Die Teton-Sioux

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Die Teton-Sioux
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Michael Franzen

Die Teton-Sioux

Ein Volk kämpft!

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Lewis und Clark

Die Dakota

Der Aufstand der Santee

Massaker am Sand Creek

Der Powder-Feldzug

Der Krieg des Red Cloud

Der Raub der Black Hills

Die Schlacht am Little Bighorn

Flucht und Vertreibung

Heimatlos

Die wildesten Reiter der Welt

Tanz der Geister

Bibliografie

Bereits erschienen

Impressum neobooks

Vorwort

Am 25. Juni 1876 kam es am Little Bighorn River im schroffen Hügelland Südostmontanas zu einer folgenschweren Auseinandersetzung zwischen der 7. US-Kavallerie und den Stämmen der Teton-Sioux, Cheyenne und Arapahoe, an dessen Ende 14 Offiziere, 247 Kavalleristen, ein Assistenzarzt, fünf Zivilisten und drei Indianerkundschafter getötet sowie 53 weitere Soldaten verwundet worden waren. Das prominenteste Opfer dieses Gefechtes war der Lieutenant Colonel Brevet Major General George Armstrong Custer, der mit seinem Tod zugleich zu einer unsterblichen Berühmtheit emporstilisiert werden sollte.

War dieses Gefecht am Bighorn eher nur eine Fußnote in der Geschichte der großen weltpolitischen Schlachten gewesen, so bedeutete sie für die daran beteiligten Indianer einen letzten großen Sieg, aber auch einen Wendepunkt in ihrem Leben als freie Prärieindianer, denn gerade mal ein Jahr und zahlreiche Gefechte später, war Custers Tod von der Armee gerächt worden, während die einstmals stolzen Krieger der Plains in den Reservaten des Weißen Mannes einem ungewissen Schicksal entgegensahen, wobei sie sich bemühten, sich ihre indianische Identität zu bewahren, um als Volk überleben zu können - ein Zustand, der bis in die heutige Zeit hinein anhält.

Dieses Buch will sich nachfolgend mit der Geschichte der Teton-Sioux beschäftigen, die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur stärksten Reiternation auf den zentralen Plains Nordamerikas etablieren sollten, wobei der letzte Freiheitskampf dieses Volkes chronologisch nachgezeichnet werden soll.

Ich möchte Sie, die Leser und die Leserinnen dieser Zeilen daher mit auf eine Reise in die Vergangenheit nehmen, die dort beginnt, wo die ersten Weißen sich anschickten, den Westen der Vereinigten Staaten zu erforschen.

Neumünster, im April 2017

der Autor

Lewis und Clark

Unter dem Druck von Napoleon Bonaparte (1769-1821) musste Spanien im Geheimvertrag von San Ildefonso, das im Jahre 1763 zugesprochene Französisch-Louisiana in Nordamerika an Frankreich zurückgeben. Im Gegenzug erhielt der Schwiegersohn des spanischen Königs Karl IV und damalige Herzog von Parma das Königreich Etrusien zugesprochen, was in etwa der heutigen Toscana entsprach. Das Louisianagebiet selber verblieb dabei zunächst weiter unter spanischer Verwaltung.

Nach Abschluss des Vertrages, am 01. Oktober 1800, dessen Inhalt den Amerikanern erst Anfang 1802 bekannt werden sollte, mehrten sich die Gerüchte, dass der freie Warenverkehr auf dem Mississippi behindert werden könnte, eine Einschätzung, die am 18. Oktober 1802 zur bitteren Realität wurde, nachdem der spanische Stadthalter von New Orleans eigenmächtig eine langjährige Vereinbarung aufkündigte, wonach amerikanische Schiffe ihre Ladung fortan nicht mehr in New Orleans löschen durften.

Schnell wurde diese unerfreuliche Nachricht von Mund zu Mund, von Siedlung zu Siedlung und von Stadt zu Stadt weiter den Mississippi und seiner Nebenflüsse hinaufgetragen, bis sie schließlich in der Hauptstadt Washington angekommen war und dort Gehör bei Präsident Thomas Jefferson (1763-1826) fand, der als dritter US-Präsident ins Weiße Haus gewählt worden war, um die noch junge Nation in eine hoffnungsvolle Zukunft zu führen.

Amerikas wirtschaftliche Interessen und damit verbunden die finanzielle Existenz von rund einer halben Million Siedler und Händler im Einzugsgebiet des Mississippi waren bedroht und bei manchen Kongressabgeordneten wurde die Forderung laut, die reguläre Armee von 3.000 auf 50.000 Mann zu erhöhen, um New Orleans mit Waffengewalt einzunehmen. Notfalls müssten sich die Vereinigten Staaten:

„(...) mit der englischen Flotte vermählen, um von New Orleans Besitz zu ergreifen",

war ihre politische Forderung gewesen.

Jefferson, der die politische Ansicht vertrat, dass es anderen Nationen nicht gestattet werden durfte, ihre Herrschaftsbereiche auf Nordamerika hin auszuweiten, war jedoch an einer friedlichen Lösung interessiert und so beauftragte er seinen Gesandten in Paris Robert R. (Robert) Livingstone (1746-1813), mit der französischen Regierung in Verhandlung zu treten, um New Orleans eventuell käuflich zu erwerben oder auf Garantien zu bestehen, damit der Mississippi für den Schiffsverkehr offen blieb. Livingstones Verhandlungspartner waren Napoleons Finanzminister Francois Barbé-Marbois (1745-1837) sowie der Außenminister Charles Maurice Talleyrand (1754-1838).

Die Verhandlungen liefen zunächst nur schleppend an. Napoleon forderte einen Kaufpreis von 100 Millionen Franc, doch zugleich stellte Talleyrand dem schwerhörigen Livingstone am 11. April 1803 auch die Frage, was die Amerikaner gegebenenfalls für das gesamte Louisianagebiet zu zahlen bereit wären? Ein einmaliges Angebot und Eile war geboten, zudem Jefferson zwischenzeitlich auch seinen Außenminister James Monroe (1758-1831) nach Paris entsandt hatte, um den Verhandlungen mehr Gewicht beizumessen. Die Forderung der Franzosen belief sich am Ende auf 80 Millionen Franc oder umgerechnet 15 Millionen Dollar und als Monroe in Paris eintraf, hatte Livingstone die Vorverhandlungen bereits am 27. April abgeschlossen. Am Samstag, dem 30. April 1803, unterzeichneten die beiden Amerikaner und Barbé-Marbois den Vertrag, der als Louisiana-Purchase in die Geschichte eingehen sollte, auch wenn Livingstone und Monroe ein hohes persönliches Risiko eingegangen waren, da sie Jeffersons Vorgabe von zwei Millionen Dollar bei weitem überschritten hatten. Der Vertrag selber indes verdoppelte das Staatsgebiet der USA um satte 2,14 Millionen km², wenngleich die genauen Grenzen zu den Einflussgebieten Spaniens und Englands noch nicht so richtig ausgelotet gewesen waren. Sie reichten im Süden bis hin zum Golf. Im Osten markierte der Mississippi die Grenze, im Norden die heutigen Staaten Montana, Minnesota und North Dakota und im Westen die heutigen US-Bundesstaaten New Mexiko, Colorado, Wyoming und Idaho, wobei die westliche Grenze nicht eindeutig markiert gewesen war und erst in den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten endgültig festgelegt werden sollte.

Nachdem der Vertrag am 17. Oktober 1803 vom Senat ratifiziert worden war, ging man als Nächstes daran, das neue Gebiet aufzuteilen, wobei das heutige Louisiana als Orleans-Territorium und der restliche Teil als District of Louisiana deklariert wurde. Ferner beschloss man, das neue Gebiet zu erforschen und auch in dieser Hinsicht war Jefferson seinen Mitmenschen einen Schritt voraus gewesen, denn bereits Anfang 1803 hatte er den Kongress um die Finanzierung einer Expedition in den Westen gebeten, wobei er es für ratsam gehalten hatte, einen schiffbaren Wasserweg zum Pazifik hin zu finden, die Region zu katalogisieren und die dort lebenden Indianerstämme zu studieren. Dieses Unternehmen, so schloss er weiter:

„(...) könnten intelligente Offiziere mit zehn oder zwölf ausgesuchten Männern meistern, um das Land bis zum westlichen Ozean hin zu erkunden.“

Die Kosten für solch eine transkontinentale Expedition veranschlagte er dabei auf gerade mal geringen 2.500 US-Dollar, wobei sich die tatsächlichen Kosten später auf die astronomisch hohe Summe von 38.722,25 Dollar belief, ohne dass man im Vorwege abzuschätzen vermochte, was sie am Ende für einen Nutzen bringen würde. Am 04. Juli 1803 machte Jefferson seinen Freund Meriwether Lewis zum Leiter seines „Corps of Discovery.

Meriwether Lewis wurde am 18. August 1774 in der Ortschaft Ivy im Abermale County, Virginia als zweites Kind seiner Eltern William Lewis und Lucy Meriwether Lewis geboren. Im Alter von zehn Jahren zog die Familie nach Georgia, doch als Meriwether 13 Jahre alt geworden war, wurde er zurück nach Virginia geschickt, wo er von Privatlehrern unterrichtet wurde. Danach ging er zum Militär, wo er im August 1794 u. a. an der Unterdrückung der sogenannten „Whiskey-Rebellion“ beteiligt gewesen war, bei der die Siedler im Monongahela-Tal, im Westen Pennsylvanias gegen die Alkoholsteuer der Bundesregierung „zu Felde gezogen“ waren. Zudem führte mit George Washington zum einzigen Male ein Präsident persönlich Truppen im Feld an. Am Ende wurde alles unblutig beigelegt und Lewis wurde 1801 der Privatsekretär von Präsident Jefferson. Während dieser Zeit war er eng an der Planung und Vorbereitung der Forschungsexpedition beteiligt gewesen. So schickte Jefferson ihn nach Philadelphia, wo er in medizinischen Dingen, dem Zeichnen von Landkarten, im Umgang mit nautischen Geräten u. a. Fertigkeiten geschult wurde. In Pittsburg gab Lewis den Bau eines Kielbootes und zwei Pirogen in Auftrag und erwählte daneben William Clark als seinen gleichberechtigten Partner für die Dauer der Expedition.

 

William Clark wurde als neuntes von zehn Kindern seiner Eltern John Clark III und Ann Rogers Clark am 01. August 1770 in Ladysmith, Caroline County, Virginia geboren und ging, wie schon sein Bruder George vor ihm, zur Armee, wo er 1792 zum Leutnant ernannt worden war. Unter General Anthony Wayne (1745-1796) nahm er u. a. an der Schlacht von Fallen Timbers teil und auch Meriwether Lewis sollte eine Weile lang unter seinem Kommando dienen. 1796 verließ Clark die Armee und verbrachte die nachfolgende Zeit auf Reisen und auf seinem Anwesen in Louisville, Kentucky. Als Lewis ihn fragte, ob er ihn auf seiner Expedition begleiten wolle, stimmte er zu.

Bald begannen die Offiziere, geeignete Kandidaten für die Expedition zu mustern. Es wurden unverheiratete, gesunde, ausdauernde und stämmige Männer gesucht, die darüber hinaus auch gute Jäger waren. Neben den Soldaten wurden auch Zivilisten als Dolmetscher und Hilfskräfte angeheuert. Die spätere Begleitmannschaft der beiden Leutnants bestand am Ende schließlich aus 26 erfahrenen Grenzern, sowie Clarks schwarzen Diener Benjamin York, der die Reise zum Pazifik hin mitmachen durfte. Zu diesen Männern gesellten sich ferner noch 17 Soldaten, deren Aufgabe es war, die Disziplin an Bord der Boote aufrechtzuerhalten und eventuelle Gefahrensituationen abzuwehren. Als schließlich alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, begann die lange Reise nach dem Westen. Mit einem 18 m langen Kielboot, das einen geringen Tiefgang besaß sowie zwei Pirogen, Vorräten, Geschenken und Handelswaren für die Indianer, auf die man unterwegs treffen würde, sowie bewaffnet mit dem neuesten Gewehr „Modell 1803“ verließ die Expedition am 14. Mai 1804 ihren Liegeplatz Camp Dubois (Camp Wood), nördlich von St. Louis in Illinois und segelte den Missouri River hinauf.

Laut den Tagebuchaufzeichnungen war die Fahrt den Fluss hinauf nicht immer einfach für die Teilnehmer gewesen. Der Sommer war extrem feucht und heiß in jenem Jahr gewesen, sodass Myriaden von Stechmücken den Fluss bevölkerten, die die Männer quälten und piesackten. Dunkle Gewitterwolken zogen auf und wahre Wolkenbrüche gingen auf die Männer hernieder, die trotzdem frohen Mutes gewesen waren. So oft es möglich gewesen war, ging Lewis an Land, wo er zu Fuß die Pflanzen und Tiere studierte, während Clark die Mannschaft auf den Booten kommandierte und Landkarten von dem Gebiet anfertigte. Am 25. Mai passierte die kleine Flottille die französische Niederlassung La Charette, die zu jener Zeit letzte Siedlung von Weißen am Missouri.

Am 21. Juli erreichte die Expedition den Zusammenfluss des Platte in den Missouri River und am 03. August kam es nahe der heutigen Stadt Council Bluffs in Iowa zu einer Konferenz mit den Stämmen der Missoura, Omaha und Oto, die von gegenseitiger Freundschaft geprägt gewesen war. Lewis und Clark erfuhren dabei auch, dass sie demnächst durch das Gebiet der Teton-Sioux fahren würden, eine Indianergruppe, die den Missouri River nach dem Westen hin überschritten hatte und die als kriegerisch und gefährlich einzustufen gewesen war. Die Omaha als auch andere am Missouri beheimatete Stämme waren von den Teton aus ihrem angestammten Land vertrieben worden und hegten von nun an eine erbitterte Feindschaft zu ihnen. Die beiden Leutnants nahmen diese wichtige Information dankbar zur Kenntnis und am Ende der Beratungen übergaben sie den versammelten Häuptlingen noch einige bronzene Medaillen, auf deren Vorderseite das Konterfei des Präsidenten und auf deren Rückseite die amerikanische Fahne zusammen mit einem Adler abgebildet gewesen waren. Danach schied man in Freundschaft und die Expedition begann weiter den Fluss hinaufzufahren. Am 20. August hatten die Männer ihren ersten Toten zu beklagen. Nicht etwa durch den Pfeil eines feindlich gesinnten Teton kam Sergeant Charles Floyd ums Leben, sondern der Grund seines irdischen Dahinscheidens war eine schlichte Blinddarmentzündung, die für ihn in der Wildnis am Ende tödlich endete. Er wurde von den Männern an Land gebracht und dort mit militärischen Ehren in fremder Erde beigesetzt. Um es vorweg zu nehmen, Sergeant Floyd sollte der einzige Tote der Expedition bleiben, was aufgrund der Dauer und der Beschwerlichkeit der Reise zum Pazifik und wieder zurück fast wie ein kleines Wunder anmuten sollte.

Am 04. September erreichten Lewis und Clark die Mündung des Rapid Water River im heutigen Nebraska in dessen Nähe das Volk der Ponca-Indianer beheimatet gewesen war. Ende September erreichte man das schon besagte Gebiet der Teton-Sioux und von diesem Zeitpunkt an herrschte eine erhöhte Wachsamkeit an Bord der Boote. Am 24. September gingen Lewis und Clark am Zusammenfluss des Teton- und Missouri Rivers vor Anker, um die Ankunft der Indianer entgegenzusehen, die die Flottille der Amerikaner bereits seit geraumer Zeit beobachtet hatten. Lange brauchten sie sich nicht in Geduld zu üben, denn bereits am nächsten Tag erschienen ca. 50 Sioux, angeführt von mehreren Häuptlingen und indianischen Würdenträgern am Liegeplatz. William Clark begrüßte die Häuptlinge, übergab ihnen einige der mitgeführten Geschenke und lud sie anschließend dazu ein, an Bord des Kielbootes zu kommen, um dort beiderseitige Verhandlungen bezüglich der Durchfahrtsrechte durch das Gebiet der Sioux zu führen. Allerdings verliefen diese Gespräche dann alles andere als erwünscht. Die Häuptlinge, allen voran Schwarzer Büffelstier (Tatanka Sapa) verhielten sich derart unkooperativ, dass Clark nach drei Stunden erst einmal genug von ihnen hatte und sie wieder zurück an Land bringen ließ. Dort angekommen, wollten die ihrerseits wütenden Sioux Clark nicht wieder zurück an Bord lassen, darüber hinaus forderte Black Buffalo auch noch eine der Pirogen samt Ladung als angemessenen Wegzoll, ein mehr als üppiger Preis, den Clark natürlich ablehnte. Schließlich drohte die brenzlige Situation zu eskalieren, wobei sich die Soldaten und die Sioux mit dem Säbel bzw. Pfeil und Bogen gegenüberstanden. Clark selber war die Ruhe selbst und ließ sich überhaupt nicht einschüchtern. Mit einem gezogenen Säbel in der Hand machte er den Sioux gegenüber glaubhaft, dass er:

„(…) an Bord mehr Medizin habe, als er benötige, um 20 Nationen, wie die der Sioux, an einem Tage von der Erde zu vertilgen“,

womit er auf die schwenkbare Kanone am Bug des Kielbootes anspielte. Tatsächlich schien das Eindruck auf die Häuptlinge gemacht zu haben. Sie gaben ihre feindliche Haltung gegenüber den Weißen zunächst auf, woraufhin sie William Clark wieder zurück an Bord brachte. Die Segel wurden gesetzt und man fuhr weiter ein Stück den Missouri hinauf, um einen günstigeren Ankerplatz zu finden. Black Buffalo beharrte jedoch darauf, die Nacht über an Bord des Kielbootes verbringen zu dürfen, als kleines „Schmerzensgeld“ sozusagen. Clark zögerte aus verständlichen Gründen heraus, doch Lewis, der pragmatischer dachte, war der Meinung, den Häuptling über Nacht an Bord zu behalten, wäre vielleicht eine versöhnliche Geste. Clark blieb weiterhin skeptisch und misstraute seinem indianischen Gast, doch am Ende ließ er sich von Lewis überzeugen und gab dem Ganzen seinen Segen. Und während Black Buffalo am Abend über diese merkwürdigen weißen Männer nachdachte und Lewis seine Tagebuchaufzeichnungen vervollständigte, bevor er sich auf sein Nachtlager bettete, hatte der nervöse Clark eine relativ unruhige Nacht vor sich.

Am nächsten Morgen immerhin schien Black Buffalo sehr viel umgänglicher gewesen zu sein, während Lewis und Clark ein weiteres Stück den Fluss hinauf segelten, und zwar bis zu einer Stelle, wo sich inzwischen eine große Anzahl Tetons versammelt hatte, um die Ankunft ihrer Stammesführer und der fremdartigen weißen Männer abzuwarten. Nachdem die Flotte vor Anker gegangen war, wurden Lewis und Clark in das Tipidorf der Indianer gebracht, wo man mehrere Hunde schlachtete, die gekocht als Festmahl zu Ehren der Weißen dargereicht wurden. Am Abend wurden sie mit indianischer Musik und Tanz unterhalten, bevor man wieder zurück an Bord ging, im Schlepptau zwei weitere Häuptlinge, die ebenfalls die Nacht über dort verbrachten. Ein erster Schritt, freundschaftliche Kontakte mit dieser Indianergruppe zu knüpfen, war damit getan, auch wenn das bei dem kriegerischen Erscheinungsbild der Teton eine höchst unsichere Sache zu sein schien.

Am darauffolgenden Tag, dem 27. September, begab sich zunächst Lewis wieder in das Zeltdorf, um sich dort Notizen über das Lagerleben der Teton zu machen. Am Abend wurde seitens der Indianer ein großes Fest veranstaltet, bei dem diese ihren Sieg bei einem vorangegangenen Kriegszug gegen die Omaha feierten, bei dem an die 75 gegnerischen Krieger getötet und weitere 25 Frauen und Kinder gefangen genommen worden waren. Als Mitternacht vorbei war, gingen die Weißen wieder zurück zum Fluss, um am nächsten Morgen Vorbereitungen für die Abreise zu treffen. Am 28. September drängten die beiden Offiziere zum Aufbruch und als man die Abschiedsworte am Flussufer wechselte, fiel Black Buffalo gerade noch rechtzeitig ein, dass die Sache mit dem Wegzoll ja noch nicht so richtig geklärt gewesen war. Während einige der Teton dass Haltetau des Flussbootes festhielten, verhandelten beide Seiten verbissen miteinander, und zwar solange, bis die beiden Leutnants sich bereit dazu erklärten, den Häuptlingen zu den bereits geschenkten Waren auch noch eine Rolle Tabak zu überlassen, um den Frieden zu wahren. Die Teton waren damit am Ende zufrieden gewesen und wandten sich in würdevoller Haltung wieder zurück in ihr Dorf. Lewis und Clark gaben nun den Befehl zum Segelsetzen und unter einer leichten Brise fuhren die Männer, erleichtert über den glücklichen Ausgang ihres zurückliegenden Abenteuers, weiter den Fluss hinauf.

Damit endete das erste Zusammentreffen der Amerikaner mit den Teton-Sioux, jenem Volk, mit der wir uns im weiteren Verlaufe dieses Buches natürlich noch intensiver beschäftigen werden und von dem Lewis später in seinem Tagebuch schreiben sollte, dass sie (die Sioux):

„(...) die gemeinsten Schurken unter den Wilden seien.“

Nach dem Zusammentreffen mit den Tetons, erreichte die Expedition am 07. Oktober 1804 das erste der Dörfer der am Missouri lebenden Arikara-Indianer (auch: Ree oder Recaree), die sich dereinst von den Pawnee abgespalten hatten und dabei stetig weiter nach dem Norden, nach Dakota, gewandert waren, wo sie schließlich sesshaft geworden waren. Durch ihre Tradition, zwei aufrechte Wapiti-Hörner in ihrem Haar zu tragen, waren sie im englischen auch als "Elk People" bekannt gewesen. Wie auch die Pawnee gehörten sie der Caddo-Sprachgruppe an und lebten in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Mandan, Hidatsa und nun auch den Teton-Sioux, mit denen sie aber lediglich eine tiefe Feindschaft verband. Der Expedition der Weißen gegenüber verhielten sie sich jedoch überaus freundschaftlich, wobei sie den Amerikanern großzügig noch etwas Mais u. a. Nahrungsmittel für ihre Weiterfahrt schenkten.

Das erste der Mandandörfer erreichten Lewis und Clark am 24. Oktober. Dabei wurden sie von dem hellhäutigen Häuptling Shahaka, der bei den Weißen auch als „Big White“ bekannt gewesen war, freundlich empfangen. Er bot den Weißen in einem ersten Gespräch an, sich mit einem Teil der Wintervorräte der Mandan einzudecken, ein Geschenk, was Lewis und Clark mit Freuden entgegennahmen und nachfolgend von Dorf zu Dorf zogen, um sich mit den Nahrungsmitteln zu versorgen. Auch war es an der Zeit gewesen, sich nach einem geeigneten Platz für die Errichtung eines Winterlagers umzusehen, denn erste Eisschollen trieben bereits auf dem Missouri und machten eine Weiterfahrt auf dem Fluss unmöglich. Auch die Kleidung der Männer war zerschlissen und mussten durch solche aus Tierfellen ersetzt werden. Am 02. November 1804 begannen die Männer damit, Bäume zu fällen, um ihr erstes Winterquartier, zwölf Meilen vom heutigen Ort Washburn in North Dakota entfernt, zu errichten, welches bei seiner Fertigstellung Fort Mandan getauft werden sollte. Es hatte an der Frontseite eine Holzpalisade und seitlich jeweils rechts und links eine Reihe Blockhütten als Wohngebäude, die am hinteren Ende miteinander verbunden waren, sodass Fort Mandan eine dreieckige Form aufgewiesen hatte. Während dieser Bauzeit traf dort am 04. November ein französisch-kanadischer Fallensteller namens Toussaint Charbonneau (1758-1843) ein, der bei Lewis und Clark nach einer Anstellung nachfragte. In seiner Begleitung befanden sich zwei Indianerfrauen, wovon die eine schwanger gewesen war. Charbonneau, der den Missouri befuhr und Handel mit den dort ansässigen Indianerstämmen betrieb, beherrschte französisch und einige Indianerdialekte, konnte allerdings kein Wort englisch. Jedoch konnte George Drouillard, der Dolmetscher der Expedition, französisch ins Englische übersetzen, womit Charbonneau am Ende schließlich engagiert wurde, auch wenn Lewis und Clark enttäuscht darüber gewesen waren, dass Charbonneau, die Sprache der Hidatsa, ein Volk, durch dessen Gebiet sie demnächst fahren würden, immer noch nicht beherrschte, obwohl er 30 Jahre bei ihnen gelebt hatte.

 

Das schwangere 16-jährige Indianermädchen war die Tochter eines Häuptlings der nördlichen Shoshonie-Indianer und war als 12-jähriges Mädchen von den Hidatsa von ihrem Stamm entführt worden, wobei sie später durch irgendeinen Kuhhandel in Charbonneaus Hände gefallen war. Ihr Name lautete: Tsi-ki-wa-wi oder Sacajawea = „Vogelfrau“, das andere Indianermädchen hieß „Otter-frau.“ Sacajawea fasste schnell Vertrauen zu den beiden Leutnants, insbesondere zu dem fröhlichen Clark, der ihr später den Kosenamen „Janey“ geben sollte. Bei mehreren Gesprächen mit ihr, erfuhren die beiden Männer dann auch, dass sie den Missouri nur bis zu einer bestimmten Stelle befahren könnten, danach bräuchten sie Pferde, um die Rocky Mountains nach dem Westen hin überqueren zu können. Pferde, die sie bei ihrem Volk, den Shoshonie, einhandeln könnten. Die beiden Weißen erkannten rasch, dass sich Sacajawea bei dem noch ausstehenden Pferdehandel bei ihrem Volk als noch weitaus nützlicher als ihr Ehemann Charbonneau erweisen könnte, der, wie Clark später in seinem Tagebuch notierte:

„(...) ein fauler Schurke zu sein schien.“

Am Ende schließlich konnten sie die Shoshonin dazu überreden, sich der Expedition der Weißen anzuschließen, auch wenn man ihren „faulen Ehemann“ sozusagen als „zweite Wahl“ mit auf die weitere Reise nehmen musste.

Am 24. Dezember waren die Bauarbeiten an Fort Mandan fertiggestellt und am 25. wurde das Sternenbanner gehisst, während Clark jedem der Männer im Verlaufe des Tages drei Becher mit Branntwein ausschenken ließ. Am 11. Februar 1805 durfte sich Lewis als Geburtshelfer betätigen, denn Sacajawea bekam ihr Kind, und zwar ihr erstes, wie Clark später in seinem Tagebuch vermerkte. Es war ein Junge und wurde von Charbonneau auf den Namen Jean Baptiste getauft. Von den Männern der Expedition bekam das lebhafte Kind jedoch den Spitznamen „Little Pomp“ bzw. „Pompey“ und es war bei jedem der Expeditionsteilnehmer beliebt gewesen.

Den Winter über ging es friedlich im Lager zu. Zusammen mit den Mandan ging man auf die Bisonjagd, wobei die Weißen aber lediglich die Büffelzungen verzehrten. Neue Kanus wurden angefertigt, Kleidungsstücke und Mokassins geschneidert und auch Feste wurden zusammen gefeiert, auf denen Peter Cruzatte die Geige spielte und York dazu tanzte, während die Indianer ihre Stammestänze aufführten. Als der Frühling herangebrochen und das Eis auf dem Missouri geschmolzen war, begann man Vorbereitungen zu treffen, um die zwangsweise unterbrochene Fahrt auf dem Fluss weiter fortzusetzen. Dieses geschah schließlich mit 33 Personen am 07. April, wobei das Kielboot mit einigen Männern zurückgelassen wurde. Es kehrte nach St. Louis zurück und mit an Bord befanden sich neun Kisten mit Fundstücken verschiedenster Art sowie angefertigte Landkarten, die für Präsident Jefferson bestimmt gewesen waren. Clark dazu in seinem Tagebuch:

Fort Mandan, 07. April 1805

Heute um vier Uhr Nachmittag fährt das Kielboot mit sechs Soldaten, zwei Franzosen und einem Indianer, alle unter dem Kommando eines Korporals, der für die Weiterleitung unserer Berichte verantwortlich ist, in Begleitung eines Kanus mit zwei Franzosen von hier weg und flussabwärts nach St. Louis. Gleichzeitig beginnen wir, mit zwei Pirogen und sechs Kanus die Reise flussaufwärts.“

O´Dell, „ABENTEUER AM MISSOURI“, S.78

Nach einer relativ ruhigen Fahrt den Missouri hinauf, kam es am 14. Mai zu einem Unglück, als eine der Pirogen von einer Windböe erfasst wurde, während am Ruder der (wie Lewis später in seinem Tagebuch vermerkte):

(...)„wohl furchtsamste Boots- und Rudermann der Welt“,

nämlich Charbonneau höchstpersönlich stand. Anstatt die Segel einzuholen und das Ruder in die Hand zu nehmen, fing er an zu beten, während die Piroge begann, sich bedenklich zur Seite zu neigen und voll Wasser zu laufen. Schließlich nahm Peter Cruzatte beherzt das Steuerruder in die Hand und sich kaum über Wasser haltend, schafften sie es gerade mal zurück an Land zu kommen, wo Charbonneau kurzerhand das „Steuermannspatent“ aberkannt wurde. Anzumerken wäre noch, dass Sacajawea sofort von Bord der Piroge gesprungen war und einige wichtige Dinge, die in die Fluten des Flusses gespült worden waren, durch ihr beherztes Eingreifen retten konnte. Darunter befanden sich auch Clarks Tagebuch und Kompass. Andere Dinge wie Schießpulver, Mehl, Medikamente sowie Handelswaren für die Indianer, waren hingegen unwiderruflich verloren gegangen. Das galt auch für den Großteil des getrockneten Fleisches, sodass Lewis nachfolgend Gruppen von Männern auf der Jagd nach Wild an Land setzen musste, um die Verluste wieder auszugleichen.

Am 25. April erreichte die Expedition den Yellowstone River, zwei Tage später das Gebiet des heutigen Montanas. Am 03. Juni erreichte man die Mündung des Marias River, wo das Camp Deposit errichtet wurde. Am 13. Juni erreichten die Männer die Great Falls Wasserfälle und ab dem 15. Juni waren sie damit beschäftigt, die Boote und die Ausrüstung 19 km über Land zu transportieren, um die fünf tosenden Wasserfälle, verbunden mit gefährlichen Stromschnellen zu umgehen. Die Truppe litt an Furunkeln und der Amöbenruhr und auch Sacajawea erkrankte so schwer, dass man sie zu den nahegelegenen heißen Schwefelquellen brachte, die schließlich für eine Gesundung der Shoshonin sorgten. Zu alledem tagte am 29. Juni schließlich auch noch ein Kriegsgericht, dass die beiden Soldaten Collins und Hall zu 100 bzw. 50 Peitschenhieben auf dem Rücken verurteilte, da die beiden Männer sich verbotenerweise an einem Whiskeyfass zu schaffen gemacht hatten.

Am 16. Juli wurden die Boote oberhalb der Fälle wieder zu Wasser gelassen und dann konnten die Männer ihre Fahrt in ruhigen Gewässern weiter fortsetzen. Knappe zwei Wochen später erreichte man jene Stelle, wo sich der Missouri in drei gleichgroße Flussarme aufteilte. Lewis und Clark beschlossen nach eingehender Beratung, dem nördlichsten der drei Flussläufe zu folgen, der zu Ehren des amtierenden Präsidenten, Jefferson River getauft wurde. Der mittlere und südliche Flussarm wurden in Madison- bzw. Gallatin River umgetauft, nach dem Außen- sowie Finanzminister der USA. Mittlerweile hatte die Expedition das Gebiet der Shoshonie oder Schlangen-Indianer erreicht, wobei Sacajawea aufgeregt einige Landpunkte wiedererkannte, darunter auch einen rundlich geformten Felsen, der von den Indianern „Biberkopf-Felsen“ (Beaverhead Mountain) genannt wurde. Am 17. August kam es zu einem ersten Zusammentreffen mit einem Jagdtrupp der Shoshonie, dem sich Lewis mit einem über dem Kopf gehaltenen Sternenbanner näherte, um so seine friedlichen Absichten kundzutun. Es waren Krieger aus dem Dorf, in dem Sacajaweas Bruder Cameawait mittlerweile Häuptling geworden war. Zunächst hatten die Indianer geglaubt, dass es die fremdartigen Weißen auf eine Gruppe Squaws ihres Dorfes abgesehen hatten, auf die Lewis mit seiner Gruppe Männer bei seinem Landgang überraschend gestoßen waren. Allerdings klärte Sacajawea die Sache schnell auf, woraufhin die Weißen in das Dorf der Indianer geführt worden waren. Nach den vielen Jahren der Trennung sah Sacajawea dort zum ersten Mal ihren Bruder wieder und die Wiedersehensfreude war recht rührselig, wie Clark später in sein Tagebuch schrieb. Sie erwies sich als wertvolle Hilfe beim Einhandeln von 29 Pferden, mit deren Hilfe Lewis und Clark ihren weiteren Weg über die Rocky Mountains hinweg fortsetzen wollten. Zudem wurde der Indianer, der Old Toby genannt werden sollte, als Führer engagiert. Anfangs weigerte sich Charbonneau, diese weitere Reise mitzumachen, doch als Clark ihm androhte, dass er keinerlei Lohn bekommen würde, änderte der Franzose schlagartig seine Meinung und schon bald rüstete man sich für den Aufbruch zu den Bitterroot Mountains im Westen, während Clark beschloss, das Lager bei den Shoshonie Camp Fortunate = „Glückslager“ zu nennen.

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