Was dieses Weib so alles treibt

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„Ich bin ja auf einiges gefasst gewesen, aber auf so einen ehrfurchtsvollen Empfang nicht.“

Luisa, noch immer in gebückter Haltung, blickte überrascht hoch. Nicht weit vor ihr stand nun ihre Mutter, gepflegt vom Scheitel bis zur Sohle, mit einem Koffer in der Hand, und freute sich offensichtlich über den Knicks, den Luisa ihr zu Ehren veranstaltete. Florian, der kurz im Bad verschwunden und wieder rausgekommen war, rief erfreut: „Mama, Oma ist da!“

„Hätte ich nie erraten.“

Nach den ersten Umarmungen meinte Mutter vorwurfsvoll: „Wie es hier aussieht, was machst du bloß den ganzen Tag.“

Luisa kam nun endgültig hoch. „Tut mir leid, Mutter, ich habe dich vorgewarnt, aber du wolltest ja nicht auf mich hören und unbedingt mithelfen." Sie sah an sich hinunter und stellte fest, dass bis auf die Strümpfe, alles an ihr noch zu gebrauchen war. Den Karton mit dem kläglichen Rest nahm sie an sich und bahnte sich durch die schleimige Eimasse einen Weg in die Küche, gefolgt von Florian, Mutter und Stasi. „Flori, du kümmerst dich um den Hund, er soll aus der Küche verschwinden. Marie, Sie holen die Kartons vom Auto und reinigen dann den Rücksitz vom Ketchup und du Mutter, setz dich bitte hin.“ Luisa drückte sie auf einen Stuhl.

Die verstand deren Gefühlsausbruch nicht. „Warum bist du so gereizt? Ist es dir nun doch nicht recht, wenn ich in Zukunft bei euch wohne?“ Mutter hielt inne, und sah befremdend auf Luisa. „Wie siehst du überhaupt aus?“

Wie ein Rührei, dachte Luisa und seufzte.

„Warum hast du es nicht gesagt?“

„Was?“

„Dass ich zu Hause bleiben soll.“

„Mutter, nun sei nicht so empfindlich. Natürlich will ich, dass du bei uns wohnst, hätte ich sonst x-mal den Vorschlag gemacht?“

Luisa begann, die Lebensmittel in die Schränke zu verstauen.

„Es ist nur, sieh dich um. Du weißt, wie ordnungsliebend ich bin und nun dieses Durcheinander hier. Von meinem Aussehen gar nicht zu reden. Am liebsten würde ich den ganzen Kram hinschmeißen und wegfahren, irgendwohin, wo Ordnung herrscht und es sauber ist. Und dann - eventuell hat Klaus Recht und es wird dir wirklich zuviel. Es ist sicher besser, wenn du noch für ein oder zwei Tage in deiner Wohnung bleibst.“

Erstaunt zog Mutter die Augenbrauen in die Höhe

„Meinst du mich? Ich denke es ist alles besprochen?“

„Wirklich Mutter, je mehr ich darüber nachdenke ..., du solltest erst bei uns einziehen, wenn alles fertig ist.“

Mutter sah sich um. „So viel Arbeit kann das nicht mehr sein.“ Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, stand sie auf und schob zwei Stühle ordentlich zurecht. „Wenn wir zusammen helfen, sind wir schnell fertig.“

„Ja, mit den Nerven“, entgegnete Luisa und ließ sich plump auf einen der Stühle fallen.

„Zieh du in meine Wohnung“, meinte Mutter unversehens. „So, wie du aussiehst hast Erholung nötiger, als ich.“

Luisa hielt es für einen Witz und lachte kopfschüttelnd.

„Ja, warum nicht? Wenn du nach Hause kommst, ist alles wieder sauber und ordentlich, wie du es gern hast.“

„Ach, Mutter, das war doch nur ein winziger „ich würde gern wollen“ Ausbruch von meinen Nerven. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich euch im Stich lasse. Ich käme mir ja schäbig dabei vor."

„Dein Edelmut in Ehren. Aber sieh dich an, du bist völlig erschöpft.“

„Edelmut? Wer ist edelmütig? Das nennt man Pflichtbewusstsein, Mutter, nicht Edelmut.“

„Du bist wieder einmal störrisch, wie ein Esel. Keine Angst, ich würde dich gut vertreten, wenn es das ist, was dich davon abhält mal an dich zu denken.“

Luisa ging das zu weit. „Das hört sich ja an, als wolltest du mich aus meinem eigenen Haus werfen.“

„Wie theatralisch du dich wieder ausdrückst. Ich meine es nur gut.“

Die perplexe Luisa schnappte nach Luft. Von Geräuschen abgelenkt wanderten ihre Sinne in die Diele. Der ahnungslose Klaus schleppte mühsam zwei Koffer in der einen Hand, drei Plastiksäcke, bepackt mit Kleinkram, in der anderen, und suchte nach einem halbwegs günstigen Platz dafür, um über die Sachen von Mutter nicht auch noch fallen zu müssen. Luisa hörte ihn im Wohnzimmer unter der Last ächzen und stöhnen. Seinen Anstrengungen nach waren die Koffer schwerer als er selbst. Von Mutters Äußerungen aus dem Lot gekommen, stürmte Luisa ihm entgegen, und ehe Klaus recht wusste, wie ihm geschah, riss sie ihm einen Koffer aus der Hand und sprudelte aufgebracht hervor: „Ob du es glaubst oder nicht, ich bin soeben aus unserem Haus geworfen worden!“

„Wieso? Von wem?“

„Von Mutter.“

„Von Mutter?“

„Von Mutter.“

„Warum?“

„Dabei ist sie noch nicht einmal eingezogen.“

„Wer?“

„Mutter.“

Klaus verstand nur Bahnhof und genauso sah er drein. Die Sachlage wurde ihm allerdings rasch klar, als Mutter Erklärungen abgab.

„Das ist ein Wort“, gab er hernach von sich.

Luisa glaubte an einen Hörfehler. An seinem breiten grinsen, das von einem zum anderen Ohr reichte, erkannte sie, dass keiner vorlag. Die Gewissheit machte sich in ihr breit, dass sie zwar im richtigen Film teilnahm, nur wies der ihrer Meinung nach gehörige Regiefehler auf.

“Du wärst dafür? Das ist nicht dein Ernst.“ Luisa lachte. Oder doch? Sie hörte auf zu lachen. Denn dass er es mehr als ernst meinte, merkte sie, als er weiter sprach.

„Du wolltest doch immer ausspannen, nun gibt dir Mutter die Gelegenheit dazu.“ Er betrachtete sie abschätzend von unten nach oben und von oben wieder nach unten und schmunzelte: „Vielleicht sehe ich dich in einem sauberen Kleid wieder.“

Meine Güte, das Kleid! Im Moment glich es mehr einer Eierspeise, als einem Textil. Luisa täte gut daran sich umzuziehen, doch im Augenblick verspürte sie nur Lust, etwas klarzustellen: „Gestern noch hattest du Angst, dass Mutter alles zuviel werden könnte.“

„Gestern meintest du auch, wir sollten ihr zutrauen, was sie sich selbst zutraut. Wenn sie es sich zutraut, ohne deine Hilfe hier fertig zu werden, warum nicht?“

„Aber, es müssen noch zwei Zimmer tapeziert werden und dann müssen die Zimmer eingeräumt werden ...“

„Kein Problem“, meinte Mutter leichthin.

Luisa sah von einem zum anderen. War sie in einem Irrenhaus?

„Ihr wollt mich ärgern“, folgerte sie.

Begütigend legte Klaus den Arm um ihre Schultern. Worauf sie hastig abwehrte: „Pass auf …, dein Hemd.“ Schon war es bekleckert mit Eigelb.

„Schatz, betrachte Mutters Vorschlag von der positiven Seite. Ein paar Tage Erholung täten dir sicher gut.“

„Du könntest auch eine Freundin besuchen“, schlug Mutter vor, „in deinem gereizten Zustand wärst du uns ohnehin nur im Weg.“

In Luisas Kopf arbeitete es fieberhaft. Und je länger sie darüber nachdachte ... Immerhin - es war verlockend, endlich all das machen zu können, was schon lange fällig war. Faulenzen, schwimmen, lesen, ein schönes Kleid kaufen, ohne Rücksicht auf Zeit und Familie. Luisa atmete tief durch und wagte nicht, weiter zu träumen. Lang, lang ist's her ... Sie war halb überredet.

Daniel und Gerda fanden die Idee, Luisa vorübergehend "auszuquartieren" auch in Ordnung.

„Wir sind alt genug und können eine Zeitlang ohne dich auskommen“, meinten sie großzügig.

Luisa war überrascht und auch etwas gekränkt. So leicht war sie also zu ersetzen. Undankbare Brut, dein Name ist Kind.

Nun, wenn sie Gerda betrachtete, so traute sie ihr ohne weiteres zu, sich selbst ein Frühstück zuzubereiten. Aber Daniel war in Haushaltsdingen genauso unbeholfen wie sein Vater und der kleine Florian war ja auch noch da. Aber der beruhigte sie: „Um den Hund brauchst du dir keine Sorgen zu machen, den versorge ich.“

Luisa war gerührt. Sie wusste dieses Angebot zu schätzen. Denn bisher beschränkte er seine Tätigkeiten dem Hund gegenüber nämlich mit einem gelegentlichen "Gassi" gehen und den löblichen Worten „bist ein guter Hund“.

Unauffällig betrachtete sich Luisa im spiegelnden Vitrinen-Fenster. Sah sie wirklich so abgespannt aus? Nun, warum eigentlich nicht? Klaus hatte Recht, wenn er sagte, sie brauche Ruhe. Schließlich kannte sie einen Urlaub nur mehr vom Hörensagen. Mutter war da, sie würde schon alles richten und überhaupt - sie alle wollten sie ja loshaben!

So und ähnlich beruhigte Luisa ihr schlechtes Gewissen, während sie ein paar persönliche Sachen, wie Zahnbürste und Handtuch einpackte. Ihre Gewissensbisse zählten aber zu vergeudeter Energie, denn Klaus und Mutter bekamen Hilfe. Ein Nachbar bot sich an - und zu dritt, mit Marie zu viert, schafften sie Ordnung, sobald die Tapezierer aus dem Haus waren. Wenn auch mit Unterbrechungen, weil fast immer das Telefon läutete und Luisa an der Strippe hing. „Wie weit seid ihr? Kommt ihr zurecht? Was machen die Kinder? Soll ich helfen?“

Mit diesen Fragen bombardierte sie ihre inzwischen aus der Puste geratene Familie. Das Telefon stand im Erdgeschoss, gearbeitet wurde inzwischen im Obergeschoss. Man musste eine wahre Sportseleganz aufbringen, um vom ersten Stock, zwischen all den Möbelstücken über die Treppe, neben Wassereimer, Putzlappen und Staubsauger, endlich an das schellende Ding unten heranzukommen. Am zweiten Tag, gegen Abend, verspürte Klaus bereits einen kräftigen Muskelkater. Auch hatte er von der ewigen hin und her Rennerei die Nase voll. Als das Telefon wieder klingelte handete er sich ran und rief in die Muschel, ohne genau zu wissen, ob es wirklich Luisa war, die dran war: „Wenn du noch einmal wagst, das Telefon auch nur anzurühren, komme ich und lege dich übers Knie!“

Danach hatten sie Ruhe. Wenigstens vom Telefon, denn kurz darauf erschien Luisa selbst.

„Dir ist nicht zu helfen“, resignierte Klaus und drückte ihr schmunzelnd einen Lappen in die Hand, was bedeutete, dass sie als Putzfrau herzlich willkommen war.

 

Die Schufterei ging weiter. Der Schweiß triefte. Und ehe sie noch einen klaren Gedanken fassen konnten, von all dem Einsortieren, Einschlichten der Haushaltsdinge und rumrücken der Möbel, waren sie fertig.

Obwohl Luisa nie gegen schwere körperliche Arbeiten war, hinterließ sie tiefe Narben an ihrer Einstellung zum Tapezieren.

Ab sofort wurde alles, das mit dem Tapezieren auch nur in kleinster Weise zusammenhing auf dem Dachboden verbannt.

Dabei verkündete sie lautstark, damit es keiner überhörte: Für die nächsten zwanzig Jahre hätte sie genug von Arbeiten dieser Art und die Familie müsse in Zukunft ohne Tapetenwechsel auskommen.

„Und wenn es nicht mehr anders geht, lassen wir die Maler kommen - oder?“

„Dann schon lieber – „oder“, ertönte es gleichzeitig aus sämtlichen Ecken im Zimmer.

Alles lachte. Man war sich einig.

Der Alltag beginnt

Der Alltag hatte sie wieder. Wenn auch anders, als er Luisa in Erinnerung war. Mit Mutters Einzug in das traute Heim tauchte ein nicht vorhergesehenes Problem auf, und die Kernfrage dazu lautete: Wie teilt man in einem mittelgroßen Haus die Haushaltsarbeiten auf, damit keine von drei tüchtigen Frauen zu kurz kommt? Dabei handelte es sich erstens: um Luisa. Zweitens, um Mutter und drittens, um Marie, auf die Luisa keinesfalls verzichten wollte, trotzdem Mutter ihr stets mit Kündigung in den Ohren lag.

„Ein Lehrer verdient nicht besonders, auch wenn er Professor ist, wie dein Klaus.“

„Keine Angst, Mutter, Marie wird uns nicht an den Bettelstab bringen.“

Mutter wurde das Problem der Arbeitsverteilung natürlich bewusst, und es gab ihr zu denken. Mit dem Resultat, dass Marie das zu tun hatte wie bisher und Luisa nichts. War es bisher Luisa, die morgens zuerst aufstand und abends zuletzt ins Bett ging, so, wie es sich für eine brave Hausfrau gehörte, so wurde sie selbstverständlich ab sofort durch Mutter von dieser "schweren Bürde" befreit.

„Alte Leute brauchen ohnehin weniger Schlaf.“

Noch wenn alle in den Betten lagen, zog feiner, genüsslicher Kaffeeduft durch die Räume, produziert von der Kaffeemaschine, die Mutter bediente. Mittags benebelten Düfte von Fleisch, Fisch und Gemüse die Luft, je nachdem was Mutter gerade kochte. Am Nachmittag wurde sie um komplizierte Schulaufgaben von den Kindern befragt, als wäre es immer so gewesen. Auch abends waltete und schaltete nur einer im Haus - Mutter. Was sie nicht schaffte, erledigten die Elektrogeräte, und was die Elektrogeräte nicht schafften, machte sie. Nicht, dass Luisa es zu Anfang nicht genossen hätte, nach langer Zeit wieder einmal so richtig verwöhnt zu werden. Wenn man stets für andere eingespannt gewesen war, kam faulenzen einer Freiheit gleich. Trotzdem fühlte sie sich mit zunehmenden Tagen und Wochen mehr und mehr verdrängt und zuletzt auch noch nutzlos. Ihr blieb nicht einmal die schmutzige Wäsche, um das Gefühl der Nutzlosigkeit ein bisschen zu mindern.

„Du sollst einmal richtig ausspannen, Kind, ich mach das schon.“ Diese Worte hörte Luisa mehrmals am Tag. Schließlich führten sie dazu, dass sie nur mehr herumsaß, die Daumen drehte und darauf wartete, dass sie dick und fett wurde. Die Hoffnung, Mutters Elan würde nur vorübergehend sein, bestätigte sich als Trugschluss. Sie versprühte mehr Kraft und Lebensgeist denn je. Am meisten ärgerte Luisa, dass Klaus und die Kinder tatenlos zusahen und das Verhalten von Mutter tolerierten. War bisher Luisa der Mittelpunkt der Familie gewesen, so war es nun Mutter. Das zeigte sich, indem der Familienclan nunmehr wegen allem Mutter befragte, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. „Hast du meine Turnschuhe gesehen, Oma? Unterschreibst du meine Deutsch-Schularbeit, Oma? Was kochst du heute, Oma? Sag Mutter, dass es heute später wird“, dabei hätte Daniel nur ins Wohnzimmer zu gehen brauchen, wo Luisa saß. Selbst wenn Klaus Luisa ein Hemd in die Hand drückte, weil ein Knopf fehlte, musste sie sich mit Mutter regelrecht um diese Aufgabe "raufen".

“Du kannst deiner Frau ruhig ein paar Minuten Ruhe gönnen, Klaus. Ich kann den Knopf genauso annähen.“

Das Nächstliegende war natürlich, Mutter darauf anzusprechen. Aber diese wollte scheinbar nicht verstehen.

"Ich weiß nicht, was du hast? Sei froh, wenn ich dir die lästigen Pflichten abnehme.“

Luisa blieb natürlich nicht verborgen, wie sehr ihre alte Mutter in der Zeit, in der sie bei ihnen lebte, aufgeblüht war. Sie verglich gedanklich das Heute mit Früher, als sie selbst Kind war und Mutter sie, neben Vater und ihren Bruder, umhegt und gepflegt hatte und zum ersten Mal ahnte sie, wie sehr Mutter das Familienleben vermisst haben musste. Darum ließ Luisa nichts unversucht, den Hausfrieden aufrechtzuerhalten. Antworten wie: „Ja, Mutter. Natürlich, Mutter. Ist schon gut, Mutter“, stöhnte sie bald im Schlaf. Nur, als Mutter anfing, sie zu allem Übel zu bevormunden, wie ein kleines Kind: „Trink nicht die kalte Milch vom Kühlschrank, würge nicht so beim Essen, verschone deine Haare mit dem künstlichen Zeug, kannst du mit diesen hohen Absätzen überhaupt gehen?!“, platzte ihr der Kragen.

„Wenn ich kalte Milch aus dem Kühlschrank trinke, so ist es mein Magen, der darunter zu leiden hat, und spar dir die Mühe, mir Essensmanieren beibringen zu wollen, darüber verfüge ich nämlich schon seit Jahren! Außerdem sind es meine Haare und es sind meine Füße, die ich zuviel beanspruche und damit Du's weißt, es ist mein Mann und es sind meine Kinder, es ist meine Familie und mein Haushalt und ich verlange alles zurück - auf der Stelle!“

Zwar hatte Luisa ihrem Herzen damit Luft gemacht und, was sie bisher vermied, ihre Mutter aufs höchste gekränkt und beleidigt, aber erreicht hatte sie damit gar nichts.

Selbst Klaus stellte sich auf die Seite seiner Schwiegermutter:

„Sie meint es nur gut.“

Aber so gut Mutter es meinte und so gern Luisa sie mochte, so ging es nicht weiter. Irgendwas musste sich ändern und Luisa wusste auch schon was. Um aus dem Dilemma herauszukommen, gab es eine simple Lösung: Weg mit der Hausfrau, her mit dem Beruf. Als Buchhalterin und Bürokauffrau fand sie bestimmt eine geeignete Stellung, auch wenn sie seit Jahren aus dem Berufsleben heraus war. Den Computer beherrschte sie gut, und die Buchungssätze waren ohnehin ihr zweites Sprachrohr, fest mit ihr verwachsen. Luisa legte sich Informationsmaterial der neuesten Gesetze bezüglich der Steuerpflichten zu und studierte sie heimlich. Auf diesem Sektor hatte sich in den vergangenen Jahren ihrer Hausfrauentätigkeit viel getan und sie hatte einiges nachzulernen.

Wochen später, kurz vor dem Abendessen, trommelte sie ihre Meute zusammen.

„Ich verstehe immer arbeiten.“ Klaus begriff nicht. Im Gegensatz zu Mutter, die schaltete sofort. „Du bist verheiratet, hast Kinder die dich brauchen, und zwar zu Hause brauchen, und dann steht in Frage, ob du der Doppelbelastung von Hausfrau und Beruf überhaupt gewachsen bist.“

„Aber Mutter, von einer Doppelbelastung kann in meinem Fall wirklich keine Rede sein. Den Haushalt erledigst wie immer du.“

„Du vergisst, dass ich eine alte Frau bin.“

„Bisher warst du kerngesund, und falls es nötig sein sollte, kann ich jederzeit aufhören zu arbeiten.“

„Ist es dort dreckig, wo du arbeiten willst?“ mischte Florian sich wichtig in das Gespräch. Luisa achtete nicht auf ihn. Sie wusste natürlich, was Klaus von berufstätigen Ehefrauen hielt, nämlich gar nichts. Besonders dann nicht, wenn es die eigene Frau betraf. Wahrscheinlich, weil eine berufstätige Frau an seinem Selbstbewusstsein nagte. In diesen Dingen war und blieb er altmodisch

„Ob es dort dreckig ist, wo du arbeiten willst.“

„Was sagtest du, Flori?“

Florian wiederholte den Satz lautstark: „Ob e s dort dreckig ist, w o d u arbeiten willst!“

„Wie kommst du darauf? Ich hoffe nicht.“

„Und du meinst, es macht dort nie einer was dreckig?“

Daniel, fand, dass viel Wirbel um nichts gemacht wurde. „Wenn Mutter arbeiten will, soll sie es, andere Frauen arbeiten auch. Frauen werden dann selbstsicherer.“

Luisa staunte. „Woher nimmst du die Weisheit denn?“

„Gehört zur Allgemeinbildung.“

“Dann muss ich ja sehr ungebildet sein“, bemerkte Klaus trocken.

Luisa zeigte Ungeduld. „Mir fehlt keine Selbstsicherheit, mir fehlt Arbeit.“

„... und dort macht keiner was dreckig?“

Luisa wurde ärgerlich. „Jetzt halt bitte den Mund, Flori!“

„Aber das ist wichtig, sehr sogar“, beharrte Florian auf Antwort.

„Es ist ungezogen, Erwachsene im Gespräch zu unterbrechen“, tadelte Mutter, „wenn du nicht artig bist, darfst du heute nicht fernsehen.“

„Macht dort jemand Dreck oder nicht?“, schrie Florian ungerührt.

Nur die Ruhe bewahren, Luisa, du hast nur das eine Nervensystem, und das kannst du nicht wechseln, wie einen geplatzten Reifen. „Es trampelt keiner mit lehmbeschmierten Schuhen auf dem Teppich herum, und es verstreut keiner Sand aus der Sandkiste, wenn es das ist, was du meinst – zufrieden?“

„Dann kannst du ruhig zu Hause bleiben. Ehrlich, Mama, die brauchen dich gar nicht.“

Scheinbar war er der Ansicht, dass seine Mutter in Zukunft als Putzfrau fungieren wollte.

Verständlich, da er Luisa bisher nur als Hausfrau und Mutter erlebte. Sie sich in einer anderen Tätigkeit vorzustellen, ging wohl über seine Vorstellungskraft. Gleichwohl er nicht Unrecht hatte. Putzfrau oder Hausfrau - wo lag da der Unterschied?

Dann bemerkte Klaus: „Du redest, als wenn du bereits eine Stellung hättest.“

Zaghaft gab Luisa durch ein Nicken zu verstehen, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Nun war sie geplatzt die Bombe. Sekundenlang war es still. Sogar Florian, der trotz seiner Fragen von allem nicht viel verstand. Wie immer, nach einer Explosion, erwartete man auf den Schock eine Panik. In Luisas Fall folgte zwar keine Panik, aber eine Predigt, die sich gewaschen hatte. Luisa hatte sie kommen sehen und ließ sie über sich ergehen, aber nicht allzu lang.

„Ich weiß gar nicht, warum ihr euch aufregt? Wie könnt ihr nur so kleinlich und altmodisch denken.“

Klaus suchte weiterhin nach überzeugenden Worten. Ihm fiel nichts anderes mehr ein, als:: „Ich verdiene genug für uns alle.“

„Aber hier geht es doch nicht ums Verdienen. Ich brauche eine Beschäftigung!“

Nun zog er doch noch einen Trumpf aus dem Ärmel. „… wenn ich nach Hause komme, will ich von einer entspannten und ausgeglichenen Frau empfangen werden, und nicht von einer nervösen und total ausgelaugten.“

Aha, daher weht der Wind. Egoist, du bist mein Gatte.

„Was heißt total ausgelaugt? Das Einzige, das ich machen werde, ist auf dem Stuhl zu sitzen, den Computer zu bedienen und vielleicht das Telefon. Aber wenn du mich unbedingt jeden Abend total ausgelaugt sehen willst, kann ich dabei ja Kniebeugen machen, Professor!“

Gut, guut, guuut, sollte sie ihn nur so nennen, okay. Schließlich stimmte es. Er war Professor an der HAK und unterrichtete Betriebswirtschaft, Rechnungswesen und kaufmännisches Rechnen, und weiß Gott, er hatte ein Recht auf diesen Titel. Aber verdammt noch mal, musste sie unbedingt dabei diesen verächtlichen Ton gebrauchen?

„Wie heißt denn die Firma, bei der du arbeiten willst?“, mischte Mutter sich ein. Das war zwar völlig nebensächlich, aber was hätte sie sonst fragen sollen, um die hitzige Diskussion zu mildern?

„Schöller & Co. ein Zeitschriftenverlag“, antwortete Luisa ein wenig ruhiger geworden, mit belegter Stimme.

Klaus schüttelte den Kopf. Er verstand seine Frau nicht. „In den Jahren vorher war nie die Rede von einem Beruf, warum jetzt?“

„Das Leben, das ich führe seit Mutter bei uns ist, füllt mich nicht aus. Drei Frauen, ein Haushalt, wie stellst du dir das auf Dauer vor?“

„Auf Marie könnten wir leicht verzichten“, stichelte Mutter.

„Dann wäre immer noch eine zu viel im Haus“, entgegnete Luisa, ungerührt und entschlossen ihr Vorhaben durchzusetzen.

„Besser ich gehe in meine Wohnung zurück“, sagte Mutter.

„Ach, Unsinn. Du bist hier und du bleibst hier“, entgegnete Luisa. Sie hatte sich dem Gedanken wieder ins Berufsleben einzusteigen bereits derart arrangiert, dass sie für keine anderen Vorschläge mehr empfänglich war. Zu Klaus gewandt setzte sie fort: „Eines kann ich dir jetzt schon sagen, wenn du in Zukunft keine doppelten Mahlzeiten zu dir nehmen willst, sei auf meiner Seite. Ich habe nämlich nicht die Absicht meine Hände weiterhin im Schoß liegen zu lassen.“

 

„Es wird nicht gut gehen.“

„Es wird gut gehen.“

Pause. Klaus überlegte.

„Was meint ihr dazu?“, fragte er die Kinder, die bisher die Diskussion stumm aber interessiert mitverfolgten.

„Ich bin dafür“, wiederholte Daniel.

„Oma ist ja da“, meinte Gerda leichthin.

„Ja, Oma ist da“, beruhigte Florian sich selbst.

Mit seiner Zustimmung waren Klaus und Mutter überstimmt. Klaus war nicht blind, er hatte natürlich bemerkt, dass Mutter im Laufe der Zeit mehr und mehr das Zepter im Haus an sich gerissen hatte und Luisa damit nicht glücklich war und sich langweilte. Wie sie war er der Meinung, irgendwas musste geschehen. Jedoch dachte er eher an einen Seniorenclub für Mutter und nicht an eine berufstätige Ehefrau. Aber Klaus war ein kluger Mann. Er erkannte, wann er vor einer unumstößlichen Tatsache stand, an der Argumente nur mehr abprallten. Deshalb lenkte er ein: „Ich kann nur einverstanden sein, wenn Mutter es auch ist. Wenn sie weiterhin die Pflichten der Hausfrau bei uns übernehmen will, soll es mir recht sein.“

Fünf Augenpaare richteten sich gespannt auf Mutter.

„Was seht ihr mich so an? Es bleibt mir ja nichts anderes übrig, oder soll ich euch etwa verhungern und verkommen lassen?“

Luisa atmete auf. Der Kampf schien gewonnen. Als Mutter nachhakte: „Aber ich willige nur unter einer Bedingung ein.“

Luisa stockte der Atem. „Und die wäre?“, fragte sie mit gepresster Stimme.

„Dass dieses Monstrum von Hund an die Kette gelegt wird, solange du fort bist.“

„Stasi? Aber er ist lammfromm und hat noch keinem was getan.“

„Dieses Kalb ist so lammfromm, dass es immer mit seinen Zähnen fletscht, sobald ich in seine Nähe komme.“

Für Florian war klar. „Ich glaube, Stasi kann dich nicht leiden, Oma.“

Mutter lachte. „Ich hoffe nur, er lässt sich mit einem saftigen Stück Fleisch bestechen.“

Florian bezweifelte es. „Wenn er wegen dir an die Kette kommt, kann er dich bestimmt noch weniger leiden.“

Klaus schaltete sich ein. „Ich stelle ebenfalls eine Bedingung.“

Noch eine? Luisa stckte nochmals der Atem. „Und die wäre?“, brachte sie schließlich hervor.

„Eine Probezeit auf drei Monate. Wenn das System bis dahin nicht klappt, kehrst du ohne zu murren an deinen häuslichen Herd zurück.“

„Einverstanden.“

„Wann fängst du an?“

Luisa fühlte ein Triumphgefühl in sich aufsteigen.

„Montag, acht Uhr.“

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