DIE ANKUNFT

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Из серии: Die Raumsiedler von Puntirjan #2
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Ernst Köller war stolz, auf ein solches Schiff zu dürfen. Marine-Oberzahlmeister Wagner hatte ihm dazu verholfen, und Wagner war es auch, der ihn dem 2. Offizier anvertraut hatte (Wagner war ohnehin ein Improvisationstalent: seine damals provisorisch hergestellten 3-Pfennigs-Briefmarken wurden von der Reichspost anerkannt und später unter Sammlern berühmt – bei einer Auktion in Zürich 2002 kamen sie auf über 5000 Schweizer Franken).

Als der aufgezogene Sturm wieder abgezogen war blickte Ernst von der Vineta aus Richtung Küste. Irgendwie war ihm, als hätte er im Fernglas etwas Schwarzes herabschweben gesehen, viereckig und mit vier Beinen. Es konnte kein Vogel sein, es war wesentlich größer. Es schien an einem Tuch zu hängen, oder einem Fallschirm.

Ob ein Zeppelin einen Tauchkörper für Torpedo-Versuche abgeworfen hat?“, fragte er sich. Er blickte hoch. Er suchte den Himmel ab, sah aber nichts. Und es gab auch keinen Zeppelin. Zwischen den vier Beinen des seltsamen Teils erschien ein blaues Leuchten, flackernd wie eine Flamme. Ernst Köller kannte so etwas nicht. Er war unsicher und rieb sich die Augen. Dann reinigte er sein Fernglas und die seltsame Erscheinung war weg.

Der Offizier, der ihm das Fernglas geliehen hatte, beobachtete ihn. Er sah ihn in den Himmel stieren.

Na, Hans-Guck-in-die-Luft? Was machst du da?“

Ernst zuckte zusammen. Er gab er ihm schüchtern das Fernglas zurück, schwieg über den Vorfall und maß ihm auch keine weitere Bedeutung mehr bei. Die SMS Vineta beendete ihre Pause, das Manöver ging weiter.

Zwei Kilometer weiter, im Schlick, stand das fremde Objekt, das der Schiffsjunge gesehen hatte. Das Landegerät des Altakol-Spähers 34 fuhr seine Antenne aus, um den Vollzug der Landung zu melden. Daraufhin empfing es Funksignale. Sie kamen vom Altakol-Späher im Orbit des Planeten. Aber sie wurden gestört. Auch am Landeplatz auf der Erde gab es Radiowellen – elektromagnetische Wellen im Radiofrequenzbereich. Und die künstliche Intelligenz des Altakol-Spähers erkannte, dass sie künstlichen Ursprungs waren. Die Sonde speicherte es ab und gab es mit den Radiosignalen weiter an die Raumsiedler ins All. Die Daten erreichten die Altakolia-Flotte und gingen weiter zurück an das Lichtjahre entfernte Heimatsystem. Die Sensation würde in ein paar Jahren die alte Debatte dort anheizen, wie die fremde, bewohnte Welt um Altakol besiedelt werden könnte – in partnerschaftlich-demokratischer Vereinigung mit den Einwohnern, wie es die I.P.O. propagierte, oder durch Akte imperialer Okkupation und Assimilation, wie es einst der Kaiser von Sarkar im Sinn hatte.

So oder so, die erste außerirdische Raumsonden jedenfalls waren auf der Erde gelandet und hatte erstmals Funksignale ihrer Bewohner empfangen.

Die beiden Kommandanten der Reise-Welten und ihre Raummechatroniker-Teams hatten viel zu tun. Die Vorbereitungen für die letzte Abbremsphase standen an, die Vorbereitungen zum sanften Zünden weiterer Ionentriebwerke zwecks Abbremsung. Die Schub- und Energieversorgung durch die Laser- und Mikrowellen-Übertragungsstationen von Puntirjan aus war versiegt. Die Lichtkollektoren und Laserstationen im Orbit des zweiten Planeten Altakols hatten eingesetzt, das aufgefangene Licht des Fixsternes zu bündeln und der Altakolia-Flotte entgegenzuschicken. Die ISR-II-Einheiten, die Roboterschiffen und KI-bestückten Mikro-Raumsondenschwärme, die der Altakolia-Flotte vorausgejagt waren, hatten sie zur Energieübertragung installiert, und der ständige Lichtdruck bewirkte ein stetiges Abbremsen der Flotte.

Auch auf Tüngörs Empfangsstation war alles vorzubereiten, um die weiteren, lebenswichtigen Signale der Vorboten im Zielsystem erfassen zu können. Jenis besuchte Tüngör täglich. Er bekam mit, dass Tüngör und seine Leute bei aller Geschäftigkeit ungeduldig waren. Sie träumten von der Landung auf Sariah, vom Leben auf einem Planeten. Sie waren das Leben im Wohnzylinder leid. Sicher, die Cosmocity-Wohnzylinder waren ganze Reise-Welten, kilometergroß wie Städte mitsamt ihrer Vororte. Sie rotierten und hatten künstliche Schwerkraft. Sie hatten Luft, künstlichen Regen, ganze Raumsiedler-Ökosysteme voller Tiere, Pflanzen und Agrareinheiten. Aber sie waren isolierte, begrenzte Lebensräume, umgeben von der toten Leere des Alls. Das Team wollte endlich und möglichst bald neue Lebensräume besiedeln können. Lebensräume von planetarer Größe.

Jenis und Tüngör setzten ein Mannschaftstreffen an. Es wurde diskutiert.

Gras wächst nicht schneller wenn man daran zieht, dachte Jenis. Er wies die Crew auf die Schönheit des Wohnens in den gigantischen Wohnzylindern hin. „Es geht nicht schneller. Außerdem hatten wir auf dem Flug schon über 12% der Lichtgeschwindigkeit erreicht – noch niemals hatten Puntirjaner das geschafft!“, warf er ein, als er ein Maulen hörte. Doch die Ungeduld blieb.

„Wir wollen endlich ans Ziel“, drängte ein Mannschaftssprecher.

Da flüsterte Jenis Tüngör etwas zu.

Tüngör war begeistert. Er antwortete wie ein Raummechatroniker: „Stimmt: Nur wer selber brennt, kann andere anfeuern!“.

„Ja, gehen wir es an!“, erwiderte Jenis und wandte sich an die Crew.

„Also: Wir feiern unsere baldige Ankunft mit einem großen Fest! Wir sind zwar noch inmitten der kosmischen Leere, doch wir sind dem Ziel schon wesentlich näher – ein Grund zum Feriern!“

Tüngör dachte an General Fazzuwär. Der trieb seine Crew an mit Drill und Druck. Mit Angst vor Strafe. Welch ein Dummkopf!

„Also, ich finde, ihr habt ein Fest verdient!“, ereiferte sich Jenis.

„Er hat recht“, dachte Tüngör. „Engagierte Mitarbeiter muss man nicht motivieren – man muss sich davor hüten, sie zu demotivieren. Und eine Mannschaft von Raumfahrern kann man auf Dauer nicht mit Angst motivieren, sondern mit Zielen und persönlicher Anerkennung.“.

Tüngör ergriff das Wort und übersetzte seine Gedanken in die Sprache der Raummechatroniker:

„Ja, Motivation ist der Zündschlüssel zum Erfolg, und Leidenschaft der beste Treibstoff!“, antwortete er.

„Genau! Feiern wir, dass wir uns weiter treiben lassen können zum Ziel! Unser Ziel ist eine ganz neue Welt!“

Der Bordrat stimmte zu. Schon bald war ein Buffet angerichtet. Flugechsen, Ravrokylen und Tringo-Früchte aus dem Versorgungsdepot, und dazu sogar eine Runde Krøg-Punsch an die Besatzung. Es wurde ein einen Unterhaltungsfilm über die große Holo-Videowand im Speise- und Versammlungsraum gezeigt, aber schon am Abend hatte sich die alte, wortkarge Stimmung wieder eingeschlichen. Tüngör hatte den Nachmittag am Tisch mit Jens und Ma-Ting Coqey verbracht, seiner Gefährtin. Sie machte sich als Schiffsversorgungsoffizier SVO Sorgen: Die Nahrungsmittelproduktion der Altakolia I lief zwar gut, aber der letzte Rest der vor dreißig Annus eingelagerten heimischen Lebensmittelkonserven und Getränke ging zur Neige. Es gab Begehrlichkeiten in Bezug auf diese speziellen Feinkost-Rationen in den Depots und Tiefkühlkammern, trotz des heutigen Festbüffets.

Tüngör flog an diesem Abend mit Jenis und seiner Gefährtin nachdenklich heim. Tüngör fand seine Frau Scharla schon schlafend vor, und auch Tochter Jauke schlief in ihrer Kabine.

Tüngör hockte sich neben Scharla und versuchte zu schlafen. Doch zuviel ging ihm durch den Kopf. Diese letzten Reste originalverpackter, puntirjanischer Gewürze. Sie konnten auf der Altakolia nicht produziert werden. All diese nicht nachwachsenden Spezialitäten waren nun fast aufgebraucht. Und Reserven davon im Depot aufzufüllen, das ging natürlich erst in ein paar Annus, bei der Ankunft an den vorab im Altakolsystem eingerichteten Orbital-Depots. Das musste zu einem Engpass an Bord führen – kein lebensbedrohlicher Zustand, aber ein zu knappes Angebot. Das hatte natürlich eine Steigerung der Nachfrage zur Folge, möglicherweise ins Unermessliche – nicht nur einen Boom, sondern eine Gier. Diese Begehrlichkeiten könnten sogar den sozialen Frieden an Bord stören, da hatte Jenis Recht. Und im Zentrum dieser Begehrlichkeiten stand Güngör, sein großer, alter Stiefbruder. Er war Versorgungsdepot-Offizier, der VDO. Und er war genussfreudig, korpulent und trank gerne einen über den Durst. Tüngör sorgte sich, dass Gugay zur Zielscheibe von Kritik und Misstrauen werden könnte. Er nahm sich vor, morgen mit ihm über seinen Job als Versorgungsdepotoffizier zu reden, noch bevor SVO Ma-Ting Coqey es aus dienstlichen Gründen tun musste.

Dann döste er ein. Er träumte. Er schwebte durch die heimischen Regenwälder auf Puntirjan. Er sah Gugay, wie er unter einem Tringo-Baum saß und von einer der Früchte kostete. Einer magischen Frucht. Plötzlich verwandelte Gugay sich in seinen damaligen Widersacher, den sarkarischen Provinzgouverneur Arfazzu Aru. Er fraß alle puntirjanischen Feinkostreserven leer, die es noch im Proviantkorb gab. Dann die im Depot, in seinen Tiefkühlkammern und den Regalen. Jenis und seine Ma-Ting mussten ihn daraufhin inhaftierten. Er, Tüngör, musste Gugay-Aru bewachen. Er saß vor der Arrestzelle und schlummerte ein.

Als Tüngör wieder wach wurde, war die Arrestzelle weg. Scharla Fisca, sein Schatz, lag neben ihm. Sie schlief noch immer. Sie hatte ihren freien Tag. Es war Morgen, und sein Dienst wartete nicht. Hastig erhob er sich, zog sich an und eilte an seinen Arbeitsplatz, die Funkstation, zu der die Sensationsmeldung der Landesonde unterwegs war.

Der Komet, der einst das Eisfragment mit dem Dschersi-Modul und der Neodymschraube aus Puntirjan aufgenommen hatte, erreichte das innere Sonnensystem. Der große Gasplanet, den die Menschen Jupiter nannten, hatte ihn dorthin umgelenkt. Von der Erde aus gesehen schoss der Komet daher relativ nahe und schnell hinter der Sonne vorbei. Dabei entwickelte er einen hell leuchtenden Schweif, den man neben der hell leuchtenden Sonne jedoch nur mit viel, viel Glück entdecken konnte. Die Gase im Inneren verließen den Kometenkern, und das weniger flüchtige Material kristallisierte bei der anschließenden Abkühlung neu aus. Die Neodymschraube und das Dschersi-Modul gelangten dabei weiter in das Zentrum des Kometenkerns. Der Kern hingegen flog nicht nur hinter der Sonne vorbei – in Folge der Umlenkung durch Jupiter hatte er eine Bahn um die Sonne eingenommen, die eines Tages die Bahn der Erde kreuzen sollte. Die Erde kam ihm entgegen. Die Kollision war vorprogrammiert.

 

Der Kometenkern erhitzte sich weiter, denn er kam der Sonne näher und näher. Er geriet in Bewegung, schmolz, und die Neodymschraube wurde vom Modul wegbewegt. Das Modul kam näher an die Oberfläche des Kometenkerns und seine Solarzelle empfing etwas Sonnenlicht. Der Akku konnte elektrische Energie abgeben. Der Mikrosender gab daraufhin programmgemäß einen Funkimpuls ab, doch er verfehlte den Altakol-Späher nur um einige Hundert Kilometer und verschwand im Nichts des leeren Raumes. Das Modul im Kern des Kometen, es blieb verschollen. Der Komet raste weiter durch das Sonnensystem. Sein Schwung ließ ihn die Umlaufbahn des dritten Planeten kreuzen. Und niemand konnte erahnen, welche Katastrophen das auslösen würde.

Kapitel 4

Auf der Funkstation der Altakolia I herrschte reger Betrieb. Die Datenauswertung lief auf vollen Touren. Das Nachtteam hatte während der letzten Schlafperiode alle Quantenrechner programmiert, die neuen, von den Vorboten eingetroffenen Datenpakete aufzubereiten. Eine erste Auswertung. Ihr Ergebnis wartete darauf, auf Tüngörs Desktop angeklickt zu werden.

Als Tüngör kam, traf er auf SFmO Häga Oharam, den Schiffsfernmeldeoffizier. Er saß neben Wølknu Külkopp und Tomalchaiman Casnochmal, seinen beiden Stellvertretern. Das Trio hatte die ganze Nacht verfolgt, wie der Quantenrechner die Daten durcharbeitete. Sie waren wie im Rausch. Wølknu Külkopp flatterte aufgeregt mit den Flügeln. Casnochmal starrte aufgeregt auf sein Display, auf dem Zahlenkolonnen herunterratterten. Die Euphorie hatte ihre Müdigkeit hinweggespült, als die ersten Daten kamen. Casnochmal grüßte erregt.

„Tüngör, das ist sensationell! Schau, was da kommt!“

Tüngör wurde neugierig. Ein wenig müde flatterte er zu seiner Konsole nieder und loggte sich ein. Die vergangenen Nächte saßen ihm noch in den Knochen. Sie waren etwas kürzer gewesen. Es hatte einen feucht-fröhlichen Partyabend bei Maat Mälkem gegeben, und ein Patenonkelfest mit Jauke und seiner Scharla bei Jenis. Aber er hatte sich vom Feiern einigermaßen erholt.

„Was gibt’s denn?“, fragte er.

„Altakol-Späher 34“, japste Oharam. „Er hat … Er hat modulierte …“

Die Ergebnisdatei öffnete sich auf den Displays. Alle verstummten. Jenis wurde gerufen. Er kam sofort. Oharam rief die Datei auf. Der Text erschien. Die Informationen waren umwerfend. Oharam sprühte förmlich auf, wie ein helles Feuerwerk. Auch Tüngör strahlte plötzlich wie eine Plutoniumbatterie. Begeisterung durchströmte seinen Vogelmenschkörper, wie heiße Lava. Warmes, sauerstoffreiches Frischblut schien ihm bis selbst in die Feder- und Zehenspitzen zu fließen. Alles in ihm jubelte. Jetzt verstand er die Euphorie der Anderen. Ihr Expeditionsziel war bewaldet, wie ihre Heimat. Es hatte Bewohner. Und: sie waren intelligent. Eine Sensation. Der Beweis flimmerte vor ihren Augen: modulierte Funkwellen. Die Landesonde von Altakolspäher 34 hatte sie registriert. Es gab keinen Zweifel: Die „Sariahner“ nutzten Funkverkehr zur Übertragung von Informationen. Sie hatten eine technische Zivilisation.

Tüngör berichtete. „Die Radarsatelliten haben Sariah umrundet und aus dem Orbit gescannt. Ihre Daten zeigen an, dass es auf dem blauen Planeten schätzungsweise drei bis vier Billionen Bäume gibt, zumeist in Tundra- und Regenwaldgebieten. Überall Anzeichen einer technisierten, sariahnischen Zivilisation: geteerte Transportwege, Transportfahrzeuge zu Wasser, zu Land und in der Luft, Ballungszentren und Siedlungen, rege Berg- und Ackerbau-Aktivitäten! Und wisst ihr was? Sariah ist fast ein Doppelplanet. Ein großer Mond umrundet ihn. Unser Team hat auf seiner Rückseite Robotersonden abgesetzt. Sie haben uns dort eine neue Raumstation gebaut, die Sariarah!“

Die Entdeckung der Zivilisation auf Sariah sprach sich rum wie ein Lauffeuer. Ma-Ting Coqey erfuhr es von Jenis als Erste. Die Astroökologin war nicht nur für die künstlichen Ökosysteme an Bord zuständig. Die Chefin der Exobiologie-Station war auch Schiffsversorgungsoffzier SVO. Fassungslos starrte sie auf ihre jubelnden Bioastronomen. Es bedeutete allerdings auch den Anfang eines Abenteuers – und einer neuen, langen, sehr langen Arbeitsphase. Sie hatten noch mehrere Annus Zeit bis Sariah. Ma-Ting flog an ihr Interfunkgerät. Eilige Interfunk-Emails gingen an alle Altakolia-I-Kollegen, die die Kommunikation mit den Sonden, Satelliten und Schwesterschiffen pflegten. Eine intensive Auswertung und –analyse aller Sondendaten lag an, mehrere Annus Analysearbeit. Neugierig und mit wachsender Begeisterung ging ihr Team die Aufgaben an. Die Sariahner waren fortan unter vollautomatischer, ferngesteuerter Beobachtung. Tüngörs Sonden-Team überwachte ihre Aktivitäten, ins Besondere die abgehörten Funksignale. General Fazzuwär aktivierte seine Spionagesatelliten.

Es war stickig. Auf der Altakolia I begann die große Offiziersbesprechung. Tüngör hatte sie mit Ma-Ting Coqey zusammen organisiert. Die große Holokonferenz zur SDA-Strategieplanung (SDA für Sonden-Daten-Analyse) der Bordoffiziere begann noch zur Frühstückszeit. Schiffschefinformatiker SCInf Wølknu, Cjasa Bibos als sein Stellvertreter und SVO Ma-Ting Coqey saßen am Kopf des Tisches. Tüngör als Konferenzleiter und Fernmeldeoffizier Wølknu Külkopp als Protokollant hockten am anderen Tischende. Per Interfunk beigeschaltet waren Kapitän Jenis und mehrere Crewmitglieder der Kommunikations- und Astronavigationsteams.

Jenis begrüßte die Runde. Tüngör und SCInf Wølknu eröffneten die Sitzung. FmO Wølknu Külkopp, sein Cousin, assistierte. Tüngör und Wølknu berichteten als Zuständige von den ersten Zwischenergebnissen.

„Wahnsinn!“, zwitscherte Tüngör los.

„Ja!“, ergänzte Wølknu. „Das haut uns um!“

Er blickte auffordernd auf seinen Stellvertreter. Cjasa Bibos erhob sich.

„Ich weiß, sie alle sind neugierig auf das, was wir von Sariah erfahren haben. Doch es gilt zu planen. Noch liegt ein weiter Hinweg vor uns. Den müssen wir erst einmal meistern. Wir müssen auf dem Hinflug an den vorinstallierten Raumstationen Energie auftanken, sonst reicht es nicht bis zum Ziel. Wir müssen sammeln, was wir über Sariah und das Planetensystem wissen. Ich berichte also zunächst über die Stationen, die uns auf dem Weg dorthin erwarten“, begann er.

Es wurde ein längerer Vortrag. Er beschrieb die Körper des Planetensystems, ihre Bahnen. Tüngör deutete assistierend auf den Monitor, zeigte eine Sternkarte. Jenis schmunzelte über die Namen, die Tüngör den Himmelskörpern verpasst hatte. Vierling, Exzentriker und Arabkijan stand da.

Daniel erzählte von äußeren Zwergplaneten, von den vier Gasriesen und von deren Eismonden, die die Raumsonden ausgemacht hatten. Dann kam er auf das innere Planetensystem Altakols – die vier Gesteinsplaneten.

„Stellt euch vor: Der zweitinnerste Planet Altakols ist eine echte Treibhaus-Hölle. Hier ist vor rund zwei Milliarden Annus ein Protoplanet eingeschlagen. Er hat die Rotationsachse des Planeten nicht nur geändert, sondern ihre Richtung sogar umgekehrt. Der Treibhauseffekt hat sich auf Neu-Wemura danach so hochgeschaukelt, dass die Urozeane verdampften. Der Planet wurde komplett von Lava bedeckt. Die Gashülle enthält in Folge dessen nun über 95% Kohlendioxid. Ein gewaltiger Überdruck! Ungeheure Temperaturen! Wolken aus konzentrierter Schwefelsäure hängen am Himmel. Die Oberfläche ist so heiß, dass dort Seen von flüssigem Blei vorhanden sein könnten – hätte das Blei mit den Schwefel- und Sauerstoffverbindungen nicht zu Bleisulfat reagiert.“

„Da landen wir garantiert nicht!“, scherzte Bibos.

„Und dort im Orbit sitzen unsere Lichtkollektoren und Laserübertragungsstationen?“, fragte Casnochmal.

„Ja.“, bestätigte Oort. „Drei Übertragungsstationen stehen für die Energieversorgung ihrer Altakolia I zur Verfügung, fünf hat General Fazzuwär auf die Altakolia VII richten lassen, sieben auf die Roboterschiffe im Planetoidengürtel, ...“

„Danke, Leutnant!“, unterbrach ihn Jenis. „Was ist nun mit Sariah und seinem Mond?“

Jenis sah zu Tüngör herüber.

Tüngör berichtete. „Auch der Mond Sariahs zeigt Spuren des großen Bombardements. Er ist über und über mit Kratern bedeckt – aber, was uns am meisten überraschte, er weist überhaupt keinen Kern auf. Er ist aus dem gleichen Material wie der Planet, den er umrundet. Das kann nur eines bedeuten: Sariah ist früher ebenfalls mit einem Protoplaneten kollidiert. Der Treffer hatte einen so flachen Winkel, dass er einen Großteil der Kruste Sariahs in eine Planetenumlaufbahn geschleudert hat. Hieraus hat sich der Mond gebildet. Gewissermaßen umkreist nun ein Teil der Sariah-Kruste seinen Mutter-Planeten. Sariah selbst hat durch einschlagende Kometen und Asteroiden sein Wasser erhalten. Und organisches Material. Weil er in der bewohnbaren Zone liegt, wurde er zur Brutstätte für pflanzliches Leben und hat durch Photosynthese eine Sauerstoffatmosphäre aufgebaut.“

„Wir brennen darauf, erste sariahnische Boden- und Wasserproben von den Sonden zu erhalten“, rief Ma-Ting Coqey begeistert.

„Nicht nur ihr“, schmunzelte Jenis über ihre Begeisterung, und er berichtete über Pläne seines Teams. Denn auch die Astronavigatoren und Raumstationsbau-Strategen waren begeistert: Die Sonden hatten den Bau und zum Teil schon die baldige Fertigstellung weiterer Raumkolonien gemeldet – auf der Rückseite des Mondes von Sariah, auf mehreren Planetoiden, dem roten Planeten und einigen Eismonden der Gasriesen.

Daniel meldete sich.

„Da ist auch der größte Mond im Altakolsystem - viel Wassereis und ein eigenes Magnetfeld, fast wie die Planeten! Wäre der nicht auch ein weiterer optimaler Zielort für ein planetares Habitat oder einen Militärstützpunkt?“

Sofort wurden Baupläne diskutiert und Prioritäten gesetzt. Vier Eismondozeane standen zur Verfügung. Raumbasen ließen sich auf unzählige Planetoiden konstruieren, und dem roten Planeten. Sariah aber war und blieb der erhoffte Zwilling Puntirjans: Eine friedliche, zivilisierte Welt, umkreist von einem großen Mond. Ein neues Zuhause.

Leonid Alexejewitsch Kulik war ein echter Russe. Er kannte die Kälte. Er hatte sie im russisch-japanischen Krieg kennengelernt – auch die volle Härte der Gewalt. Endlich war sein Dienst in der russischen Armee beendet. Er wollte Abstand gewinnen von all den Kriegserlebnissen, und er wollte den Abstand radikal. Er hatte sogar schon einmal daran gedacht, sich den Revolutionären anzuschließen, von deren Aktivitäten er über ehemalige Studienkollegen gehört hatte. Aber er scheute davor zurück. So wurde er Ausbilder für Mineralogie in Tomsk.

Vladimir Komarow, sein Gönner und ehemals Generalinspekteur, war inzwischen frühpensioniert und nebenbei zum Fellhändler geworden. Er bereiste Sibirien mit der Transsibirischen Eisenbahn, kaufte als wohlhabender Pensionär Felle der Jäger und Nomaden auf und verkaufte sie in Moskau an die feinere Gesellschaft. Eigentlich wollte er in jenem Jahr 1908 sein Handelshaus in Moskau errichten, doch dann trat er doch noch seine Handelsreise an in die sibirische Taiga an, um sein Lager aufzufüllen.

Vladimir machte sich also auf den Weg in die Taiga. Oleg Okalakulak, sein Handelspartner im Gouvernement Jenissejsk hatte ihm geschrieben, er habe einige Hundert Felle von den nomadischen Jägern der Ewenken erworben – eine Riesenchance!

Es war der 30. Juni des Jahres 1908. Schleppend langsam näherte sich der Zug der Podkamennaja Tunguska im Siedlungsgebiet der Ewenken im Gouvernement Jenissejsk. Noch etwa fünfhundert Kilometer, und er würde die Station erreichen, die Handelssiedlung Wanawara, an der Oleg ihn in Empfang nehmen würde – wie immer mit frisch gebranntem Wodka.

 

Vladimir hatte sich gerade vom Schlafwagen in den Speisewagen begeben. Müde sah er in den Morgenhimmel. Plötzlich blendete ihn ein heller Feuerschein über den Wipfeln der Bäume. Er erfasste den gesamten Himmel, hell wie ein Blitzlicht. Die Transsibirische Eisenbahn schien aus den Gleisen geschüttelt zu werden. Eine Druckwelle raste über die Baumwipfel. Vladimir hörte mehrere Male ein lautes Donnergrollen. Bäume knickten um. Der Zug vollführte eine Notbremsung.

Was war das?“, fragte Vladimir.

Ich weiß es nicht? Ein Donner? Eine Bombe?“ sagte ein älterer Mann gegenüber, als er sich vom Boden erhob.

Neben ihm erhob sich ein altes Bäuerchen.

Gott zürnt unserem Volk!“, sagte er, „Wir sollten den Zaren als Herrscher von Gottes Gnaden akzeptieren!“

Schweig still, Pavel!“, herrschte ihn eine Frau neben ihm an – oder war es seine Tochter? „Siehst Du nicht? Der feine Herr hat den Eisenbahnschaffner eine Frage gestellt – nicht dir!“

Der Schaffner der transsibirischen Eisenbahn stierte ratlos ins Leere. Es war unklar, ob er bei der Notbremsung auf den Kopf gefallen war oder ob es der Wodka war, den er vor der Notbremsung zu sich genommen hatte. Er starrte kreidebleich aus dem Fenster, in die Weiten der Taiga.

Heiliger Johannes Chrysostomos! So etwas habe ich noch nie gesehen!“, murmelte er plötzlich in seinen Bart. Dann rappelte er sich auf, verließ das Abteil und kämpfte sich zur Lokomotive durch. Er wollte den Lokomotivführer fragen, ob er die Notbremse lösen und den Zug wieder in Gang bringen könnte.

Eine Viertelstunde später fuhren sie wieder, und als sie an Wanawara ankamen, staunten sie nicht schlecht. Dutzende Fenster und Türen waren eingedrückt, Bäume umgeknickt, und alle Reisenden der transsibirischen Eisenbahn hatten den Feuerschein bemerkt, das Donnergeräusch und die Druckwelle – egal aus welcher Himmelsrichtung sie herbeigereist waren, selbst in einer Entfernung von über 500 Kilometern. Überall in der Tunguska. Später hieß es, in einem Gebiet von über 2000 km² seien rund 60 Millionen Bäume umgeworfen worden. In dem ukrainischen Dorf Kargalyk in der Umgebung von Kiew, so hörte Vladimir später, sei zwar ein Meteoritenfall beobachtet worden – doch das in der Tunguska konnte kein Meteorit gewesen sein. Und auch ein Vulkankrater in der Tunguska wurde niemals entdeckt.

Auch in den Anden ging an diesem Tag ein Meteorit nieder. Einige Eingeborene sahen ihn vom Himmel fallen. Es war ein Bruchstück, das sich vom Kometen abgetrennt hatte. Es war nicht in der Tunguska niedergegangen – es war Richtung Südamerika getorkelt. Es enthielt einen kleinen, außerirdischen Sender. Er überstand die harte Landung. Er aktivierte sich noch kurz, gab ein Funksignal ab und ging dann auf stand-by-Betrieb. Seine Zeit war noch nicht gekommen.

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