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Antonia

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»Als ich es verstümmelt und todt sah ich, die ich es kaum eine Stunde vorher an meiner Brust in den Schlaf gewiegt hatte! – verließ mich mein Muth, und als die Mörder auf mich eindrangen, schwankte ich und fiel. Ich fühlte wie die Schwertspitze meinen Hals verwundete, ich sah den Dolch über dem Kinde in meinen Armen blitzen, ich hörte den Todesschrei des letzten Opfers oben, und dann verließen mich die Sinne und ich vermochte nichts mehr zu hören, mich nicht mehr zu regen!

»Ich muß lange bewegungslos am Fuße jener Treppe gelegen haben, denn als ich aus meiner Ohnmacht erwachte, war der Lärm in der Stadt verstummt und der Mond schien mild vom Firmamente herab aus das öde Haus. Ich lauschte, um sicher zu sein, daß ich mich mit meinen gemordeten Kindern allein befinde. Ich vernahm in der Wohnung keinen Laut, die Mörder hatten sich entfernt, in dem Glauben, daß ihr Blutwerk zu Ende sei, als ich unter ihren Schwertern fiel; und ich konnte mich ungefährdet zu dem letzten meiner Kinder schleppen, welches von den Römern erschlagen worden war. Das Kleine an meiner Brust athmete noch. Ich stillte mit von meinen Kleidern abgerissenen Stücken die Blutung seiner Wunden, legte es sanft neben der Treppe im Mondschein nieder, damit ich sehen konnte, wenn es sich bewegte, und fühlte mich im Schatten der Mauer zu dem erstgemordeten Jüngstgeborenen, zu dem Jüngsten und Schönsten meiner Kinder, das sie vor meinen Augen geschlachtet hatten, hin! Als ich den Körper berührte, war er vom Blute schlüpfrig, ich befühlte sein Gesicht und es war kalt, ich erhob es in meinen Armen und seine Glieder waren bereits im Tode erstarrt! Dann dachte ich an das älteste Kind, welches todt oben im Zimmer lag; aber meine Kräfte verließen mich schnell. Ich hatte ein Kind, welches noch gerettet werden konnte und wußte, daß, wenn der Morgen mich noch in dem Hause erblickte, alle Aussicht des Entrinnens mir für immer benommen war. Ich nahm also das todte und das verwundete in meine Arme, obgleich mir das Herz erstarrte, daß ich die Leiche meines ältesten Kindes in der Gewalt der Römer lassen mußte, und begab mich in den Garten und von dort nach dem an der See liegenden Theile der Stadt.

»Ich schritt durch die verlassenen Straßen. Zuweilen stieß ich an die Leiche eines Kindes, zuweilen erblickte ich im Mondscheine das dem Himmel zugewendete todtenbleiche Antlitz eines Weibes meiner Nation, das ich geliebt hatte; aber ich eilte weiter, bis ich an die Mauer der Stadt gelangte und hörte, wie sich außerhalb derselben die Meereswellen auf dem ebenen Strande brachen.

»Ich blickte um mich. Die Thore waren, wie ich wußte, geschlossen und bewacht. Die Mauer bot mir die einzige Aussicht auf Rettung. Aber ihr Gipfel war hoch und die Seiten glatt. Verzweifelnd und ermattet legte ich meine Last an einer dunkeln, versteckten Stelle nieder und that einige Schritte vorwärts, denn das Stehenbleiben war eine Qual, die ich nicht ertragen konnte. In geringer Entfernung sah ich einen Soldaten, an ein Haus gelehnt, schlafen. Neben ihm stand unter einem Fenster eine Leiter. Als ich aufschaute erblickte ich den Kopf einer Leiche, der auf der Spitze derselben lag. Das Opfer konnte erst vor Kurzem getödtet sein, denn sein Blut tröpfelte noch langsam in ein neben dem Soldaten stehendes Weingefäß.

»Als ich die Leiter sah, lebte die Hoffnung in mir wieder auf, ich trug sie an die Mauer, ich stieg»empor und legte mein todtes Kind auf die breiten Steine auf ihrer Spitze – ich kehrte zurück und legte meinen verwundeten Knaben neben die Leiche. Langsam und mit großer Anstrengung zog ich die Leiter herauf, bis das eine Ende durch seine eigne Last auf der andern Seite niederfiel. Eben so wie ich herausgekommen war, stieg ich auch wieder hinab. Ich höhlte im Sande eine Grube aus und legte den Leichnam meines Kindes hinein, denn ich konnte die Last Beider nicht mehr tragen; dann schleppte ich mich mit meinem verwundeten Knaben in eine weiterhin an der Küste liegende Höhle. Dort lag ich den ganzen folgenden Tag verborgen – allein mit meinem Körperleiden und meiner Herzenspein – bis die Nacht herabsank und ich meine Reise nach dem Gebirge antrat, denn ich wußte, daß zu Aemona, im Lager der Krieger meines Volkes, meine einzige Zufluchtsstätte auf Erden war. Schwach und langsam, bei Tage versteckt und bei Nacht reisend, schleppte ich mich weiter, bis ich an den See im Gebirge gelangte, wo mich die Vorhut des Heeres fand und vom Tode errettete.«

Sie schwieg. Während des letzten Theiles ihrer Erzählung war ihre Haltung ruhig und trübe gewesen und sie verweilte mit dem peinlichen Nachdruck des Kummers bei jedem einzelnen Umstande, der sich auf die von ihr erlittenen Verluste bezog; ihre Stimme sänftigte sich zu den Tönen stiller Wehmuth, welche den einfachsten Worten Eindringlichkeit verleihen und die schwankendsten Laute wohlklingend machen. Es schien, als ob die zarteren, liebevolleren Empfindungen, welche die Reize ihrer Kinder einst in ihrem Herzen geweckt hatten, von der Erinnerung wieder in ihr belebt worden seien, während sie bei dem Berichte von ihrem Tode verweilte. Sie blickte eine Zeitlang fest und forschend in das halb von ihr abgewendete Gesicht Hermanrich’s, welches eine dessen edeln Zügen unnatürliche wilde, rachsüchtige Düsterkeit zeigte, dann kehrte sie sich von ihm hinweg, begrub ihr Gesicht in den Händen und machte keinen weitern Versuch, seine Aufmerksamkeit zu erregen, oder ihn zur Antwort aufzufordern.

Das feierliche Schweigen des unglücklichen Weibes und des brütenden Mannes hatte einige Minuten gedauert, als eine rauhe, zitternde Stimme von dem Wagen her rief:

»Hermanrich! Hermanrich!«

Anfangs blieb der junge Mann von den mißtönigen, abstoßenden Lauten unberührt; sie wiederholten seinen Namen jedoch so oft und ausdauernd, daß er endlich darauf achtete und plötzlich, wie über die Unterbrechung unmuthig auffahrend, nach der Seite des Wagens schritt, von welcher die geheimnißvolle Aufforderung zu kommen schien.

Als er aufblickte, schwieg die Stimme»und er sah, daß die Alte, welcher er das Kind anvertraut, Diejenige war, welche ihn vor wenigen Augenblicken so hastig gerufen. Ihr in Bärenfelle gehüllter, zitternder Körper war über einen großen dreieckigen Schild von polirtem Erz gelehnt, auf welchen sie ihre dürren, verschrumpften Arme stützte. Ihr Kopf zitterte altersschwach – ein fratzenhaftes Lächeln zog ihre welken Lippen auseinander und erhellte ihre eingesunkenen Augen. Tückisch, kriechend, abstoßend, mit vom Wiederscheine der ihre Stütze bildenden Waffe noch gelber gefärbtem Gesicht und in den rauhen Gewändern, die ihre mageren Glieder umhüllten, kaum menschlich erscheinenden Gestalt, schien sie eine von bösen Geistern zum Spott gegen die Majestät der menschlichen Form geschaffene Mißgestalt, – eine verkörperte Satyre alles Beklagenswerthesten in der Gebrechlichkeit und Abstoßendsten im Alter zu sein.

In dem Augenblicke, wo sie Hermanrich sah, streckte sie ihren Körper noch weiter über das Schild hervor, deutete nach dem Innern des Wagens und mnrmelte leise das furchtbare, ausdrucksvolle Wort:

»Todt!«

Ohne auf weitere Erklärung zu warten, stieg der junge Gothe auf das Fuhrwerk und sah, als er an die Seite der Matrone gelangte, auf ihren Kräuterbündeln ausgestreckt, in der schönen erhabenen Stille des Todes – die Leiche von Goiswinthen’s letztem Kinde.

»Ist Hermanrich erzürnt?« winselte die Vettel vor dem festen, vorwurfsvollen Blicke des jungen Mannes zusammenzuckend. »Ich log, als ich sagte, daß Brunhild größer sei als Hermanrich. Hermanrich ist mächtiger als sie! Schau, die Verbände sind auf die Wunden gelegt worden und sollen nicht, wenn auch das Kind gestorben ist, die versprochenen Schätze mir zu Theil werden? Ich habe gethan, was ich konnte, aber meine Geschicklichkeit beginnt, mich zu verlassen, denn ich bin alt – alt – alt! Ich habe mein Geschlecht vorübergehen sehen! Aha, ich bin alt, Hermanrich, ich bin alt!«

Als der junge Krieger das Kind erblickte, sah er, daß die Alte die Wahrheit gesprochen hatte und das Kind nicht durch ihre Schuld gestorben sei. Das Gesicht des Knaben war bleich und heiter und zeigte, wie ruhig sein Tod gewesen war. Die Verbände waren geschickt angefertigt und sorgfältig auf seine Wunden gelegt worden, aber Leiden und Entbehrungen hatten den schwachen Widerstand der menschlichen Kräfte auf dem Wege nach dem letzten, gefürchteten Ziele vernichtet und die Hinterlist des kaiserlichen Rom’s wieder gesiegt, wie sie es gewohnt war – über ein Kind gesiegt!

Als Hermanrich mit der Leiche herabstieg, war Goiswintha beim Betreten des Bodens der erste Gegenstand, welchen seine Augen erblickten. Die Mutter nahm ihm seine leblose Last wortlos und thränenlos ab. Die Ausströmung ihrer frühern, liebevollern Natur, welche der Schluß der Erzählung ihrer Leiden hervorgerufen hatte, war von nun an durch den Tod ihres letzten Kindes auf ewig in ihr erloschen.

»Seine Wunden hätten den« Knaben zum Krüppel gemacht,« sagte der junge Mann düster, »er hätte nie mit unsern Kriegern kämpfen können! Unsere Väter tödteten sich selbst, wenn sie keine Kraft mehr zum Kampfe besaßen; besser für ihn, daß er gestorben ist.«

»Rache!« stöhnte Goiswintha, dicht an seine Seite gedrängt. »Wir wollen Rache für das Blutbad von Aquileja nehmen! Wenn in den Palästen von Rom das Blut strömt, so erinnere Dich an meine hingewordeten Kinder und eile nicht, Dein Schwert in die Scheide zu stecken.«

In diesem Augenblicke hörte man, wie, um die bereits auf dem Gesichte des jungen Gothen erweckte grimmige Entschlossenheit noch weiter zu befestigen, die Stimme Alarich’s dem Heer den Befehl, zum Vorrücken geben. Hermanrich fuhr auf und zog das racheglühende Weib mit sich zum Könige hin. Dort stand vollständig gewaffnet und durch seine höhere Gestalt über die ihn umgebende Menge hervorragend, der gefürchtete Anführer der gothischen Heerschaaren. Sein Helm war zurückgeschoben, so daß er seine über die ihn umgebende Menge strahlendem hellen, blauen Augen sehen ließ, er deutete mit dem Schwerte gen Italien und als Glied vor Glied seine Leute die Waffen ergriffen und sich jubelnd zum Marsche fertig machten, öffneten sich seine Lippen zu einem Triumphlächeln, und ehe er sich aufmachte, um sie zu begleiten, sprach er:

 

»Krieger der Gothen, unsere Rast im Gebirge ist nur kurz gewesen, aber die Müden mögen darüber nicht klagen, denn der ruhevolle Rastort, welcher nach unsern Mühseligkeiten unserer wartet, ist Rom. Es ist unser Vorrecht, den Fluch Odins, als er sich in der Kindheit unsers Volkes vor den Myriaden des Kaiserreiches zurückzog, zu erfüllen! Uns ist es vorbehalten, den künftigen Untergang, womit er Rom bedrohte, zu bewerkstelligen! Erinnert Euch an Eure Geißeln, die die Römer ermorden, Eure Besitzungen, deren sich die Römer bemächtigt, Euer Vertrauen, welches die Römer verrathen haben! Erinnert Euch, daß ich, Euer König, in mir den übernatürlichen Antrieb fühle, welcher nie täuscht, und der mir mit aufmunternder Stimme zuruft: – Rücke vor und, das Kaiserreich ist Dein! Versammle Deine Krieger, und die Stadt der Welt soll den erobernden Gothen anheimfallen. Wir wollen ohne Zögern vorwärts eilen! unsere Beute erwartet uns! – unser Sieg ist nicht mehr fern, unsere Rache naht sich!«

Er schwieg, und in diesem Augenblicke gab die Trompete das Zeichen zum Marsch.

»Auf auf!« rief Hermanrich, indem er Goiswintha’s Arm ergriff und auf den Wagen zeigte, der schon anfing sich zu bewegen. »Bereite Dich zur Reise, ich will für das Begräbniß des Kindes sorgen. Noch ein Paar Tage und unser Lager kann vor Aquileja sein. Sei geduldig, ich werde Dich in den Palästen Rom’s rächen.«

Die mächtige Masse bewegte sich. Die Menge breitete sich aus über den unfruchtbaren Boden, und jetzt sahen die Krieger im Nachtrab der Armee Diejenigen, die an der Spitze derselben die letzte Reihe von Pässen erstiegen: welche zwischen den Ebenen Italien’s und den Gothen lag.

Kapitel II
Der Hof

Der Reisende, der den gewöhnlichen Weg der Touristen im heutigen Italien so weit verläßt, daß er die Stadt Ravenna besucht, erinnert sich mit Erstaunen, wenn er ihre stillen und melancholischen Straßen durchschreitet, und Weinberge und Sümpfe über eine Ausdehnung von vier Meilen zwischen dem adriatischen Meere und der Stadt ausgebreitet sieht, daß dieser jetzt halb verödete Ort einst die volkreichste der römischen Festungen war, und daß da, wo sich jetzt Felder und Wälder den Augen darbieten, einst die Flotten des Reiches sicher vor Anker lagen, und der Kaufmann von Rom seine kostbaren Ladungen am Thore seines Lagerhauses ausschiffte.«

Als die Macht Rom’s abnahm, fing das adriatische Meer seltsamer Weise an, die Festung, deren Schutz es bisher gebildet hatte, zu verlassen. Gleichzeitig mit der stufenweisen Entartung des Volkes trat das allmählige Zurückziehen des Ozeans von den Stadtmauern ein, bis sichgn Anfange des sechsten Jahrhunderts schon da, wo einst der Hafen des August war, ein Pinienhain zeigte.

Zur Zeit unsrer Geschichte waren, obgleich das Meer schon damals sichtlich zurückgetreten war, die Gräben um die Mauern noch gefüllt, und die Kanäle liefen noch beinahe in derselben Art, wie sie jetzt Venedig durchschneiden, durch die Stadt.

An dem Morgen, den wir jetzt beschreiben wollen, war der Herbst, seit dem im vorhergehenden Kapitel erwähnten Ereignissen, nur einige Tage vorgeschritten. Obgleich die Sonne jetzt hoch am Osthimmel stand, gab doch die Unruhe, welche die Hitze hervorbrachte, einigen Müßiggängern von Ravenna den Muth, der Schwüle der Atmosphaire in der eiteln Hoffnung Trotz zu bieten, daß sie eine Brise vom adriatischen Meere begrüßen würde, wenn sie die seewärts gelegenen Walle der Stadt erstiegen. Als sie die beabsichtigte Höhe erreicht hatten, wandten diese hoffenden Bürger das Gesicht mit fruchtloser verzweifelnder Sorgfalt nach jeder Weltgegend; aber kein Lufthauch kam, um ihre Ausdauer zur belohnen. Nichts konnte die unverminderte Allgemeinheit der Hitze vollkommener andeuten, als die Aussicht nach allen Richtungen hin von der Stellung her, welche sie inne hatten. Die steinernen Häuser der Stadt hinter ihnen glänzten mit einer, die stärksten Augen überwaltigenden, blendenden Helle. Die leichten Vorhänge hingen unbeweglich über den einsamen Fenstern. Kein Schatten unterbrach die glänzende Einförmigkeit der Mauern, oder milderte das Flimmern auf dem Wasser der Fontänen unter ihnen. Keine Welle bewegte die Oberfläche des breiten Kanals, welcher jetzt den alten Hafen ersetzte, kein Windhauch entfaltete die ausgedörrten Segel der verlassenen Schiffe am Quai; über den fernen Marschen hing sein heißer, zitternder Dunst, und in den Weinbergen bei der Stadt bewegte sich nicht ein Blatt an seinen schlanken Stengeln. Auf der Seeseite lag der glühende Sand weit ausgestreckt und eben da und jenseits desselben dehnte sich der weiße Ozean, wogenlos, träge und in eine Fluth blendenden Glanzes aufgelöst, bis zu dem wolkenlosen Horizonte, der die sonnenhelle Aussicht begrenzte.

In der Stadt selbst, in den Straßen, wo die hohen Häuser dunkle Schatten auf die breiten Steine der Straße warfen, konnte man hier und dort die Gestalten einiger Sklaven sehen, die an der Mauer schliefen oder träge über die Fehler ihrer Herren schwatzten. Manchmal war ein alter Bettler zu bemerken, der auf den wohlversehenen Revieren seines eignen Körpers das leichtbewegliche Ungeziefer des Südens jagte. Manchmal kroch ein Kind von einer Thürstufe, um in dem stehenden Wasser einer Gosse zu plätschern, aber mit Ausnahme dieser zweifelhaften Beweise menschlicher Thätigkeit war der vorherrschende Charakter der wenigen Gruppen aus den niedrigsten Volksklassen, welche in den Straßen erschienen, der der äußersten Trägheit. Alles, was der Stadt zu anderen Stunden des Tages Glanz verlieh, war um diese Zeit dem Auge verborgen. Die eleganten Höflinge ruhten in ihren hohen Zimmern. Die aufgestellten Wachposten verbargen sich in Mauerecken und unter Thorbögen. Die reizenden Damen schlummerten auf parfümirten Lagern in verdunkelten Zimmern; die vergoldeten Wagen waren in den Remisen verschlossen, die stolzen Pferde waren in die Ställe eingesperrt und man hatte selbst die Waaren auf den Marktplätzen aus dem Sonnenscheine entfernt. Es war klar, daß die, üppigen Einwohner von Ravenna keine Pflichten für hinreichend wichtig und keine Vergnügungen für hinlänglich anziehend hielten, um sie zu bewegen, ihre empfindlichen Körper der Mittagshitze auszusetzen.

Um dem Leser eine Idee von der Art, in welcher die trägen Patrizier des Hofes ihren Mittag verbrachten, zu geben und zugleich den Forderungen des Fortganges dieser Geschichte zu genügen, ist es nöthig, die Ruheplätze der Plebejer auf den Straßen mit dem Lager der Edlen im kaiserlichen Palast zu vertauschen.

Der erste Gegenstand, welcher den Beobachter, sobald er die nach den Privatgemächern führenden Gänge erreichte, nachdem er durch das massive Eingangsthor getreten und die weite Vorhalle des kaiserlichen Palastes mit ihren Marmorstatuen und ihren Wachen durchschritten und von dort die schöne Treppe erstiegen hatte, angezogen haben würde, war eine reich geschnitzte, halb offene Thüre am Ende des Ganges. An dieser Stelle waren ungefähr fünfzehn bis zwanzig Individuen gruppirt, welche sich durch Zeichen mit einander unterhielten und in allen ihren Bewegungen das ehrfurchtsvollste und vollständigste Schweigen bewahrten. Von Zeit zu Zeit stahl sich Einer von der Gesellschaft auf den Zehen zu der Thür und blickte vorsichtig durch dieselbe, worauf er fast augenblicklich zurückkehrte und seinem nächsten Nachbar das ungeheure Interesse an dem Anblick, den er eben gehabt hatte, durch verschiedene Grimassen ausdrückte. Gelegentlich kamen aus diesem geheimnißvollen Zimmer Töne die dem Gackern von Hühnern glichen und von Zeit zu Zeit mit einem Geräusch wie dem Fallen eines Regens von kleinen leichten Gegenständen auf einen harten Boden abwechselten. Wenn diese Klänge hörbar wurden, so blickten die Mitglieder der vor der Thür stehenden Gesellschaft einander an und lächelten theils sarkastisch, theils triumphirend. Einige von den geduldig Wartenden hatten Pergamentrollen in den Händen, während die Uebrigen Sträuße von seltenen Blumen hielten oder kleine Statuen und Mosaikgemälde auf den Armen hatten. Die Einen waren Maler und Dichter, Andere Redner und Philosophen und noch Andere Bildhauer und Musiker. Es könnte seltsam erscheinen, daß unter einer solchen bunten Versammlung von Gewerben, die sich in allen Zeitaltern der Welt dadurch ausgezeichnet haben, daß sie in den dieselben Betreibenden den Fehler der Reizbarkeit nähren, ein so stilles ruhiges Benehmen herrschte, wie das so eben beschriebene. Man muße aber bedenken, daß diese genialen Leute bei dem Besuch des Palastes eine wenigstens äußerliche Einigkeit unter ihren Reihen dadurch verbürgten, daß sie alle mit einer Fähigkeit ausgerüstet und von einer Hoffnung beseelt erschienen – ste warteten auf die Gelegenheit zur Anwendung eines gemeinschaftlichen Hilfsmittels der Schmeichelei, um einen gemeinschaftlichen Zweck, den des Gewinnes, zu erreichen.

Das so selbst vor dem Eindringen intellectueller Bestrebungen geschützte Gemach war, wenn auch reich verziert, doch nicht von besonderer Größe. Bei andern Anlässen hätte das Auge mit Entzücken über die auf einer schönen Terrasse, zu der eine zweite Thür des Zimmers führte, reichlich vorhandenen köstlichen Blumen und Pflanzen hinweisen können, in diesem Augenblicke aber war das Benehmen des im Zimmer Befindlichen, von so ungewöhnlicher Art, daß selbst der aufmerksamste Beobachter alle untergeordneten Eigenthümlichkeiten desselben übersehen mußte, um sich sofort dem Bewohner ausschließlich zuzuwenden.

In der Mitte einer großen Hühnerheerde, die auf einem Marmorfußboden und unter einem vergoldeten Dache sehr am unrechten Orte zu sein schien, stand ein blasser, magerer, schwächlicher Jüngling in prächtiger Kleidung, der ein mit Getreide gefülltes, silbernes Gesäß in der Hand hielt und aus demselben von Zeit zu Zeit dem gackernden Völkchen zu seinen Füßen Körner vorstreute. Es konnte nichts kläglicher Weibisches geben, als das Aussehen dieses jungen Mannes. Seine Augen waren glanzloss und matt, seine Stirn niedrig und zurücktretend, seine Wangen grau und seine Gestalt wie von vorzeitigem Alter gekrümmt. Ein bedeutungsleeres Lächeln schwebte auf seinen schmalen farblosen Lippen und er flüsterte den seltsamen Günstlingen, auf die er hinabschaute, von Zeit zu Zeit einige abgebrochene Schmeichelworte, die in ihrer Einfalt fast kindisch waren, zu. Seine ganze Seele schien von der Arbeit, sein Getreide zu vertheilen, ausgefüllt zu werden, und er folgte den verschiedenen Bewegungen der Hühner mit einer eifrigen Aufmerksamkeit, die in ihrer lächerlichen Gespanntheit fast etwas Blödsinniges zu haben schien. Wenn man fragen sollte, weshalb eine so verächtliche Person wie dieser einsame Jüngling mit so großer Sorgfalt vorgestellt und mit so vieler Ausführlichkeit beschrieben worden ist, so müssen wir antworten, daß er zwar nicht dazu bestimmt ist, reine wichtige Figur in diesem Werke abzugeben, aber durch seine Stellung eine bedeutende Rolle in dem großen Drama, auf welches sich dasselbe gründet, spielte – denn dieser Hühnerwärter war keine geringere Person, als der römische Kaiser Honorius.

Eben die Verstandesschwäche dieses Mannes zu einer solchen Zeit, wie die, über welche wir jetzt schreiben, ist es, welche seinen Character im Auge der Nachwelt mit einem so furchtbaren Interesse bekleidet. Seiner Schwachheit war die entsetzliche Aufgabe beschieden, den lange verhaltenen Sturm, dessen Elemente wir in dem vorigen Kapitel zu beschreiben versucht haben, losbrechen zu lassen. Mit gerade so viel Verstand begabt, um launisch zu sein, und eben genug Entschlossenheit versehen, um boshaft sein zu können, war er ein passendes Werkzeug für jeden ehrgeizigen Bösewicht, dem es gelang, bei ihm Gehör zu erhalten. Um seiner kindischen Tyrannei zu schmeicheln, belohnten die verblendeten Ränkeschmiede des Hofes den heldenmüthigen Stilicho für die Rettung seines Vaterlandes mit dem Tode und betrogen Alarich um die mäßigen Zugeständnisse, zu welchen sie sich feierlich verpflichtet hatten.

Um seine Eitelkeit zu befriedigen, wurde er wegen eines Siegen, den Andere errungen hatten, im Triumph durch die Straßen von Rom gezogen. Um seiner Anmaßung durch den Gebrauch des erbärmlichsten Vorrechtes der Macht, die ihm zum Gutes thun anvertraut war, zu Willen zu sein, wurde ohne Bedenken die Niedermetzelung der von der Ehre der Gothen der römischen Tücke anvertrauten hilflosen Geißeln befohlen und um endlich seine unmännliche Furcht zu beschwichtigen, war es die letzte Handlung seiner gewissenlosen Rathgeber vor dem Untergange des Reiches, ihn zu ermächtigen, sein Volk in der Stunde der Gefahr zu verlassen, ohne sieh»darum zu kümmern, wer in dem schutzlosen Rom umkam während er sich ein dem befestigten Ravenna in Sicherheit befand.

 

Dies war der Mann, unter welchem das mächtigste Gebäude der Welt seinem Sturze zuzuschwanken bestimmt war. Durch seine übermenschliche Kühnheit die die zurückstoßenden Schrecken unaufhörlichen Blutvergießens mit einer rauhen, furchtbaren Großartigkeit bekleidete, erhoben und getragen, sollten jetzt die Herren der Völker unter den erbärmlichsten Feiglingen, durch die schmähliche Niederlage sinken. Dafür hatte das graue alte Königthum seine Feinde schaarenweise von seinen kräftigen Armen abgeschüttelt. Dazu hatten die zweideutigen Tugenden der Republik und die gefahrvolle Großartigkeit des Kaiserreiches die Welt in Erstaunen und Verwirrung gesetzt. Mit einem Schlußsteine wie Honorius endeten die Barbareien eines Brutus, der feingebildete Glanz eines Augustus, die unmenschlichen Grausamkeiten eines Nero und die unsterblichen Tugenden eines Trajan.

Umsonst war Rom durch mühevolle Jahrhunderte über die Trümmer seiner edelsten Herzen und die Prostitution seiner größten Geister mitleidslos vorwärts geschritten, um den Schatten, Ruhm genannt, zu erfassen. Der Machtspruch war jetzt ausgegangen, welcher es dazu verurtheilte endlich das Wesen – die Schmach in Empfang zu nehmen.

Als der kaiserliche Schwächling seinen Getreidevorrath erschöpft und den Hunger seiner gefräßigen Günstlinge befriedigt hatte, nahmen ihm zwei Diener seine silberne, Vase ab. Dann wurde die Hühnerheerde zu der einen Thür heraus und die Künstlerherde zur andern hereingelassen.

Wir lassen den Kaiser seine matten Augen auf Kunstgegenstände werfen, für die er keine Bewunderung besaß, und widerwillig seine Ohren lobhudlerischen Reden öffnen, die er nicht begriff, und führen die Leser in ein Gemach auf der entgegengesetzten Seite des Palastes, in welchem sich Alles, was an seinem Hofe schön und elegant war, versammelt hatte.

Man stelle sich einen zweihundert Fuß langen und verhältnismäßig breiten Saal vor. Der Fußboden besteht aus den schönsten Mustern von Mosaikarbeit. Die Wände sind mit ungeheuern Säulen von buntem Marmor geziert und die durch dieselben gebildeten Nischen mit Statuen in der ausgesuchtesten Verschiedenartigkeit der Haltung besetzt, welche dem sich ihnen Nähernden die köstlichen Blumen anzubieten scheinen, welche in ihre Hände zu legen die Pflicht der Dienerschaft war. Die Decke ist in Mustern und Farben, die mit denen des Mosaikfußbodens im Einklange stehen al fresco gemalt. Die Karnise bestehen aus Silber und sind mit Citaten aus den Liebesdichtern der Zeit geziert, deren Buchstaben durch kostbare Steine gebildet werden.

In der Mitte des Zimmers wirft ein Springbrunnen Ströme wohlriechenden Wassers empor und ist mit goldenen Käfigen, die Vögel jeder Größe und jedes Landes enthalten, umgeben. Drei große am östlichen Ende des Zimmers angebrachte Fenster gewähren die Aussicht auf das adriatische Meer, sind aber zu dieser Stunde mit seidenen Vorhängen von zartgrüner Farbe überdeckt, die auf Alles ein weiches üppiges Licht werfen; aber so dünn gewebt und so geschickt geordnet sind, daß der leiseste Lufthauch von Außen augenblicklich zu den matten Höflingen im Wartezimmer hereindringt. Die Zahl dieser Individuen beläuft sich auf etwa fünfzig bis sechzig. Bei weitem der größte Theil der hier Versammelten sind Frauen. Ihr geschmackvoll in verschiedenen Formen geflochtenes und mit Blumen oder Edelsteinen geschmücktes schwarzes Haar bildet einen eleganten Kontrast mit den glänzend weißen Gewändern, in welche sie zum größten Theile gekleidet sind. Einige von ihnen betrachten gleichgültig die Bewegungen der Vögel in den Käfigen, Andere unterhalten sich nachlässig und flüsternd mit den sich in ihrer Nähe befindenden Höflingen. Die Männer zeigen in ihren Kleidern eine größere Farbenabwechslung und in ihren Beschäftigungen eine größere Fruchtbarkeit an Auskunftsmitteln als die Frauen. Ihre Gewänder vom hellsten Rosa, Violet oder Gelb bilden einen phantastischen Abstich gegen die eintönig weißen Kleider ihrer Gefährtinnen. Die auffallendsten Beschäftigungen, welchen sie sich hingeben, bestehen im Lautenspiele, im Würfeln, im Necken ihrer Schoßhunde und im Aufstören ihrer Schmarozer. Was sie aber auch thun mögen, so geschieht doch Alles mit geringer Aufmerksamkeit und noch geringerem Eifer. Die Einen lehnen mit geschlossenen Augen auf ihren Ruhebettem als ob die Hitze ihnen die Arbeit, sich ihrer Sehorgane zu bedienen, zu schwer mache, Andere lassen mitten in einem Gespräche plötzlich einen Satz unbeedigt, da sie dem Anscheine nach von der Mattigkeit unfähig gemacht werden, selbst die einfachsten Ideen auszudrücken. Jeder, das Auge berührende Anblick, jeder in das Ohr dringende Ton im Gemache drückte eine üppige Ruhe aus. Kein glänzendes Licht vermindert die allgemeine Weichheit der Atmosphäre, keine grelle Farbe macht die leichten, ätherischen Tinten der Gewänder materiell, kein lautes Geräusch unterbricht die abwechslungsvollen klagenden Töne der Laute, und unterdrückt das leise Zwitschern der Vögel in den Käfigen oder den ruhigen, geregelten Wohlklang der Damenstimmen. Alle belebten, wie leblosen Gegenstände stehen mit einander im Einklange. Es ist ein Schauspiel vergeistigter Trägheit – ein Bild träumerischer Seligkeit im innersten Heiligthume ungestörter Ruhe.

Unter dieser Versammlung der Schönheit und des Adels, deren Mitglieder mehr allgemein bemerkt als besonders beobachtet werden mußten, befand sich jedoch ein Individuum, welches sowohl durch die von ihm gewählte einsame Beschäftigung, wie durch den Ort, welchen es zufällig im Zimmer eingenommen, sich unter den es umgebenden gleichgültigen Patriziern persönlich auszeichnet.

Sein Ruhebett stand näher am Fenster als das irgend eines Andern im Saale befindlichen. Einige von seinen indolenten Nachbarn, besonders die des sanftern Geschlechtes, betrachteten ihn zuweilen mit bewundernden und neugierigen Blicken, aber Niemand näherte sich ihm oder versuchte ihn in ein Gespräch zu ziehen. Neben ihm lag ein Stück Pergament, auf welches er von Zeit zu Zeit einige Worte schrieb und dann, wie es schien, gänzlich von seinen Gedanken in Anspruch genommen, und ohne auf irgend Einen von allen den männlichen und weiblichen Besuchern des kaiserlichen Gemaches zu achten, wieder in seine zurückgelehnte Stellung versank.

Seinem Aeußern nach zu schließen konnte er kaum 25 Jahre alt sein. Die Bildung des obern Theiles seines Gesichts war vollkommen intellectuel – die Stirn hoch, breit und gerade, die Augen hell, durchdringend und gedankenvoll – der untere Theil dagegen aber unleugbar sinnlich. Die vollen dicken Lippen bildeten einen unangenehmen Kontrast mit der zartgeformten geraden griechischen Nase, während das fleischige Kinn und die vollen genußsüchtigen Wangen gänzlich mit dem Charakter der bleichen edeln Stirn und dem Ausdrucke der scharfen, verständigen Augen im Widerspruch standen. Seine Statur war kaum von Mittelgröße, aber jeder Theil seines Körpers war so vollkommen verhältnißmäßig, daß er in jeder Stellung größer zu sein schien, als er wirklich war. Der wegen der Hitze geöffnete obere Theil seiner Kleidung ließ zum Theil die schöne, statuenartige Form des Halses und der Brust erkennen. Seine Ohren, Hände rund Füße waren von der Kleinheit und Zartheit, die, wie man annimmt, eine aristokratische Geburt verkündet, und in seinem Wesen die unbeschreibliche Verbindung von einfacher Würde und unaffektirter Eleganz, die in allen Zeiten und Ländern und bei allen Veränderungen, der Sitten und Gebrauche das Benehmen der wenigen begünstigten Besitzer derselben zum augenblicklichen Dolmetscher ihres socialen Ranges gemacht hat.

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