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Satan und Ischariot I

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Viertes Kapitel: Vergeltung

Winnetou kehrte sehr bald zurück; dennoch hatte er den Lagerplatz genau studiert und dabei beobachtet, daß zwei Kundschafter fortgeschickt worden waren.

»Die fangen wir natürlich?« fragte ich, er aber antwortete nicht, da er es für selbstverständlich hielt, die Leute festzunehmen.

Wir ritten also, um nicht gehört zu werden, erst noch ein Stück vom Walde fort und bogen dann nach der Südseite desselben ein, welcher entlang die Kundschafter kommen mußten. Nach ungefähr einer Viertelstunde lenkten wir dem Walde wieder zu und stiegen, als wir ihn erreichten, ab. Nachdem wir die Pferde angebunden hatten, gingen wir eine kleine Strecke zurück und legten uns an einer geeigneten Stelle nieder. Die zwei Roten mußten aller Voraussetzung nach hier vorüberkommen.

Wenn dies letztere wirklich der Fall war, so konnten sie uns nicht entgehen, denn wir mußten sie sehen, weil es mittlerweile heller geworden war. Der Mond war aufgegangen, doch sahen wir ihn nicht, da er noch hinter dem Walde steckte, welcher seinen Schatten eine Strecke weit über seine Grenze warf.

Wir mochten ungefähr zehn Minuten gewartet haben, als wir von rechts her Schritte hörten. Die Erwarteten kamen, und zwar hielten sie sich so nahe an dem Waldesrande, daß wir ihre Gestalten deutlich sahen, wenn wir ihre Gesichter auch nicht erkennen konnten. Sie gingen hintereinander. Die Figur des vordersten kam mir bekannt vor; sie war höher und breiter als die des andern, der hinter ihm ging.

»Ich den ersten und du den zweiten,« raunte ich Winnetou zu.

Jetzt waren sie da; sie gingen vorüber, langsam und indem sie vorsichtig vor sich hinspähten. Als sie vorbei waren, huschten wir hervor. Ich that zwei, drei schnelle Sprünge, kam an dem hinteren vorüber, den ich dabei niederschlug, um Winnetou leichteres Spiel zu machen, und faßte den vorderen mit beiden Händen um den Hals, stieß ihm das Knie in das Kreuz und riß ihn so hintenüber zu Boden. Als ich dann rasch auf seine Brust kniete und mein Gesicht dem seinigen näher brachte, erkannte ich ihn. Es war der »große Mund«, der Häuptling der Yumas in eigener Person. Er trug die rechte Hand in der Binde und wäre, selbst wenn ich ihn nicht so fest beim Halse gehabt hätte, nicht im stande gewesen, sich mit seinem linken Arme nachdrücklich gegen mich zu wehren.

Ein Blick auf Winnetou zeigte mir, daß diesem der Hieb, den ich dem andern Indianer gegeben hatte, sehr zu statten gekommen war. Er kniete ihm auf dem Rücken, hatte ihm den Lasso abgenommen und band ihm mit demselben die Hände hinten zusammen. Der Rote wehrte sich dagegen mit keiner Bewegung, da er sich in einem Zustande kurzer Betäubung befand. Dann kam Winnetou zu mir, wand dem Häuptlinge, während ich denselben festhielt, den Lasso von den Hüften und fesselte ihn ebenso, wie er seinen Gefährten gebunden hatte. Dabei sah er natürlich auch die Züge des Gefangenen und rief, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, überrascht aus:

»Uff! Hat mein weißer Bruder gesehen, wen wir da ergriffen haben?«

»Ja,« antwortete ich, indem ich nun den Hals des großen Mundes frei gab. »Wir haben einen guten Fang gemacht.«

Der Genannte bekam jetzt wieder Luft. Er that einen tiefen Atemzug und knirschte, indem er mich aus seinen Augen förmlich anblitzte:

»Old Shatterhand! Hieher kann dich nur der böse Geist geführt haben.«

»Nicht der böse Geist, sondern der Krieger, den du hier bei mir siehst,« antwortete ich, indem ich auf den Apatschen deutete. »Siehe ihn an! Kennst du ihn?«

Eben trat der Mond hinter der Kante des Waldes hervor und warf sein Licht in die Gruppe, welche wir bildeten, wobei er meinen roten Freund hell beleuchtete.

»Winnetou! Uff, uff! Der Häuptling der Apatschen!« stieß der Yuma hervor.

»Ja, Winnetou ist‘s,« fuhr ich fort. »Du wirst nun wohl einsehen, daß du nicht wieder loskommen kannst. Wer sich in der Gefangenschaft Winnetous befindet, erlangt nur dann die Freiheit, wenn dieser sie ihm freiwillig zurückgiebt.«

»Du irrst,« antwortete er in drohendem Tone. »Ich werde in wenigen Minuten wieder frei sein.«

»Wieso?«

»Meine Krieger werden mich befreien. Wir sind ihnen vorangegangen, und sie werden uns gleich nachfolgen. Ihr seid verloren. Wenn ihr uns aber sofort wieder losbindet, bin ich bereit, euch laufen zu lassen.«

»Deine Worte sind die dümmsten, welche du jemals gesprochen hast,« lachte ich.

»Ich sage die Wahrheit!« behauptete er.

»Wenn du zu unerfahrenen Männern sprächst, so könnte deine List vielleicht Erfolg haben; da du aber Winnetou und mich vor dir hast, so ist es eine reine Lächerlichkeit, uns auf eine so alberne Weise einschüchtern zu wollen. Haben deine Krieger Pferde oder nicht?«

»Sie haben welche; das weißt du ja auch. Um so schneller werden sie hier sein.«

»Sie haben Pferde, und ihr reitet ihnen nicht, sondern ihr lauft ihnen voran? Der »große Mund« hält uns doch nicht etwa für Kinder! Daß ihr nicht reitet sondern geht, würde uns alles sagen, selbst wenn wir nichts wüßten. Wir wissen aber, daß die Yumas lagern und daß ihr beide gegangen seid, nach mir und den Mimbrenjos zu suchen. Ihr seid Kundschafter, und eure Krieger werden euch nicht nachfolgen, sondern ruhig liegen bleiben, um eure Rückkehr zu erwarten.«

»Du beleidigst mich. Wie kannst du einen Häuptling einen Kundschafter nennen!«

»Wenn er einer ist, warum dann nicht? Die Wiedererlangung meiner Person war dir von solchem Werte, daß du dich selbst aufgemacht hast, nach uns zu suchen.«

»Und ich sage nochmals, daß du dich irrst. Bindet uns los, wo nicht, so werden meine Krieger in wenigen Augenblicken hier sein und uns befreien. Dann kann ich sie nicht hindern, euch zu töten.«

»Wir fürchten euch nicht,« entgegnete Winnetou. »So wie ihr euch jetzt in unserer Gewalt befindet, werden wir auch alle eure Krieger ergreifen.«

»Sie werden sich wehren und euch vernichten,« drohte der große Mund.

»Deine Rede ist leer wie ein Pulverbeutel, in welchem sich kein Körnchen mehr befindet. Ich sage dir, ich, Winnetou, daß du selbst deinen Kriegern den Befehl geben wirst, sich nicht gegen uns zu wehren!«

»Nie!«

»Nie? Schon wenn der Tag graut, wirst du es thun. Ich weiß das so genau, daß ich das, was ich mit meinem Bruder Old Shatterhand jetzt noch zu sprechen habe, nicht heimlich zu ihm sage. Du magst es hören.«

Sich zu mir wendend, fuhr er fort:

»Wer soll mit den beiden Gefangenen zu unsern Freunden reiten, um sie zu holen? Einer von uns muß hier bleiben, um die Yumas zu beobachten und die Umgebung ihres Lagers noch genauer, als wir es vorhin konnten, zu erkundschaften.«

»Winnetou mag bestimmen,« antwortete ich.

»So bleibe ich, und du reitest. Bei eurer Rückkehr wirst du mich an dieser Stelle wiederfinden. Die Gefangenen werden sich auf mein Pferd setzen und sich auf demselben festbinden lassen. Jeden Versuch der Gegenwehr würden wir mit unsern Messern beantworten.«

Ich holte unsere Pferde herbei. Die beiden Yumas sahen ein, daß sie sich fügen mußten. Selbst der Gedanke, um Hilfe zu rufen, konnte ihnen nicht beikommen, da wir soweit entfernt von ihrem Lager waren, daß man selbst das lauteste Gebrüll dort nicht gehört hätte.

Der »große Mund« mußte Winnetous Pferd besteigen und wurde dort festgeschnürt. Der andere stieg hinter ihm auf und wurde mit ihm zusammengebunden. Dann wurden ihre Füße unter dem Bauche des Pferdes mit ihren eigenen Lassos in der Weise festgebunden, daß je ein rechter oder linker Fuß des Häuptlings mit dem linken oder rechten seines Untergebenen zusammengefesselt war. Auf diese Weise war dafür gesorgt, daß sie selbst beim unvorhergesehenen Eintritte des günstigsten Zufalles nicht loskommen konnten. Selbst in dem Falle, daß es ihnen gelungen wäre, ihre Oberkörper und Arme frei zu machen, hätten sie noch unten mit den Füßen in der Weise fest zusammengehangen, daß sie nicht aus dem Sattel und vom Pferde herabkonnten. Ich nahm das Pferd beim Zügel, bestieg das meinige und ritt davon, in östlicher Richtung natürlich, da sich nach dieser die Mimbrenjos befanden.

Da ich keine Zeit verlieren wollte, ritt ich Galopp und konnte das sehr wohl, weil der Mond den Weg, den ich einzuschlagen hatte, beleuchtete. Die Gefangenen verhielten sich lange schweigsam; dann aber konnte der Häuptling die wichtige Frage, welche ihm auf den Lippen lag, nicht länger zurückhalten:

»Wer sind die Männer, zu denen Old Shatterhand reitet?«

»Meine Freunde,« antwortete ich kurz.

»Um das zu wissen, brauchte ich nicht zu fragen. Ich wollte erfahren, ob sie Bleichgesichter oder rote Männer sind.«

»Rote.«

»Von welchem Stamme?«

»Mimbrenjos.«

»Uff!« rief er erschrocken aus. »Wurden sie von Winnetou angeführt?«

»Nein. Er befindet sich nur als Gast bei ihnen.«

»Wer ist denn der Häuptling?«

Es wäre mir sonst gewiß nicht beigekommen, ihm Auskunft zu erteilen; in diesem Falle aber hatte ich Grund, es zu thun, denn ich wußte ja, daß er mit dem »starken Büffel« verfeindet war und der Name desselben ihm also die Hoffnung, welche er vielleicht noch hegte, nehmen mußte. Darum antwortete ich bereitwillig:

»Nalgu Mokaschi.«

»Uff! Der »starke Büffel«! Muß es doch gerade dieser sein!«

»Du erschrickst? Weißt du nicht, daß ein Krieger vor keiner Gefahr und vor keinem Menschen erschrecken darf? «

»Ich erschrecke nicht!« versicherte er in stolzem Tone. »Der »starke Büffel« ist mein ärgster Feind. Wie viele Krieger hat er bei sich?«

»Weit mehr als du.«

»Ich weiß, daß er meinen Tod verlangen wird. Wirst du mich beschützen?«

»Ich? Deine Frage ist die eines Unsinnigen. Du wolltest mich am Marterpfahle sterben lassen, und nun fragst du mich, ob ich dich beschützen werde! Hätte ich mich nicht selbst befreit, du hättest mich auf keinen Fall losgelassen.«

 

»Nein. Aber ich habe dich gut behandelt. Du hast weder gehungert noch gedürstet, während du dich in meiner Gewalt befandest. Mußt du mir dafür nicht dankbar sein?«

»Wer kann sagen, daß Old Shatterhand jemals undankbar gewesen sei!«

»So rechne auch ich auf deine Dankbarkeit.«

»Das sollst du auch. Ich bin bereit, ganz dasselbe für dich zu thun, was du für mich gethan hast.«

»Was meinst du mit diesen Worten?«

»Der »starke Büffel« wird deinen Tod fordern; er wird dich nach den Wigwams der Mimbrenjos schaffen, wo du den Tod am Marterpfahle erleiden wirst.«

»Du wirst das zugeben?«

»Ja. Aber ich werde dafür sorgen, daß du unterwegs gut behandelt wirst und weder Hunger noch Durst zu leiden hast.«

Er fühlte die Ironie, welche in diesen Worten lag, und schwieg. Ich wußte aber, daß dies Schweigen nicht lange dauern werde. Die Indianer Mexikos sind in Beziehung auf ihren Heldenmut nicht mit denen der Vereinigten Staaten zu vergleichen. Ein Apatsche, Comantsche oder gar Dakota hätte es als eine Entehrung seiner selbst gehalten, jetzt überhaupt ein Gespräch mit mir zu beginnen. Er hätte sich schweigend und scheinbar in sein Schicksal ergeben, dabei aber begierig nach jeder Gelegenheit, loszukommen, ausgeschaut. Hätte sich keine solche gefunden, so wäre er in den martervollsten Tod gegangen, ohne ein Wort hören zu lassen oder auch nur eine Miene zu zeigen, aus welcher man seinen glühenden Wunsch nach Freiheit hätte erraten können. So stoisch aber sind die südlichen Indianer nicht; ja, sie geben sich den Anschein oder glauben vielleicht auch, es zu sein, aber wenn der Ernst an sie herantritt, ist es mit der geheuchelten Gleichgültigkeit und Empfindungslosigkeit zu Ende. Der Yumahäuptling wußte, daß er bei dem »starken Büffel« keine Gnade finden werde; er sann auf Rettung und sagte sich schließlich das, was ich voraussah, nämlich daß er sie nur bei mir oder durch mich finden werde. Die Folge davon war, daß er nach einigen Minuten wieder begann:

»Ich habe vernommen, daß Old Shatterhand ein Freund der roten Männer ist?«

»Ich bin ein Freund der Roten und der Weißen, aber ein Feind jedes bösen Menschen, mag die Farbe seines Gesichtes nun hell oder dunkel sein.«

»Hältst du mich für einen bösen Mann?«

»Ja.«

»Aber wenn ich besser würde?«

»Das ist unmöglich, denn du hast keine Zeit dazu. Wer am Marterpfahle gestorben ist, kann sich nicht mehr bessern.«

»So gieb mir Zeit!«

»Warum? Wozu? Mir ist es höchst gleichgültig, ob du dich besserst oder nicht. Wenn du Zeit fändest, dich zu ändern, so könnte es mir keinen Nutzen bringen.«

»So hat man mich falsch berichtet, und das, was ich über euch Christen gehört habe, ist nicht wahr.«

»Was hat man dir gesagt?«

»Daß ein Christ, ohne daß er einen Nutzen davon hat, alles thut und das größte Opfer bringt, wenn er dadurch aus einem bösen Manne einen guten machen kann.«

»Das ist freilich wahr; aber ich will dir aufrichtig gestehen, daß ich in diesem Falle ein schlechter Christ bin. Wenn ich etwas für einen Menschen thue, oder gar ein Opfer für ihn bringe, muß ich einen Nutzen davon haben. Indem ich dies sage und darüber nachdenke, fällt mir ein, daß ich doch vielleicht einen Grund finden könnte, mich deiner anzunehmen.«

»So sprich! Teile mir den Grund mit!«

»Ich bin bereit, das Schicksal, welches deiner wartet, möglichst zu erleichtern, werde vielleicht gar für deine Befreiung sprechen, aber ich fordere dafür von dir die Wahrheit.«

»Welche Wahrheit?«

»Ich werde dich nach Melton und nach Weller fragen, und von der Aufrichtigkeit deiner Antworten wird dein Schicksal abhängen.«

»So frage! Ich bin bereit, dir alles zu sagen.«

»Nicht jetzt, sondern später, denn wir werden gleich am Ziele angekommen sein.«

Es war so, wie ich sagte. Der Galopp der beiden windesschnellen Pferde hatte uns rasch vorwärts gebracht; wir näherten uns der Stelle, an welcher die Mimbrenjos lagerten; ich zügelte darum die Tiere und ritt im Schritte weiter. Bald tauchten mehrere Indianer vor und neben uns auf, welche ihre Gewehre auf uns anlegten und Halt geboten.

»Old Shatterhand!« rief ich ihnen zu. Da senkten sie ihre Waffen und ließen mich vorüber.

Die Mimbrenjos hatten kein Lagerfeuer angezündet und sich in den Schatten des Waldes zurückgezogen. Als sie meine Stimme und meinen Namen hörten, kamen mir, da die Sicherheitsposten stehen bleiben mußten, einige von ihnen entgegen, um mich zu führen, sonst hätte ich die Stelle, an welcher ihr Häuptling saß, nicht so leicht gefunden. Dieser glaubte, als er zwei Pferde erblickte, daß ich mit Winnetou zurückkäme; als ich aber vor ihm anhielt und aus dem

Sattel stieg, sah er zwei fremde Gestalten auf dem andern Pferde sitzen und fragte:

»Du kehrst ohne den Häuptling der Apatschen zurück? Wo ist er, und wer sind die beiden roten Männer, die du mit dir bringst? Warum steigen sie nicht auch ab?«

»Sie können nicht. Es ist hier im Schatten der Bäume dunkel, und so kannst du nicht sehen, daß sie auf das Pferd gebunden sind.«

»Gebunden? So sind es gefangene Yumahunde?«

»Ja.«

»Das ist gut! Sie werden die Freiheit niemals wiedersehen, und ich hoffe, daß der räudigste dieser Hunde, der »große Mund«, ebenso wie sie in unsere Hände gerät. Nehmt sie herab, und bindet sie an Bäume!«

Er wollte sich nach diesem Befehle von den Ge- Gefangenen ab- und mir wieder zuwenden; da forderte ich ihn auf:

»Du sprichst von dem Häuptlinge der Yuma. Willst du die Gefangenen nicht einmal genauer betrachten!«

Er trat an Winnetous Pferd heran und blickte an der Gestalt des vorderen Reiters empor. Da fuhr er einen Schritt zurück und rief aus:

»Uff! Sehe ich richtig, oder täuscht mich der Schatten, in welchem ich stehe? Ist das der Räudige, mit dessen Namen ich soeben meine Zunge verunreinigt habe?«

»Er ist‘s.«

»Der »große Mund«! Ihr tapfern Krieger der Mimbrenjos, vernehmt es, daß der »große Mund« gefangen ist!«

»Der »große Mund«, der »große Mund«!« ging es durch die Reihen der Roten. Sie drängten sich herbei, um ihn zu sehen, und ihre Lippen überflossen von Schimpfworten und Verwünschungen, welche man zwar hören, aber nicht wiedergeben kann. Sie hätten ihn trotz seiner Bande vom Pferde gerissen, wenn ich sie nicht daran gehindert hätte.

»Zurück!« gebot ich ihnen. »Der Gefangene gehört mir; nicht ihr seid es, sondern ich bin es, der ihn ergriffen hat.«

»Aber du gehörst zu uns,« warf der »starke Büffel« ein; »daher gehört er uns ebenso wie dir. Doch soll ihm jetzt nichts geschehen. Nehmt ihn herab und bindet ihn und den andern an einen Baum. Bewacht ihn aber gut, damit er alle Hoffnung, uns etwa zu entkommen, fahren läßt!«

»Nein,« entgegnete ich. »Nehmt beide herab, aber bindet jeden auf ein anderes Pferd! Wir müssen augenblicklich zu den Yumas aufbrechen, welche dort oben hinter der Ecke des Waldes lagern. Winnetou befindet sich in ihrer Nähe, um sie zu beobachten.«

»Ueberfallen wir sie?«

»Wahrscheinlich nicht. Ich denke, daß ein Kampf gar nicht nötig ist. Ich hatte nicht Zeit, mit Winnetou darüber zu beraten, aber er ist ganz meiner Meinung, daß wir die Feinde gefangen nehmen werden, ohne daß euer oder unser Blut vergossen wird.«

»Desto besser, denn dann werden sie alle am Marterpfahle sterben, und es wird in den Wigwams der Mimbrenjos darüber große Freude und Wonne sein. Habt ihr es gehört, ihr Krieger, Old Shatterhand befiehlt, aufzubrechen!«

Zwei Minuten später saßen sie alle im Sattel, und es ging im Galoppe den Weg zurück, den ich soeben gekommen war. Ich hatte mich bei dem Aufbruche nicht um die Gefangenen gekümmert, konnte aber vollständig überzeugt sein, daß sie sich in mehr als aufmerksamer Obhut befanden. Mit dem »starken Büffel« voranreitend, erzählte ich ihm, was geschehen war.

»Mein Bruder Old Shatterhand hat sich in großer Gefahr befunden,« sagte er, als ich zu Ende war. »Die Krieger der Mimbrenjos wissen, daß der Puma selbst in der Nacht keinen Reiter angreift; sie hättest du nicht täuschen können. Den Hunden der Yumas aber bist du entgangen, weil ihre Schädel mit verfaultem Grase gefüllt sind. Du meinst also, gerade wie Winnetou, daß wir nicht zu kämpfen brauchen?«

»Ja.«

»Die Yumas sind feige Kröten; aber ihre Zahl ist nicht gering, und so bin ich überzeugt, daß sie sich verteidigen werden.«

»Wer sich verteidigt, ist angegriffen worden; wir werden sie aber gar nicht angreifen.«

»Und dennoch werden sie sich ergeben?«

»Ja.«

»Dann sind sie wert, angespieen und verlacht zu werden. Ich bin alt geworden und habe manches erlebt, was andere nie erfahren; noch nie aber habe ich gesehen, daß jemand sich ergeben hat, ohne dazu gezwungen worden zu sein.«

»Du wirst alles weitere später hören, wenn wir mit Winnetou sprechen. Jetzt wollen wir eilen, zu ihm zu kommen!«

Es ging wie im Fluge am Walde hin, bis wir den Ort erreichten, an welchem ich mich von Winnetou getrennt hatte. Da stand er, auf uns wartend, aufrecht im Mondenscheine, damit wir ihn sogleich sehen möchten. Wir stiegen ab. Die Pferde wurden längs des Waldrandes an die Bäume gebunden; die Gefangenen kamen unter sorgfältige Bewachung, die Roten lagerten sich in den Schatten, und bald herrschte eine solche Stille, daß es wohl nur einem ausgezeichneten Späher der Yumas gelungen wäre, uns hier ausfindig zu machen.

Winnetou, der »starke Büffel« und ich saßen zusammen, um das, was zu geschehen hatte, zu besprechen. Keiner der andern wagte es, uns so nahe zu kommen, daß er unsere Worte, welche übrigens nicht überlaut gesprochen wurden, hören konnte. Der Indianer ist ein freier Krieger und keineswegs in der Weise wie ein Soldat diszipliniert, zeigt aber gegen seinen Anführer eine Achtung, welche nicht geringer ist als diejenige, welche ein General von seinen Untergebenen zu fordern hat.

Der »starke Büffel« war viel älter als Winnetou oder ich, und doch viel ungeduldiger. Wir hatten kaum bei einander Platz genommen, so begann er auch schon:

»Die Hunde der Yumas sind uns in den Weg ge- gelaufen; wir werden uns beeilen, sie nicht in ihre Höhlen und Löcher zurückkehren zu lassen.«

Winnetou antwortete ihm nicht sogleich, und auch ich schwieg. Der Alte war blutgierig, mir aber wäre der Tod so vieler Menschen entsetzlich gewesen. Ich war entschlossen, auf ein gütliches Uebereinkommen zwischen den Mimbrenjos und Yumas hinzuarbeiten, durfte dies aber dem Häuptlinge der ersteren jetzt noch nicht merken lassen; er wäre sonst wohl kopfscheu geworden und im stande gewesen, auf eigene Faust und nach seinem persönlichen Ermessen zu handeln. Wie ich Winnetou kannte, konnte ich überzeugt sein, daß er mit mir wenigstens darin übereinstimmen würde, daß ein Blutvergießen möglichst zu vermeiden sei. Da wir mit der Antwort zögerten, fuhr der »starke Büffel« fort:

»Haben meine beiden Brüder meine Worte gehört? Warum reden sie nicht? Old Shatterhand will nicht kämpfen. Was soll sonst geschehen? Kann etwa Winnetou mir das sagen?«

»Ich kann es sagen,« antwortete der Apatsche.

»Mein Ohr ist offen und begierig, es zu hören.«

»Die Yumas werden sich ergeben, ohne mit uns gekämpft zu haben.«

»Das glaube ich nicht. Wenn sie es thäten, wären sie größere Feiglinge, als ich trotz meiner Verachtung für sie anzunehmen vermag.«

»Kann nicht auch ein tapferer Mann gezwungen sein, sich ohne Kampf zu ergeben? Ein guter Krieger ist nicht nur tapfer, sondern auch vorsichtig, bedachtsam und klug. Wer kann von Winnetou sagen, daß er jemals mutlos oder gar feig gewesen sei? Und doch ist es vorgekommen, daß er sich seinen Gegnern ohne Kampf ergeben hat. Hätte er gekämpft, so wäre er getötet worden, ohne seinen

Feinden schaden zu können. Er gab sich aber gefangen, entfloh später und konnte sich an ihnen rächen und sie bestrafen. Was war nun besser, die blinde Tapferkeit oder die weitsehende Bedachtsamkeit?«

»Die letztere,« war der Mimbrenjo gezwungen, einzugestehen.

»Und hat Old Shatterhand nicht ebenso gehandelt? Als die Yumas ihn ergriffen, hätte er sich solange wehren können, bis er unter ihren Streichen sterben mußte. Er that es aber nicht, sondern ließ sich festnehmen und binden. Sieh ihn an! Ist er nicht frei? Hat er nicht jetzt ihren Häuptling gefangen genommen? Ist er etwa feig gewesen? Nein, sondern nur klug! So werden auch die Yumas handeln, wenn sie einsehen, daß Widerstand vergeblich sein würde.«

»Ist Winnetou im stande, ihnen diese Einsicht zu geben?«

»Ja, wenn die Krieger der Mimbrenjos ihm dabei helfen.«

»So mag er sagen, welche Gedanken er hegt.«

»Wir schließen die Yumas ein. Während Old Shatterhand fort war, habe ich den Platz des Lagers genau betrachtet. Die Yumas sind sehr müde; sie schlafen am Waldesrande im Grase; sie verlassen sich auf ihre beiden Kundschafter und haben keine Wachen ausgestellt. Nur bei den Pferden, welche in der Nähe grasen, befinden sich zwei Krieger, welche aufzupassen haben, daß die Tiere sich nicht zu weit entfernen. Ist es da nicht leicht, die Schläfer einzuschließen?«

 

»Von der Seite des Waldes ist es leicht, nicht aber von der andern. Im Walde ist es dunkel; da kann man sich heranschleichen und festsetzen, ohne bemerkt zu werden. Draußen aber ist es hell; weil der Mond scheint. Die

Leute, welche bei den Pferden sind, würden uns kommen sehen und Lärm machen.«

»Ja, der Mond scheint hell, aber die Augen des »starken Büffels« sehen dennoch das Richtige nicht. Die Yumas können unsere Annäherung unmöglich bemerken. Wir lassen die Pferde zurück und schleichen uns zu Fuße so nahe heran, wie es möglich ist. Wenn wir draußen im Grase auf dem Bauche kriechen, wird uns niemand sehen.«

»Uff! Wenn Winnetou es so meint, so kann ich ihm nicht unrecht geben. Aber was soll geschehen, wenn wir sie umzingelt haben?«

»Wir fordern sie auf, die Waffen zu strecken.«

»Und mein Bruder glaubt wirklich, daß sie das thun werden?«

Der »starke Büffel« sprach diese Frage mit einem nicht ganz unterdrückten Lachen aus. Winnetou antwortete in seiner ruhigen Weise:

»Ich glaube es nicht nur, sondern ich bin überzeugt davon.«

»So will ich dem Häuptlinge der Apatschen sagen, was geschehen wird. Die Yumas werden zwar sehen, daß sie eingeschlossen sind, aber sie werden sich durchschlagen, was ihnen leicht werden wird.«

»So mag der »starke Büffel« sagen, inwiefern es ihnen so leicht sein wird! Können sie nach dem Walde hin entkommen?«

»Nein, denn dort stecken unsere Krieger im Schutze der Bäume und jeder von ihnen kann zehn Feinde töten, ehe der elfte an ihn kommt. Sie müssen also nach der andern Seite.«

»Aber dort befinden sich doch auch Krieger von uns!«

»Das thut nichts, denn diese werden zwar einige

Yumas töten, die andern aber entkommen lassen müssen. Selbst der beste Läufer kann keinen Reiter ereilen.«

»Uff! So denkt der »starke Büffel«, daß die Yumas reiten werden?«

»Ja. Sobald sie sich eingeschlossen sehen, werden sie sich auf ihre Pferde werfen und nach der Ebene hinaus durchbrechen.«

»Aber sie werden keine Pferde haben,« behauptete Winnetou mit der ihm so eigenen Sicherheit.

Da begann es im Kopfe des starken Büffels zu dämmern. Er ließ den Atem wie einen leisen, verwunderten Pfiff über seine Lippen gehen und fragte:

»Will Winnetou ihnen die Pferde wegnehmen lassen? Das wird schwer, sehr schwer sein!«

»Es ist so leicht, daß ein Kind es auszuführen vermag. Haben die Yumas keine Pferde, so können sie nicht durchbrechen. Sie werden es zwar versuchen, jeden Versuch aber mit Blut bezahlen.«

»So machen sie keinen Versuch mehr, ergeben sich aber auch nicht. Was gedenkt Winnetou dann zu thun?«

»Sie aufzufordern, ihre Waffen abzuliefern. Der »große Mund« wird seinen Leuten befehlen, sich zu ergeben.«

»Willst du ihn dadurch, daß du ihm sonst mit dem Tode drohst, zu dem Befehle zwingen?«

»Das können wir versuchen.«

»Es wird nicht gelingen, obgleich er ein Feigling ist. Er weiß, daß wir ihn nicht so schnell töten, sondern mit uns nehmen werden, um ihn am Pfahle sterben zu lassen. Er wird sich einbilden, uns unterwegs entkommen zu können.«

»Mein roter Bruder giebt ihm so kurze Gedanken, wie er wirklich nicht besitzt. Wird der »große Mund« wirklich alle seine Krieger von uns erschießen lassen, um allein von uns fortgeschleppt zu werden? Oder wird es ihm nicht lieber sein, wenn sich auch seine Männer als Gefangene bei ihm befinden? Sind sie bei ihm, so ist die Flucht viel leichter, als wenn er allein ist.«

»Aber auch unsere Aufmerksamkeit wird größer sein. Wäre die Flucht ihm nicht nur möglich, sondern gewiß, so würde ich glauben, daß er sich den Schein aneignete, auf unsere Forderung einzugehen.«

»So ist es ja nur nötig, ihm diese Sicherheit zu geben und ich kenne einen, dem das sehr leicht fallen würde; Old Shatterhand ist es.«

»Old Shatterhand, mein weißer Bruder? Wie sollte er es anfangen, dem »großen Munde« weiß zu machen, daß er entkommen wird, wenn er sich uns mit allen seinen Kriegern ergiebt, aber sterben muß, wenn er sich dessen weigert?«

»Frage ihn selbst! Während ich jetzt mir dir redete, hat er darüber nachgedacht. Er weiß, daß der »große Mund« ihn betrügen will, und daß es darum sehr leicht sein wird, ihn selbst zu betrügen.«

Es war wirklich bewundernswert, wie Winnetou meine Gedanken zu erraten vermochte. Ich hatte ihm nicht die geringste Andeutung gemacht, auch wußte er nicht, was ich unterwegs mit dem »großen Munde« geredet hatte, und doch sprach er mit einer Sicherheit von meinen Gedanken, als ob sie die seinigen seien.

»Hat Winnetou recht gesprochen?« fragte mich der Mimbrenjo.

»Ja,« antwortete ich. »Der »große Mund« wird seine Leute auffordern, sich uns zu ergeben.«

»Und du, du willst ihn dazu vermögen?«

»Ja, durch Gegenlist, da er die Absicht haben wird, mich zu überlisten. Ich verspreche ihm, ihn und seine Leute heimlich freizulassen.«

»Er wird es nicht glauben.«

»Er wird es glauben, denn er weiß, daß Old Shatterhand noch nie ein Versprechen gebrochen hat.«

»Aber dieses müßtest du ja brechen und zum Lügner werden! Oder wolltest du dein Versprechen halten und ihn und seine Leute gegen unsern Willen fliehen lassen?«

»Ja.«

»Und dazu soll ich dir die Hand reichen! Bist du aus meinem Freunde und Bruder mein Feind geworden?«

»Nein, denn ich werde die Yumas und ihren Häuptling nicht entkommen lassen.«

»Und soeben hast du das Gegenteil behauptet! Ich habe nicht gewußt, daß dein Mund zwei Zungen hat. Welcher soll ich glauben?«

»Ich habe nur eine Zunge, und dieser mußt du glauben.«

»Aber sie spricht bald schwarz und bald weiß!«

»Sie spricht die Wahrheit, weiter nichts. Was ich dir sage, ist wahr, und was ich dem »großen Munde« sagen werde, ist auch wahr. Die Hauptsache aber ist die, daß er sich selbst überlisten wird. Ich werde ihm die Freiheit versprechen und die Erfüllung dieses Versprechens an eine Bedingung knüpfen. Er wird zum Scheine auf die Bedingung eingehen, sie aber nicht erfüllen; dann bin ich meines Wortes entbunden und brauche ihn nicht freizulassen.«

»Weißt du denn genau, daß er sein Versprechen nicht erfüllen wird?«

»Ja.«

»Welches Versprechen ist es?«

»Mir der Wahrheit gemäß zu sagen, wie und warum der Ueberfall der Hazienda del Arroyo zustande gekommen ist. Er wird versprechen, es mir zu sagen, aber sein Wort nicht halten. Den Schein wird er sich freilich geben. Er wird mir eine Erzählung liefern, welche aber nicht die Wahrheit enthält. Uebrigens ist es nicht nötig, schon jetzt davon zu sprechen. Es genügt, daß ich weiß, was geschehen wird und was ich zu thun und zu sagen habe. Mein Freund Winnetou hat mit seinem scharfen Blicke meine Gedanken gesehen, und ebenso habe ich gesehen, daß sein Plan der allein richtige ist. Laßt uns keine Zeit verlieren, ihn auszuführen! Mitternacht ist schon vorüber, und noch bevor der Morgen graut, müssen die Yumas umzingelt sein.«

»Ihr habt gesprochen, und es ist euer Wille, also mag es geschehen. Winnetou und Old Shatterhand wissen stets, was sie thun, und so will ich nicht dagegen sein, obgleich ich es nicht ganz zu begreifen vermag. Howgh!«

Howgh ist das Wort der Bekräftigung, der Besiegelung. Ist es ausgesprochen worden, so gilt die Angelegenheit als entschieden und ist nicht mehr zu ändern.

Nun wurden die nötigen Vorkehrungen getroffen. Fünf Mann sollten hier auf dieser Stelle mit den beiden Gefangenen zurückbleiben und ein scharfes Auge auf dieselben haben. Sie erhielten den Befehl, sie gegebenenfalls lieber zu töten, als sie entkommen zu lassen. Sechzig Rote sollten sich hinter dem Lagerplatz der Yumas in die Büsche schleichen und keinen von ihnen hindurchlassen. Die übrigen mußten hinaus in die Ebene, um von dieser Seite her den Ring um das Lager so eng wie möglich zu schließen. Im Walde sollte Winnetou befehligen, während draußen auf der Prairie der »starke Büffel« das Kommando zu führen hatte. Alles übrige blieb mir überlassen. Das schien nicht viel zu sein und konnte doch höchst wichtig werden, da der geringste Zufall, den ich nicht zu beherrschen vermochte, alles verderben konnte.

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