DIE ANKUNFT

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Из серии: Die Raumsiedler von Puntirjan #2
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Kapitel 5

„Finden sie das komisch, Kapitän?“

General Fazzuwärs Augen glühten. Er sah Kapitän Jenis scharf an. Der General plusterte sich auf und gab ein verwundertes Krächzen von sich. Jenis blieb kühl.

„Ich wollte damit nur sagen, General, dass mich ihr Besuch auf der Altakolia I überrascht. Natürlich sind sie willkommen!“

General Fazzuwär beruhigte sich. Er hatte der Altakolia I einen Freundschaftsbesuch abgestattet. Spontan, wie er sagte. Nun war er hier. Die Strecke von der Altakolia VII zum Flaggschiff von Kapitän Jenis hatte er in nur wenigen Puntirjanhours zurückgelegt, dank Jähn-Mu, seinem Shuttlepilot. Jähn-Mu war damals als Orbital-Pionier der zweiten Generation zum Altakolia-Team gestoßen. Er war noch immer recht jung, und er war der Enkel von Golmu, dem letzten Opfer der imperialen, sarkarischen Diktatur. Golmu hatte dem sarkarischen Kaiser im Krieg die Stirn geboten, bevor Jenis‘ Einsatzkommando von der IPO den Diktator gestürzt hatte. Und Golmu hatte dafür mit seinem Leben bezahlt. Fazzuwär hatte Jähn-Mu mit auf die Altakolia VII genommen, um seine neue, demokratische Gesinnung zu demonstrieren, doch dass Jähn-Mu auf der Altakolia VII daraufhin ein hohes Ansehen genoss, nur weil sein Großvater Golmu ein Märtyrer der sarkarischen IPO-Demokraten war, passte ihm überhaupt nicht.

Jenis ahnte das, als er sich Fazzuwärs Shuttlepiloten zuwandte.

„Auch ihnen ein herzliches Willkommen an Bord, Jähn-Mu!“

„Danke, Kapitän!“, antwortete dieser erfreut.

Der General plusterte sein Gefieder wieder auf. Eiskalte Wut blitzte aus seinen Augen auf. Entschlossen wandte er sich der Rampe zu, an der das Fahrzeug stand, das sie zum Triebwerksblock bringen sollte.

„Ich möchte das Antimaterie-Triebwerk besichtigen, Kapitän.“, rief er. „Das Unsere macht uns auf der Altakolia VII Probleme mit den Injektoren. Ihres scheint den Dauerbetrieb ja noch immer unverändert gut zu überstehen, trotz des auf halber Strecke geleisteten Schubumkehrs.“

„Es läuft ausgezeichnet, General, auch wenn wir nicht ihre Militärversion besitzen!“

Das Fahrzeug surrte. Der General schmollte über Jenis‘ Stich. Er schwieg. Jähn-Mu grinste kurz. Jenis, Jähn-Mu und der General befanden sich schon auf dem Weg zum Triebwerksblock. Schließlich erreichte ihr Fahrzeug das Ende des langen Tunnels und kam am Schleusentor zu stehen, welches den Weg durch die Strahlenabschirmung am Triebwerksblock öffnete. Dahinter ging es zu den Reaktoren. Fazzuwär und sein Pilot standen auf und flogen zum Schleusentor.

„Pilot Jähn-Mu, würden sie Kapitän Jenis bitten, ihnen die Sicherheitseinrichtungen für die Triebwerkstechniker zu zeigen? Sie wissen doch, dass unsere Strahlenschutztüren immer wieder haken.“

„Jawohl, General!“, antwortete der Pilot eifrig und wandte sich Kapitän Jenis zu, der das Schleusentor soeben erreichte.

„Ich bin derweil bei den Triebwerksdüsen!“, rief der General und entfernte sich mit einigen, kräftigen Flügelschlägen.

Du elender Zivilistencaptain, dachte der General. Ich muss hier weg! Er hatte einen Plan. Im Kriegsfall – und es würde am Zielplaneten natürlich Krieg mit diesen Sariahnern geben, wenn diese ihren Planeten nicht abgeben – würde er, der General, das Oberkommando über die Altakolia-Raumflotte übernehmen. Und wenn du Weichei von Zivilistencaptain dich widersetzt, dann werde ich dein Entkommen verhindern. Ich muss nur zusehen, dass ich an das Triebwerk komme.

Er begab sich zu den Triebwerks-Düsenkammern. Hier in der Reaktor-Vorkammer traf der magnetisch gebündelte Antimateriestrahl auf sein materielles Gegenstück. Die Strahlenbelastung war maximal. Fazzuwär wusste, dass er nur fünf bis sechs Puntirjanminutes Zeit hatte. Höchstens. Das war knapp, lebensgefährlich knapp – aber es reichte aus, um den Mikrosprengsatz mit Zünde- und Empfängermodul an der Titan-Stahl-Wand zwischen Reaktor- und Düsenkammer zu klemmen. Hastig befestigte er ihn an der verborgenen Stelle, die er dafür ausgesucht hatte, aktivierte den Interfunk-Empfänger und beeilte sich, seine Klemmgeräte wieder einzupacken und zurückzukehren zu Jenis und Jähn-Mu. Es durfte nicht auffallen, auf gar keinen Fall.

Noch einmal sah er sich um. Das Mikromodul samt Zündung und Empfänger waren präzise platziert und richtig angeklemmt. Sie waren nur zu sehen, wenn man sich bückte. Nun hatte er die Möglichkeit, bei Bedarf die Triebwerke der Altakolia I über ein Interfunksignal anm den Mikrosprengsatz einfach auszuschalten, ganz bequem von der Altakolia VII aus.

Gerade als er die Klemme wieder einpacken und in seinem Gefieder verschwinden lassen wollte, hörte er ein Flattergeräusch. Eine Stimme.

„General, sind sie hier?“

Jähn-Mu! Verdammt, dachte Fazzuwär. Sein Puls schnellte hoch. Kochend heiße Aufregungssalven strömten durch seine Blutbahnen wie Geschosse. Jähn-Mu war zurückgekehrt. Gleich würde er um die Ecke kommen, ihn erblicken.

„General, was machen sie denn hier?“, fragte er und entdeckte den General im strahlungsbelasteten Teil, sah die Klemmvorrichtung für Mikromodule.

„Mist!“, fluchte der General, „das war nicht vorgesehen!“

Jähn-Mu flog zum General herüber, bemerkte die im Gefieder verborgene Klemme.

Verflucht! Gleich wird er den Sprengsatz entdecken, wenn er sich bückt, schoss es dem General durch den Kopf. Er sah Jähn-Mu ins Gesicht. Panik stand ihm in den Augen. Er wollte sich bücken, um das angeklemmte Teil zu suchen.

Dann ging alles ganz schnell. Jähn-Mu sah aus seiner gebückten Haltung auf den unteren Teil der Titan-Stahlwand.

„Ein Empfänger, eine Zündvorrichtung, ein angeklemmter Sprengsatz? Was macht das hier am Triebwerk, General?“, wollte er krächzen, doch Fazzuwär stürzte sich von hinten auf den Piloten. Er umschloss seinen Schnabel mit beiden Händen so fest, dass Jähn-Mu jegliche Gegenwehr unmöglich wurde. Dann biss er mit seinem eigenen Schnabel in Jähn-Mus Hals. Ein kräftiger Nahkampf-Schnabelhieb riss die Halsschlagader aus dem Kropfgefieder des überraschten Piloten. Der General presste sein mitgeführtes Taschentuch vor die spritzende Wunde. Den zusammengesackten Körper des Piloten schob von seinen Füßen in eine unauffällige Ecke. Jähn-Mu sah sein Blut noch auf die Zündvorrichtung an der Wand spritzen. Dann versiegte die Blutversorgung in seinem Kopf. In den sterbenden Gehirnzellen des Piloten verstummte das einzigartige Netzwerk elektrischer Mikrofelder und Erregungsmuster, das seine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen ausgemacht hatte.

Als Jähn-Mus Körper ausgeblutet war, lockerte der General den Druck des Lappens auf die Wunde. Hastig schleifte er den Körper zur Injektorkabine.

Verdammt, Jähn-Mu, warum musstest du mich hier suchen, fluchte er innerlich. Er blickte auf sein Chronometer und zuckte zusammen.

Mist! Die Strahlung! Ich habe nur eine Puntirjanminute, schoss es durch sein Rindenhirn.

Der Antimaterie-Injektor summte in ruhigem Dauerbetrieb. Ein schwaches, bläuliches Leuchten auf dem Monitor zeigte an, dass Reaktorkammer drei im Sparbetrieb lief – ein manuelles Öffnen der Injektionskabine war noch möglich. Das war die Rettung. Er schleifte den Körper zur Kammerschleuse und schaltete den Strahlenschutz des Ionotrons aus. Er öffnete die Handverriegelung. Ächzend schob ihn in die Kabine. Hastig sammelte er noch einige Federn ein. Jähn-Mu hatte sie verloren. Der General griff einen zweiten Lappen, wischte das Blut vom Boden und von der Wand und warf beide Lappen mit in die Kabine. Mit einem heftigen Ruck schloss er die Tür und drückte den Injektionsknopf. Befriedigt sah er zu, wie die Schleusenkammer durch die Öffnung schoss, die zum Antimaterie-Strahl in den Reaktor führte. Er wusste, wenige Puntirjanskønds später würden sich die Überreste des Piloten mit der injizierten Antimaterie zerstrahlt haben. Keuchend schob er den Kammerhebel erneut auf „Öffnen“. Er nahm ein Säurespray zur Hand, sprühte den Hebel ein und flog zur Strahlenschutztür. Er hechtete hindurch, schloss sie und atmete auf. Seine Zeit war um. Einen Augenblick länger, und er hätte eine tödliche Verstrahlung riskiert.

Kaum hatte er die Strahlenschutzschleuse des Ionotrons verlassen, da begab er sich direkt zu Kapitän Jenis, der an den Sicherheitseinrichtungen neben den Strahlenschutztüren wartete, und meldete einen schrecklichen Arbeitsunfall.

„Wie konnte das passieren, General?“

Jenis blickte den General an, kreidebleich.

„Er interessierte sich für die Injektionskabine…“, hechelte der General mit gespieltem Entsetzen. „Er wollte den Einschussmechanismus inspizieren. Ich hatte ihm abgeraten … Er ist doch kein Techniker. Dann hat sich der Einschuss-Mechanismus gelöst. Er hatte sich gerade in die Kabine gebückt. Wohl eine Fehlfunktion. Oder er kam an den Knopf.“

„Aber der Einschuss-Mechanismus kann doch nur …“

„Kapitän! Ich versichere ihnen: Der Mechanismus löste sich, es war ein Unfall! Der Hebel steht auf „Öffnen“. Ich habe ihn nicht einmal wieder umlegen können. Er war korrodiert. Wie kann ihren Technikern das entgehen, so eine dicke Rostschicht?“

„Korrodiert?“

„Ja, Kapitän, der Hebel war verrostet. Kein Wunder, dass der nicht mehr funktioniert. Das Rostding ließ sich nicht mehr umlegen. Völlig eingerostet. Wann haben ihre Techniker die Kammern eigentlich zuletzt gewartet?“

Jenis wurde bleich. Er sah den Kammerhebel über Monitor, den feuchten, braunen Rostbelag. Der Titanstahl war alles andere als blank. Er versicherte dem General, er werde die zuständigen Triebwerkstechniker verhören, baldmöglichst.

„Ich erwarte ihre Vollzugsmeldung, Kapitän!“, blaffte der General zurück. „Notfalls haben wir auch militärische Verhörmethoden auf der Altakolia VII! Das wird ein Nachspiel haben. Jähn-Mu, er war mein bester Shuttlepilot. Was soll ich seiner Witwe sagen?“

 

„Ja, General.“ Jenis nickte betroffen. Sein Kopf sank herab. Sein Blick wurde leer. „Schrecklich. Er war ein guter Mann.“

Einige Momente später steuerte der General seinen Raumgleiter heim zur Altakolia VII. Dort verfasste er einen kurzen Nachruf auf seinen Piloten, meldete sich bei seinem diensthabenden Vizekapitän zurück und suchte seine Privatkabine auf. Er wollte seine Invasionspläne verfeinern, bevor er seinen Vize und Rivalen Oberst Hagavar wieder ablösen musste. Es war nicht gut, wenn dieser Oberst unkontrolliert blieb.

Kapitel 6

General Fazzuwär nahm in seiner Privatkabine am Monitor seines Quantencomputers Platz. Er aktivierte ihn und öffnete die Cyberdateien mit den Invasionsplänen, um sie zu überarbeiten. Er musste einfach sichergehen, dass seine Leute den Planeten in Besitz nehmen würden – notfalls gegen den Willen seiner Bewohner. Es musste einfach klar sein, dass er die Besetzung Sariahs planmäßig und unaufhaltsam vornehmen konnte. Ohne Widerstände von Seiten der Sariahner oder auch der eigenen, puntirjanischen Zivilisten. Er überflog die Daten und Programme. Es durfte keinen Fehler geben. Auch nicht den, dass nochmal so ein ahnungsloser Idiot wie Jähn-Mu dazwischenkommt.

Der Plan war perfekt: Kymidros in die sariahnischen Atmosphäre entsenden, hunderte kybernetischer Mikrodrohnen in Form kleinster Quadrocopter. Sie verteilen sich über den Planeten, koordiniert über künstliche quasineuronale Interfunk-Netzwerke. Ihre NQR-Nanoprozessoren, die Herzstücke der Nanoquantenrechner, waren mit virtuellen Agenten und künstlicher Schwarm-Intelligenz ausgestattet. Auf allen Kryptofrequenzbändern des Interfunks. Voll kommunikationsfähig und darauf programmiert, alle Ozeane und unbewohnten Landgebiete auf Sariah zu überfliegen. Danach sollte die Altakolia-VII-Crew die Kyrotare in die Ozeane entsenden. Die kybernetische Robot-Avatare konnten auf den Ozeanböden ferngesteuert die Konstruktion unterseeischer Raumbasen in Angriff nehmen. Weitere Mikro-Kyrotare konnten die Kontinente erkunden, die Sariahner und ihre Techniken aufspüren, ihre Lebensräume und Ballungszentren mit Nanobots infiltrieren, und ihre elektronischen Systeme mit virtuellen Agenten.

Invasionsphase drei sah vor, die Kontrolle zu übernehmen. Was diese lästigen Zivilisten nicht wussten: Er, der General, hatte weitergedacht. Er hatte sich die alten Interfunk-Dateien von Ssefaru Xing besorgt, um seine Invasionspläne zu unterfüttern. Die Strategie seiner Machtübernahme war einfach genial. Sie näherte sich der Perfektion. Sariah sollte schließlich SEIN Planet werden, SEIN Machtbereich über die Raumbasis Altakolia VII hinaus – und nicht der Machtbereich eines Zivilisten wie dieses Kapitäns Jenis. Jetzt kann ich deine Raumstation bei Bedarf auch schon vor Erreichen des Zielplaneten ausschalten, dachte er. Eine simple Aktivierung des Mikrozünders im Triebwerksblock der Altakolia I genügt.

Fazzuwär war sich seiner Sache sicher. Es war ganz logisch: Die Zivilisation der Sariahner war technisiert. Die Sariahner sind intelligent. Sie hatten bestimmt elektrische Geräte entwickelt, Funkverkehr und vielleicht sogar Raumfähren. Und Waffen, die sie gegen die Altakolia VII einsetzen konnten. Ihre Abwehrmöglichkeit, gegebenenfalls sogar ihrer ganze Zivilisation musste also abgeschaltet werden, noch bevor der erste Puntirjaner den blauen Planeten betrat. Xings Ideen nuklearer elektromagnetischer Impulse war da ebenso brauchbar wie Fazzuwärs Einfall, mit gezielten Kernwaffen-Einsätzen auf Sariah künstliche Tsunamis zu erzeugen. Sie würden die meeresnahe Ballungszentren und Siedlungen der Sariahner beseitigen. Sein Biowaffen-Team arbeitete zudem an der Entwicklung synthetischer Viren, die die Organismen der Sariahner ausschalten sollten. Kyrotare könnten die Erreger versprühen, um die Sariahner gezielt zu infizieren. Die Inkubationszeit müsste so bemessen sein, dass alle Sariahner infiziert würden. Die Epidemie würde sie dann ausrotten. Das Problem war: Das Entwicklerteam benötigte dazu Bio-Proben sariahnischer Organismen, möglichst das Erbgut der Sariahner selbst. Dazu war das Entsenden weiterer Landesonden nötig. Sie mussten den Zielplaneten noch vor der Altakolia-Flotte erreichen, ohne dass die Zivilisten um Tüngör Auflingés Raumsonden-Team davon erfuhren.

Allerdings gefiel dem General auch die Idee, die sariahnische Zivilisation zunächst bestehen zu lassen. Sie ließe sich ja auch angreifen, indem die Bewohner mit Nanochips markiert wurden. Sie könnten sie zum Beispiel mit ihrer pflanzlichen Nahrung oder dem Trinkwasser aufnehmen – implantierte Funkchips mit „smart dusts“, die sich dann per Interfunk untereinander vernetzten, und mit Basisstationen auf den Ozeanböden. Über RFID-Tags (radio-frequent Identification) könnte der Standort jedes einzelnen Sariahners individuell bestimmbar gemacht werden. Wenn es dann noch gelang, Nanobots in die Organismen der Sariahner zu schleusen, so ließen sich Interfunk-Neurochips in ihre Gehirne platzieren. Sollte dann die Kontrolle über einige ihre Gehirne gewonnen sein, könnte ihre Zivilisation mit den nun unkritisch ergebenen Individuen durchdrungen werden, selektiert per Überwachung ihres Tuns. Ihre Gesellschaft ließe sich schließlich so steuern, dass die Sicherheit der puntirjanischen Besatzer und die Dienstleistungen der Sariahner für Fazzuwärs Stab garantiert waren. Unliebsame Sariahner konnten dann einfach ausgeschaltet werden wie mit einer Fernbedienung.

Fazzuwär strahlte. Das waren geniale Invasionspläne. Endlich mal nützliche Vorhaben, dachte der General. Ganz anders als die abstrusen Ideen der Zivilisten, mit den Sariahnern ein friedliches Zusammenleben zu versuchen, eine Symbiose, die den Puntirjanern letztendlich ihre Identität rauben würde. Nein, Jenis, das Ziel unserer Altakolia-Mission legst du nicht fest! Nicht du! Ein sarkarischer Soldat lässt sich von einer sariahnischen Zivilisation doch nicht einfach assimilieren – er benutzt sie.

Kapitel 7

Jenis war deprimiert. Er hatte kaum geschlafen. Das Untersuchungsverfahren zur Klärung des mysteriösen Arbeitsunfalles um den Tod des Piloten Jähn-Mu war eingestellt. Es blieb ohne Indizien für äußere Einwirkung, ohne Anzeichen für verschlampte Kontrollen und Inspektionen oder anderes Versagen der Triebwerkstechniker. Einfach ohne Ergebnis. General Fazzuwär hatte ihn als unfähig abgestempelt und angemacht, doch mehr konnte auch der General nicht tun. Er war für die Altakolia I nicht zuständig. Trotzdem brauchte er sie. Er musste sie, den Strategien zur Machtübernahme über den Planeten folgend, noch einmal besuchen. Und so meldete er seinen Besuch auf der Altakolia I an und ließ sich den Raumgleiter startklar machen.

Jenis erfuhr es, als er im Wohnzylinder bei Ma-Ting Coqey saß. Sie brütete über einem Problem an ihrem Wasserstoff-Bioreaktor.

„Schau, Jenis, hier ist die Stelle im Ökosystem, an der wir Öle aus Algen gewinnen. Biowasserstoff. Thermophile und Cyanobakterien setzten die Biomasse um“, erklärte sie. „Aber ihr Kohlendioxid behindert die Wasserstoffproduktion. Für die Photosynthese sind diese Dicarbamate doch nötig, und der Lichtbedarf für die Umsetzungen ist auch noch enorm.“

Kapitän Jenis konnte wenig zu ihrem Problem sagen – er war weder Biotechniker noch Stoffkundler. Lieber hätte er Tüngör besucht, der an einem raffinierten Projekt arbeitete. Er untersuchte den Reifegrad der Früchte auf den sariahnischen Äckern über IR-Satelliten, die er dem blauen Planeten entgegengeschickt hatte. Aber Jenis konnte nichts machen: Zu seinen Pflichten als Kapitän gehörte es nun mal, zu allen Crewmitgliedern guten Kontakt zu halten. Auch wenn sie in ihm fremden Fachbereichen tätig waren.

Ein wenig später begab er sich in die Kapitänskabine. Die Wochenansprache an die Crew stand an.

„Eine Durchsage, öffentlich an alle Besatzungsmitglieder der Altakolia I. Hier spricht der Captain.“, flötete Jenis. Die Crew wusste es sofort: Der Kapitän war heute gemäßigter Laune.

Als Kapitän Jenis sein Bordmikro schloss, sah er in Vizekapitän Ta-Sarjowairs Augen.

„Wie war ich?“, fragte er seinen Vize schmunzelnd.

„Nun, Captain, ihre Wochenansprache war gut. Nun wird niemand mehr Sorgen haben, unsere Vorräte seien zu knapp bemessen. In der Tat werden wir die Lebensmittelproduktion im Wohnzylinder jedoch weiter ausbauen und deutlich steigern müssen. Von der alten Tiefkühlkost aus der Heimat ist nichts mehr übrig.“

„Da haben sie recht, Fanzru!“, stimmte Jenis ihm zu. „Aber ich habe im Moment ganz andere Sorgen!“

„Kapitän?“

„Ach, Fanzru, mir liegt dieser Fazzuwär schwer im Magen.“

„General Fazzuwär von der Altakolia VII?“

„Ja, Sie wissen doch: Er übernimmt nächsten Tolonmonat turnusgemäß den Oberbefehl unserer Mission – sein Antrittsbesuch auf der Altakolia I ist terminiert.“

„Ich vermute, nicht nur der Antrittsbesuch des Generals?“

„Nein, Fanzru, der General selbst. Nicht, weil er Sararier ist, Fanzru, das wissen sie! Aber dieser Haudegen ist ein sturer Hardliner. Ich mag ihn nicht, ihn und seinen Führungsstil. Dieses militärische Denken, und dieses demonstrative „Ich bin geläutert, ich bin kein Sarfazist mehr“. Ich traue ihm nicht. Was nützt es, wenn man Schreiben, Lesen, Kämpfen gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt? Wer vor seiner Vergangenheit flieht, der verliert das Rennen doch immer!“

Jenis holte Luft, beruhigte sich. Dann sah er in Ta-Sarjowärs treue Augen.

„Können Sie ihn nicht für mich in Empfang nehmen? Ich stoße dann später hinzu.“

„Ay, Captain. Ich nehme den Termin für sie wahr.“

„Danke, Fanzru“, sagte Jenis erleichtert. „Sie haben einen gut bei mir!“

Fanzru Ta-Sarjowair lächelte und flog davon.

Am folgenden Puntirjanday stand er an der Spitze der Ehrenformation, die General Fazzuwär auf der Landungsbrücke begrüßte. Sein Shuttle dockte planmäßig an. In Begleitung zweier Stewards von der Altakolia VII verließ der General sein Raumfahrzeug, schritt auf Ta-Sarjowair zu und reichte ihm die Hand.

„Ich freue mich, sie zu sehen, Vizekapitän!“, zwitscherte er. „Wo können wir ungestört reden?“

„Reden?“ Ta-Sarjowair staunte. Er geleitete den General in den Besprechungsraum der Andockstation.

„General, sie wünschen?“

„Mein lieber Ta-Sarjowair“, begann Fazzuwär. „Ich möchte sie unter uns Sarkariern darüber unterrichten, dass mein Missions-Oberbefehl von Seiten unserer heimatlichen IPO-Kommandantur aus etwas beinhaltet, was Ihrem Kapitän Jenis und auch bei Ihnen auf der Altakolia I noch nicht bekannt gemacht werden soll.“

„General?“ Ta-Sarjowair stutzte.

„Herr Vizekapitän, wir sind nun im Begriff, in das Altakol-System einzudringen. Die Vorboten haben es erkundet und uns orbitale Andock- und Versorgungs-Stationen errichtet. Was meinen sie wohl, wozu?“

„Damit wir dort siedeln können, General.“

„Wir wissen, dass es dort nicht nur Lebewesen gibt, sondern sogar eine Zivilisation. Und wenn diese uns nicht willkommen heißt, mein lieber Ta-Sarjowair, was dann?“

„Wir können überall siedeln, General, das System ist groß genug!“

„Wir werden dort siedeln, wo wir die besten Chancen haben! Und das wird dort sein, wo diese eventuell sogar technisierte Zivilisation ihr Zentrum haben wird: Auf dem blauen Planeten in der bewohnbaren Zone. Nur dort.“

Ta-Sarjowair wurde es etwas frostig, ihn schauerte.

„Das heißt, General?“, fragte er.

„Das heißt, die IPO hat uns den Geheimauftrag gegeben, Möglichkeiten zur Invasion und Okkupation der dort eventuell vorhandenen Zivilisation auszuloten. Gegebenenfalls ist ein vernichtender Angriff vorzubereiten.“

„General! Kapitän Jenis wird das mit Sicherheit anders sehen! Er sprach von Koop…“

„Vizekapitän!“, polterte der General barsch. „Ich verstehe ihre Loyalität. Er ist ihr Captain. Aber ich sage ihnen das unter uns Sarkariern. Das geht diese IPO-Raumfahrtbehörden und auch ihren Captain nichts an. Ich untersage Ihnen hiermit, Captain Jenis von diesem geheimen Missionsziel zu berichten. Ich bin hier, um alles Notwendige für die Vorbereitungen zu veranlassen. Sie werden mich dabei unterstützen – ohne ihren Kapitän davon zu informieren. Das ist ein Befehl!“, schnauzte er.

 

„Ja, Sir!“, blaffte Ta-Sarjowair widerwillig zurück. Dann entstand ein langes Schweigen.

Die Tür ging auf. Kapitän Jenis betrat den Besprechungsraum. General Fazzuwär wandte sich ihm zu.

„Kapitän, wir sprachen gerade über sie. Ich begrüße sie!“, sagte der General.

„Willkommen auf der Altakolia I, Kommandant“, entgegnete Jenis. „Sie hatten eine gute Reise?“

„Ja, Kapitän, danke! Die Stewards versorgten uns gut, und der Shuttleflug lief problemlos.“

„Das freut mich.“

Jenis geleitete den General aus dem Besprechungsraum zum Gästequartier im Wohnzylinder. Der General erkundigte sich nach den Ereignissen der letzten Monate auf der Altakolia I. Auch ließ er sich zum Punkt Sicherheit nochmals von den damaligen Vorfällen um Sserfaru Xing berichten.

„Sie kannten ihn?“, fragte Ta-Sarjowair.

„Nein“, log der General. Dann erzählte er Jenis zur Ablenkung von Sicherheitsproblemen, die er auf der Altakolia VII gehabt hatte, und er ignorierte Vizekapitän Ta-Sarjowair in auffälliger Weise.

Ta-Sarjowair folgte ihnen schweigend, und Jenis fragte sich, was dafür wohl der Grund sein würde. Der General und seine Stewards wurden einquartiert.

Am folgenden Abend stellte Jenis seinen Vize zur Rede.

„Fanzru, sie schweigen, seit der General an Bord ist. Was ist der Grund für ihr Verhalten? Was geht hier vor?“

Ta-Sarjowair jedoch wich aus, redete von früheren Zeiten, in denen er dem General begegnet war – im IPO-Hauptquartier auf Puntirjan, noch vor dem Start der Altakolia-Mission.

„Fanzru, sie weichen aus. Was ist zwischen ihnen und dem General? Irgendeine alte Sarkarier-Sache, von der ich nicht wissen soll?“

„Nein, Kapitän, aber bei aller Loyalität ihnen gegenüber: der General erteilte mir Befehl, darüber nicht zu reden.“

„Dann kann ich wohl nichts machen, Fanzru“, sagte Jenis traurig und beendete das Gespräch.

Einige Tage Routine folgten. Der General war in seinem Quartier an der Computerkonsole aktiv. Er inspizierte die Raumstation mit seinen Stewards und ließ zur Verwunderung des Schiffschefingenieurs spezielle, codierte Programme installieren. Jenis ließ ihn gewähren. Plötzlich jedoch gab es Streit. Ta-Sarjowair indessen mit General Fazzuwär aneinander. Sie waren in der Astronavigation kurz allein. Fazzuwär tobte. Er fand, dass Ta-Sarjowair seine Befehle zur Installation der Sondensteuerungs-Programme zu langsam befolgte, und zögernd.

„Vizekapitän, ich sagte, sie sollen das Programm F13 installieren, um eine Laservorrichtung in das IR-Spektrometer der ISR-Sonde zu integrieren.“

„General, bedenken sie, die Laservorrichtung könnte als Waffe eingesetzt werden, um die Reaktorsatelliten aus dem Orbit …“

„Vizekapitän, das war ein Befehl! Das weiß ich selbst!“

„General!“ Ta-Sarjowair stand auf und stellte sich vor Fazzuwär auf. „Ich kann das nicht gutheißen! Das Plutonium der Reaktorsatelliten könnte durch IR-Laserbestrahlung …“

„Vizekapitän!“, schrie Fazzuwär. Ta-Sarjowair fuhr fort.

„Nein, General, dieses angebliche, geheime IPO-Missionsziel verstößt gegen friedliche …“

„Vizekapitän, ich warne sie. Ich habe ihnen einen Befehl erteilt. Ich werde nicht weiter diskutieren.“

„General, ich gebe hiermit zu Protokoll, dass ich den Befehl nur unter Protest befolgen werde! Das ermöglicht ein Kriegsverbrechen gegen die Sariahner, einen Völkermord! Wir Raumsiedler haben keine Okkupations-Interessen. Wir sind unabhängig von Puntirjan, und unsere Mission dient der friedlichen Erforschung und Besiedlung des Altakolsystems! Ohne territorial-aggressiven Absichten!“

„Kolonisation – im Bedarfsfall heißt das auch In-Besitz-Nahme, Vizekapitän. Und jetzt führen sie meinen Befehl aus, oder ich lasse sie in Arrest nehmen.“

Ta-Sarjowair knirschte mit dem Schnabel, dass man hätte meinen können, zwei Titansägen reiben aneinander. Grimmig gehorchte er und setzte die von Fazzuwär angeordnete Arbeit fort – die Vorbereitung zum Auslöschen der Sariahner.

Ex-Generalinspekteur Vladimir Komarow auf der Erde war zufrieden. Viele Jahre waren seit dem seltsamen Ereignis in der Podkamennaja Tunguska im Siedlungsgebiet der Ewenken vergangen. Komarow, Augenzeuge des damaligen Ereignisses, war inzwischen ein reicher Mann. Monatelang hatte er Felle gekauft – von Jägern, Sammlern, Dorfältesten, Schamanen, Kommandeuren und Deserteuren. Er hatte Handelsdepots eröffnet in Petersburg, Moskau, Kiew und im fernen Wladiwostok. Und sie liefen gut. Sie liefen so gut, dass ihm die Rubel nur so zurollten – und trotz Oktoberrevolution und Weltkrieg brummte sein Handelsgeschäft im nahezu gesamten russischen Reich.

Leonid Alexejewitsch Kulik, Komarows Freund aus Tartu, hatte eine andere Laufbahn angetreten. Im russisch-japanischen Krieg hatte er brav in der Armee gedient, sich dann aber den Revolutionären zugewandt. Das brachte ihm einige Jahre Gefängnis ein – und jetzt, da der erste Weltkrieg ausgebrochen war, diente er erneut in der Armee – bis zum Ende von Weltkrieg und Zarenherrschaft.

Von Vladimir hatte er vom Tunguska-Ereignis gehört, und jetzt, da er durch seinen Dienst in der russischen Armee wieder rehabilitiert war, wandte er sich wieder seiner Berufung zu: Der Mineralogie. Er wurde Ausbilder und lehrte Mineralogie in Tomsk. Da traf es sich ausgezeichnet, dass ihm 1920 eine Stelle am Mineralogischen Museum in Sankt Petersburg angeboten wurde. Von hier aus organisierte Kulik eine Expedition in die Tunguska und sammelte auf dem Weg dorthin erste Informationen über das seltsame Ereignis von 1908. Er kam nur bis auf 600 km an den Explosionsort heran, bis zum Örtchen Kansk. Die Wirren nach der Revolution, die Armut und die Folgen der Unruhen machten eine Weiterreise unmöglich. Eine ordnende Zarenmacht gab es hier nicht mehr.

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