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Waldröschen IV. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 2

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Der Sohn antwortete nicht. Diese Summe war so groß, so unfaßbar für ihn, daß ihm mit der Sprache fast der Atem ausging. Aber ebensogroß und unfaßbar dünkte ihm auch die Dankbarkeit seines Vaters, der ja nur aus Dankbarkeit die fünf Millionen nahm, ohne den Besitzer zu töten.

49. Kapitel

Am anderen Abend blieb Lindsay etwas länger als gewöhnlich wach mit seiner Tochter. Er hatte einen sehr ausführlichen Bericht nach der Heimat zu verfassen gehabt und unterhielt sich mit Amy noch über den Besuch des alten, ehrlichen Hazienderos und über die verschollenen Freunde. Über Amys Wesen lag ein Hauch tiefer Schwermut ausgebreitet, der ihre angeborene Lieblichkeit zu verdoppeln schien, und auch der Lord war mißmutiger als gewöhnlich gestimmt. Er war der ewigen mexikanischen Wirren herzlich müde und sehnte sich aus diesem Land fort, das nie zur Ruhe kommen konnte. Endlich nahmen sie herzlichen, innigen Abschied voneinander, und der Lord steckte, da die Dienerschaft bereits zur Ruhe gegangen war, sich sein Licht selbst an und begab sich nach seinem Schlafzimmer.

Dort öffnete er den Toilettentisch, drückte an der verborgenen Feder, worauf ein Kästchen aufsprang, und legte in dieses mehrere Schlüssel, die er aus der Tasche zog, um es durch denselben Federdruck zu verschließen.

Er bemerkte nicht, daß unter dem Bett hervor vier Augen jeder seiner Bewegungen mit der größten Aufmerksamkeit folgten, entkleidete sich, verlöschte das Licht und begab sich zur Ruhe, und bald hörte man an seinen leisen, ruhigen Atemzügen, daß er eingeschlafen sei.

»Hast du die Feder bemerkt?« raunte es da plötzlich selbst für einen Wachen, der im Bett gelegen hätte, ganz unhörbar unter demselben. – »Ich würde sie im Dunkeln finden«, lautete die ebenso leise Antwort. – »So komm!«

Kein Laut, nicht die leiseste Spur von Geräusch verriet, daß jetzt zwei Gestalten unter dem Bett hervorkrochen und sich neben dem Vorhang desselben emporrichteten. Der eine der Männer zog ein Tuch und ein Fläschchen aus der Tasche, tröpfelte eine Flüssigkeit auf das erstere, schlug den Vorhang zurück und trat zu dem Schlafenden, dem er erst das Tuch vorsichtig nahe an Mund und Nase hielt, und es dann, als er das Geräusch des Atmens nicht mehr hörte, ihm ganz auf das Gesicht legte.

»Fertig!« sagte er jetzt halblaut. »Gib die Maske her!« – »Soll ich das Licht anbrennen?« – »Ja; schließe aber erst die Vorhänge!« In einer Minute brannte das Licht wieder. Dem narkotisierten Lord wurde nun eine schwarze Kopfbedeckung über den Kopf gezogen, die unten am Kinn zugebunden werden konnte und nur drei Öffnungen für die Augen und den Mund hatte. Dann zogen ihm die beiden Indianer, denn solche waren es, die sämtlichen Kleider wieder an und steckten ihm, da er nun bald wieder erwachen konnte, durch das Loch der Maske einen Knebel in den Mund.

Unterdessen war Amy noch nicht sofort schlafen gegangen und saß, mit dem Rücken nach der Tür gekehrt, am Tisch, in einem Album blätternd, das die Bildnisse bekannter Personen enthielt. Auch das des Geliebten war dabei. Sie betrachtete die teuren Züge. Sie dachte sich in die Zeit zurück, in der sie ihn in Rodriganda zum ersten Mal gesehen und kennen- und liebengelernt hatte. Die Erinnerung drang so mächtig auf sie ein, daß die Gegenwart vor ihren Sinnen schwand und sie nicht ein leises, leises Geräusch hörte. Sie sah auch nicht, daß die Tür sich öffnete und daß die beiden Männer eintraten, die soeben im Schlafzimmer ihres Vaters gewesen waren.

Beide winkten einander. Der eine zog abermals das Tuch hervor und befeuchtete es mit der Flüssigkeit aus seinem Fläschchen. Dann rückten sie näher an die in so tiefes Sinnen Versunkene heran. Plötzlich faßte der eine sie mit beiden Händen bei der Gurgel, so daß sie keinen Laut ausstoßen konnte, und der andere legte ihr das Tuch auf Mund und Nase. In kurzer Zeit lag sie in ihrem Stuhl wie eine Leiche.

»Wie schön!« flüsterte der eine. – »Wir wollen ihr nicht weh tun«, meinte der andere. »Sie hat den Sohn des Panthers gerettet.«

Da fiel das Auge des ersten auf das Album, und nachdem er einen Augenblick lang darinnen geblättert, flüsterte er:

»Sie hat diejenigen lieb, deren Bilder dies sind. Wollen wir ihr dieses Buch mitgeben?« – »Wird der Panther nicht zanken?« – »Muß er es denn wissen? Er darf es gar nicht zu sehen bekommen.« – »So nimm es mit.«

Der Mann schlich, während sein Gefährte das Album zu sich nahm, zur Tür hinaus und kam bald darauf mit einigen Indianern zurück. Von diesen Leuten wurden die Lichter verlöscht und die beiden Gefangenen vorsichtig emporgenommen, um sie fortzutragen. Der Weg ging den Korridor entlang und die Treppe hinab. Hier wurde die hintere Tür entriegelt, so daß man in den Hof gelangen konnte. Da trat eine dunkle Gestalt zu ihnen. Es war der Panther.

»Endlich!« sagte er mit gedämpfter Stimme. »Ihr habt mich lange warten lassen. Leben die beiden noch?« – »Ja«, antwortete einer. – »Habt ihr die Schlüssel?« – »Hier sind sie.« – »Wie erfuhrt ihr, welches die Zimmer der beiden seien?« – »Ich lernte am Tag die Duenja kennen, indem ich als Bettler hierherging und dem Gesinde einige Lieder vorsang. Das Mädchen vernarrte sich in mich und gab mir Antwort auf alle meine Fragen.« – »Gut. Wißt ihr, wo die Kellertür ist?« – »Hier, gleich neben der Treppe.« – »So schafft die beiden zur Stadt hinaus nach den Pferden und schickt mir die anderen her. Sie warten dort in der Ecke des Hofes. Aber wenn ihr euch unterwegs sehen oder gar ergreifen laßt, so ist das euer Tod.«

Sie gingen nun, die Gefangenen auf den Armen, davon, und nach wenigen Augenblicken schlichen sich andere Gestalten herbei, fast dreißig an der Zahl, die in das Haus traten und die Tür des Hofes wieder hinter sich zuzogen, deren Riegel sie vorschoben, um ja von außen nicht zufälligerweise gestört zu werden.

Der Panther tappte sich zur Stelle, die ihm bezeichnet worden war, und fand die Tür. Sie war mit Eisen beschlagen und hatte ein Loch für einen großen Hohlschlüssel. Deshalb wußte Alvarez sogleich, welches der richtige war, wählte ihn unter den anderen Schlüsseln aus, steckte ihn leise ein und öffnete, ohne daß er ein Geräusch verursachte, worauf er, noch immer mit leiser Stimme, sagte:

»Hier ist die offene Tür! Folgt mir die Stufen hinab! Die zwei letzten ziehen den Schlüssel heraus und die Tür hinter sich heran. Auf der obersten Treppenstufe bleiben sie als Wache stehen. Die Lichter werden erst unten angebrannt.«

So geschah es. Als sich alle, außer den beiden Wachen, unten in dem Küchenkeller befanden, wurden einige kleine Laternen hervorgezogen und angebrannt. Nun konnte man das Terrain ganz leidlich überblicken.

Ein Stück weiter hinten, in dem mit allerhand Speisewaren besetzten Keller, gab es eine zweite Tür. Der Panther untersuchte das Schloß derselben, zog einen Schlüssel hervor, der paßte, und öffnete.

Jetzt befand man sich im Weinkeller, der einen großen Vorrat von Faßwein und ein noch größeres Flaschenlager zeigte. Keiner der Indianer machte Miene, eine der Flaschen anzurühren. Ganz im Hintergrund gab es nun eine dritte, kleinere Tür, die aus dickem Eisen bestand. Auch hierzu fand sich der Schlüssel. Der Panther des Südens war das Schloß nicht gewöhnt, es schien sich sehr schwer zu öffnen. Er trat daher zur Seite, um mehr Kraft anwenden zu können. Da plötzlich sprang die Tür auf, und zu gleicher Zeit krachte ein Doppelschuß, und zwei der Indianer stürzten nieder.

Die Indianer standen vor Schreck wortlos da, und nur der Panther blieb gefaßt. Er bückte sich kaltblütig zu den Gefallenen nieder, leuchtete sie an, befühlte sie und sagte:

»Sie sind tot. An einen Selbstschuß habe ich nicht gedacht. Er war mit zwei Kugeln geladen. Schafft sie zur Seite.«

Damit leuchtete er empor, um das Gewölbe zu untersuchen, und sagte, um seine Leute zu beruhigen:

»Man kann die Schüsse da oben gar nicht hören. Sie waren ganz allein zur Verteidigung angebracht, nicht aber, um die Bewohner des Hauses zu alarmieren. Übrigens haben wir die beiden Wächter und im Notfall unsere Waffen. Treten wir also ein!«

Es rührte ihn nicht im mindesten, daß er nur durch einen geringfügigen Zufall dem Tod entgangen war. Hätte er nicht zur Seite gestanden, so wäre er von einer der Kugeln oder von allen beiden getroffen worden.

Das kleine Gewölbe vermochte gar nicht alle zu fassen. Aber diejenigen, die eintreten konnten, sahen nichts als sechs schwarze, eiserne Kisten, die am Boden standen. Keiner von ihnen wußte, um was es sich eigentlich handele; der Anführer hatte es nicht für gut befunden, ihnen mitzuteilen, daß es sich um den Raub von fünf Millionen handle.

»Faßt an!« gebot er.

Es gehörten vier starke Männer dazu, eine der Kisten in die Höhe zu heben.

»Nun fort damit, hinauf, und zunächst in den Hof.«

Der Panther leuchtete voran, und seine Leute schleppten die überreiche Beute hinter ihm her. Als er zu den Schildwachen gelangte, fragte er:

»Habt Ihr den Schuß gehört?« – »Nur dumpf«, lautete die Antwort. – »Verspürtet ihr oben etwas Verdächtiges?« – »Nein.« – »So kommt alle! Löscht aber zuvor die Laternen aus und laßt sie zurück.«

Nur der Panther allein ließ die seinige brennen, um den Flur und die nach der Etage führende Treppe zu beleuchten. Er fand alles in Ruhe und Sicherheit und öffnete nun die Hoftür, nachdem er sein Licht auch verlöscht hatte. Seine Leute folgten ihm hinaus, keuchend unter der Last.

Es ging bis hin zur Mauer, hinter der ein Weg vorüberführte. Zwei Männer standen hier, die nicht untätig gewacht, sondern einen Block hingestellt hatten, über den einige starke Bretter vom Boden hinauf zur Kante der Mauer führten. Der Panther war umsichtig gewesen und hatte für alles gesorgt.

»Ist der Wagen noch nicht da?« fragte er die Wachen. – »Er wartet bereits draußen«, antwortete der eine. – »Hörte man ihn kommen?« – »Nein, denn die Hufe und die Räder sind ja umwickelt. Nur die Pferde schnaubten ein wenig.« – »So, nun schnell ans Werk, damit wir vollends zu Ende kommen.«

 

An der anderen Seite der Mauer hielt ein Wagen, der mit vier Pferden bespannt war. Die Kisten wurden mit Hilfe der Bretter zunächst auf die Mauer gebracht und auf den Wagen geladen. Dies ging nicht ganz geräuschlos ab, aber man befleißigte sich einer solchen Schnelligkeit, daß keine Gefahr zu befürchten war, selbst wenn jemand Verdacht geschöpft hätte und herbeigekommen wäre. Das hätte ja immerhin eine gewisse Zeit erfordert.

Als die Kisten sich auf dem Wagen befanden, gab der Panther Befehl zum Aufbruch. Einer seiner Untergebenen wagte zu fragen:

»Sollen wir nicht unsere Toten mitnehmen, Señor?« – »Nein«, antwortete er barsch. »Sie bleiben da, ebenso wie die Laternen und diese Bretter, damit niemand denken möge, daß der Engländer selbst mit diesen Kisten geflohen sei. Also vorwärts! Es kommt nur noch darauf an, den Wagen glücklich aus der Stadt zu bringen. Wer euch hindern will, den schießt ihr einfach nieder.«

Der Wagen fuhr ab. Der Panther blieb noch eine Weile auf der Mauer stehen, zog einen Zettel aus der Tasche, warf ihn in den Hof zurück und sprang jenseits hinab auf den Weg. Auf demselben schlich er sich fort, trat um zwei dunkle Ecken und stand nun vor zwei Männern, die ein Frauenzimmer zwischen sich hatten.

»Ihr könnt gehen und mir mein Pferd bringen«, gebot er.

Sie entfernten sich eilig. Er aber wartete, bis er von ihren leisen Schritten nicht mehr hörte, und sagte:

»Nun, Señorita, ist Euch die Zeit lang geworden?« – »Unendlich!« antwortete sie mit grollender Stimme. »Meine Gegenwart war ganz und gar unnötig!« – »Im Gegenteil sehr!« höhnte er. – »Ist es gelungen?« – »Ja, bis jetzt.« – »Habt Ihr die Kisten alle?« – »Alle.« – »So werdet Ihr also Wort halten?« – »Ich werde mein Wort natürlich nicht brechen, vorausgesetzt, daß es wirklich fünf Millionen sind.«

Da dachte Josefa daran, daß ihre Spionin nicht von vollen fünf Millionen, sondern von »wohl an die fünf Millionen« gesprochen hatte. Darum sagte sie:

»Sollte eine Kleinigkeit fehlen, so kommt es wohl nicht darauf an?« – »Soll ich etwa auch eine Kleinigkeit an meinem Wort fehlen lassen, Señorita?« spottete er. »Ich kann mein Wort nicht in Teile zerlegen und werde mir also auch nicht die mir garantierte Summe teilen lassen. Ich bin meines Wortes entbunden, sobald ein einziges Goldstück, ein einziger Peso fehlt.« – »Das wäre schändlich!« rief Josefa, fast zu laut für die Vorsicht, die anzuwenden hier so notwendig war. »In diesem Fall würdet Ihr mich zwingen, zu verraten, wer die Kisten geholt hat.«

Sie hatte diese Worte in einem drohenden Ton gesprochen. Der Panther aber lachte in seiner höhnisch-kalten Weise und antwortete:

»Und ich würde in diesem Fall verraten, wer diese Kisten zunächst ausspioniert, mir angeboten und sodann hier Wache gestanden hat. Da bringt man mein Pferd! Lebt wohl, Señorita! Ich werde Euch die Summe, die ich finde, ganz genau wissen lassen.«

Damit stieg er auf und ritt davon, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als im Dunkel der Nacht allein nach Hause zu gehen, mit dem Bewußtsein, daß sie diese Millionen aufs Spiel gesetzt habe, ohne das geringste dabei zu gewinnen.

Bereits am frühen Morgen versetzte die Nachricht von dem Verschwinden des Geldes die ganze Stadt Mexiko in die größte Aufregung. Ein solcher Raub – er ist eine geschichtliche Tatsache – war so unerhört, daß man gar nicht begreifen konnte, wie er hatte gelingen können, obgleich die Spuren deutlich genug waren, um daraus zu sehen, in welcher Weise er unternommen worden war. Man fand den losgegangenen Selbstschuß, die beiden Toten, die Laternen, den Bock mit den Brettern und sogar auch den Zettel, der die Worte enthielt:

»So muß es allen Fremden gehen, die nach Mexiko kommen, um Humanität zu predigen und dabei doch Reichtümer zusammenscharren und die Hilfsquellen des Landes erschöpfen! Einer, dem nie seine Rache mißlingt.«

Der Täter konnte kein gewöhnlicher Mann gewesen sein. Er mußte über außerordentliche Mittel verfügen und eine Kühnheit besitzen, die ihresgleichen suchte. Aber alle Nachforschungen nach ihm blieben resultatlos.

Eine weitere Frage war die, wohin Lindsay mit seiner Tochter gekommen sei. Er blieb verschwunden für lange Jahre, und man wußte nichts weiter von den beiden Unglücklichen, als daß sie zu gleicher Zeit mit dem Geld verschwunden seien. Lindsays Aufzeichnungen wiesen nach, daß die geraubte Summe vier und eine halbe Million in Gold und Staatspapieren betrage, und als dies Cortejo und seine Tochter hörten, vermochten sie ihre Wut kaum zu zügeln. Sie hatten den Kontrakt mit dem Panther des Südens umsonst gemacht und waren gezwungen, ihre Enttäuschung zu verbergen. Und als ob es dieser besonderen Mitteilung bedurft hätte, erhielten sie nach einigen Tagen die Zeitungsnummer zugeschickt, in der von dem Raub die Rede und die genaue Summe angegeben war. Und am Rand der betreffenden Stelle stand geschrieben:

»Meines Wortes quitt! Fragt Euch überhaupt, ob Ihr das Zeug zum Präsidenten habt und Señorita Josefa zur Tochter eines solchen!«

50. Kapitel

»Um Tannen schlingt sich eng die Ranke,

Sie trägt ein Röschen zart und mild:

Der Unschuld lieblichster Gedanke

Verkörpert sich in ihrem Bild.

Du fragst, was man der Holden, Lieben,

Für einen Namen geben mag?

Die Antwort ist sehr bald geschrieben:

Waldröschen ist‘s, im grünen Hag!

Es wohnt im stillen Heiligtume

Des Forsts, ein zartes, frohes Kind

Wie eine holde Menschenblume,

Um die des Märchens Zauber spinnt.

Welch‘ Name soll dies Duftbild preisen

Dort in der Tannen dunklem Schlag?

Waldröschen, ja, so soll es heißen,

Wäldröschen ist‘s, im grünen Hag!«


Wie Lindsay mit Amy verschwunden war, so war es auch mit dem Brief, den sie für den alten Pedro Arbellez nach Deutschland geschrieben hatten. Der Brief gelangte ebensowenig an seine Adresse wie die kostbare Sendung, der er beigegeben war. Der Oberrichter hatte alle Vorsichtsmaßregeln getroffen, aber da keine Reklamation einging, indem der Adressat nicht die mindeste Ahnung von der Sendung hatte, so hielt Juarez sich für überzeugt, daß sie richtig an den Mann gekommen sei.

Mittlerweile war bereits seit Monaten in Erfüllung gegangen, was Rosa ihrem geliebten Sternau mit so innigen, glückatmenden Worten geschrieben hatte: Sie war von einem Töchterchen entbunden worden, bei dessen Geburt hohe, allgemeine Freude in Rheinswalden eingezogen war.

Die weiblichen Bewohner des Schlosses hatten vor und bei Eintritt dieses Ereignisses alles getan, was im Bereich der liebevollsten Hilfeleistung steht, und die männlichen waren schweigend umhergelaufen oder hatten die Köpfe zusammengesteckt und von einem »vielleicht ein Mädchen« oder gar einem »Donnerwetter, wenn‘s gar ein Junge wäre« gemunkelt. Der Hauptmann aber saß in seinem Arbeitszimmer, rechnete und rechnete, und als er nicht fertig werden konnte, da bemerkte er, daß er subtrahiert statt dividiert und addiert statt multipliziert hatte. Und als er wieder von vorn anfing, um die Bestände seiner Waldungen zu berechnen, da mengte er Scheffeln, Erlen, Hasen, Morgen, Rehe, Tannen, Unterförster, Quadratruten und Rebhühner so gründlich untereinander, daß er die Feder wegwarf und halb zornig, halb lachend ausrief:

»Kreuzbataillon, nun hört‘s aber auf! Was einen das verrückt macht, wenn sich so eine Bube oder Mädel einstellen will! Ich danke doch meinem lieben Gott, daß er mich nicht mit vielen Kindern gesegnet hat. Wäre ich so ein zwölf- bis sechzehnfacher Familienvater geworden, so möchte ich nur meine Rechnungen, Gutachten und Monatsberichte sehen. Ich mengte Eichen, Ziehflaschen, Dachse, Wiegenpferde, Windeln, Holzklaftern, alles, alles, untereinander. Aber neugierig bin ich, wer da Gevatter wird!«

Und indem er das sagte, ging die Tür auf, und der ehrliche Ludwig Straubenberger trat ein, stellte sich in Achtung und wartete, bis er angeredet werde.

»Was willst du?« fragte der Oberförster. – »Um Verlaub, Herr Hauptmann, ich möchte bloß fragen, was?« – »Was?« wiederholte der Hauptmann, ganz erstaunt über diese geistreiche Ausdrucksweise. »Was?« – »Ja, was?« – »Nun, was denn, zum Teufel?« – »Ja, das ist es ja eben! Was denn, zum Teufel? Es fällt mir vor lauter Neugierde das Richtige gar nicht ein. Ob ›Sah ein Knab‘ ein Röslein steh‘n‹ oder vielleicht ›Ein Schäfermädchen weidete‹. Man weiß ja noch gar nicht, ob‘s ein Junge oder ein Mädchen wird dahier!«

Da konnte der Oberförster nicht länger an sich halten und donnerte, indem er sich drohend erhob:

»Kerl, bist du denn ganz und gar verrückt geworden?« – »Zu Befehl, Herr Hauptmann, allerdings ganz verrückt dahier«, nickte Ludwig. – »Aber was, zum Teufel, ist‘s denn eigentlich mit dem Knab‘ und dem Schäfermädchen, he?« – »Nun, die Burschen stehen mit den Waldhörnern unten. Wird‘s ein Junge, so denke ich, wir blasen ›Sah ein Knab‘ ein Röslein steh‘n‹, wird‘s aber ein Mädchen, so blasen wir ›Ein Schäfermädchen weidete‹. Oder befehlen der Herr Hauptmann vielleicht ›Ich bin vom Berg der Hirtenknab‹ und ›Bin i net a schöne Rußbuttenbub‹ oder ›Das Mädchen hat ein hübsch Gesicht‹ und ›Madle, ruck, ruck, ruck an meine grüne Seite‹. Das sind alles lauter wunderschöne Lieder, und wir blasen sie vierstimmig mit Gefühl und Dreivierteltakt dahier.«

Der Oberförster hatte diese Auslassung seines Lieblingsgehilfen vor lauter Erstaunen wortlos angehört, jetzt aber bekam er die Sprache wieder.

»Kerl, Mensch, Ludwig, soll ich dich etwa hinauswerfen, dich, die anderen, den Rußbuttenbub, die grüne Seite und den ganzen Dreivierteltakt? Bläst man denn einer schwachen Wöchnerin die Ohren voll, he? Leg‘ du dich doch einmal hin und laß dich anmusizieren, wenn der Storch in deiner Feueresse klappert! Nein, so etwas ist doch unerhört!«

Der arme Ludwig stand da, als ob ihn der Schlag gerührt hätte. Er brachte vor lauter Verlegenheit nichts weiter hervor, als:

»Ich soll mich hinlegen, Herr Hauptmann! Ich habe mir doch noch gar keine Frau genommen und bin zweitens auch nicht verheiratet!« – »Das weiß ich! Aber das war nur so ein Beispiel. Ich sage dir, Ludwig, diese Blaserei ist die größte Dummheit, die du dir in deinem ganzen Leben ausgesonnen hast. Ich denke …«

Der Oberförster wurde unterbrochen, denn die Tür wurde aufgerissen, und Alimpo keuchte herein, ganz atemlos vor Anstrengung.

»Ein Mädchen, Herr Hauptmann!« meldete er. – »Ein Mädchen?« fragte der Oberförster. »Ist‘s wahr?« – »Ja. Meine Elvira sagt‘s auch!« – »Hurra! Und gesund, Alimpo?« – »Wie ein Fisch!« – »Viktoria! Hurra! Hussa! Lauf, Alimpo, lauf zum Herzog von Olsunna und zu meinem Sohn und sag‘s, daß es ein Mädchen ist! Ludwig, laß satteln! Ich reite sofort nach Darmstadt zum Großherzog. Ein Mädchen! Ein Mädchen! Na, ihr Kanaillen, was steht ihr denn noch! Heute bekommt alles Freibier. Fräulein Sternau soll gleich Napfkuchen backen und gebackene Zwetschgen in der Mitte. Ich nehme den Braunen, Ludwig, der Fuchs läuft nicht mehr so rasch. Bei solchen Anmeldungen muß man pünktlich sein!«

Der gute Hauptmann kannte sich vor Freude selbst nicht mehr. Während er auf seinem Braunen nach Darmstadt jagte, lag die junge Mutter auf dem blütenweißen Lager und betrachtete ihr süßes, schlafendes Kind. Bei ihr saß Flora, die Herzogstochter, die jetzige Frau des einfachen Malers.

»Wie ist dir jetzt, meine Rosa?« flüsterte sie besorgt. – »Ich bin matt, aber glücklich«, hauchte Rosa. »Gib mir sein Bild.«

Sie winkte mit den schönen Augen nach der Wand, an der Sternaus Porträt hing. Flora holte es und legte es auf das Bett neben den kleinen Engel. Nun betrachtete Rosa beide, das Bild und das Kind, um sie miteinander zu vergleichen.

»Sieht sie ihm ähnlich, Flora?« fragte sie leise.

»Sehr«, lächelte die Gefragte, obgleich sich die Ähnlichkeit eines Neugeborenen wohl kaum bestimmen läßt.

»Oh, wenn er es doch wüßte, der Liebe, Gute.«

Rosa faltete die Hände, und über ihre schönen, jetzt ermatteten Wangen flossen Tränen des Gebets für den Fernen und für das teure Pfand von ihm, das jetzt an ihrem Herzen lag. Ihre Augen irrten unter diesen Tränen immer wieder vom Bild zum Kind und vom Kind zum Bild, bis sie müde wurden und sich schlossen – sie entschlummerte. Und noch während dieses Schlummers stritten sich in ihren reinen, frommen Zügen das süße, holde Glück der Mutter mit dem Weh des treuen, liebenden Weibes, das den Teuren in der Ferne weiß, mitten in Not und Gefahr.

Nun folgten Tage des ruhigen Abwartens, bis Rosa sich gekräftigt fühlte und Besuch anzunehmen vermochte. Da zeigte es sich so recht, wie sehr die aus dem fernen Spanien Herbeigezogenen beliebt waren. Alle kamen, und selbst sämtliche Chargen des großherzoglichen Hofes erschienen, um ihre Freude zu äußern und ihre Gratulationen darzubringen.

 

Einige Wochen später wurde die kleine Weltbürgerin getauft. Der Großherzog, die Herzogin von Olsunna und Hauptmann von Rodenstein standen Pate. Das Kind wurde wie seine Mutter genannt, Rosa, und die Liebe verwandelte diesen Namen in das deutsche Röschen, obgleich die der spanischen Sprache Mächtigen gern auch Rosita sagten.

Dieses Glück wurde leider getrübt durch den Gedanken an die Fernen, die noch immer nichts von sich hören ließen. So verging ein Jahr und noch ein zweites, und nun schien es wirklich, daß sie verschollen und unwiderbringlich verloren seien. Auch von Amy Lindsay kam keine Nachricht, obgleich Rosa öfters an sie geschrieben hatte. Da diese Briefe nicht zurückkamen und auch nicht beantwortet wurden, so wußte man sich gar keine Erklärung zu geben.

Rosa betrachtete sich je länger, desto sicherer als Witwe. Hätte sie Röschen nicht gehabt, so hätte sie den Gram nicht zu überwinden vermocht. Nun aber konzentrierte sich ihre Sorge und die Tätigkeit ihrer Seele auf ihr Kind und auf den alten, leider immer noch wahnsinnigen Vater.

Otto von Rodenstein hatte sich auch in Rheinswalden niedergelassen und genoß hier an der Seite seiner Flora, der Herzogstochter, ein Glück, das ungetrübt hätte genannt werden müssen, wenn nicht die Teilnahme für Rosa und die Verschwundenen ihren Schatten auf dasselbe geworfen hätte.

Der Herzog von Olsunna konnte nicht vergessen, daß er durch die Kunst Sternaus, seines jedenfalls echten Sohnes, vom Rand des Grabes hinweggerissen und dem Leben wiedergegeben worden war. Er liebte seine Gemahlin jetzt fast mit dem Feuer einer Jugendliebe und bat Gott Tag und Nacht, zu verhüten, daß sein Sohn verloren gegangen sei.

Aber je länger die Zeit verging, desto hinfälliger wurde die so krampfhaft festgehaltene Hoffnung. Der Kreis dieser guten, wahrhaft edlen Menschen wurde immer stille und stiller, und selbst, wenn der alte Rodenstein einmal in seiner derben Art und Weise Leben und Bewegung schaffen wollte, so bekam er nur ein schwaches, verzagtes Lächeln zur Belohnung.

»Das kann nicht länger so fortgehen«, meinte er einmal zum Herzog von Olsunna, als beide still und allein durch den Wald strichen. »Sie sind krank, Hoheit, Ihre Frau, meine gute Sternau, ist krank, alles ist krank, alles läßt die Flügel hängen und will nicht ein leises Flattern versuchen. So wird der Mensch ganz und gar alle, so geht er zu Grabe. Man muß Hilfe suchen, nicht bei einem Doktor und bei einem Apotheker, sondern wo ganz anders. Zerstreuung ist das beste. Wie wäre es mit einer Reise?«

Der Herzog schüttelte den Kopf.

»Hier habe ich Ruhe gefunden, hier bleibe ich«, sagte er. – »Und die anderen?« – »Die denken ebenso, ich bin davon überzeugt.« – »Da wäre es also mit meinem Vorschlag nichts«, meinte Rodenstein nachdenklich. »Ließe sich denn nicht etwas anderes finden? Hm! Vielleicht treffe ich es. Also Sie wollen am liebsten hierbleiben?« – »Das ist mein Wunsch.« – »Und die anderen?« – »Sie haben denselben Wunsch. Wir setzten natürlich voraus, daß wir Ihnen nicht beschwerlich fallen.«

Da blieb der Hauptmann schnell stehen, blickte den Herzog verwundert an, machte sein allergrimmigstes Gesicht und antwortete:

»Das ist‘s ja eben, Sie fallen mir beschwerlich, ganz außerordentlich beschwerlich. Ich halte es nicht länger aus.« – »Ah! Sie scherzen!« meinte der Herzog lächelnd. – »Ich scherzen! Fällt mir gar nicht ein!« brauste da der Hauptmann auf. »Ich habe da diese viele Menschheit auf dem Hals, muß diese sauren Gesichter sehen. Das geht nicht länger. Ich brauche meinen Platz selbst, habe ihn erst schon gebraucht und brauche ihn jetzt noch viel notwendiger.«

Der Herzog erschrak fast bei diesen Worten.

»Aber, mein bester Rodenstein«, bat er, »sagen Sie mir doch, ob dies wirklich Ihr Ernst ist?« – »Mein voller, richtiger, wirklicher Ernst. Ich mag diese trübselige Einquartierung nicht mehr bei mir leiden. Sie wollen hier bleiben, und ich leide es nicht, was bleibt da übrig, Hoheit? Haben Sie Geld?« – »Wenn es an diesem fehlt, so …« – »Pah, ich brauche keins! Ich frage nur, ob Sie Geld haben. Ja oder nein?« – »Ja.« – »Nun gut, so bauen Sie! Mein Nachbar, Baron Hauwald, verkauft. Kaufen Sie ihm seinen Krimskrams ab, er verlangt nicht zu viel. Dann bauen Sie, bauen Sie ein hübsches, nettes Schlößchen, an dem die Damen etwas Neues sehen und ihre Freude haben. Bauen Sie da ein Maleratelier für meinen Sohn und Ihre Flora. Bauen Sie ein kleines Rodriganda für unsere arme, liebe Rosa und ihr Röschen. Das gibt Zerstreuung. Verstehen Sie mich?«

Da konnte sich der Herzog nicht länger halten. Er streckte dem Hauptmann dankend beide Hände entgegen und rief:

»Ja, jetzt verstehe ich Sie, Sie lieber, grober Oberförster. Jetzt weiß ich, wie Sie es meinen. Ja, ich werde Ihren Rat befolgen, ich werde kaufen und bauen, und wir wollen sehen, ob es Segen bringt.« – »Es bringt Segen, darauf dürfen Sie sich verlassen!«

* * *

Drei Jahre waren seit Röschens Geburt vergangen, da wurde der Grundstein zu dem neuen Schloß gelegt. Der Plan hatte die Teilnahme aller gefunden. Mitten im Park sollte das Schloß von Rodriganda in Miniatur hinkommen.

Endlich wurde das Schloß fertiggestellt, und der Herzog lud zur Einweihung desselben den Adel der Umgegend ein. Es verstand sich von selbst, daß der Großherzog nebst Gemahlin erschien. Die letztere fuhr mit einigen ihrer Hofdamen etwas vorher, um vorerst nach Klein-Rodriganda zu gehen und ihr liebes Patenkind zu sehen. Da sahen sie etwas Helles durch die Büsche schimmern. Sie traten näher und erblickten Röschen, mit einem aus Tannenreisern und Hageröschen geflochtenen Strauß auf dem Kopf und einer ebensolchen Girlande um den Leib. Kurt kniete vor ihr, um sie zu schmücken. Die beiden Kinder erschraken nicht, als sie die hohe Frau erblickten, sondern traten unbefangen näher.

»Was spielt ihr da?« fragte die Großherzogin freundlich. – »Weil Röschen jetzt im Wald wohnt, möchte sie gern Waldröschen heißen, und so habe ich sie gerade wie ein Waldröschen geschmückt«

Da bog sich die Großherzogin, hingerissen von der kindlichen Schönheit des lieblichen Wesens, zu ihr nieder, küßte sie und sagte gerührt:

»Ja, du sollst Waldröschen heißen, denn du bist so zart und rein, so hold und so schön wie die Blüten, die du trägst. Gott schütze dich, mein Liebling!«

Seit jener Stunde wurde Röschen Waldröschen genannt. Kurt hatte ihr diesen Namen gegeben, und die Großherzogin hatte ihn bestätigt.

Am anderen Tag ging Röschen wieder in den Park. Sie suchte Kurt und fand ihn nicht. Darum ging sie weiter. Da endlich sah sie ein kleines Häuschen vor sich, und als sie die Pforte des Staketenzäunchens offen und die Tür der Hütte angelehnt sah, trat sie ein.

Aber fast hätte sie vor Schreck laut aufgeschrien, denn auf einem Schemel inmitten des engen, niederen Raumes saß zwar der Waldhüter, aber vor ihm auf dem Stuhl eine alte Frau, so häßlich, wie sie noch gar keine gesehen hatte. Sie wollte fliehen, aber Tombi hatte sie bereits bemerkt und winkte sie näher. Da drehte sich auch die Alte nach ihr um, blickte sie scharf an und sagte:

»Das ist sie! Diese Züge tragen fürstliches und gräfliches Gepräge. Wache über sie, mein Sohn! Ich aber will dem Unglück gebieten, von ihrem reinen Haupt fernzubleiben!«

Sie trat zu Röschen, legte ihr die Hände wie segnend auf das schöne Lockenköpfchen, und während sich ihre Augen emporrichteten, bewegten sich ihre Lippen wie im Gebet. Das Mädchen hob die Wimpern leise und blickte verstohlen zu der Alten empor. Und als sie dieselbe so warm und innig beten sah, war es ihr, als ob sie jetzt nicht mehr häßlich aussehe, sondern lieb und gut, wenn auch ein wenig alt. Dann nahm die Frau die Hand wieder zurück, beugte sich freundlich herab und fragte:

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