Seewölfe - Piraten der Weltmeere 683

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Из серии: Seewölfe - Piraten der Weltmeere #683
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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 683
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Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-097-8

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Sean Beaufort

Gold für den Mogul

Die unersetzliche Reliquie entpuppt sich als tödliche Verlockung

Rajghal Shand vollführte die Geste der Anbetung, obwohl weit und breit kein Tempel zu sehen war. Mit einigen seiner Glaubensbrüder war er auf dem Meer und segelte der ceylonesischen Küste entgegen. Tief in seinem Innern brannten Glaube und Überzeugung.

„Und wenn ich töten muß, Kali“, sagte er, „einen Fremden oder noch mehr – ich bringe dir das Gold zurück, das sie gestohlen haben. Bei meinem unwürdigen Leben.“ Er hob den Kopf und starrte voraus zu dem fremden Schiff mit den dreieckigen Segeln, das von weißhäutigen Teufeln bemannt war.

Auf der Mannar-Insel gab es einen uralten Tempel, der der vielarmigen schwarzen Todesgöttin Kali geweiht war. Rajghal fieberte dem Augenblick entgegen, an dem er sich in diesem Tempel vor Kali zu Boden werfen durfte …

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Die Hauptpersonen des Romans:

Clinton Wingfield, Philip und Hasard junior – verschwinden heimlich von Bord und können fünf geraubte Goldkisten sicherstellen.

Ginjal Chand – der Kaufherr in Mannar hält nichts von Portugiesen und Spaniern und ist für Gerechtigkeit.

Edwin Carberry – wütet mit seinem Profos-Hammer und räumt Inder gleich dutzendweise ab.

Philip Hasard Killigrew – muß sich der Gewalt beugen, aber dann zahlt er zurück.

1.

Kapitän Killigrew sah die Menschenmenge, hörte ihr aufgeregtes Lärmen und brauchte nicht lange darüber nachzudenken, was der Volksauflauf bedeutete. Sie waren wieder mal in einen Hafen gesegelt – und mitten hinein in die größten Schwierigkeiten.

„O großer, sanftmütiger Buddha“, sagte Hasard und stieß einen langen Seufzer aus. „Warum bist du nicht zahnlos geblieben?“

Er fügte einen langen, grimmigen Fluch hinzu, wie ihn die Fischer an Cornwalls Klippen gebrauchten, dann gab er sich einen Ruck. Die Arwenacks würden sich auch dieser Herausforderung stellen müssen.

Die Nachricht, daß an Bord der Schebecke die heilige Reliquie, Buddhas Weisheitszahn vom Bo-Baum, nach Mannar zurückgebracht worden war, raste in Blitzeseile durch die Stadt. Von allen Seiten strömten Menschen herbei. Die Schebecke befand sich längst im Mittelpunkt einer wütenden und schreienden Menge.

Die Seewölfe hatten den Ärger in Tuticorin oder Tuttukuddi, wie die Eingeborenen den Ort nannten, gut überstanden. Jetzt hatten sie glücklich Mannar erreicht, und der Hafen verwandelte sich in einen Hexenkessel.

„Die schwarze Kali soll diesen dreimal verdammten Malindi holen!“ rief Don Juan de Alcazar. „Und ausgerechnet jetzt, während die Kerle schon ihre Prügel schwingen, fängt die Ebbe an, aus diesem verlausten Hafen abzulaufen.“

Im innersten Teil des Hafens lagen zwei Schiffe, eine Galeone und eine Karavelle. Der erste Blick durch die Spektive hatte gezeigt, daß eine die spanische, die andere die portugiesische Flagge führte. Beide Schiffe boten der Schebecke die Breitseite. Noch waren die Stückpforten an Backbord geschlossen.

Aber auch das, fürchtete Hasard, würde sich rasch ändern, wenn die Portugiesen und die Dons erfuhren, mit wem sie es hier zu tun hatten.

„Was bedeutet“, sagte der Seewolf, „daß wir selbst hier, an dieser vergammelten Mole, trockenfallen werden.“

„Ein Unglück kommt selten allein“, erklärte Don Juan düster.

Die Insel Mannar, niedrig und von offenbar dichtem Waid bedeckt, breitete sich in Westostrichtung aus. Der Ort und der kleine Hafen befanden sich fast am östlichsten Ende. Von der Pamban-Insel bis zum westlichsten Punkt Mannars erstreckte sich, länger als fünfzehn Seemeilen, eine Barriere aus Sand und Felsen. Und zwischen der Küste der riesigen Insel Ceylon und dem Ort Mannar würde man in ein paar Stunden über Schlick und Sand zu Fuß hinüberwaten können.

„Was geschieht jetzt? Wenn wir ablegen, gibt es ein Gemetzel“, sagte Ben Brighton.

„Ich sehe noch nicht klar“, erwiderte Hasard.

Die Seewölfe, die nach dem Anlegen das Schiff aufklarten, beobachteten die wütende Menge, die ihrerseits noch unentschlossen war, ebenso unentschlossen wie die Arwenacks. Trotz der schwülen Mittagshitze, hasteten die Inder, Singhalesen und Ceylonesen hin und her, gestikulierten und deuteten immer wieder zu der Schebecke. Aus den vielen Booten, von denen die Schebecke nach ihrem Auslaufen aus Tuticorin verfolgt worden war, enterten die Besatzungen an Land.

Die Bohlen, Bretter und Bambusrohre des alten Stegs knarrten unter dem Gewicht der vielen Körper.

„Das ist eine regelrechte Belagerung“, sagte der Profos.

„Wenn jemand das falsche Wort sagt oder das Falsche tut“, warnte der Seewolf halblaut, „dann ist es wie ein Funke am Pulverfaß.“

Noch befanden sich die „Hüter des heiligen Zahnes“ an Bord. Daß sie Dina über Bord geworfen und ihren schrecklichen Tod verschuldet hatten, rührte sie nicht, so schien es.

Die Segel waren ins Gei gehängt worden, Festmacher hielten die Schebecke an den modrigen Baumstämmen. Der Bug des Schiffes zeigte hinaus in den Golf von Mannar, aber dieser Umstand würde auch keine schnelle Flucht ermöglichen.

„Was schreien diese Rübenschweine?“ polterte der Profos und war ebenso ratlos wie der Rest der Crew.

Hasard junior übersetzte: „Lauter schmeichelnde Bezeichnungen, Ed. Wir sind Mörder und Räuber.“

„Und wir haben aus den Tempeln der Inder Gold und Schmucksteine gestohlen.“ Das hatte Philip junior aus den Rufen der Menge heraushören können.

„Und wir haben uns gegen Buddha und die Religion versündigt“, sagte der andere Zwilling nach einer Weile.

„Blödsinn“, knurrte Carberry und reckte angriffslustig das Kinn vor. „Die wissen genau, daß das nicht stimmt, diese Hohlköpfe.“

Er erwartete keine Antwort und erhielt auch keine.

Ohne daß es von den aufgeregten Eingeborenen oder den Seewölfen wahrgenommen wurde, öffnete sich auf der portugiesischen Karavelle eine Stückpforte. Dahinter bewegten sich Gestalten. Sie hantierten mit Ladewerkzeug und Pulverfäßchen.

Bis auf zwei Abschnitte, an deren steilen Ufern sich altersschwache und ungepflegte Stege und nachlässig gemauerte, bemooste und algenüberwucherte Molen befanden, zeigten sämtliche Ufer, daß der Hafen Mannars weder groß noch, bedeutend war. Wohin die Arwenacks auch blickten, überall sahen sie angeschwemmtes Treibgut, trocknende Haufen aus Tang, Schlamm, Sand und Schlick.

Eine Straße zog sich von den ersten Hütten und Häusern der Stadt in die Richtung auf die kleine Bucht und gabelte sich dort. Ein breiter Pfad führte dorthin, wo die Karavelle und die Galeone angelegt hatten, der andere endete vor dem Steg und den Pollern, an denen die Schebecke lag. Aus der Siedlung erschienen noch immer Inder oder Ceylonesen. Sie liefen dorthin, wo sich die größere Menge Menschen befand.

„Unsere Gäste gehen von Bord, Sir“, sagte Ben Brighton säuerlich.

„Hoffentlich für alle Zeiten“, gab Hasard ebenso wütend zurück.

Die Inder, an ihrer Spitze der schmächtige Alokeranjan, kletterten flink über das Schanzkleid auf den Steg. Bisher hatten sie mit den Leuten an Land gesprochen, in einem Dialekt, den niemand verstand. Aber es gehörte nicht viel Sprachkenntnis dazu, herauszufinden, über was sie schnatterten und schrien. Augenblicklich scharten sich um die Passagiere ganze Trauben von Singhalesen.

Hasard wandte sich an Ben.

„Wir müssen darauf gefaßt sein, daß sie über uns herfallen“, sagte er zwischen halb geschlossenen Lippen. „Schicke unsere Leute unter Deck. Sie sollen sich bewaffnen. Aber ohne Aufregung.“

Ben nickte. Er war erleichtert und hatte längst seine Pistole hinter den Gürtel gesteckt. Er enterte auf die Kuhl ab und sprach leise mit Higgy, Sven Nyberg und Batuti.

Die drei nickten ebenfalls und versuchten, möglichst unauffällig den Befehl weiterzugeben.

Don Juan de Alcazar und Hasard standen auf dem Grätingsdeck. Von dieser Stelle gab es den besten Überblick und den größten Abstand zu der Menschenmenge. Etwa zweihundert Frauen und Männer hatten sich mittlerweile versammelt, und es wurden immer mehr. Unter ihren nackten Füßen wirbelten Staubwolken auf und trieben träge auf die Schebecke zu.

„Ich würde nicht eine Sekunde lang zögern“, sagte Hasard, „ablegen zu lassen, wenn nicht ein Blutbad die Folge wäre.“

„Du hast recht, Sir“, sagte der Spanier leise. „Und wahrscheinlich haben wir in Kürze auch noch die Portus und meine Freunde, die Dons, auf dem Hals.“

 

Ihre Blicke glitten unruhig hin und her. Sie suchten nach einem Ausweg aus der mißlichen Lage. Was sie sahen, half ihnen nicht und zeigte nur, daß sie an einem ziemlich gottverlassenen Winkel festsaßen.

Ein dichter Halbkreis aus ineinandergeschobenen Booten und Schiffchen umgab die Schebecke und blockierte sie. Mißtrauisch beobachteten die Bootsbesatzungen jede Bewegung der Fremden.

Don Juan sah, daß einer der Arwenacks nach dem anderen wieder an Deck erschien, ein betont gleichgültiges Gesicht zog und sich ausreichend bewaffnet hatte.

In gerader Linie, vom Achterdeck der Schebecke über die beiden fremden Schiffe hinweg, duckten sich unter den mächtigen Ästen der Bäume langgezogene Häuser oder Lagerschuppen. Sie wirkten ebenso verwahrlost wie alles andere in diesem Hafen. Der nächste Sturm, der große Brecher über die Korallenbänke und Untiefen treiben würde, schien die Hütten zerstören zu können. Die beiden Straßenabschnitte waren von Häusern gesäumt.

Wo sie sich gabelten, befand sich das erste Haus, das man als stattlich bezeichnen konnte.

Es war auf einem Sockel aus Steinquadern errichtet. Das Mauerwerk bestand aus Ziegeln unterschiedlicher Farbe, die in waagerechten Schichten aufeinanderlagen und im Sonnenlicht leuchteten. Die Läden vor den Fenstern sahen aus, als wären sie erst vor kurzer Zeit grün und weiß gestrichen worden.

Auf dem flachen Teil des Daches standen einige Singhalesen und hatten einen ausgezeichneten Blick über den Hafen und die Sände zwischen Mannar und der ceylonesischen Küste. Die Brecher, die darüber hinwegfegten, wurden niedriger und kraftloser, je mehr die Ebbe ablief.

„Wir bleiben hier“, entschied Hasard. „Wir müssen die fanatischen Kerle überzeugen. Mit Gewalt richten wir nichts aus.“

„Sehe ich nicht anders, Sir“, meinte Ben Brighton. „Hoffentlich spielen die Inder mit.“

Wenn die Ebbe eintrat, würde nur ein kleiner Teil des Hafens nicht trockenfallen. Es war ein mäßig breiter Kanal entlang des westlichen Ufers, keine fünfzehn Yards breit. Sowohl die Schebecke als auch die Karavelle und die kleine Galeone würden ihre Kiele nicht in den Schlick setzen. Aber für die Dauer des niedrigen Wasserstandes waren sie zur Bewegungslosigkeit verurteilt.

Hasard richtete das Spektiv auf die Karavelle und betrachtete sie schweigend, aber in zunehmender Besorgnis.

„Das war zu erwarten“, sagte er halblaut. „Sie haben fast alle Geschütze ausgerannt.“

„Auf diese Entfernung muß der dümmste Stückmeister, auch wenn er schielt, genau treffen“, sagte Don Juan.

Er brauchte Hasard nicht darauf hinzuweisen, daß die Schebecke der Karavelle das Heck darbot. Um eine Breitseite feuern zu können, würden sie Bug oder Heck um neunzig Grad herumschwenken müssen. Ob dieses Manöver ausgeführt werden konnte, stand in den Sternen.

Der treibende Staub stank abscheulich, kitzelte in der Nase und legte sich ätzend auf Zunge und Lippen. Die Menschenmenge war leiser geworden, ein wütendes Schweigen breitete sich aus. Über die Straße eilten jetzt nur noch einzelne Singhalesen.

Ferris Tucker schob sich zum Niedergang und rief zum Achterdeck hinauf: „Das haben wir diesem Schuft Malindi zu verdanken. Ich sage euch, der lebt noch und versteckt sich irgendwo.“

„Aber nicht unter Deck!“ rief der Moses. Er war ebenso unruhig wie jeder auf dem Schiff, und er spürte, daß sich in der brütenden Hitze des Mittags die Wut der Eingeborenen steigerte. Nicht viel weniger als dreihundert Leute standen am Ufer, auf dem Steg und im staubbedeckten, niedergetrampelten Gras.

„Woher wissen sie sonst, daß wir Gold geladen haben?“ sagte Old Donegal Daniel O’Flynn, der sich ans Backbordschanzkleid zurückgezogen hatte und auf dem Rohr einer Culverine hockte.

„Wir haben ihn im Laderaum erwischt“, sagte Ben Brighton. „Und er ist über Bord gesprungen und in Tuttukuddi halb totgeschlagen worden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ihn jemand mit an Bord genommen hat.“

Die fanatischen Gläubigen in einigen Booten stimmten einen Singsang an, der die Menge anstacheln sollte. Der Weisheitszahn Buddhas war von Bord, vielleicht setzten sich die „heiligen Männer“ endlich in Bewegung und brachten ihn ins Heiligtum zurück, nach Kandy im Landesinneren. Sie hatten es jedenfalls noch nicht eilig damit.

Jung Hasard enterte zu seinem Dad auf und fragte bekümmert: „Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich versuche, mit ihnen zu reden. Aber sie starren mich nur an, als ob sie ihre eigene Sprache nicht verstünden.“

„Weil sie nicht verstehen wollen“, erwiderte ihm der Spanier. „Der Buddha-Zahn ist unwichtig. Sie wittern das Gold.“

„Sie wittern nicht“, sagte der Seewolf. „Sie wissen, daß es unter Deck ist.“

„Von Malindi wissen sie es“, pflichtete ihm der Erste bei.

„Wahrscheinlich hat sich dieser Hundesohn sein Leben oder seine Freiheit mit diesem Verrat gekauft“, sagte der Seewolf, schob das Spektiv zusammen und verstaute es. Er hatte genug gesehen. Sämtliche Stückpforten beider Schiffe waren offen, alle Geschütze waren ausgerannt. Die Mündungen starrten schwarz und drohend nur in eine Richtung – zur Schebecke.

„Malindi lebt“, sagte Don Juan. „Oder sie haben ihn nach dem Verrat totgeschlagen.“

Der Profos hatte jedes Wort mitgehört und verstanden. Er hob die Faust und drohte: „Wenn er noch am Leben ist und ich ihn erwische, hole ich das nach.“

„Klar“, brummte Old Donegal. „Einen Toten kannst nicht mal du totschlagen, Eddylein.“

Auf einmal zeigten mehrere Ceylonesen auf den Kapitän der Schebecke. Das Geschrei nahm ab, noch mehr Köpfe drehten sich zum Heck des Schiffes. Nur der schaurige Gesang aus den Booten hörte nicht auf.

Der Seewolf hob den Arm und rief in gebrochenem Hindi: „Seid still! Hört mir zu, Leute!“

Hasard junior holte Luft. Wahrscheinlich würden er und sein Bruder beim Dolmetschen aushelfen müssen. Es dauerte nur ein paar Atemzüge, dann hatten sich die Leute aus Mannar dicht an das Schiff herangeschoben und stießen und drängelten. Ihre Wut und die Gier waren fast körperlich zu spüren.

Hasard versuchte, die Aufregung und Spannung in eine andere Richtung zu steuern, als er erklärte: „Wir haben die Männer hierhergebracht, die den heiligen Zahn Buddhas bei sich tragen. Sie wollen nach Kandy, zum Heiligtum. Begleitet sie dabei, helft ihnen.“

Hasard junior half mit seiner Übersetzung. An den Gesichtern der Singhalesen konnte er sehen, daß sie verstanden hatten. Kaum hatte er zu sprechen aufgehört, erhob sich wieder wildes Geschrei. Kein Wort verstand er von dem Brüllen, dem Geschnatter und der Aufregung. Aber die Gesichter drückten, zusammen mit den geschwungenen Knüppeln, Stöcken und blitzenden Dolchen viel mehr aus als jedes verständliche Wort.

Schließlich schoben die Leute aus Mannar einen hageren, langbärtigen Mann nach vorn. Sein Kopf war fast kahl und mit Asche verschmiert, das lange Haar hing in langen, dünnen Zöpfen auf die Schultern. Er trug nur ein zusammengerolltes, zerrissenes und unglaublich schmutziges Hüfttuch.

„Wir wollen das Gold haben, das ihr aus unseren Tempeln geraubt habt!“ schrie er mit finsterer Stimme.

„Jeder von euch“, Hasard junior zeigte auf einige Männer, die einigermaßen vernünftig und ruhig wirkten, „weiß genau, bei den acht kalten und acht heißen Höllen, daß wir die Tempel nur von fern gesehen haben. Nicht ein Gramm Kupfer haben wir irgendwo gestohlen. Ihr wißt das.“

Wieder verstanden einige Arwenacks wenigstens einen Teil der Flüche, Vorwürfe und Anschuldigungen.

„Diebe!“

„Tempelschänder!“

„Fremde Goldräuber!“

„Die schwarze Kali wird euch strafen.“

„Wir holen uns das geraubte Gold!“

„Und das Silber!“

Fäuste reckten sich in die Höhe. Die Menge schob sich noch näher an die Bordwand heran. Schweigend, aber entschlossen stellten sich die Seewölfe entlang des Steuerbordschanzkleides auf und packten die Griffe der Blankwaffen, die Belegnägel und Rundhölzer fester.

Al Conroy stand mit unglücklichem Gesichtsausdruck hinter der Drehbasse auf der Back und wußte, daß der erste Schuß tatsächlich ein Blutbad hervorrufen würde. Es war für ihn so etwas wie Massenmord. Keiner der Eingeborenen besaß eine Schußwaffe.

Der Seewolf schrie seinen Söhnen etwas zu. Seine Stimme übertönte fast den Lärm.

„Sagt ihnen, daß Malindi ein Lügner sei. Daß sie auch das ganz genau wissen.“

„Aye, Sir.“

Die Zwillinge vollführten ebenso wie ihr Dad abwehrende Gesten und begannen einzusehen, daß jeder Versuch sinnlos war. Die leiernden Beschwörungslieder aus den Booten riefen bei den Arwenacks eine Gänsehaut hervor. Neben dem Niedergang hob Plymmie den Kopf und heulte steinerweichend dazu. Der Irrsinnsspektakel nahm kein Ende, als Philip und Hasard junior dolmetschten.

„Malindi sagt die Wahrheit. Wir holen uns das Gold! Ihr seid Lügner und Diebe“, war zu verstehen.

Die Entfernung zwischen dem Anlegeplatz der Karavelle und demjenigen, an dessen Pollern die Schebecke leicht dümpelte, betrug nicht viel mehr als tausend Schritte.

Etwa zwei Dutzend Portugiesen und Spanier, mit Pistolen und Musketen bewaffnet, eilten im Laufschritt durch den Staub auf die Menschenmenge zu. Es mochte Zweifel darüber geben, was sie vorhatten, aber kaum einer an Bord glaubte an ehrenhafte Absichten.

Einige Inder sahen die Seeleute nahen und schrien ihre Beobachtung dem Nachbarn ins Ohr. Ein einziger Schrei tönte durch die zusammengedrängten Belagerer. Die Mutigsten schwenkten die Knüppel und ließen sich von den Hintermännern anschieben. Plötzlich sprangen fast gleichzeitig mindestens dreißig Hindus aufs Schanzkleid hinunter und von dort auf die Decksplanken.

„Werft sie auf den Steg zurück. Ar – we – nack!“ röhrte der Profos und drosch mit dem Belegnagel auf den ersten Schädel, der vor ihm auftauchte. Plymmies Jaulen verwandelte sich in ein kurzes, grollendes Knurren, dann sprang die Wolfshündin mit zurückgelegten Ohren und weit aufgerissenem Rachen an den Seewölfen vorbei auf die Singhalesen zu.

Zwischen der Heckgalerie und der Back verwandelte sich binnen zweier Atemzüge das Deck in ein Schlachtfeld.

Bisher war noch kein Blut geflossen. Doch das konnte sich jeden Augenblick ändern.

Philip Hasard Killigrew packte zwei spindeldürre Eingeborene an den Oberarmen, riß sie zu sich heran und schlug ihre Köpfe zusammen. Er bückte sich, stemmte den ersten in die Höhe und kippte ihn über die Heckgalerie. Der zweite folgte einige Sekunden später. Knapp neben dem Ruderblatt ertönten gellende Schreie, die Geräusche zerbrechender Holzteile und lautes Plätschern. Hasard riß den Cutlass aus der Scheide und wehrte den Hieb einer langstieligen Axt mit der Blankwaffe ab.

Ben Brighton hämmerte seine Faust in den Bauch eines zahnlückigen Ceylonesen, der auf das Grätingsdeck gesprungen war und ihn zusammen mit einem langen, hageren Mann angriff. Don Juan fegte mit einer gewaltigen Ohrfeige den zweiten Angreifer über die Stufen des Niederganges hinunter und in eine Gruppe braunhäutiger, schwitzender und staubbedeckter Singhalesen.

„Du bist gerade richtig, mein Freund“, keuchte der Erste, packte den zusammensinkenden zahnlückigen Kerl und hob ihn am Oberarm und am Knie in die Höhe. Er stemmte ihn über seinen Kopf und schleuderte ihn als lebendiges, aber recht willenloses Geschoß in die Menge auf den knirschenden und schwankenden Steg zurück.

Der ersten Welle vom Land folgten die zweite und dritte.

Die Hindus erkannten, daß sie nur in der Überzahl siegen konnten. Allein hätte sich keiner vorgewagt. Doch sie vertrauten darauf, daß die große Menge die gleiche Wirkung haben würde wie eine mächtige Brandungswelle.

Edwin Carberrys Riesengestalt tauchte aus dem Gewimmel von Köpfen mit blauschwarzem Haar auf. Er hielt noch immer den Belegnagel in der Pranke und drehte sich langsam. Mit der linken Hand zerrte er im Haarschopf eines Kerls, der sich an seine Schultern klammerte und versuchte, ihm die Kehle zuzudrücken. Das Hartholz hob und senkte sich, der Arm des Profosen schien sich in einen Hammer mit Gelenken verwandelt zu haben. Die trockenen Geräusche, mit denen der Belegnagel auf die Köpfe traf, gingen im Lärm unter.

Ein Inder tanzte, soweit es der Platz zwischen den Culverinen zuließ, von einem Fuß auf den anderen. Er wußte nicht, welche Wade er zuerst festhalten sollte. Beide hatten tiefe Bißwunden von Plymmie. Schließlich rutschte der Kerl in seinem eigenen Blut aus, und seine Leute traten ihm auf die Schultern, in den Bauch und auf die Brust.

 

Um Carberry herum bildete sich ein annähernd runder Wall aus braunen Körpern. Er holte würgend Luft, sprang schnell rückwärts und ließ den Körper auf seinem Rücken mit voller Wucht gegen den Großmast krachen.

„Du Affenarsch, goldgieriger!“ fluchte er, bückte sich und fing an, die bewußtlosen Inder als Wurfgeschosse einzusetzen. Er hatte genügend Ziele.

In der Nähe des Fockmastes wütete Ferris Tucker, dessen Haar im Sonnenlicht wie Kupfer zu brennen schien. Er war noch nicht richtig in Wut geraten, denn er handhabte die langstielige Zimmermannsaxt sehr schonend, nämlich mit der flachen Seite.

Die Axt beschrieb Kreise und Halbkreise. Nicht mal Roger Brighton riskierte, in die Nähe dieses Werkzeugs zu geraten.

Inzwischen schien kein Platz mehr an Deck zu sein. Man sah nur noch ein Gewimmel aus schwarzbehaarten Köpfen und braunen Körpern sowie die größeren und hellhäutigen Gestalten der Seewölfe, aber kaum eine Handbreite der Decksplanken. Überall prügelten die Eingeborenen auf die Seewölfe ein, und die Mannen der Schebecke wehrten sich. Sie versuchten tatsächlich, ein Blutbad zu vermeiden.

Batuti hatte seinen Bogen in einen Winkel geworfen, hielt eine Spillspake in beiden Händen und wütete unter den Singhalesen.

Plötzlich ertönte ein Geräusch, das die Prügelei für wenige Augenblicke unterbrach.

Einer der Portugiesen oder Spanier hatte die Muskete abgefeuert. Eine beängstigende Stille trat nach dem peitschenden Knall ein. Roger Brighton wirbelte herum, kippte den heftig um sich schlagenden Angreifer an Backbord über das Schanzkleid und blickte dann schwer atmend in die Richtung, aus der er den Schuß gehört hatte.

Die Mündungen von mehr als zwei Dutzend Waffen deuteten auf das Gewimmel an Deck der Schebecke.

„Diese verfluchten Geier!“ stieß Dan O’Flynn hervor und blies auf die abgeschürften Fingerknöchel. „Die mischen sich auch noch ein. Jetzt hört der Spaß wohl endgültig auf.“

Er holte aus und trat einem Singhalesen ins verlängerte Rückgrat. Der Kleine schoß zwischen dem Kutscher und Mac Pellew hindurch, die einträchtig Schulter an Schulter kämpften. Mit einem trockenen Krachen schlug sein Schädel gegen eine der Lafetten. Der Inder blieb liegen und rührte sich nicht mehr.

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