Sagen reloaded

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Sagen reloaded
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Herausgegeben von

Thomas Ballhausen und Sophie Reyer

Unter redaktioneller Mitarbeit

von Noémi Kolbus

SAGEN RELOADED

Anthologie


Ballhausen, Thomas; Reyer, Sophie (Hg.): Sagen reloaded / Thomas

Ballhausen, Sophie Reyer (Hg.), Czernin Verlag 2020

ISBN: 978-3-7076-0705-5

© 2020 Czernin Verlags GmbH, Wien

Unter redaktioneller Mitarbeit von Noémi Kolbus

Umschlaggestaltung und Satz: Mirjam Riepl

ISBN Print: 978-3-7076-0705-5

ISBN E-Book: 978-3-7076-0706-2

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien

Inhalt

Vorbemerkung

Elisa Asenbaum | Der Rachen der Hexe

Thomas Ballhausen | Judy zieht in den Krieg

Xaver Bayer | Die Legende vom Basilisken

Alexandra Bernhardt | ANO KATO

Hannah Bründl | wir kennen das ende nicht, wir kennen nur das wasser

Lucas Cejpek | Die große Kurve

Daniela Chana | Die Spinnerin am Kreuz

Peter Clar | Über den See, über das Wäldchen

Michaela Debastiani | Der Zaungast

Sophie Esterer | Der Schleuserkönig: Eine sagenhafte Satire

Thomas Fröhlich | Das Zicklein und der Wolf

Michaela Frühstück | Hechten

Petra Ganglbauer | Wie Graz zu seinem Namen kam. Keine sagenhafte Reise

Walter Grond | Die Teufelsmauer zu Spitz

Marlene Hachmeister | Dämon Wind

Jack Hauser & David Ender | Wilde wilde Jagd

Elias Hirschl | Hin und weg

Sabina Holzer | Bas il isk

Udo Kawasser | Klushund reloaded

Robert Kleindienst | Schnee von gestern

Margret Kreidl | Die schwarze Frau. Augenzeugen

Michael Mastrototaro | Drei Falten ergeben Dreifaltigkeit

Hanno Millesi | Saint Vitus’ Licht (aka die Dienstbotenmadonna)

Clemens Ottawa | Der Teufel vom Krapfenwaldl

Judith Nika Pfeifer | mountainbrut

Sophie Reyer | Meermaids

Chris Saupper | HUSQVARNA UNIVERSAL. Ein Treatment

Nikolaus Scheibner | Der Basilisk

Sabrina Schmidt | Der Teufel muss ein Wiener sein. Eine verzweigte Geschichte mit verhängnisvollen Entscheidungen

Stefan Schmitzer | Drei Raben

Bernd Schuchter | Der Felsenzinken

Marion Steinfellner | Winddämonin

Christoph Szalay | Der Höllenstein oder which Violence to portray HOW?

Katharina Tiwald | Attilas Grab reloaded

Erwin Uhrmann | Der Goldwäscher, der Mönch, die reiche Familie, der arme Fährmann und die Donaunixe

Zarah Weiss | Die Kemenate

Herbert J. Wimmer | das glück in der taborstrasse

Christa Agnes Tuczay | Sage, Gerücht, Alltagsgeschichte

Über die Autorinnen und Autoren

Vorbemerkung

»and knives and questions, which, unanswered

close the covers of a book we insist on living in«

Jim Carroll: Living at the Movies

Mit der vorliegenden Anthologie haben wir uns als Herausgeberteam den Wunsch nach einer ambitionierten, vielschichtigen Auseinandersetzung mit dem österreichischen Sagenschatz erfüllt – eine vorsätzlich literarische Wunscherfüllung, die, so ist zu hoffen, auch ganz im Sinne einer wohlwollenden Leserschaft geschehen ist. Die Sage, klar abzutrennen von den verwandten Textsorten Märchen oder Legende, sollte dabei, so unser schon vor Jahren in Gesprächen ausformulierter Gedanke, sowohl auf ihre Verbindungen von Geschichte, Geschichten und Geschichtsschreibung hin befragt werden als auch auf die Kontexte eines zu problematisierenden Erzählens. In der Umsetzung ist dies weit lustvoller und lebendiger als es in diesen etwas spröde anmutenden Sätzen anklingen mag, stehen im Zentrum der Sagen doch oft Fragen und Herausforderungen, die auch in unseren Tagen nichts von ihrer grundsätzlichen Bedeutung eingebüßt haben. Es sind die sprichwörtlich großen Themen, denen wir in unserer menschlichen Zerbrechlichkeit, Schönheit oder auch Schrecklichkeit weder entkommen können noch wollen.

Um diese Aktualisierungen zu gewährleisten, wollten wir unseren Autorinnen und Autoren möglichst viele Freiheiten gewähren, ohne aber auf die einfache, doch wahre Klausel zu vergessen, dass wenige, doch verbindliche Vorgaben anregender wirken können, als wenn einfach alles erlaubt ist (oder zu sein scheint). So entschieden wir uns zuletzt für zwei strukturelle Spielregeln: Einerseits sollte ein deutlicher Bezug zu einer österreichischen Sage, den darin eingelagerten Motiven und dem jeweiligen Bundesland eingelöst werden, andererseits, ganz gemäß den vorliegenden Sagensammlungen, sollte der neue literarische Text im Umfang eher knapp bemessen sein. Dass die Kürze der durch die Sagenforschung zusammengetragenen Texte wohl auch den Bedingungen des Sammelns an sich geschuldet ist, sei an dieser Stelle schon erwähnt – nachdem wir aber sonst keinerlei weitere Vorgaben machen wollten, konnte diesem Umstand von unserer Seite aus Rechnung getragen werden: Neben einer ausführlichen Nachbemerkung, die alle Aspekte der österreichischen Sagen, ihrer Geschichte, Verbreitung und Erforschung vorstellt, haben wir den biografischen Anhang um grundsätzliche Informationen zu den Sagentexten, auf die jeweils Bezug genommen wurde, ergänzen können. Ganz vorsätzlich haben wir auf einen Wiederabdruck der ursprünglichen Texte verzichtet, die ja nicht nur ohnehin leicht verfügbar sind, sondern vielleicht auch eher von den hier erstmals zusammengestellten Beiträgen abgelenkt hätten. Die gelungene Auseinandersetzung mit den Sagen zeigt sich in ihrer lustvollen kritischen Befragung und Aktualisierung, das Spektrum der literarischen Annäherungen reicht dabei von der klassischen Nacherzählung bis zum interaktiven Spiele-Text, von der lyrischen Prosa bis zum filmischen Treatment, vom Essay bis zur dramatischen Szene. Die Zusammenstellung im Band folgt, nach langer Überlegung, einer alphabetischen Ordnung gemäß den Nachnamen der Autorinnen und Autoren – so hat sich nicht nur eine wünschenswerte Durchmischung nach Bezugstexten und Bundesländern ergeben, vielmehr konnten wir so auch verhindern, das insbesondere in unserer Gegenwart so kritisch zu durchleuchtende Moment der Grenze erneut zu bestätigen oder gar zu verfestigen. Vielmehr, und das ist uns mit den hier versammelten Texten hoffentlich gelungen, war es uns ein übergeordnetes Anliegen, das Wandern von Motiven, Bildern und Fragen nachzuzeichnen und dem menschlichen Grundbedürfnis des Erzählens gemeinsam nachzuspüren.

Wir danken deshalb an erster Stelle allen Autorinnen und Autoren, die unserer Einladung so bereitwillig gefolgt sind und uns alle mit ihren Texten beschenkt haben; wir danken dem Team des Czernin Verlags, das unseren Vorschlag mit großer Begeisterung aufgenommen und in allen Phasen der Erarbeitung unterstützt hat, und last, but not least danken wir Noémi Kolbus, die unsere fordernde editorische und redaktionelle Arbeit mit humorvoller Unerschütterlichkeit und viel Elan begleitet hat.

 

Thomas Ballhausen & Sophie Reyer

(Wien, im Sommer 2020)

Elisa Asenbaum
Der Rachen der Hexe

Am Abend des 11. März 1936*1 ging ein junger Bursche durch das Dorf, als ihm ein Mädchen begegnete, welches seine Schürze um den Kopf geschlagen hatte. Man sah nur ihre Augen hervorblitzen, denn sie hatte die Schürze über das Haupt und seitlich bei den Ohren kreuz und quer über Mund und Nase gefaltet, das Band auf dem Hinterkopf zu einem Knoten festgezogen, schwebten die Enden flatternd im Wind.

Neugierig, wer dies sei, rief der Bursche: »He, Dirndl, nimm den Fetzen vom Birndl!«

Doch sie wollte sich ihm nicht zeigen. Er verstellte ihr den Weg und bestand, sie schickte sich an, ihn zu umgehen, da packte er sie und versuchte ihr die Schürze vom Antlitz zu reißen.

Als Antwort landete ein Milchreimer in der Fresse, die sein Gesicht gewesen war. Der Milchreimer war früher ein Milcheimer, ein Kübel mit dem man kübelt. Besser wäre es gewesen, der Bursch hätte sie nicht aufgehalten, denn sie war nicht von hier. Auch der Kübel hatte seine Geschichte und vollführte seine Bewegungen in Eigendynamik.

Der Kübel, auch Einer mit m – somit Eimer genannt, fühlte sich ziemlich gereizt, denn er war seit Jahrhunderten Gegenstand einer unabgeschlossenen Debatte. Das Mädchen hatte ein unglaubliches Schicksal, denn sie war dazu verdammt, in einem Blockuniversum zu leben. Im Blockuniversum ist das Jetzt nicht ausgezeichnet, Vergangenheit und Zukunft sind gleichermaßen vorhanden, wie ein Weltfilm von allem, von Anfang bis Ende in einem, Block in Einem gefroren, ohne Anfang und Ende. So irrte das Mädchen mit dem Eimer durch die Zeit, ohne je anzukommen. Den Eimer hatte sie im Auftrag von Newton mit Wasser zu füllen, der davon besessen war, zu beweisen, dass es einen absoluten Raum gibt. Immer wieder hängte Isaac den Eimer an eine lange verdrillte Schnur in seinem Labor, ließ ihn los und beobachtete das Wasser in ihm. Es drehten sich der Eimer und das Wasser nicht, dann drehten sich der Eimer und das Wasser mit, dann war der Eimer ausgedreht und das Wasser drehte sich weiter …, aber was ihm insbesondere bedeutungsvoll schien, war die konkave Form des Wasserspiegels, die nach einigem Rundumdrumdrumdrehen zu sehen war. Das war sein Beweis. Immer wieder schickte er sich an, dieses Eimerexperiment zu wiederholen, schickte das Mädchen abermals und abermals von Neuem, den Kübel zu füllen. Das Mädchen hatte sich erhofft, dass Newton, ein Meister der Wissenschaft, ihr das Schicksal ihres unglaublichen Seinszustandes mit dem fehlenden Moment erläutern könnte, denn sie glaubte nicht an Geister und hoffte durch Erkenntnis auf ein absehbares Ende dieses unnatürlichen Zustandes. Doch Isaac wollte das Mädchen, die ihm wie eine Magd plötzlich vor seiner Türe erschienen war, nicht zu Wort kommen lassen. Während er*2 einen Brief an Ernst Mach*3 schrieb, der an das Schuhschachtelsystem von Raum und Zeit nicht glauben wollte, und darin das Eimerexperiment als Beweis für den Absoluten Raum anführte, machte sich das Mädchen, welches den Eimer mit Wasser neu befüllen sollte, mit dem Eimer ohne Wasser aus dem Staub. Seitdem trug sie den Eimer, der Einer war, bei sich.

Unglücklicherweise wirkte sich die Begleitung des Experimentaleimers auf ihren Seinszustand schlecht aus. Ihr kurzes Verweilen in irgendeinem Jetzt wurde überhaupt nicht mehr bestimmbar, es war sprunghaft geworden. Auch wollte der Eimer nicht von ihrer Seite weichen, sie konnte ihn, den Einen, nicht abstellen, loswerden, der Henkel klebte wie verhext an ihrer Hand.

Bevor sie dem Burschen im österreichischen Burgen Lande begegnen würde, wurde sie blitzschnell zu einigen anderen Zeit-Raumpunkten katapultiert. Lichtschnell fand sie sich an weit auseinanderliegenden Zeit-Ortpunkten wieder, sodass ihr Bewusstsein mit der Geschwindigkeit des Wechsels kaum mitkam. Erinnern konnte sie sich an ein schönes warmes Land im Orient mit zauberhaftem Schloss mit runder Kuppel und vier spitzen Türmen, in das sie eintreten wollte, um diese Pracht von innen zu betrachten, als eine Horde von bewaffneten Männern auf sie stürzte und sie in einen dunklen Kerker warf. Ihr Verbrechen hatte darin bestanden, dass sie unverhüllt eine Moschee betreten wollte. Seitdem trug sie ihre Schürze im Gesicht. Danach war sie im Jahre 2002 in der USA kurz aufgepoppt, dort wurde sie alsbald als Terrorist verhaftet, da sie das Vermummungsverbot missachtet hatte. Danach fand sie sich in einer ärmlichen islamischen Familie als Braut wieder, die Schürze wieder vor dem Mund und über dem Kopf, Augenblicke später, es könnte das 21. Jahrhundert im Österlande*4 gewesen sein, wurde sie wegen geschürzter Verschleierung in einer Pause von Schulknaben als Hexe beschimpft, danach verprügelt. Da das Mädchen oft nur kurze Momente in einer Zeit und an einem Ort anwesend war, wusste sie einfach nicht, wann, wo und an welchem Ort ihres Körpers es angebracht war, diese verdammte Schürze anzubringen.

Aber in Österreich schürzte sie die Schürze wieder um ihre Taille. Doch da tat sie wieder falsch, denn ihr nächstes Jetzt war der 11. März 2020*5. Und ehe sie sich versah, lag sie in der Intensivstation und alle um sie hatten Mund und Nasenschutz als Pflicht. Das Virus war in sie eingezogen. Nur kurz, mit heftigem Gebell ihrer Lunge blickte sie in die Iris des Todes, da wurde ihr Sein wieder weggerissen in ein Jetzt des Jahres 1936. Das Mädchen schnallte ihre Schürze noch fester um ihr Gesicht, im Glauben, dass in allen Zeiten die Spuren nicht verschwinden würden, auch nicht die der Pandemie.

Als der Bursche sich ihr in den Weg stellte, wollte sie ihn warnen, doch der riss grob an ihrer Schürze, der Schutz riss, ihr Mund frei schrie sie ihm ins Gesicht: »Weg vom Weg. Geh’ weg!« Mit dem Eimer wollte sie ihn wegdrängen. Doch der Eimer hatte inzwischen durch das ewige Reisen durch die Zeit immensen Schwung geladen, der eine wahnsinnige rotierende Beschleunigung seiner selbst bewirkte; der Rand des Einen war meilendick massig angeschwollen, sodass er mit Wucht gegen des Burschen Gesicht donnerte. Der Geschlagene, im Gesicht heftig blutend, suchte schreiend das Weite.

Am nächsten Morgen war der Mund des Burschen knapp an das linke Ohr gerückt, an dem Ort, wo der Mund gestern gewesen war, war eine offene Wunde bis in den Rachen zu orten. Sie blutete rund um die Uhr, er hustete und spuckte gräulich. Seine Lungen wurden schwach und sein Herz war mit Unwissenheit und Rache gefüllt. Um Mitternacht war ihm, als ob er unter freiem Himmel in einem überdimensionalen Eimer schwimmen würde. Die Fixsterne begannen sich zu drehen, bis sie sich zu rotierenden Lichtkreistreifen schlossen. Er war an dem tiefsten Punkt in der konkaven Mitte des Einen angelangt und wusste, er müsse sein junges Leben lassen, denn er sank. Als er vor seinem Tode den Heiligen Geist anrufen wollte, sang ein mehrstimmiger Chor aus seinem schräg sitzenden Mund:

»Wir sind körperlos

wir bestehen aus Strängen

Information ohne Körper

wir vermehren uns

wenn es passt

im geborgten Leben!

Wir sind reine Information

leben im geborgten Leben

wir sind Plan

Plan ohne Dienstleister

null Energieverlust

wir sind der reine Geist!

Wir besitzen keine Hülle

wir dringen ein

in das Lebendige

wir passen uns an

an das Lebendige

wir sind es, die Geister!«

1*11. März 1936, zwei Jahre vor Hitlers Einmarsch in Österreich.

2*»Wenn ein Eimer an einer sehr langen Schnur hängt und beständig im Kreis gedreht wird, bis die Schnur durch die Zusammendrehung sehr steif wird, dann mit Wasser gefüllt wird und zusammen mit diesem stillsteht, und dann durch irgend eine plötzliche Kraft in entgegengesetzte Kreisbewegung versetzt wird und, während die Schnur sich aufdreht, längere Zeit diese Bewegung beibehält, so wird die Oberfläche des Wassers am Anfang eben sein wie vor der Bewegung des Gefäßes. Aber nachdem das Gefäß durch die allmählich auf das Wasser von außen übertragene Kraft bewirkt hat, daß auch dieses Wasser merklich sich zu drehen beginnt, so wird es allmählich von der Mitte zurückweichen und an der Wand des Gefäßes emporsteigen, wobei es eine nach innen gewölbte Form annimmt (wie ich selbst festgestellt habe), und mit immer schnellerer Bewegung wird es mehr und mehr ansteigen, bis es dadurch, daß es sich im gleichen Zeittakt dreht wie das Gefäß, relativ in diesem stillsteht.«

Quelle: Newton, S. 49, Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 1988, S. 4, Kapitel 2, Rückschau auf Newton und Leibniz.

3*»Der Versuch Newtons mit dem rotierenden Wassergefäß lehrt nur, daß die Relativdrehung des Wassers gegen die Gefäßwände keine merklichen Zentrifugalkräfte weckt, daß dieselben aber durch die Relativdrehung gegen die Masse der Erde und die übrigen Himmelskörper geweckt werden. Niemand kann sagen, wie der Versuch quantitativ und qualitativ verlaufen würde, wenn die Gefäßwände immer dicker und massiger, zuletzt mehrere Meilen dick würden. Es liegt nur der eine Versuch vor, und wir haben denselben mit den übrigen uns bekannten Tatsachen, nicht aber mit unseren willkürlichen Dichtungen in Einklang zu bringen.«

Quelle: Mach, S. 226, Die Mechanik in ihrer Entwicklung – historisch-kritisch dargestellt, Nachdruck der 9. Auflage von 1933, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1988, S. 8, Kapitel 3, Machs Kritik.

4*Das Verbot der Gesichtsverhüllung trat am 1. Oktober 2017 in Österreich in Kraft: https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=4D794D417A3630647947773D.

5*März 2020, Ausbruch der Corona-Pandemie in Österreich.

Thomas Ballhausen
Judy zieht in den Krieg

»Think of the long trip home.

Should we have stayed at home and thought of here?

Where should we be today?«

Elizabeth Bishop: Questions of Travel

Weben, nicht die Wahrheit, ist mein Geschäft.

Eingeschlagen in papierne Worte oder Bahnen aus schönen Sätzen.

Wenn der Preis passt, folgt die Textur dem jeweiligen Wunsch.

Nähte sind kaum zu sehen, das besagt die Garantie, sichert meinen Erfolg, die Wahrheit meiner Hexerei, die sich in Wirkungen zeigt.

Von weit kommen die Kunden immer noch zu mir an den südlichen Stadtrand, um meine Waren zu erwerben.

Versuchen stets, sich nicht über die Lage meiner Warte zu wundern, mein Ausharren über die Jahre hinweg.

Wir waren immer schon verwickelt.

Ich passe an, ergänze, ersetze. Ich webe, höre geduldig zu.

Eine Bühnenrolle gibt mir meinen neuen Namen, meine Funktion.

Zwischen den Befestigungsanlagen und vorgeschobenen Posten habe ich mich eingerichtet, eine permanente Ruine inmitten tödlicher Anlagen.

Dieser Ort ist ein Wrack, diese Zeit ein Schiffbruch, aber ich sage mir stets, der Ausblick von der obersten Plattform aus lohnt.

Wenn ich nicht arbeite, lese oder zum Vergnügen auf verirrte feindliche Spähdrohnen schieße, halte ich Ausschau nach Dir.

Mein Haar ist grau, ja, aber ich halte immer noch Ausschau.

I blame you for the moonlit sky and the dream that died …

 

Unsere Angelegenheiten sind tragikomisch, eigenartig, denn wir sind Gegenstände der Geschichte.

Die Hintergründe, was auch immer den Weg in die Schulbücher finden wird, entziehen sich zumeist.

Davor platziert: die Existenzen, so verwirrend nah am Sterben gebaut.

Also bäumt man sich auf, höflich und erzählend nach ein wenig Erkenntnis tastend.

Lies: science fiction, speculative fabulation, string figures, speculative feminism, so far.

Wie wir uns positioniert haben, mit besten Absichten und schweren Ringen, viel zu weit für unsere schmalen Finger.

Ein Gemälde in Technicolor an der Wand, unser Hochzeitsfoto als Hologramm auf meinem Tisch, eingegossen in Glas.

Ein Briefbeschwerer in einer Zeit ohne Briefe, ohne echte Nachrichten.

War mir der neueste Krieg vielleicht nicht doch ganz gelegen gekommen.

Dein Blick und der Wunsch, beruflichen Traditionen zu gehorchen: Schwertmission ist Frauenpflicht.

Irgendwo ist immer ein Konflikt, irgendwie finden sich stets die passenden Argumente.

Du sollst nicht unbedingt töten, außer: in allem gepriesen sei, der eure Hände den Kampf lehrt und eure Finger den Krieg.

Ein wenig Abstand nach dem erlittenen Verlust, vom Terror der wohlmeinenden Mitmenschen, den ungelenken Beileidsbekundungen.

Unserem Unvermögen.

Nein, das Kind war nicht aus dem Fenster geworfen worden. Dazu war es erst gar nicht gekommen.

Einmal begonnen, kann es nicht mehr gestoppt werden.

Die grundlegenden Muster der Gewalt bleiben immer dieselben, hin bis zum abgekarteten Finale.

Ein Teufel aber steckt in jeder dieser Varianten, auch wenn er manchmal nicht zu sehen ist.

That’s the way to do it.

Wir bewohnen immer noch eine Welt der Giganten und Titanen, selbst Jahrzehnte nach Deiner Abreise.

Still buchstabierte ich deployment vor mich hin, während lange Kolonnen vorbeizogen, Schwebepanzer, Luftschiffe, Spezialeinheiten, geächtete Waffen.

Unter dem Gewicht der Worte formierte sich Sicherheit ringsum als Rayon, Schanzwerk oder Mauer.

Ich kann immer noch sagen, wo die Gräben verliefen, die Türme standen.

Was alles verloren zu geben ist.

Aber ich blieb, webte Papier zu neuen Worten, versuchte mich in Sparsamkeit.

Wollte ich zumindest dieses eine Versprechen einhalten, ich vermag es nicht mehr zu sagen.

In der Gegend unserer Verabschiedung richtete ich mich ein, Stein für Stein.

Erinnernd geraten Raum und Zeit leicht durcheinander, gar zu unsichere Pfade, um der Fremdsprachigkeit der Jetztzeit beizukommen.

Bildete ich mir ein, jemand riefe auf der Straße meinen Namen, so habe ich mich in den ersten Monaten immer noch suchend umgesehen, doch ich lernte, die Stimmen zu ignorieren.

Ich konnte täglich bis zu drei Tiere hintereinander sein, vielleicht gelingt es mir immer noch.

Kann ich zumindest noch krähen, das Fliegen traue ich mir nicht mehr zu.

Es ist die Hilflosigkeit unserer Älteren, die mich hat erwachsen werden lassen.

Träume und Nachrichten wurden trotz neuer Brille schwieriger zu unterscheiden: Hat tatsächlich ein Sturm die Kühe ins Meer getragen, verwandeln sich manche Wölfe einmal im Monat in Menschen, nutzen wir Signaturen von Zerstörung, um außerirdische Zivilisationen zu entdecken.

Wie Menschen einfach aus dem Blickfeld kippen, es ist die einzig echte Art, in der sie uns verloren gehen.

Eine Ansammlung von Namen, beachtlich, ein heimliches Alphabet, dem ich ein zweites, geheimeres beistelle, alles in Gedanken.

Als wenn es etwas wie Natur ohne Geschichte je hätte geben können.

Weben gab und gibt mir den einsamen Takt vor, ich schreibe Sinn zu, denn die eigentliche Realität ist ein Skandal.

Wer schließlich aus diesem vergessenen Krieg in die mehrfach ummauerte Hauptstadt zurückkehrt, ist eine völlig andere Person.

Du bist dahingehend keine Ausnahme.

And I might stop and look upon your face, disappear in the sweet, sweet gaze …

Der Beobachter ist ebenso unsicher wie sein Blick, das habe ich mir angelernt, abgeschaut.

Hält Krieg jung und fit, kann man deshalb so lange durchhalten.

Wir fragen nicht nach den verschwendeten Generationen, nach den staubigen Schuhen oder den verbeulten Wasserflaschen.

Stattdessen fragen wir einander: Bist Du tot? Tot wie ein Stein?

Wir fragen: Lebst Du? Bist Du lebendig wie eine Pflanze?

Vielleicht sehen wir ja noch viele gute Tage, diskutieren die Unterschiede zwischen Vergeben und Verzeihen.

Unsere Namen entsprachen ohnehin niemals echten Farben, kein Elternteil buchstabiert sich so.

Schlaflos höre ich später auf die Geräusche der Nacht, das Knacken der Wirklichkeit und der Welt, die sie abwirft.

Deine Bewegung ist wahrscheinlich, sie strebt dem Gefälle, dem Unvermeidlichen zu.

Your heart wears knight armour, vorsätzlich wende ich Dir den Rücken zu.

Ich werde Deine Klingen hören, bevor ich sie spüre.

Die Luft wird von meinen Schreien erfüllt sein.

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