Winnetou Band 2

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beiden auszuliefern.«

Wir brauchten bei Lange nicht zu klopfen. Er lehnte unter der geöffneten Türe und führte uns in die

Stube. Diese hatte drei Fenster, welche mit dicken Decken verhangen waren.

»Wandert Euch nicht über diese Vorhänge, Mesch'schurs!« sagte er. »Ich habe sie mit Absicht

angebracht. Wollen überhaupt möglichst leise sprechen. Die Kukluxer brauchen nicht zu wissen, daß Ihr

bei uns seid.«

»Habt Ihr die Halunken gesehen?«

»Ihre Kundschafter wenigstens. Ich hatte, während Ihr so lange drüben bei Sennor Cortesio waret,

Langeweile und ging hinaus, auf Euch zu warten, damit Ihr nicht erst zu klopfen brauchtet. Da hörte ich

jemand heranschleichen von der Seite, wo das Wirtshaus liegt. Ich schob die Türe bis zu einer schmalen

Spalte zu und lugte durch diese letztere hinaus. Drei Männer kamen und blieben nahe bei der Türe stehen.

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Trotz der Dunkelheit sah ich, daß sie sehr lange, weite Hosen, ebenso weite Jacken und dazu Kapuzen

trugen, welche über die Gesichter gezogen waren. Diese Verkleidung war aus dunklem Stoffe gemacht

und mit hellen Figuren besetzt.«

»Ah, wie es bei den Kukluxern der Fall ist!«

»Ganz recht. Zwei von den dreien blieben bei der Türe stehen. Der dritte schlich sich an das Fenster und

versuchte, durch den Laden zu blicken. Als er zurückkehrte, meldete er, daß nur ein junger Mensch in der

Stube sei, welcher der junge Lange sein müsse; der Alte sei nicht da, aber es stehe Essen auf dem Tische.

Da meinte einer der beiden andern, daß wir jetzt zu Abend essen und dann schlafen gehen würden. Sie

wollten rund um das Haus gehen, um zu sehen, wie man am besten hineinkommen könne. Dann

verschwanden sie um die Ecke, und Ihr kamt, nachdem wir soeben die Fenster verhängt hatten. Aber über

diesen Schuften darf ich nicht vergessen, daß Ihr meine Gäste seid. Setzt Euch nieder! Eßt und trinkt! Ihr

findet heute nur die Kost eines Hinterwäldlers bei mir; doch was ich habe, gebe ich herzlich gern. Wir

können auch während des Essens über die Gefahr sprechen, welche mir droht.«

»Eine Gefahr, in welcher wir Euch nicht verlassen werden, wie sich ganz von selbst versteht,« sagte Old

Death. »Wo habt Ihr denn Euren Sohn?«

»Als Ihr drüben herauskamt, schlich er sich davon. Ich habe einige gute Freunde, Deutsche, auf welche

ich rechnen kann. Die soll er heimlich holen. Zwei von ihnen kennt ihr schon. Sie saßen im Wirtshause

mit an unserm Tische.«

»Sie werden doch trachten, unbemerkt ins Haus zu kommen? Es ist Euer Vorteil, die Kukluxer denken zu

lassen, daß sie es nur mit Euch und Eurem Sohne zu tun haben.«

»Habt keine Sorge! Diese Leute wissen schon, was sie tun, und übrigens habe ich meinem Will gesagt,

wie er sich verhalten soll.«

Das Essen bestand in Schinken, Brot und Bier. Wir hatten kaum begonnen, so hörten wir, scheinbar

einige Häuser weit, das Winseln eines Hundes.

»Das ist das Zeichen,« sagte Lange, indem er aufstand. »Die Leute sind da.«

Er ging hinaus, um zu öffnen, und kehrte mit seinem Sohne und fünf Männern zurück, welche mit

Gewehren, Revolvern und Messern bewaffnet waren. Sie nahmen schweigend Platz, wo sie irgend einen

Gegenstand zum Sitzen fanden. Keiner sprach ein Wort, aber alle musterten die Fenster, ob dieselben

auch gut verhangen seien. Das waren die richtigen Leute. Nicht sprechen und viele Worte machen, aber

bereit zur Tat. Unter ihnen war ein alter, grauhaariger und graubärtiger Mann, welcher kein Auge von Old

Death wendete. Er war der erste, welcher sprach, und zwar zu meinem Begleiter-.

»Verzeiht, Master! Will hat mir gesagt, wen ich hier treffen werde, und ich habe mich sehr darüber

gefreut, denn ich meine, daß wir uns schon einmal gesehen haben.«

»Möglich!« antwortete der Fährtensucher. »Habe schon vieler Leute Kinder gesehen.«

»Könnt Ihr Euch nicht auf mich besinnen?«

Old Death betrachtete den Sprecher genau und sagte dann:

»Ich kalkuliere allerdings, daß wir uns bereits einmal begegnet sein müssen, kann mich aber nicht

besinnen, wo das geschehen ist.«

»Drüben in Kalifornien vor etwa zwanzig Jahren und zwar im Chinesenviertel. Besinnt Euch einmal! Es

wurde scharf gespielt und nebenbei Opium geraucht. Ich hatte all mein Geld verspielt, nahe an tausend

Dollars. Eine einzige Münze hatte ich noch; die wollte ich nicht auf die Karte setzen, sondern verrauchen

und mir dann eine Kugel durch den Kopf jagen. Ich war ein leidenschaftlicher Spieler gewesen und stand

am Ende meines Könnens. Da - - -«

»Schon gut! Besinne mich!« unterbrach ihn Old Death. »Ist nicht notwendig, daß Ihr das erzählt.«

»O doch, Sir, denn Ihr habt mich gerettet. Ihr hattet die Hälfte meines Verlustes gewonnen. Ihr nahmt

mich beiseite, gabt mir das Geld wieder und nahmt mir dafür das heilige Versprechen ab, nie wieder zu

spielen und vor allen Dingen auf die Bekanntschaft mit dem Opiumteufel ein für allemal zu verzichten.

Ich gab Euch dieses Versprechen und habe es gehalten, wenn es mir auch sauer genug geworden ist. Ihr

seid mein Retter. Ich bin inzwischen ein wohlhabender Mann geworden, und wenn Ihr mir eine große

Freude machen wollt, so erlaubt Ihr mir, Euch das Geld zurückzugeben.«

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»So dumm bin ich nicht!« lachte Old Death. »Bin lange Zeit stolz darauf gewesen, auch einmal etwas

Gutes verbrochen zu haben, und werde mich hüten, dieses Bewußtsein gegen Euer Geld zu verkaufen.

Wenn ich einmal sterbe, so habe ich nichts, gar nichts Gutes vorzubringen als nur dieses Eine, und das

gebe ich also niemals her! Reden wir von andern Dingen, die jetzt viel notwendiger sind. Ich habe Euch

damals vor zwei Teufeln gewarnt, welche ich leider genau kannte. Aber Eurer Willenskraft habt Ihr allein

Eure Rettung zu verdanken. Reden wir nicht mehr davon!«

Bei diesen Worten des Scout ging mir eine Ahnung auf. Er hatte mir in New Orleans gesagt, seine Mutter

habe ihn auf den Weg gesetzt, welcher zum Glücke führe, er aber habe seine eigene Richtung

eingeschlagen, Jetzt bezeichnete er sich als einen genauen Kenner der beiden fürchterlichen Laster des

Spieles und des Opiumrauchens. Konnte er diese Kenntnis allein durch die Beobachtung Anderer erlangt

haben? Wohl schwerlich. Ich vermutete, er sei selbst leidenschaftlicher Spieler gewesen, sei es vielleicht

noch. Und was das Opium betrifft, so wies seine dürre, skelettartige Gestalt auf den zerstörenden Genuß

desselben hin. Sollte er noch jetzt heimlicher Opiumraucher sein? Vielleicht doch nicht, denn das

Rauchen dieses Giftes setzt einen gewissen Überfluß an Zeit voraus, welcher dem Scout während unsers

Rittes nicht zur Verfügung stand. Vielleicht aber war er Opiumesser. Auf alle Fälle war er dem Genusse

dieser gefährlichen Substanz noch jetzt ergeben. Hätte er demselben entsagt, so wäre es seinem Körper

wohl schon gelungen, sich nach und nach von den Folgen zu erholen. Ich begann, den Alten mit andern

Augen zu betrachten. Zu der Achtung, welche er mir bisher eingeflößt hatte, trat ein gutes Teil Mitleid.

Wie mochte er gegen die beiden Teufel gekämpft haben! Weich einen gesunden Körper, welch einen

hochbegabten Geist mußte er besessen haben, da das Gift es bis heute noch nicht fertig gebracht hatte,

beide völlig zu zerstören. Was waren alle Abenteuer, die er erlebt hatte, alle Anstrengungen und

Entbehrungen des Lebens in der Wildnis gegen die Szenen, die sich in seinem Innern abgespielt haben

mußten! Er rang vielleicht ebenso wild gegen die unerbittlichen, übermächtigen Leidenschaften, wie der

dem Aussterben geweihte Indianer gegen das überlegene Bleichgesicht. Er hatte erfahren, daß jede Phase

dieses Kampfes mit seiner Niederwerfung endige, und dennoch wehrte er sich weiter, selbst am Boden

liegend, noch immer widerstehend. Old Death, dieser Name hatte von jetzt an einen grauenhaften

Beiklang für mich. Der berühmte Scout war einem Untergange geweiht, gegen welchen das rein

körperliche Sterben eine unbeschreibliche Wohltat ist!

Old Deaths letzte Worte: »Reden wir nicht mehr davon«, waren in einem solchen Tone gesprochen, daß

der alte Deutsche auf Widerspruch verzichtete. Er antwortete:

» Well, Sir! Wir haben es jetzt mit einem Feinde zu tun, der ebenso grimmig und unerbittlich ist wie das

Spiel und das Opium. Glücklicherweise aber ist er leichter zu packen als diese beiden, und packen wollen

wir ihn. Der Ku-Klux-Klan ist ein ausgesprochener Gegner des Deutschtums, und wir alle müssen uns

seiner wehren, nicht nur derjenige allein, der zunächst und direkt von ihm angegriffen wird. Er ist eine

Bestie, welche aus tausend und abertausend Gliedern besteht. Jede Nachsicht wäre ein Fehler, der sich

unbedingt rächen würde. Wir müssen gleich beim ersten Angriffe zeigen, daß wir unerbittlich sind.

Gelingt es den Kukluxern, sich hier festzusetzen, so sind wir verloren; sie werden sich über uns

hermachen und einen nach dem andern abwürgen. Darum bin ich der Meinung, daß wir ihnen heute einen

Empfang bereiten, der ihnen einen solchen Schreck einjagt, daß sie es nicht wagen, wiederzukommen. Ich

hoffe, daß dies auch eure Meinung ist.«

Die andern stimmten ihm alle bei.

»Schön!« fuhr er fort, da man ihm als dem Ältesten das Wort ließ. »So haben wir unsere Vorbereitungen

so zu treffen, daß nicht nur ihre Absicht mißlingt, sondern daß sie es selbst sind, gegen welche der Spieß

gerichtet wird. Will einer von euch einen Vorschlag machen? Wer einen guten Gedanken hat, der mag ihn

 

hören lassen.«

Seine Augen und diejenigen der Andern richteten sich auf Old Death. Dieser wußte als erfahrener

Westmann jedenfalls besser als sie alle, wie man sich gegen solche Feinde zu verhalten habe. Er sah die

erwartungsvollen Blicke und die in denselben liegende stille Aufforderung, zog eine seiner Grimassen,

nickte leise vor sich hin und sagte:

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»Wenn die Andern schweigen, so will ich einige Worte sagen, Mesch'schurs. Wir haben nur mit dem

Umstande zu rechnen, daß sie erst dann kommen werden, wenn Master Lange sich niedergelegt hat. Wie

ist Eure Hintertüre verschlossen? - Durch einen Riegel?«

»Nein, durch ein Schloß, wie alle meine Türen.«

» Well! Auch das werden sie wissen, und ich kalkuliere, daß sie sich mit falschen Schlüsseln versehen

haben. Wenigstens wäre es unverzeihlich von ihnen, wenn sie das nicht getan hätten, Die Gesellschaft

wird jedenfalls auch Mitglieder haben, die Schlosser sind oder mit einem Dietrich umzugehen wissen. Sie

kommen also ganz gewiß herein, und es liegt nun an uns, zu beraten, wie wir sie empfangen werden.«

»Natürlich mit den Gewehren. Wir schießen sofort auf sie!«

»Und sie schießen auf Euch, Sir! Das Aufblitzen eurer Gewehre verrät ihnen, wo ihr euch befindet, wo

ihr steht. Nein, nicht schießen. Ich kalkuliere, daß es eine wahre Wonne wäre, sie gefangen zu nehmen,

ohne uns der Gefahr auszusetzen, mit ihren Waffen in Berührung zu kommen.«

»Haltet Ihr das für möglich?«

»Sogar für verhältnismäßig leicht. Wir verstecken uns im Hause und lassen sie herein. Sobald sie sich in

Eurer Kammer befinden, werfen wir die Türen zu und verschließen sie. Einige von uns halten vor den

letzteren Wacht und einige draußen vor dem Fenster, So können sie nicht heraus und müssen sich einfach

ergeben.«

Der alte Deutsche schüttelte bedächtig den Kopf und stimmte energisch dafür, die Einbrecher

niederzuschießen. Old Death kniff bei der Entgegnung des Alten das eine Auge zu und zog ein Gesicht,

welches sicher ein allgemeines Gelächter hervorgerufen hätte, wenn die Situation nicht so ernst gewesen

wäre.

»Was macht Ihr da für ein Gesicht, Sir?« fragte Lange. »Seid Ihr nicht einverstanden?«

»Gar nicht, Master. Der Vorschlag unseres Freundes scheint sehr praktisch und leicht ausführbar zu sein;

aber ich kalkuliere, daß es ganz anders kommen würde, als er denkt. Die Geheimbündler wären ja

geradezu Prügel wert, wenn sie es so machten, wie er es ihnen zutraut. Er meint, daß sie alle zugleich

hereinkommen und sich wie auf einen Präsentierteller vor unsere Gewehre stellen werden. Wenn sie das

täten, so hätten sie kein Hirn in ihren Köpfen. Ich bin der Überzeugung, daß sie die Hintertüre leise

öffnen und dann aber erst einen oder zwei hereinschicken werden, um zu rekognoszieren. Diesen einen

oder diese zwei Kerle können wir freilich niederschießen; die Andern aber machen sich schleunigst aus

dem Staube, um bald wieder zu kommen und das Versäumte nachzuholen. Nein, Sir, mit diesem Plane ist

es nichts. Wir müssen sie alle, alle hereinlassen, um sie zu fangen. Dafür habe ich auch noch einen andern

und sehr triftigen Grund. Selbst wenn Euer Plan ausgeführt würde, so widerstrebt es mir, eine solche

Menge von Menschen mit einem einzigen Pulverkrache und ohne daß ihnen ein Augenblick bleibt, an

ihre Sünden zu denken, in den Tod zu befördern. Wir sind Menschen und Christen, Mesch'schurs. Wir

wollen uns zwar gegen diese Leute wehren und ihnen das Wiederkommen verleiden, aber das können wir

auf weniger blutige Art und Weise erreichen. Bleibt Ihr dabei, sie wie ein Rudel wilder Tiere

niederzuschießen, so tut es meinetwegen; ich aber und mein Gefährte haben keinen Teil daran. Wir gehen

und suchen uns einen andern Ort, wo wir diese Nacht zubringen können, ohne später mit Schaudern und

Selbstvorwürfen an sie denken zu müssen!«

Er hatte mir ganz aus der Seele gesprochen, und seine Worte machten den beabsichtigten Eindruck. Die

Männer nickten einander zu, und der Alte meinte:

»Was Ihr da zuletzt gesagt habt, Sir, das ist freilich sehr begründet. Ich habe geglaubt, daß ein solcher

Empfang sie ein für allemal aus La Grange vertreiben würde; aber ich dachte nicht an die Verantwortung,

welche wir auf uns laden; darum möchte ich mich wohl zu Eurem Plane bequemen, wenn es mir nur

einleuchtete, daß derselbe gelingen werde.«

»Jeder, auch der allerbeste Plan kann mißlingen, Sir. Es ist nicht nur menschlich, sondern auch klug, die

Leute herein zu lassen und einzuschließen, so daß wir sie lebend in unsere Hände bekommen. Glaubt mir,

daß dies besser, viel besser ist, als wenn wir sie erschießen. Denkt daran, daß Ihr die Rache des ganzen

Klans auf Euch ladet, wenn Ihr eine solche Anzahl seiner Mitglieder tötet, Ihr würdet die Kukluxer nicht

von La Grange fern halten, sondern sie im Gegenteil herbeiziehen, um den Tod der Ihrigen grausam zu

rächen. Ich bitte Euch also, meinen Plan anzunehmen. Es ist das beste, was Ihr tun könnt. Um ja nichts zu

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versäumen, was das Gelingen desselben beeinträchtigen könnte, werde ich jetzt einmal um das Haus

schleichen. Vielleicht ist da etwas für uns Günstiges zu entdecken.«

»Wollt Ihr das nicht lieber unterlassen, Sir?« fragte Lange. »Ihr sagt ja selbst, daß man einen Posten

aufgestellt haben werde. Dieser Mann könnte Euch sehen.«

»Mich sehen?« lache Old Death. »So etwas hat mir noch niemand gesagt! Old Death soll so dumm sein,

sich sehen zu lassen, wenn er ein Haus oder einen Menschen beschleicht! Master, das ist lächerlich!

Wenn Ihr ein Stück Kreide habt, so zeichnet mir jetzt einmal den Grundriß Eures Hauses und Hofes da

auf den Tisch, damit ich mich nach demselben richten kann! Laßt mich zur Hintertüre hinaus, und wartet

dort auf meine Rückkehr. Ich werde nicht klopfen, sondern mit den Fingerspitzen an die Türe kratzen.

Wenn also jemand klopft, so ist es ein Anderer, den Ihr nicht einlassen dürft.«

Lange nahm ein Stückchen Kreide von dem Türensims und zeichnete den verlangten Riß auf den Tisch.

Old Death betrachtete denselben genau und gab seine Befriedigung durch ein wohlgefälliges Grinsen zu

erkennen. Die beiden Männer wollten nun gehen. Sie befanden sich schon unter der Türe, da drehte sich

Old Death noch einmal um und fragte mich:

»Habt Ihr schon einmal irgend ein Menschenkind heimlich angeschlichen, Sir?«

»Nein,« antwortete ich der Verabredung mit Winnetou gemäß.

»So habt Ihr jetzt eine vortreffliche Gelegenheit, zu sehen, wie man das macht. Wenn Ihr mitgehen wollt,

so kommt!«

»Halt, Sir!« fiel Lange ein. »Das wäre ein allzu großes Wagnis, da Euer Gefährte selbst gesteht, daß er in

diesen Dingen unerfahren ist. Wenn der geringste Fehler gemacht wird, bemerkt der Posten euch, und

alles ist verdorben.«

»Unsinn! Ich kenne diesen jungen Master allerdings erst seit kurzer Zeit; aber ich weiß, daß er darauf

brennt, die Eigenschaften eines guten Westmannes zu erwerben. Er wird sich die Mühe geben, jeden

Fehler zu vermeiden. Ja, wenn es sich darum handelte, uns an einen indianischen Häuptling zu

schleichen, da würde ich mich sehr hüten, ihn mitzunehmen. Aber ich versichere Euch, daß kein braver

Prairieläufer sich herablassen wird, in den Ku-Klux-Klan zu treten. Darum steht gar nicht zu erwarten,

daß der Posten so viel Übung und Gewandtheit besitzt, uns erwischen zu können. Und selbst wenn er uns

bemerkte, so wäre Old Death sofort da, den Fehler auszugleichen. Ich will den jungen Mann mitnehmen,

folglich geht er mit! Also kommt, Sir! Aber laßt Euern Sombrero hier, wie ich den meinigen. Das helle

Geflecht leuchtet zu sehr und könnte uns verraten. Schiebt Euer Haar auf die Stirn herunter und schlagt

den Kragen über das Kinn empor, damit das Gesicht möglichst bedeckt wird. Ihr habt Euch immer hinter

mir zu halten und genau das zu tun, was ich tue. Dann will ich den Klux oder Klex sehen, der uns

bemerkt!«

Es wagte keiner eine weitere Widerrede, und so begaben wir uns in den Flur und an die Hintertüre, um

von Lange hinausgelassen zu werden. Dieser öffnete leise und verschloß hinter uns wieder. Sobald wir

draußen standen, kauerte Old Death sich nieder, und ich tat dasselbe. Er schien die Finsternis mit seinen

Augen durchdringen zu wollen, und ich hörte, daß er die Luft in langen Zügen durch die Nase einzog.

»Ich kalkuliere, daß sich da vor uns kein Mensch befindet,« flüsterte mir der Alte zu, indem er über den

Hof nach dem Stallgebäude zeigte. »Dennoch will ich mich überzeugen. Man muß vorsichtig sein. Habt

Ihr vielleicht als Knabe es gelernt, mit einem Grashalme zwischen den beiden Daumen das Zirpen einer

Grille nachzuahmen?«

Ich bejahte die Frage leise.

»Da vor der Türe steht Gras. Nehmt Euch einen Halm, und wartet bis ich zurückkehre. Regt Euch nicht

von der Stelle. Sollte aber etwas geschehen, so zirpt. Ich komme sofort herbei.«

Er legte sich auf den Boden und verschwand, auf allen vieren kriechend, in der Finsternis. Es vergingen

wohl zehn Minuten, bevor er zurückkehrte. Und wahrhaftig, ich hatte ihn nicht kommen sehen, aber der

Geruch sagte mir, daß er sich nähere.

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»Es ist so, wie ich dachte,« flüsterte er. »Im Hofe niemand und auch da um die Ecke an der einen

Giebelseite kein Mensch. Aber hinter der andern Ecke, wo das Fenster der Schlafstube sich befindet, wird

einer stehen. Legt Euch auch zur Erde, und schleicht hinter mir her! Aber nicht etwa auf dem Bauche wie

eine Schlange, sondern wie eine Eidechse auf den Fingern und Zehen. Tretet nicht mit den ganzen

Fußsohlen, sondern nur mit den Fußspitzen auf. Untersucht den Boden mit den Händen, damit Ihr nicht

ein Ästchen knickt, und knöpft Euern Jagdrock ganz zu, damit nicht etwa ein Zipfel auf der Erde

hinstreift! - Nun vorwärts!«

Wir krochen bis an die Ecke. Old Death blieb dort halten, ich also auch. Nach einer Weile wendete er den

Kopf zu mir zurück und raunte mir zu:

»Es sind zwei. Seid ja vorsichtig!«

Er schob sich weiter fort, und ich folgte abermals. Er hielt sich nicht nahe der Mauer des Hauses, sondern

kroch von derselben fort bis zu einem aus aufrecht stehenden Fenzriegeln, an denen wilder Wein oder

eine ähnliche Pflanzenart emporrankte, errichteten Zaune, der den Garten umschloß. Diesen Zaun entlang

krochen wir der Giebelseite des Hauses parallel, von derselben vielleicht zehn Schritte entfernt. Auf dem

dadurch entstehenden Zwischenraume sah ich bald einen dunklen Haufen vor uns auftauchen, der fast wie

ein Zelt geformt war. Wie ich später erfuhr, waren es zusammengestellte Bohnen- und Hopfenstangen.

Am Fuße derselben wurde leise gesprochen. Old Death griff nach mir zurück, faßte mich beim Kragen,

zog mich zu sich heran, so daß mein Kopf neben den seinigen kam, und raunte mir zu:

»Da sitzen sie. Wir müssen hören, was sie reden. Eigentlich sollte ich allein hin, denn Ihr seid ein

Greenhorn, welches mir den ganzen Spaß verderben kann. Aber zwei hören mehr als einer. Getraut Ihr

Euch, unvermerkt so nahe an sie heranzuschleichen, daß Ihr sie hört?«

»Ja,« antwortete ich.

»So wollen wir es versuchen. Ihr geht von dieser Seite an sie und ich von der andern. Wenn Ihr nahe seid,

legt Ihr das Gesicht auf den Boden, damit sie nicht etwa Eure Augen funkeln sehen. Sollten sie Euch

dennoch bemerken, vielleicht weil Ihr zu laut atmet, so müssen wir sie sofort unschädlich machen.«

»Töten?« flüsterte ich.

»Nein. Das müßte still geschehen, also mit dem Messer, und dazu habt Ihr kein Geschick. Ein

Revolverschuß darf nicht gewagt werden. Sobald sie Euch oder mich entdecken, werfe ich mich auf den

Einen, Ihr Euch auf den Andern, legt ihm beide Hände um den Hals und drückt ihm die Gurgel zu, daß er

keinen Laut von sich geben kann. Dabei müßt Ihr ihn zur Erde niederreißen. Was dann geschehen Soll,

werde ich Euch sagen. Aber nur ja keinen Lärm! Ich habe gesehen, daß Ihr ein starker Kerl seid, aber seid

Ihr auch überzeugt, so einen Strolch still niederlegen zu können?«

»Unbedingt,« antwortete ich.

»Also vorwärts, Sir!«

Er kroch um die Stangen herum, und ich schob mich auf dieser Seite nach ihnen hin. Jetzt hatte ich die

Stangenpyramide erreicht. Die beiden Strolche saßen dicht neben einander, mit den Gesichtern nach dem

 

Hause zu. Es gelang mir, ganz lautlos so nahe an sie heranzukommen, daß mein Kopf sich kaum eine Elle

weit von dem Körper des mir Nächstsitzenden befand. Nun legte ich mich auf den Bauch und das Gesicht

nach unten in die Hände. Das hatte zweierlei Vorteil, wie ich bald bemerkte. Erstens konnte meine helle

Gesichtsseite mich nicht verraten, und dann konnte ich in dieser Lage viel besser hören als mit erhobenem

Kopfe. Sie sprachen in jenem hastigen Flüstertone, welcher die Worte auf einige Schritte hin verständlich

macht.

»Den Kapitän lassen wir ungeschoren,« sagte eben derjenige, in dessen Nähe ich lag. »Er hat euch zwar

auf das Trockene gesetzt, streng genommen aber seine Pflicht getan. Weißt du, Locksmith, er ist zwar

auch ein verdammter Deutscher, aber es kann uns nichts nützen, sondern nur schaden, wenn wir ihm an

den Kragen gehen. Wenn wir uns hier in Texas festsetzen und auch halten wollen, so dürfen wir es mit

den Steamleuten nicht verderben.«

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»Gut! Ganz wie Ihr wollt, Capt'n. Der Indsman ist uns entgangen, wie ich vermute. Kein Indianer setzt

sich nach La Grange, um eine ganze Nacht lang auf das Abgehen des Bootes zu warten. Aber die beiden

Andern sind noch da, die deutschen Hunde, welche wir aufknüpfen wollten. Sie sind Spione und müssen

gelyncht werden. Könnte man nur erfahren, wo sie sind. Sie sind wie Luft aus ihrer Gaststube

verschwunden, zum Fenster hinaus, diese Feiglinge!«

»Wir werden es erfahren. Die ›Schnecke‹ ist ja deshalb im Wirtshause sitzen geblieben, und er wird nicht

ruhen, als bis er erfährt, wo sie stecken. Er ist ein schlauer Patron, Ihm haben wir es auch zu danken, daß

wir wissen, daß dieser Lange hier von dem Mexikaner das Geld für sein Haus erhalten hat. Wir werden

also ein sehr gutes Geschäft machen und vielen Spaß haben. Der Junge hat als Offizier gegen uns

gekämpft und soll dafür aufgeknüpft werden. Der Alte hat ihn in die Uniform gesteckt und muß dafür

bezahlt werden; aber hängen wollen wir ihn nicht. Er wird soviel Prügel bekommen, daß ihm das Fleisch

vom Rücken springt. Dann werfen wir ihn heraus und stecken die Bude an.«

»Ihm bringt das keinen Schaden, denn sie gehört ihm nicht mehr,« entgegnete der Andere.

»Desto mehr wird es den Mexikaner ärgern, der sicherlich niemand mehr über den Rio grande

hinüberschickt, um Juarez zu dienen. Wir räumen auf und geben ihm einen Denkzettel, den er sicher nicht

hinter den Spiegel steckt. Die Leute sind instruiert. Aber bist du wirklich überzeugt, Locksmith, daß deine

Schlüssel passen werden?«

»Beleidigt mich nicht, Capt'n! Ich verstehe mein Geschäft. Die Türen, um welche es sich in diesem Hause

handelt, können meinem Dietrich nicht widerstehen.«

»So mag es gehen. Wenn die Kerle sich nur bald zur Ruhe legten. Unsere Leute werden ungeduldig sein,

denn es sitzt sich verteufelt schlecht in den alten Hollunderbüschen dort hinter dem Stalle. Lange's haben

alle ihre Scherben dort hingeworfen. Ich wollte, Ihr könntet bald gehen und unseren Kameraden ein

Zeichen geben. Will doch noch einmal an dem Laden horchen, ob sie wirklich noch nicht im Bette sind,

diese deutschen Nachteulen.«

Der Capt'n stand auf und ging leise zu dem einen Laden der Wohnstube. Er wurde von seinen Gefährten

Capt'n genannt; diese Bezeichnung und auch die Unterredung, welche ich eben gehört hatte, gaben Grund

zu der Vermutung, daß er der Anführer sei. Der Andere war mit dem Worte »Locksmith« bezeichnet

worden. Das heißt Schlosser. Vielleicht hieß er so; wahrscheinlich aber war er Schlosser, da er gesagt

hatte, daß er sich auf den Gebrauch des Dietrichs verstehe. Und eben jetzt machte er eine Bewegung, bei

welcher ich ein leises Klirren hörte. Er hatte Schlüssel bei sich. Aus diesen Gedanken wurde ich

aufgestört durch ein leises Zupfen an meinem Bein. Ich kroch zurück. Old Death lag hinter den Stangen.

Ich schob mein Gesicht an das seinige, und er fragte mich leise, ob ich alles gehört und verstanden hätte.

Ich bejahte.

»So wissen wir, woran wir sind. Werde diesen Burschen einen Streich spielen, über den sie noch lange

die Köpfe schütteln sollen! Wenn ich mich nur auf Euch verlassen könnte!«

»Versucht es einmal mit mir! Was soll ich denn tun?« antwortete ich.

»Den einen Kerl bei der Gurgel nehmen.«

» Well, Sir, das werde ich!«

»Gut, um aber ganz sicher zu gehen, will ich Euch erklären, wie Ihr es anzufangen habt. Horcht! Er wird

doch nicht hierher hinter die Stangen kommen!«

Der Capt'n kehrte vom Laden zurück. Glücklicherweise setzte er sich gleich wieder nieder.

Old Death hielt es nicht für notwendig, sie weiter zu belauschen. Er raunte mir zu:

»Also, ich will Euch sagen, wie Ihr den Kerl zu fassen habt. Ihr kriecht zu ihm hin und befindet Euch also

hinter ihm. Sobald ich einen halblauten Ruf ausstoße, legt Ihr ihm die Hände um den Hals, aber richtig,

versteht Ihr? Die beiden Daumen kommen ihm in den Nacken, so daß sie mit den Spitzen

zusammenstoßen, und die andern acht Finger, je vier von jeder Seite, an die Gurgel. Mit diesen acht

Fingerspitzen drückt Ihr ihm den Kehlkopf so fest, wie Ihr könnt, einwärts!«

»Da muß er doch ersticken!«

59

»Unsinn! Das Ersticken geht nicht so schnell. Schufte, Schurken und ähnliches Gelichter gehören in eine

Raubtierklasse, welche ein ungeheuer zähes Leben besitzt. Wenn Ihr ihn festhabt, drückt Ihr ihn nieder,

weil Ihr dann weit mehr Kraft anwenden könnt, aber ja nicht falsch! Ihr befindet Euch, wie gesagt, hinter

ihm und dürft ihn nicht etwa nach Euch niederziehen, sondern Ihr müßt ihn seitwärts nach links

niederdrücken, so daß er erst auf die Seite und dann auf den Bauch und Ihr auf ihn zu liegen kommt. So

habt Ihr ihn am sichersten. Da Ihr an solche Kunstgriffe nicht gewöhnt seid, so ist es möglich, daß es ihm

doch gelingt, einen Laut auszustoßen. Das wird aber höchstens ein kurzes verzweifeltes »Bäh« sein. Dann

ist er still, und Ihr haltet ihn so lange fest, bis ich bei Euch bin. Werdet Ihr das fertig bringen?«

» Gewiß. Ich habe früher viel gerauft.«

»Gerauft!« höhnte der Alte. »Das will ganz und gar nichts sagen! Und Ihr müßt auch noch bedenken, daß

der Capt'n länger ist als der Andere. Macht Eurem Lehrer Ehre, Sir, und laßt Euch von denen da drin

nicht auslachen! Also vorwärts! Wartet auf meinen Ruf!«

Er schob sich wieder fort von mir, und ich kroch dahin zurück, wo ich vorhin gelegen hatte; ja, ich

näherte mich dem Capt'n noch weiter und zog die Kniee an den Leib, um mich augenblicklich aufrichten

zu können.

Die beiden Kukluxer setzten ihre Unterhaltung fort. Sie sprachen ihren Ärger darüber aus, daß sie und

ihre Gefährten so lange zu warten hatten. Dann erwähnten sie uns beide und äußerten die Hoffnung, daß

die »Schnecke« unsern Aufenthaltsort ausspähen werde. Da hörte ich Old Deaths halblaute Stimme:

»Da sind wir ja, Mesch'schurs! Paßt doch auf!«

Schnell richtete ich mich hinter dem Capt'n auf und schlug ihm die Hände in der Weise, wie der Scout es

mir gesagt hatte, um den Hals. Mit den Fingerspitzen fest auf seinem Kehlkopfe, drückte ich ihn seitwärts

zu Boden nieder, stieß ihn mit dem Knie noch weiter um, so daß er auf das Gesicht zu liegen kam, und

kniete ihm dann auf den Rücken. Er hatte keinen Laut ausgestoßen, zuckte krampfhaft mit den Armen

und Beinen und lag dann still. Da kauerte sich Old Deaths Gestalt vor uns hin. Der Alte versetzte dem

Capt'n einen Schlag mit dem Revolverknaufe auf den Kopf und sagte dann:

»Laßt los, Sir, sonst erstickt er wirklich! Ihr habt es für den Anfang gar nicht übel gemacht. Anlagen

scheint Ihr zu besitzen, und ich kalkuliere, daß einmal ein famoser Bösewicht oder aber ein tüchtiger

Westmann aus Euch wird. Nehmt den Kerl auf die Achsel, und kommt!«

Er nahm den Einen, ich den Andern auf die Schulter, und wir kehrten nach der Hintertüre zurück, wo Old

Death, wie es besprochen worden war, zu kratzen begann. Lange ließ uns ein.

»Was bringt Ihr denn da?« fragte er leise, als er trotz der Dunkelheit bemerkte, daß wir Lasten trugen.

»Werdet es sehen,« antwortete Old Death lustig. »Schließt zu, und kommt mit herein!«

Wie staunten die Männer, als wir unsere Beute auf die Diele legten.

»Alle Wetter!« fuhr der alte Deutsche auf. »Das sind ja zwei Kukluxer! Tot?«

»Hoffentlich nicht,« sagte der Scout. »Ihr seht, wie recht ich tat, daß ich diesen jungen Master mit mir

nahm. Er hat sich brav gehalten, hat sogar den Anführer der Bande überwältigt.«

»Den Anführer? Ah, das ist prächtig! Aber wo stecken seine Leute, und warum bringt Ihr diese Beiden

herein?«

»Muß ich Euch das erst sagen? Es ist doch sehr leicht zu erraten. Ich und der junge Sir da, wir werden die

Kleider der beiden Lumpen anlegen und die Bande, welche sich am Stalle versteckt hält, herein holen.«

»Seid Ihr des Teufels! Ihr riskiert das Leben. Wenn man nun entdeckt, daß ihr gefälschte Kukluxer seid?«

»Das wird man eben nicht entdecken,« entgegnete der Alte in überlegenem Tone. »Old Death ist ein

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