Sigurd 3: Im Auftrag des Königs

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Sigurd 3: Im Auftrag des Königs
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Impressum

Originalausgabe August 2020

Charakter und Zeichnung: Sigurd © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators

unter Zuhilfenahme von inhaltlichen Einfällen von Gerhard Adler

Text © Thomas Knip

Copyright © 2020 der eBook-Ausgabe Verlag Peter Hopf, Minden

Korrektorat: Andrea Velten, Factor 7

Redaktionelle Betreuung: Ingraban Ewald

Umschlaggestaltung: etageeins, Jörg Jaroschewitz

Hintergrundillustration Umschlag: © saiko3p – fotolia.com

ISBN ePub 978-3-86305-301-7

www.verlag-peter-hopf.com

Hansrudi Wäscher wird vertreten von Becker-Illustrators,

Eduardstraße 48, 20257 Hamburg

www.hansrudi-waescher.de

Alle Rechte vorbehalten

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

Inhalt

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

THOMAS KNIP
Im Auftrag des Königs

Sigurd Band 3

Unsere Geschichte spielt vor vielen

Jahrhunderten, in einer Zeit, von der uns

eher die sagenhaften Lieder fahrender

Sänger als bezeugte Schriften

von Historikern künden.

Doch wie märchenhaft und oft sogar

widersprüchlich diese Berichte auch

sein mögen, sie alle erzählen

übereinstimmend von einem Mann,

der schon als Jüngling all seinen

Zeitgenossen im Kampf ebenbürtig war

und dessen Mut, Ritterlichkeit und Gerechtigkeitsliebe

ihn bald zu einem der größten Helden machten.

So überdauerte der Ruhm seiner Taten die Zeiten –

ebenso wie sein Name, der zur Legende wurde:

Sigurd von Eckbertstein

EINS

Monate vergingen, in denen die schweren Beschädigungen an Burg Eckbertstein ausgebessert wurden. Da Graf Eckbert es sich nicht nehmen ließ, die Handwerker und alle anstehenden Arbeiten selbst zu beaufsichtigen, blieb Sigurd und Bodo kaum mehr, als sich die Zeit mit Ausritten durch das Umland zu vertreiben, bei denen sich der Junker einen Überblick über die Verwüstungen verschaffen konnte, die der Überfall durch König Neithard an den Dörfern und Gehöften hinterlassen hatte.

Zudem nutzten sie die Gelegenheit, um Cassim im Umgang mit dem Bogen und dem Dolch zu schulen. Und zu ihrer Zufriedenheit zeigte sich der Junge äußerst gelehrig und geschickt.

Dennoch waren die drei Freunde froh, als der Frühling nach einem langen Winter, in dem die Arbeiten fast völlig zum Erliegen gekommen waren, wieder anbrach und Sigurds Vater sie mit einer Bitte überraschte.

Am Hof des Grafen Gebhardt sollte es zu einer Vermählung zwischen dessen Tochter Dagmar und dem noch jungen Grafen Hartmut kommen. Eckbert von Eckbertstein wollte jedoch die abschließenden Arbeiten an der Burg überwachen, und so bat er Sigurd, in seinem Namen bei der Hochzeit anwesend zu sein.

Sigurd sagte ohne zu zögern zu. Die Aussicht auf eine prachtvolle Hochzeit war nach dem langen und grauen Winter mehr als reizvoll, doch noch mehr erfüllte es ihn mit Stolz, dass ihn sein Vater nun mit solchen Aufgaben betraute.

Da er als Abgesandter derer von Eckbertstein nicht alleine reisen konnte, war es für ihn selbstverständlich, Bodo und Cassim zu bitten, ihn zu begleiten, und wie erwartet mussten die beiden nicht lange überzeugt werden.

Sein Vater gab ihm einen kunstfertig gewebten Wandteppich, der die Beschädigungen überstanden hatte, als Hochzeitsgeschenk mit, und schon am nächsten Morgen brachen die Freunde auf.

Die Ländereien des Grafen Gebhardt lagen nur wenige Tagesreisen entfernt, und der nahende Frühling hatte inzwischen auch den letzten Schnee schmelzen lassen, sodass alle wichtigen Straßen passierbar waren.

Schon von Weitem hob sich die mächtige Burganlage mit ihren wuchtigen Türmen vom Himmel ab. Als Sigurd mit seinen Freunden durch das steinerne Burgtor einritt, herrschte auf dem Burghof großer Trubel. Zahlreiche Ritter und Edelleute flanierten an ihnen vorbei oder machten sich zu einem Jagdausritt bereit. Die Luft war erfüllt von Lachen, begleitet von Lautenklängen der Minnesänger, die die Anwesenden unterhielten.

Sigurd war von der Vielzahl an Gästen zuerst überwältigt und erfuhr von einem Bediensteten des Grafen, dass die Vorbereitungen in vollem Gange waren, denn die Vermählung sollte bereits morgen stattfinden.

Er bat Bodo und Cassim, nach dem Stallmeister zu suchen, um die Pferde unterzustellen, und ließ sich dann von einem Wachmann zum Quartier des Haushofmeisters bringen, um sich vorzustellen und ein Schreiben seines Vaters zu überreichen. Der stämmige Mann, dem die Verwaltung der Burganlage unterstand, begrüßte ihn freundlich und ließ nach einem Diener rufen, der ihn mitsamt seinen Freunden zu ihren Zimmern geleiten sollte.

Den Grafen sowie das Brautpaar würde er erst am Abend zu den Feierlichkeiten treffen. Das war Sigurd ganz recht, der sich nach diesem langen Ritt danach sehnte, sich für die nächsten Stunden ausruhen und in aller Ruhe für die Feierlichkeiten zurechtmachen zu können.

*

Doch Sigurd war nicht der Einzige, der den Abend nicht abwarten konnte. Als die Dunkelheit angebrochen war, näherte sich eine Gruppe berittener Männer der Burg, ohne jedoch auf das offen stehende Tor zuzureiten.

Einer der Männer hob die Hand und zügelte sein Pferd. Er schob das Kinn vor, das von einem Spitzbart geziert war, und konnte sich ein erwartungsvolles Lächeln nicht verkneifen. In sicherer Entfernung zur Festung betrachtete er die Gebäude und konzentrierte sich auf eine Reihe hell erleuchteter Fenster. Die Gesellschaft hatte sich also im Rittersaal eingefunden, stellte er fest.

Sein Pferd tänzelte unruhig und schnaubte unterdrückt. Er zog die Zügel fester und wandte sich zu seinen drei Spießgesellen um, die ihn mit angespannten Mienen ansahen. Sie alle wussten, welch Wagnis sie eingingen. Doch die Aussicht auf die versprochene Beute ließ sie dem Mann folgen, der als Gubo der Abenteurer bekannt und berüchtigt war.

Sein Lächeln verbreiterte sich zu einem selbstbewussten Grinsen. Er würde warten, bis die Nacht angebrochen war und die Wälder, die die Burg umgaben, in Dunkelheit gehüllt waren. Dann konnte er es wagen, seinen Plan auszuführen und Dagmar, die Tochter des Grafen, zu rauben …

*

Trotz seiner zahlreichen Abenteuer war Sigurd beeindruckt von der Pracht, mit der der Rittersaal ausgeschmückt war. Schildwappen zierten die Wände, schwere, brokatbestickte Vorhänge schimmerten mit ihren Farben samten im Licht der eisernen Lüster, die an massiven Ketten von der Decke hingen. Im Kamin loderte ein Feuer, das die Kälte zu dieser späten Stunde vertrieb.

Eine große Tafel nahm die Mitte des Raumes ein. Sie war üppig beladen mit allerlei Köstlichkeiten aus der Küche. Immer noch trugen Diener Platten mit Fasanen und Spanferkeln auf und gossen Wein in den Kelchen der zahlreichen Gäste nach, die auf langen Bänken entlang der aneinandergereihten Tische saßen und ausgelassen miteinander plauderten. In einer Nische stand eine Gruppe von Spielmannsleuten, deren Musik aus Laute und Flöte kaum gegen das Stimmengewirr ankam. Noch allerdings war das Festbankett nicht eröffnet, denn Graf Gebhardt bestand darauf, dass seine Tochter den Abend eröffnen sollte.

Nachdem sie sich von der Reise ausgeruht hatten, waren Sigurd, Bodo und Cassim von Graf Gebhardt empfangen worden. Er hatte sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass es Sigurds Vater nicht möglich gewesen war, selbst zu kommen, hatte aber auch Verständnis dafür, dass er als Burgherr seine Verpflichtungen beim Wiederaufbau nicht vernachlässigen konnte.

 

Sigurd empfand es als Ehre, dass der Graf ihn dann bat, an der Tafel zu seiner Rechten neben dem Bräutigam Platz zu nehmen. Graf Hartmut war kaum älter als Sigurd, und sie fanden rasch gemeinsame Themen, über die sie sich rege austauschten.

Immer wieder warf Hartmut einen Blick zur Seite, auf die lange Treppe, die sich nach oben zog.

»Es ist das Vorrecht der Damen, sich Zeit zu lassen«, meinte Sigurd schmunzelnd.

Hartmut seufzte und lächelte leicht. »Sie ist wohl noch auf ihrem Zimmer und wird sicher gleich herunterkommen. Ich freue mich, dass auch du meine Braut nun kennenlernen wirst.«

Sigurd wollte ihm gerade antworten, als er ein leises Schmatzen hörte. Er drehte sich in die Richtung und wollte gerade etwas sagen, als Cassim empört den Kopf schüttelte.

»Aber Bodo! Kannst du nicht warten, bis Dagmar die Tafel eröffnet?«

Bodo blickte schuldbewusst auf den Hühnerschlegel in seiner Hand und ließ ihn mit einem Ausdruck des Bedauerns sinken, bevor er sich über die Lippen wischte. Er stöhnte unterdrückt auf. »Ja … entschuldige, Cassim.« Er warf einen Blick in die Runde und war erleichtert, dass auch der Graf ihn mit einem Schmunzeln bedachte. »Aber die Braut könnte nun auch kommen, denn ich gebe zu, ich habe schon großen Hunger …«

*

Durch das geöffnete Fenster ihrer Kammer hörte die junge Frau leise die Musik der Spielmannsleute. Sie stand in der Mitte des Raumes und stieß den Atem aus, während die Schnüre in ihrem Rücken fester zugezogen wurden.

»Oh«, sagte das Mädchen, das hinter ihr stand. »Habe ich zu fest gezogen?«

»Nein, nein«, entgegnete Dagmar lächelnd. »Aber beeile dich bitte. Ich befürchte, wir lassen die Gäste schon zu lange warten.« Sie zog einen Ärmel ihres kostbaren Samtkleids zurecht, das am Kragen und den Handgelenken mit Pelz besetzt war.

»Nur noch die eine Schlaufe, Herrin …«, antwortete das Mädchen, »… und Ihr seid fertig!«

Es trat einen Schritt zurück und betrachtete die Grafentochter aus leuchtenden Augen. »Das Kleid ist wunderbar. Es schmückt Euch prächtig«, konnte es sich nicht zurückhalten.

Dagmar lächelte. »Ich danke dir, Bettina.« Sie ging auf einen Tisch zu und griff nach einem Ring. »Glaubst du, dass ich Hartmut gefallen werde?«, fragte sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

Ein Lachen ließ sie herumfahren.

»Mir gefallt Ihr ausnehmend gut, Dagmar! Und das ist im Augenblick doch die Hauptsache.«

Die Braut stieß einen erschreckten Schrei aus. Ihre Zofe wich mit weit aufgerissenen Augen zurück und sah nur ungläubig auf den Mann, der sich durch das offene Fenster ins Innere schwang.

»Gubo!«, entfuhr es Dagmar.

Dieser deutete einen Diener an, als sein Name fiel. Es schmeichelte ihm, dass sie wusste, wer er war.

Von draußen war Rascheln und ein Grunzen zu hören. Gubo machte einen Schritt in den Raum und gab so den Weg frei für seine Kumpane, die mit einem frechen Grinsen durch das Fenster stiegen und die jungen Frauen ausgiebig betrachteten.

»Verzeiht, Ihr Damen, dass wir so ungebeten hier eindringen – aber ich möchte Euch zu einer kleinen Reise einladen«, eröffnete Gubo und strich sich über seinen gepflegten Schnurrbart.

Wütend blickte Dagmar die Männer an, ohne etwas zu erwidern. Ihre kleinen Hände ballten sich zu Fäusten.

Gubo nahm es mit einem dünnen Lächeln hin und trat so dicht an sie heran, dass sie unwillkürlich einen Schritt zurückmachte.

»Eure Hochzeit sollte morgen sein, junge Gräfin«, führte Gubo aus und neigte den Kopf. »Es tut mir leid, aber Ihr werdet sie wohl verschieben müssen … Graf Hartmut wird gewiss ein hohes Lösegeld zahlen, um seine Braut wohlbehalten wiedersehen zu können.«

Dagmar stieß einen verächtlichen Laut aus. »Was fällt Euch ein?«, fuhr sie ihn an. »Lasst diese üblen Scherze!« Sie wandte sich um und wollte mit schnellen Schritten zur Tür eilen.

Auf ein Zeichen ihres Anführers hin packten die Männer die beiden Frauen und legten ihnen eine Hand auf den Mund. Unterdrückte Schreie drangen zwischen den Pranken der Banditen hervor.

»Scherze?«, meinte Gubo und lachte ungerührt auf, während er Dagmars langes blondes Haar bewunderte, das bei ihren Versuchen, sich zu befreien, hin und her wehte und im Kerzenlicht schimmerte. »Bindet und knebelt die beiden Mädchen«, befahl er seinen Spießgesellen.

Er verfolgte, wie die Männer die Versuche der beiden Gefangenen, sich zu befreien, im Keim erstickten. Binnen kürzester Zeit waren sie mit schweren Stricken gefesselt und ihre Münder mit Tüchern verschlossen. Dennoch sah Gubo nervös zur Tür.

»Beeilt euch!«, zischte er und war erst erleichtert, als die Männer mit ihrer Arbeit fertig waren. Er richtete sich an einen Mann mit einer Augenklappe. »Ihr reitet voraus. Ich bleibe noch zurück.«

Er sah sich um, und sein Blick fiel auf eine Kommode. »Dagmars Schmuck möchte ich mir nicht entgehen lassen …«

*

Im Rittersaal wurden die Gäste langsam ungeduldig. Graf Gebhardt nahm selbst einen Becher Wein in die Hand, um den Gästen so zu zeigen, dass sie nicht zögern sollten, ihren Durst zu stillen.

Alle Anwesenden prosteten ihm und dem Bräutigam zu. Hartmut nahm nur einen kleinen Schluck und sah erneut zur Treppe. »Komm mit mir«, richtete er sich an Sigurd. »Wir wollen Dagmar aufsuchen.«

Graf Gebhardt sah den jungen Mann an seiner Seite nachdenklich an, gab ihm aber dann doch die Erlaubnis, nach seiner Braut zu sehen. Sigurd schloss sich ihm an, und zu zweit stiegen sie die breite Treppe empor.

»So sind die Frauen, wie du schon bemerktest«, meinte Hartmut. »Über ihren neuen Kleidern hat Dagmar sicher alles andere vergessen.«

Sie erreichten den Gang, der zu der Zimmerflucht der Grafentochter führte. Keine Wache verrichtete hier oben den Dienst. Sie alle waren entweder für den Abend freigestellt, um in der Küche an einem eigens für sie zubereiteten Festmahl teilzunehmen, oder wachten über den Rittersaal mit seinen hochrangigen Gästen.

Hartmut blieb vor einer Tür stehen und klopfte gegen das Holz. Doch auch nach mehreren Augenblicken war keine Stimme dahinter zu hören. Der junge Graf klopfte erneut.

»Antworte doch, Dagmar!«, bat er. »Ich bin es, Hartmut.« Noch immer war nichts zu hören. Der Graf wandte sich zu Sigurd um. »Ich verstehe das nicht«, sagte er und runzelte die Stirn. Kurz entschlossen entschied er sich, den Raum entgegen aller Gepflogenheiten zu betreten, öffnete die Tür und trat ein.

»Dagmar, wo bist du …?«

Hartmut machte einen Schritt ins Innere und sah das Aufblitzen vor sich erst im letzten Augenblick. Er schrak zurück und erkannte den Mann, der mit gezücktem Schwert vor ihm stand.

»Gubo?«, rief er aus. »Was wollt Ihr hier?«

Dieser lächelte ihn zur Antwort nur finster an. »Keine Bewegung, Graf Hartmut – oder Ihr seid des Todes!« Wie um seine Worte zu unterstreichen, richtete er die Schwertspitze gegen die Brust des Bräutigams.

Dieser rührte sich nicht und blickte den Abenteurer nur wuterfüllt an. Sigurd hielt sich im Halbschatten des Türrahmens verborgen und konnte nicht sagen, ob der Eindringling ihn gesehen hatte.

Gubo fuhr ungerührt fort. »Eure Braut ist jetzt schon weit fort von hier.« Er lächelte dünn. »Aber seid unbesorgt, sie ist in … sicheren Händen. Und nun«, die Spitze des Schwerts drückte gegen Hartmuts Wams, »gebt mir den Weg frei!«

Ungerührt ob der Bedrohung griff der Graf nach seinem eigenen Schwert. »Sagt mir sofort, wohin Ihr Dagmar gebracht habt, sonst …«

Gubo knurrte wütend. Seine Hand zuckte vor, und seine Klinge bohrte sich tief in Hartmuts rechte Schulter. Dieser schrie auf. Sein Schwert fiel klirrend auf den steinernen Boden, während er in sich zusammensackte.

»Ihr habt es so gewollt!«, stieß Gubo auf und fletschte die Zähne wie ein Wolf. Er machte einen Schritt auf die Tür zu, doch nun stellte sich ihm Sigurd mit gezücktem Schwert in den Weg.

»Na wartet, jetzt bekommt Ihr es mit mir zu tun!«, rief der Junker dem Schurken zu.

Dieser lachte auf, dann blickte er in den Gang hinein. Dort war das Geräusch von Schritten und das Klirren von Waffen zu hören. Offenbar hatte Graf Gebhardt nun selbst mehrere Wachen geschickt.

»Auch Ihr werdet mich nicht aufhalten!«, knurrte Gubo und griff mit einer schnellen Bewegung nach hinten. Sigurd sah den klobigen Schatten auf sich zufliegen und konnte nur im letzten Moment ausweichen. Krachend prallte die Sitzbank gegen die Wand.

Es waren nur wenige Augenblicke, die der Junker aufgehalten wurde, dennoch konnte Gubo die Zeit nutzen, um in den Gang zu fliehen.

Sigurd setzte ihm nach. »Das wirst du büßen!« Er rannte hinter dem Schurken her, der seinen Abstand sogar noch vergrößern konnte – doch mit einem Mal blieb dieser mitten im Lauf stehen. Sigurd lachte auf. Keine zwanzig Meter vor sich sah er die Schatten mehrerer Wachleute, die auf sie zueilten.

»Da kommt die Wache!«, rief Sigurd. »Jetzt seid Ihr in der Falle. Wehrt Euch, wenn Ihr es nicht vorzieht, Euch zu ergeben!«

Gubo sah sich hastig um und wischte sich über den Mund. Beim Anblick von Sigurds Schwert flackerten seine Augen wild. Er wich zurück an ein Fenster. Nur noch wenige Schritte trennten ihn von den Wachen, als er den Knauf seines Schwerts gegen die Glasscheibe schmetterte, die unter der Wucht zersplitterte.

»Ich ziehe es vor, mich durch das Fenster zu verabschieden!«, brüllte er und sprang durch die Öffnung. Sigurd eilte wie die Wachen ans Fenster. Ungläubig mussten sie mitansehen, wie der Schurke den verzweifelten Sprung wie durch ein Wunder überstand und in das eiskalte Wasser des Burggrabens eintauchte.

Die nachgesandten Pfeile der Wachen verfehlten in der Dunkelheit ihr Ziel. Sigurd unterdrückte einen Fluch. Bis er den Graben erreicht hatte, würde Gubo längst über alle Berge sein. Und vor allem galt es, sich zuerst um den verwundeten Hartmut zu kümmern …

ZWEI

Der Leibarzt von Graf Gebhardt wurde eilig herbeigerufen, um die heftig blutende Wunde zu versorgen. Der Graf selbst hatte inzwischen alle Feierlichkeiten beendet und den bestürzt zuhörenden Anwesenden berichtet, was geschehen war.

Derweil wachte Sigurd an Hartmuts Bett, der wieder aus der Ohnmacht erwacht war. Ein schwerer Verband bedeckte seine rechte Schulter, während er als Schutz vor der Kälte in Decken gehüllt war. Dennoch konnte Sigurd das unterdrückte Zittern seines Körpers deutlich sehen.

Er berichtete Hartmut, wie es Gubo gelungen war, zu entkommen. »Dieser Schurke! So viel Mut hätte ich ihm nicht zugetraut!«, schloss er seinen Bericht.

Hartmut wandte ihm mühevoll den Kopf zu. »Wir müssen die Mädchen unbedingt befreien«, löste es sich von seinen Lippen. »Wäre ich nur nicht verwundet … Unglücklicherweise traf er meine rechte Schulter. So ist es mir unmöglich zu kämpfen!« Er ließ den Kopf mit einem Stöhnen sinken.

Sigurd erhob sich. »Mit dieser Wunde kannst du wahrhaftig nicht reiten und noch weniger kämpfen!«, stellte er unumwunden fest. »Dieser Gubo hat auch mich überlistet, das vergesse ich ihm nicht!«

Er beugte sich zu Hartmut herab. »Wenn du erlaubst, verfolge ich ihn – und du darfst mir glauben, dass ich Dagmar und ihre Zofe Bettina zurückbringe.«

Der junge Graf nickte nur schwach und fiel in einen leichten Schlaf.

Sigurd blickte den Leibarzt an. Dieser bat ihn, den Verwundeten alleine zu lassen, und so verließ der Junker den Raum. Er machte sich auf den Weg zu Graf Gebhardt, um auch ihm seinen Vorschlag zu unterbreiten, die Verfolgung aufzunehmen. Dieser erklärte sich einverstanden, dankte ihm für das Angebot und bot ihm an, ihn mit allem Nötigen zu versorgen.

Bodo und Cassim warteten bereits ungeduldig in seinem Zimmer auf Sigurds Rückkehr. Als er ihnen sein Vorhaben berichtete, war für sie beide selbstverständlich, dass sie ihn dabei begleiten würden.

Da es keinen Sinn hatte, mitten in der Nacht nach Spuren zu suchen, nutzten die Freunde die Stunden bis zum Morgengrauen, um sich ausgeruht ihrer Aufgabe zu stellen. Noch bevor die Sonne aufgegangen war, standen sie auf und verabschiedeten sich von Graf Gebhardt, der vor Sorge keinen Schlaf gefunden hatte. Sie ließen ihre Pferde satteln und bekamen von den Mägden aus der Burgküche ein reichhaltiges Proviantpaket für den Weg überreicht.

 

Trübe Wolkenschleier bedeckten den morgendlichen Himmel, als sie die Verfolgung aufnahmen …

*

Gubo hatte inzwischen die Zeit genutzt und seine Männer eingeholt. Sie hatten zwei weitere Pferde geraubt, auf denen die Mädchen ritten. Die ganze Nacht hindurch hatten sie ihren Reittieren keine Rast gegönnt, bis sie am frühen Morgen einen breiten Strom erreichten. Die Strahlen der aufgehenden Sonne durchbrachen die Wolkenschleier und tauchten die Umgebung in ein warmes Licht, das sich auf den Wellen brach.

Ihre beiden Gefangenen hatten das Vorankommen der Schurken deutlich verlangsamt, da sie es nicht gewohnt waren, sich über solch eine lange Zeit im Sattel zu halten. Immer wieder hatten sie eine Rast einlegen müssen. Jedes Mal hatte sich Gubo nervös nach möglichen Verfolgern umgesehen und dann erleichtert aufgelacht, als er feststellte, dass niemand ihnen nachsetzte.

Zu dieser frühen Stunde spannte ein alter Fischer seine Netze am Ufer des Stroms auf. Unweit von ihm war ein kleiner Kahn vertäut.

Gubo ritt auf den Mann zu und stieg ab. »Heda, Alter!«, richtete er sich an ihn. »Setz uns an das andere Ufer über. Es soll dein Schaden nicht sein.«

Der Alte besah sich die Ankömmlinge und schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Herr. Aber wenn Ihr nach drüben wollt, müsst Ihr noch einige Stunden warten. Es ist jetzt die Zeit der Strömung … das Boot würde sofort aufs Meer hinausgetrieben.«

Gubo winkte ab. »Wir haben keine Zeit! Lass uns ins Boot, wir sind in Eile!«

Bedauernd schüttelte der alte Fischer den Kopf. »Glaubt mir, Ihr seid verloren, wenn …«

»Gubo! Dort kommen Verfolger!«, rief plötzlich Benno, der Mann mit der Augenklappe.

Alle Blicke richteten sich zum Horizont. Inmitten einer aufgewirbelten Staubwolke waren mehrere Reiter zu sehen, die rasch näher kamen. Gubo fluchte. Er konnte von hier aus nicht abschätzen, wie viele Mann es waren, die Graf Gebhardt auf ihn angesetzt hatte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als schnell zu handeln.

»Genug geredet!«, brachte er hervor. Er versetzte dem Fischer einen wuchtigen Kinnhaken, der den Mann zu Boden schickte. Die Mädchen schrien auf. Der Abenteurer überging es und wandte sich an seine Männer. »Vorwärts, bringt die beiden Frauen ins Boot!«

Seine Kumpane taten, wie ihnen geheißen, und binnen weniger Minuten konnten sie das Boot mit den Händen vom Ufer abstoßen und auf den Strom hinaustreiben. Einer von ihnen setzte das Segel, und der kleine Kahn gewann schnell an Fahrt.

Gubo warf einen Blick zurück zum Ufer und erkannte nun einen seiner Verfolger, dessen blondes Haar mit der dunklen Locke ihm nur allzu gut in Erinnerung geblieben war. Triumphierend lachte er auf und winkte ihm zu. »Du kommst zu spät. Lebe wohl!«

*

Ohnmächtig sah Sigurd dem Boot nach, das auf dem Fluss entkam. Es waren nur wenige Augenblicke gewesen, die sie von den Schurken getrennt hatten! Er riss sein Schwert drohend in die Höhe, ließ es jedoch sinken, als er einsehen musste, dass Gubo ihm entkommen war.

»Solch ein Pech!«, stieß er aus und steckte die Waffe weg. »Sie sind uns im letzten Augenblick entwischt!«

»Ärgere dich nicht«, meinte Cassim neben ihm. »Wir werden sie schon noch bekommen. Aber … ich will mich mal um den alten Mann kümmern!«

Der Junge sprang vom Pferd und eilte auf den Fischer zu, der benommen am Boden lag. Cassim stützte ihn und lehnte ihn gegen einen Pfosten, an dem die Netze aufgespannt waren. Er nahm seine Trinkflasche vom Gürtel und reichte sie dem Alten.

»Trinkt erst einmal«, bat er den Mann, der noch immer nicht vollends bei Besinnung war.

»Habt Dank …«, brachte der Fischer hervor und griff nach dem Lederbeutel. Er setzte ihn an und nahm ein, zwei hastige Züge. Dann stöhnte er und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Es geht mir schon besser … oh, diese Schurken!«

Sigurd und Bodo waren inzwischen abgestiegen und halfen dem Fischer auf die Beine. Er dankte mit schwacher Stimme und blickte über den Strom. Das Boot war in der Ferne nur noch als kleiner Punkt auszumachen.

»Sie werden nie das andere Ufer erreichen«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Um diese Zeit ist die Strömung zu stark. Sie wird sie mit aufs Meer hinausnehmen, und das Boot wird an den Klippen der Dämoneninsel zerschellen!«

Sigurd horchte auf.

»Was sagst du da? Das Boot wird zerschellen? Das darf nicht geschehen!« Er wagte gar nicht erst nachzufragen, was der alte Fischer mit der ›Dämoneninsel‹ meinte. »Gibt es denn keinen Weg, um die beiden Mädchen zu retten?«

Der Fischer presste die Lippen aufeinander und senkte den Kopf. »Schon viele haben sich zur Zeit der Strömung auf das Meer gewagt«, setzte er an. »Keiner kehrte zurück.« Er sah auf und blickte Sigurd an. »Alles, was ich Euch anbieten kann, ist, Euch in einigen Stunden zur Insel der Dämonen zu segeln …«

*

Inzwischen wurde das von Gubo gesteuerte Boot von der Strömung erfasst. So sehr sich der Schurke auch gegen das Ruder lehnte, wollte es seinen Befehlen nicht mehr folgen, sondern wurde vom Sog der Wellen mit sich gezogen.

»Alle Teufel!«, fluchte der Abenteurer. »Der Alte hat wahr gesprochen. Das Boot gehorcht dem Steuer nicht mehr.«

Er forderte seine Männer auf, ihm zu helfen, doch selbst mit vereinten Kräften gelang es ihnen nicht, das Boot wieder zum Ufer hin zu steuern. Ohnmächtig mussten sie zusehen, wie es immer weiter aufs Meer hinaustrieb.

Gubo sah die angsterfüllten Blicke der beiden Frauen, die geknebelt auf Deck lagen. Er vermied es, ihren Blick zu erwidern, sondern sah sich von einer Unruhe erfüllt um. Schließlich entdeckte er die beiden Ruder, die unter die Planken geklemmt waren, und rief seine Männer herbei. Die Spießgesellen zogen sie hervor und tauchten sie ins Wasser.

»Rudert, Leute! Rudert!«, befahl er ihnen. »Es geht um unser Leben!«

Immer wieder sah er die Felsen der Brandung bei einem Wellengang aus dem Wasser ragen. Jeden Augenblick konnte das kleine Boot an einem von ihnen zerschellen. Und selbst wenn sie den gefahrvollen Klippen entkamen, so hatten sie doch kaum genug Proviant an Bord, um mehr als einen Tag auf hoher See zu überstehen.

Resigniert sackte Endres, einer seiner Begleiter, auf der Ruderbank förmlich in sich zusammen. Seine Brust hob und senkte sich von der Anstrengung der letzten Minuten. »Es hat keinen Zweck«, keuchte er. »Gegen diesen Strom sind wir machtlos …«

Gubo wollte ihn anfahren und ihm befehlen, sich weiter ins Zeug zu legen. Doch ein Blick über die Schulter machte auch ihm bewusst, dass sie den Unbilden der Wellen ausgeliefert waren. So blieb den Männern nichts anderes übrig, als tatenlos mitanzusehen, wie das Boot erbarmungslos auf eine abgelegene Insel zugetrieben wurde.

Der Abenteurer hatte Seefahrer in Tavernen ehrfurchtsvoll von ihr sprechen hören, wobei er ihre Erzählung stets als Seemannsgarn abgetan hatte. Doch unter Kapitänen galt die Insel als berüchtigt. Niemals sollte ein Mensch, der das Innere betreten hatte, von dort zurückgekehrt sein. Der Sage nach trieben auf der Insel böse Geister ihr Unwesen.

Böse Geister …

Humorlos lachte Gubo auf. Viel mehr fürchtete er die Bedrohung durch die steil aufragenden Felsen der Küste, die es unmöglich zu machen schienen, ungefährdet an Land zu gehen. Das Wasser brauste auf, und das Rauschen der Wellen übertönte die Worte der Menschen an Bord. Gischt spitzte über sie hinweg und durchnässte ihre Kleidung.

Nun war das Boot vollends ihrer Kontrolle entglitten. Es taumelte und torkelte führungslos über die Wellenkämme und trieb mit jedem Wellenschlag näher auf das steinige Ufer zu.

»Wir laufen auf!«, rief Gubo und sah in die furchterfüllten Gesichter seiner Männer. Dann fiel sein Blick auf die beiden Mädchen, die sich in ihren Fesseln wanden. Kurz entschlossen ging er auf sie zu und schnitt die Seile durch. Gefesselt fänden sie den sicheren Tod, und dann wäre jede Hoffnung auf ein Lösegeld endgültig zunichte …

»Haltet euch fest!«, forderte er Dagmar und Bettina auf. »Vielleicht können wir uns an Land retten!«

Er sah nach vorne über den Bug hinweg. Das Boot steuerte auf einen Felsen zu, der nur flach aus dem Wasser ragte. Gubo schürzte die Lippen. Mehr als die Hoffnung blieb ihm nicht …

Nur einen Augenblick später lief das Boot auf dem Felsen auf. Der Rumpf wurde in die Höhe gehoben, und der Mast zerbarst wie ein morscher Ast. Stimmen schrien auf und riefen um Hilfe.

Gubo tauchte ins Wasser ein und schlug hart gegen den Felsen. Er biss die Zähne zusammen und sah vor sich einen blonden Haarschopf. Ohne zu zögern, griff er nach dem Körper und zog ihn auf das rettende Ufer zu.

Dagmar sackte neben ihm auf dem kalten Fels zu Boden und rang um Atem. Gubo sah sich um und erkannte seine Schergen, von denen einer Bettina, der Zofe, ans Ufer half. Er lachte auf. Wieder einmal war das Glück ihm hold. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass sie alle unbeschadet mit dem Leben davonkommen würden!

»Dem Teufel sei Dank«, murmelte Bruno, während er seinen Griff um Bettinas Arm löste und nach Luft schnappte. »Wir haben es geschafft …«

Noch bevor Gubo etwas erwidern konnte, fauchte Dagmar ihn an. »Schämt Ihr Euch nicht? Wehrlose Frauen ins Verderben zu stürzen?« Trotz ihres aufgelösten Haars und der Erschöpfung der vergangenen Stunden hatte sie sich nach wie vor die Haltung einer Gräfin bewahrt und funkelte den Gauner aus zornerfüllten Augen an.

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