettlegrove,« flüsterte ich ihm zu. Seine Augen senkten sich zu Boden; er ließ mich gehen, ohne ein Wort weiter zu sagen.

Dies war, wie ich feierlich erkläre, alles, was bei unserem Besuche vorgekommen ist. Infolge einer unausgesprochenen Übereinstimmung zwischen uns wurde keinerlei Anspielung auf Hauptmann Stanwick gemacht, nicht einmal sein Name wurde erwähnt. Ich erfuhr nie, dass die beiden Männer kurz vor unserem Besuche bei Herrn Varleigh sich getroffen hatten. Nichts wurde gesagt, was auch nur den geringsten Verdacht in mir erwecken konnte, dass irgendein Übereinkommen für ein anderes Zusammentreffen später am Tage zwischen ihnen verabredet worden sei. Über die unbestimmten Drohungen hinaus, die Hauptmann Stanwicks Lippen entfuhren — Drohungen allerdings, die ich, wie ich gestehen muss, außer acht zu lassen unvorsichtig genug war — wurde mir keinerlei Warnung vor den schrecklichen Ereignissen zuteil, die sich zu Maplesworth am Tage nach unserer Rückkehr nach Nettlegrove Hall zutrugen.

Ich kann nur hinzufügen, dass ich bereit bin, mich allen weiteren Fragen zu unterziehen, die an mich gerichtet werden könnten, aber ich bitte, mich nicht für ein herzloses Weib zu halten. Mein schlimmster Fehler war Unwissenheit. Zu jener Zeit wusste ich noch nichts von der Maske, unter welcher die Männer das, was selbstsüchtig und roh in ihrer Natur ist, vor den Frauen verbergen, die zu täuschen sie ein Interesse haben.

Nr. 2.
Julius Bender, Fechtmeister, bezeugte und sagt aus:

Ich bin deutscher Nationalität und habe mich im Anfang des laufenden Jahres in England als Lehrer im Gebrauche des Degens und der Pistole niedergelassen. Da das Geschäft in London flau ging, so kam mir unglücklicherweise der Einfall, zu versuchen, ob sich vielleicht auf dem Lande etwas machen ließe. Ich hatte von Maplesworth als einem Orte gehört, der wegen der landschaftlichen Schönheit von Touristen und auch häufig von Leidenden besucht werde, die eine Badekur gebrauchen müssen; ich eröffnete dort im Anfange der Kurzeit des Jahres 1817 einen Saal für Fechtübungen und Pistolenschießen. Was die Touristen anlangt, so war ich nicht getäuscht worden; denn es gab eine Menge junger, müßiger Herren unter ihnen, von denen erwartet werden konnte, dass sie meinem Unternehmen ihr Interesse zuwenden würden. Sie zeigten aber die erschreckendste Gleichgültigkeit gegen die edle Kunst des Angriffs und der Verteidigung, kamen zu zweien und zu dreien, blickten in meinen Saal und kamen nicht wieder. Meine geringen Mittel gingen zu Ende. Nachdem ich alle Kosten bezahlt hatte, stand mir wirklich der Verstand still, als ich nur noch einige Pfund in der Tasche fand, von denen ich — in der Hoffnung auf bessere Tage — weiter leben sollte.

Eines Herrn erinnere ich mich, der mich besuchte und sich sehr freigebig gegen mich benahm.

Er gab sich selbst für einen Amerikaner aus und sagte, dass er sehr viel gereist sei. Wie mein Unglück es wollte, bedurfte er aber meiner Unterweisungen nicht. Bei den zwei oder drei Malen, wo er sich mit meinen Rapieren und meinen Pistolen die Zeit vertrieb, erwies er sich als einer der geschicktesten Fechter und trefflichsten Schützen, denen ich jemals begegnete. Es war nicht zu verwundern: er war von Natur kaltblütig und hatte ein scharfes Auge, und war in Wien und Paris von Meistern der Kunst unterrichtet worden.

Anfangs Juli — ich glaube den 9. oder 10. dieses Monats — saß ich allein in meinem Saale und betrachtete recht traurig die beiden letzten Sovereigns in meiner Börse, als mir ein Herr gemeldet wurde, der Unterricht wünschte. »Privaten Unterricht,« sagte er mit Nachdruck, indem er nach dem Manne blickte, dem die Reinigung und die Fürsorge für meine Waffen oblag.

Ich schickte den Mann hinaus. Der Fremde — ein Engländer, und nach dem äußeren Scheine zu urteilen, Soldat — nahm aus seinem Taschenbuche eine Fünfzig-Pfund-Note und hielt sie mir vor die Augen. »Ich bin eine wichtige Wette, einen Wettkampf im Fechten, eingegangen,« sagte er, »und ich habe keine Zeit, mich hierzu besonders vorzubereiten. Lehren Sie mir einen Kunstgriff, der es mir möglich macht, mich mit einem im Gebrauche des Rapiers erfahrenen Manne zu messen. Halten Sie die Sache geheim, und diese fünfzig Pfund hier sind Ihnen.«

Ich zögerte. Ich zögerte wirklich, so arm ich auch war. Aber dieser Teufel von einem Manne hielt seine Banknote vor mich hin, nach welcher Richtung ich auch blickte, und ich hatte nur zwei Pfund in der Welt übrig.

»Sind Sie im Begriffe, ein Duell auszufechten?« fragte ich.

»Ich habe Ihnen ja schon gesagt, was ich vorhabe,« antwortete er.

Ich wartete einen Augenblick. Die höllische Banknote versuchte mich noch immer. Wider meinen Willen stellte ich ihn nochmals auf die Probe.

»Wenn ich Ihnen den Kniff lehre,« erwiderte ich zähe, »wollen Sie sich verpflichten, keinen schlechten Gebrauch von diesem Unterricht zu machen?«

»Ja,« rief er ungeduldig.

Ich war noch nicht ganz befriedigt.

»Wollen Sie mir dies auf Ihr Ehrenwort versprechen?« fragte ich.

»Natürlich will ich dies,« antwortete er. »Nehmen Sie das Geld, und lassen Sie mich nicht länger warten!«

Ich nahm das Geld und lehrte ihm den Kunstgriff — und ich bedauerte dies, sobald ich es getan hatte. Nicht dass ich etwa glaubte, es sei von ernsten Folgen begleitet, denn ich kehrte am nächsten Morgen nach London zurück. Aber ich teilte die Anschauungen eines Mannes von Ehre, welcher fühlt, dass er seine Kunst herabgewürdigt habe, und der nicht ganz sicher war, ob er nicht ebenso gut auch die Hand eines Meuchelmörders bewaffnet hatte.

Ich habe nichts weiter auszusagen.

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