El Sendador II. Der Schatz der Inkas

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»Also eine Art Bayou, wie man im Norden diese toten Flußarme nennt? Das ist sehr gut. Sie sehen aber ein, daß ich die beiden Herren, mit denen ich sprechen will, nicht jetzt mitten in der Nacht wecken darf. Also werden Sie warten?«

»Unter diesen Verhältnissen, ja. Vorausgesetzt natürlich, daß Sie wirklich mitreiten.«

»Auf alle Fälle. Wir müssen den Sendador finden, und da er nach den Ansiedelungen ist, werden wir ihm folgen. Wie aber steht es mit dem Wege, welchen wir bis dorthin zurückzulegen haben? Ist er sehr beschwerlich?«

»Nein, wenn wir einmal über den Parana und seine Sümpfe hinüber sind. Wo ein Fluß ist, gibt es freilich Moor und große Feuchtigkeit, sowie weite, dichte Waldungen. Auch findet man bedeutende Strecken, in denen man nichts als Sand und wieder Sand findet. Aber Sie haben auch herrliche Camposstrecken, welche von schönen Gehölzen unterbrochen sind. Die Hauptsache ist, daß Sie einen Führer haben, welcher die Gegend kennt.«

»Nun, den werden wir wohl in Ihnen finden?«

»Ja. Noch bewanderter aber ist mein Vetter Gomarra, welchen ich Ihnen empfehlen kann. Der allererfahrenste freilich ist Geronimo Sabuco. Wenn Sie den finden, so bringt er Sie durch den ganzen Chaco, ohne daß Sie eine Ahnung bekommen, wie gefährlich er eigentlich für den Fremden, besonders für den Weißen ist.«

»Warum gerade für den Weißen?«

»Weil dieser nicht an das Klima gewöhnt ist und also bald das Fieber bekommt. Und sodann, weil es für ihn noch andere und weit schlimmere Gefahren gibt.«

»Welche? Wilde Tiere?«

»Ja. Der Jaguar ist gefährlich.«

»Pah, den fürchten wir nicht. Aber Sie sprachen auch von wilden Menschen, welche jedenfalls noch gefährlicher als die Jaguars sind.«

»Wilde Menschen? Da meinen Sie natürlich uns Indianer. Glauben Sie wirklich, daß wir zu den Wilden gezählt werden müssen?«

»Von Ihnen persönlich will ich nicht reden; aber denken Sie, daß man zum Beispiel die Aripones unter die hochgebildeten Völker rechnen muß?«

»Nein. Aber wer ist schuld, daß wir nicht mehr das sind, was wir früher waren? Wer hat uns aus unseren früheren Wohnsitzen vertrieben, so daß wir nun in den Wildnissen leben müssen, die man uns nun auch nicht länger gönnen will? Müssen wir nicht die Weißen hassen? Müssen wir uns nicht ihrer zu erwehren suchen, wenn sie immer auf uns eindrängen, so daß wir nicht einmal im wilden Chaco in Ruhe gelassen werden?«

»Sie mögen nicht unrecht haben. Ich gebe zu, daß Sie erbittert sein müssen. Aber Ihre Art, sich zu verteidigen durch Raub und Mord, ist die der echten Wilden.«

»Sennor, besteht nicht jeder Krieg aus Raub und Mord? Geben Sie uns Ihre Waffen und Ihre Vorteile, so können wir uns anders verteidigen. Bis dahin aber müssen wir uns der Waffen bedienen, welche wir besitzen.«

»Ist es nicht schrecklich, Menschen zu überfallen, um sie zu töten oder sie mit in die Wildnis zu schleppen, um sie später gegen hohes Lösegeld freizugeben?«

»Ja, das ist schrecklich, Sennor. Aber wer tut das? Wer hat es zuerst getan? Wer hat uns diese Weise der Kriegsführung gezeigt?«

»Die Weißen etwa?«

»Sie glauben es nicht? Nun, so denken Sie doch an das gegenwärtige Beispiel! Der Sendador führt eine ganze, große Gesellschaft Weißer über den Parana. Die Leute wollen an den Rio Salado, welcher uns gehört. Sie wollen in unserem Gebiete wohnen und auf demselben Yerba suchen und die Wälder niederschlagen, die uns gehören und ohne welche wir nicht leben können. Ist das nicht Überfall? Haben sie uns um die Erlaubnis gefragt? Werden sie uns das bezahlen, was sie uns nehmen, den Fluß, die Wälder, die Yerba, die Bäume? Nein! Und wenn wir uns sträuben, uns berauben zu lassen, so greifen sie nach ihren Waffen und wenden Gewalt an. Wie viele von uns dabei getötet werden, das erzählen sie nicht. Und wenn sie ja davon sprechen, so rühmen sie sich dessen. Habe ich recht oder nicht, Sennor?«

Ich zögerte mit der Antwort, denn ich konnte ihm nicht Unrecht geben. Dann fuhr er fort:

»Wenn Sie also von Raub und Mord sprechen, so klagen Sie die Weißen an, aber nicht uns. Sie sind die Angreifer, während wir uns nur verteidigen.«

»Aber verteidigt man sich durch die Entführung von Frauen und Mädchen?«

»Ja, wenn einem sonst kein Mittel übrig bleibt.«

»Sie haben andere Mittel, Ihre Waffen.«

»Das können Sie sagen, weil Sie fremd im Lande sind. Die Weißen haben Gewehre, Pulver und Patronen. Wir aber besitzen nur Spieße und Pfeile, mit denen wir gegen sie nichts vermögen. Muß es da nicht unser Bestreben sein, auch Gewehre zu erhalten?«

»Freilich wohl.«

»Nun, kaufen können wir sie uns nicht, denn wir haben kein Geld. Die Weißen haben uns das gute Land weggenommen, so daß wir weder Estanzias noch Ranchos besitzen. Wir können uns nichts verdienen. Darum nehmen wir, wenn sich uns Gelegenheit dazu bietet, die Frauen und Töchter der Weißen gefangen und geben sie ihnen gegen ein Lösegeld zurück, für welches wir uns dann kaufen, was wir brauchen.«

»Aber die Männer und Knaben tötet ihr bei solchen Gelegenheiten!«

»Sollen wir sie leben lassen, da sie uns bei der nächsten Veranlassung umbringen würden? Wir handeln nur aus Rücksicht für unsere Verteidigung so. Wollen Sie den Schaden, welchen wir durch die Weißen erlitten haben, vergleichen mit den Verlusten, welche sie uns zufügten, so werden Sie zu der Erkenntnis kommen, daß wir sehr im Nachteil sind.«

»Da kommen Sie auf ein eigenartiges Thema. Ich glaube nicht, daß Sie ahnen, welchen Schaden nur in den La-Plata-Staaten die Indianer anrichten. Die Indianer dieses Landes haben während der letzten fünfzig Jahre ungefähr elf Millionen Rinder, zwei Millionen Pferde und ebenso viele Schafe gestohlen. Dabei sind dreitausend Häuser zerstört und fünfzigtausend Menschen getötet worden.«

»Sennor, glauben Sie das doch nicht!«

»Ich muß es glauben, denn es ist berechnet worden!«

»Das haben die Indianer nicht getan. Die Weißen sind die größten Spitzbuben. Was sie selbst tun, dafür klagen sie uns an. Wenn ein Weißer Pferde stiehlt, so sind wir es gewesen. Wenn ein Weißer den andern ermordet, so sind wir die Mörder. Die Hälfte, wenigstens die Hälfte dessen, wovon Sie jetzt sprachen, haben Weiße verschuldet. Und wenn diese Leute an ihren eigenen Genossen so handeln, wie mögen sie sich da gegen uns verhalten! Nein, Sennor, was Sie da vorbringen, das spricht mehr zu unseren Gunsten als zu unserem Schaden.«

»Hm! Ich hörte allerdings schon Ähnliches äußern.«

»So hat man Ihnen die Wahrheit gesagt. Man sendet Soldaten gegen uns aus, angeblich um die Ansiedler gegen unsere Raubzüge zu schützen. Aber ich sage Ihnen, daß die größten Räuber sich unter diesen Grenzsoldaten befinden. Und wenn die Zahlen, welche Sie vorhin brachten, die volle Wahrheit enthielten, so wäre der Schaden, welchen die Weißen uns verursacht haben, doch viel größer. Das ganze Land gehörte uns. Was darauf lebt und wächst ist also unser Eigentum. Wenn ich mir ein Rind, ein Pferd fange, so stehle ich nicht etwa, sondern ich nehme nur das, was mir gehört.«

So sagen alle südamerikanischen Indianer. Sie sind überzeugt, ganz in ihrem Rechte zu sein, und niemand kann ihnen das Gegenteil beweisen. Wenn sie einmal von dem Grundsatze ausgehen, daß sie die rechtmäßigen Herren des Landes sind, so hilft keine Polemik gegen die daraus gezogenen Schlüsse.

»Schweigen wir lieber,« sagte ich. »Keiner von uns beiden kann dem Schicksale der Eingeborenen eine andere Richtung geben. Übrigens erwähnte ich die Raubzüge der Ihrigen nur bei der Gelegenheit, als wir von den Gefahren des Chaco sprachen.«

»So brauchen Sie keine Sorge zu tragen, daß sie Ihnen gefährlich werden. Sie haben meine Mutter durch die empörten Fluten des Wassers getragen. So lange ich bei Ihnen bin, wird Ihnen kein Leid geschehen.«

»Nun, große Sorge habe ich in dieser Beziehung überhaupt nicht. Aber was wird man mit den Leuten tun, deren Ankunft Sie den Aripones melden wollen?«

»Man wird sie überfallen.«

»Und töten?«

»Wahrscheinlich. Wenigstens die Männer. Die Frauen schafft man tiefer in den Chaco, um Geld für sie zu erhalten.«

»Und dazu wollen Sie beitragen?«

»Ich bin Indianer und handle als solcher!«

»Sie werden dadurch zum Mörder!«

»Die Weißen werden sich keinen Augenblick besinnen, auf uns zu schießen. Warum verlangen Sie von uns solche Nachsicht?«

»Wenn Sie mit solchen Absichten von hier fort wollen, muß ich Sie eigentlich festhalten.«

»Das werden Sie nicht tun! Gegen einen andern wäre ich nicht so aufrichtig gewesen. Zu Ihnen aber habe ich offen sprechen dürfen. Wollen Sie die gute Meinung, welche ich von Ihnen habe, zu schanden machen?«

»Nein. Aber ich sage Ihnen, daß ich von jetzt an Ihr Gegner bin. Sie wollen die Weißen verderben; ich aber werde sie zu retten versuchen.«

»Das ist ein fruchtloses Beginnen.«

»Das will ich nicht hoffen. Warnen Sie die Ihrigen, und ich werde die Weißen warnen. Persönlich aber werden wir beide Freunde sein.«

»Sennor, es kann doch sehr leicht geschehen, daß wir uns dann als Feinde gegenüberstehen. In diesem Falle haben Sie von mir nichts zu befürchten. Ich werde alles tun, Sie vor Schaden zu bewahren. Wollen wir diesen Pakt schließen?«

»Ja. Hier ist meine Hand.«

»Gut! Jetzt schlafen Sie wohl, damit Sie am Morgen gestärkt zur Reise erwachen.«

Er ging und ließ mich in Gedanken zurück, welche den Schlaf noch längere Zeit fern von mir hielten. Es war wieder das alte Thema gewesen, das Thema über die Berechtigung der weißen Rasse, die rote von der Erde zu verdrängen. Wenn wir dieses Recht wirklich besitzen, so wird es uns doch nie gelingen, die Indianer von demselben zu überzeugen. Sie werden unsere Feinde sein, bis der letzte von ihnen unserem Andrängen gewichen ist. Jede Erklärung ist da vergeblich.

 

Also der Sendador war hier gewesen und hatte sich gewinnen lassen, die Weißen nach den verlassenen Ansiedelungen zu führen. Eigentlich konnte uns das lieb sein, weil uns dadurch die Fahrt nach Goya und der beschwerliche Ritt durch die Urwälder des Rio Vermejo erspart wurde. Die Absicht, in welcher diese Expedition unternommen wurde, war keineswegs eine neue. Schon früher hatten Nordamerikaner und auch andere den Rio Salado befahren, um zu begutachten, ob derselbe besser schiffbar zu machen sei. Es waren bedeutende Summen auf diese Untersuchung verwendet worden, doch hatte man stets nur ein negatives Resultat erzielt. Ob der Erfolg jetzt ein besserer sein werde, war wenigstens zu bezweifeln.

Der Schlaf kam erst später wieder und hielt mich nicht lange gefangen. Ich erwachte, als der Morgen zu grauen begann, und weckte den Bruder, welcher nun wohl ausgeschlafen haben konnte. Als ich ihm erzählte, was mir Gomez mitgeteilt hatte, sagte er:

»Das ist gut, Sennor. Wir treffen auf diese Weise den Sendador weit eher, als zu erwarten war. Wollen gleich nach unsern Gefährten sehen, damit sie sich zum Aufbruch richten.«

»Das eilt nicht so sehr, da wir erst mit den beiden Offizieren zu reden haben. Vorher aber möchte auch ich einmal mit Gomez sprechen. Lassen Sie uns ihn aufsuchen.«

Wir begaben uns in das Nebengebäude, in welchem er mit den Yerbateros untergebracht worden war. Er befand sich nicht mehr dort; vielmehr hörten wir, daß er des Nachts mit seiner Mutter fortgeritten sei.

»Wohin?« fragte ich.

»Er verriet es uns nicht, doch sollten wir Ihnen sagen, Sie wüßten wohl, warum er vor Ihnen aufbreche. Sie sollten ihn entschuldigen, wenn er sich vielleicht eines Bootes bemächtigen müsse.«

»So ist's gut. Ich weiß, wohin er ist. Sie haben wohl nicht bemerkt, ob er nach dem Flusse ritt?«

»Nein. Wir haben uns nicht stören lassen und sind liegen geblieben. Bevor er sich entfernte, bedankte er sich für die Freundlichkeit, welche er bei uns gefunden hat. Er sagte, er würde möglichst dafür sorgen, daß uns nichts Böses geschehe.«

»Ich vermute, was er meinte. Wir werden auch baldigst aufbrechen. Halten Sie sich bereit dazu!«

Kapitän Turnerstick und sein Steuermann waren mit unserem Vorsatz einverstanden. Sie waren entschlossen, mit uns zu gehen, wohin es uns beliebe.

Zunächst ließen wir den Oberst wecken. Als wir ihm unser Anliegen vortrugen, meinte er:

»Da brauchen Sie den Platzkommandanten gar nicht zu bemühen. Er hat sich ja doch nur nach meinen Wünschen zu richten. Es tut mir leid, Sie so schnell zu verlieren; aber Ihr eigenes Interesse verbietet mir, Sie um ein längeres Verweilen zu ersuchen. Ich werde Sie schnell mit guten Vorräten und einigen Packpferden versehen und auch für ein oder mehrere Fahrzeuge sorgen, auf denen Sie die Fahrt bis in den Parana machen können.«

Er gab sofort die nötigen Befehle, und wir beide hatten nun zunächst uns bei Antonio Gomarra zu erkundigen, ob er im Stande sei, uns ohne Umwege nach den Ansiedelungen zu bringen.

»Ganz gut!« sagte er. »Ich war schon öfters dort.«

»Kennen Sie die Aripones?«

»Ich verstehe ihre Sprache leidlich. Was das betrifft, so können Sie sich auf mich verlassen. Also der Sendador ist noch dort? Bin begierig, ihn baldigst einzuholen!«

Unser Aufbruch ging doch nicht ganz still von statten. Der Kommandant war erwacht und hatte sich nach der Ursache des Geräusches erkundigt. Er kam, um uns zu verabschieden. Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir, daß Geronimo Sabuco wirklich der erwähnte Führer sei.

»Ich habe den Leuten abgeraten, diesen Mann zu engagieren,« fügte er hinzu.

»Warum?« fragte ich.

»Es hat keinen bestimmten Grund. Aber sein Auge ist falsch. Übrigens lassen verschiedene Gerüchte vermuten, daß er es mit den Indianern hält.«

»Das kann doch nicht befremden, Sennor! Ein Mann, welcher sich so oft und so lange im Gran Chaco befindet, muß vor allen Dingen darauf sehen, mit den Roten in Frieden zu leben!«

»Das ist wahr; aber ich hörte einige Male munkeln, daß er höchst wahrscheinlich bei verschiedenen Teufeleien der Indianer seine Hand im Spiele gehabt habe.«

»Sollte er Leute verraten haben, welche sich seiner Führung anvertraut hatten?«

»Ja. Man muß ihm auf die Finger sehen.«

»Haben Sie ihn Ihr Mißtrauen merken lassen?«

»Nicht nur das; ich habe es ihm sogar in sehr deutlichen Worten gesagt. Ich drohte ihm, ihn erschießen zu lassen, falls der Expedition ein Unglück geschehe. Er zuckte lächelnd die Achsel und sagte kein Wort.«

»Ist die Expedition gut ausgerüstet?«

»Mit allem Nötigen im reichlichsten Maße. Besonders an Waffen und Munition fehlt es den Leuten nicht.«

»Das wird die Indianer gerade anlocken.«

»Pah! Sie können nichts machen. Denken Sie nur, daß die Gesellschaft aus zwanzig rüstigen Männern besteht. Und jenseits des Waldes werden Sie auf dem Rio Salado von einer ebenso zahlreichen Truppe erwartet.«

»Zwanzig sind nicht allzu viel gegen einen ganzen Indianerstamm!«

»Die Zahl der Roten tut nichts. Sie reißen vor den Gewehren aus, und es ist höchst selten, daß sie sich auf einen wirklichen Kampf einlassen.«

»Ich hörte, daß man auch Frauen mitgenommen hat?«

»Es sind fünf Männer dabei, welche ihre Familien bei sich haben. Die alten Ansiedelungen sollen wieder in Stand gesetzt und bewohnbar gemacht werden. Dazu sind Frauen erforderlich. Ist der Anfang einmal gemacht und hat man damit bewiesen, daß man dort gut und ohne Fährnis wohnen und leben kann, so werden sehr bald andere nachfolgen.«

»Aber dieser erste Versuch ist eben gefährlich, denn es steht nicht zu erwarten, daß sich die Indianer zu demselben ruhig verhalten werden.«

»Nun, dann werden sie einfach niedergeschossen, zumal ja Sie nachfolgen und der Expedition beistehen können.«

Damit war die Sache, welche er sehr leicht nahm, erledigt. Desto sorgfältiger aber verfuhr er in der Sorge für uns. Er und der Oberst begaben sich persönlich nach dem Flusse, um sich zu überzeugen, daß man die Befehle des letzteren auch vollständig ausgeführt habe. Wir erhielten zwei lange Boote, welche Raum genug für uns und unsere Pferde hatten, und wurden mit allem versehen, was wir brauchten, ohne daß man uns eine Bezahlung dafür abverlangte. Dann verabschiedeten wir uns von den Leuten, mit denen wir uns so schnell befreundet hatten und stiegen in die Boote. Der Wind war uns sehr günstig, und wenn der Rio Corrientes auch kein starkes Gefälle hat, so gelangten wir doch mit Hilfe der kräftigen Ruderer, welche man uns mitgegeben hatte, schon nach vier Stunden in den Rio Parana.

Ich hatte Gomarra gefragt. ob er von der Bucht etwas wisse, von welcher der Indianer gesprochen hatte. Er antwortete:

»Es gibt mehrere solcher toter Arme, welche weit in das Land treten. Wir werden keinen von ihnen benutzen, denn ich weiß ein kleines Flüßchen, welches von Westen her in den Parana tritt. Es ist breit genug für unsere Boote, und wir rudern also in demselben so weit wie möglich aufwärts. Auf diese Weise gelangen wir aus der Region der Sümpfe am schnellsten und leichtesten auf trockenen Camposboden.«

»Wäre es nicht geraten, zunächst die Fährte der Gesellschaft aufzusuchen, welcher wir folgen wollen?«

»Wozu? Diese Fährte ist jetzt über fünf Tage alt und also nur schwer zu erkennen. Mit ihren Ochsenwagen haben die Leute nicht den geradesten Weg einschlagen können. Es gibt Wasserläufe, denen sie mühsam folgen müssen, bis sie eine Stelle finden, an welcher sie hinüber können. Das haben aber doch wir nicht nötig.«

»Gut! Wir verlassen uns auf Sie. Können Sie uns die Ansiedelungen beschreiben?«

»Sehr leicht. In diesen Gegenden baut einer wie der andere, und sodann hat die Natur alles getan, sie einander ähnlich zu machen, indem sie alles mit Pflanzen überwucherte.«

»Also sind die Häuser unbewohnbar geworden?«

»Vollständig; sie sind zerfallen. In Zeit von einigen Jahren ist alles verfault und zerbröckelt, und die Schlingpflanzen legen ihre dicke Decke darüber hin.«

»Hatten diese Ansiedelungen ihre bestimmten Namen?«

»Das versteht sich ja von selbst. Man läßt hier keinen einzelnen Rancho ohne Namen, viel weniger aber eine ganze Siedelung. Sie lagen nicht weit von einander in der Nähe des Lago Honda und hießen, glaube ich, Pozo de Sixto, Pozo de Quinti, Pozo de Campi, Pozo Olumpa und Pozo Antonio. Es sind noch andere da, deren Namen ich aber vergessen habe. Es ist ein ganz eigenartiger Eindruck, den so ein verlassener und von blühenden Schlinggewächsen überwucherter Ort auf den Menschen macht. Man meint, vor einem riesenhaften Grabe zu stehen, und trotz des Wohlgeruches, welcher den Blumen entströmt, hat man den Duft von Fäulnis und Moder vor der Nase. Warum die Glieder der Expedition gerade dorthin wollen, das kann ich nicht begreifen. Beabsichtigen sie, dort zu wohnen, so können sie Monate lang arbeiten, bevor es ihnen gelingt, den Schutt hinweg zu räumen.«

»Vielleicht haben sie sich für diese Gegend entschlossen, weil es dort gutes Wasser gibt.«

»O, in der Gegend des Rio Salado ist überall Wasser vorhanden, Wasser mehr als genug. Sie werden das vielleicht kennen lernen.«

»Schwerlich, denn wir beabsichtigen ja nicht, uns lange am Rio Salado aufzuhalten.«

»Aber Sie wollen ja nach Tucuman, und da tun Sie am klügsten, wenn Sie dem Laufe des Salado bis ungefähr dahin folgen, wo Matara liegt. Von dort führt ein Weg über Santiago nach Tucuman. Das ist die beste Richtung, welche Sie einschlagen können.«

»Ich werde leider nicht über mich selbst bestimmen können, denn wenn wir den Sendador treffen, wird es nur auf ihn ankommen, in welcher Richtung ich nach Tucuman gehe.«

»Wenn er nun überhaupt nicht mit dorthin will?«

»Warum sollte er nicht wollen?«

»Weil es doch seine Absicht ist, Ihnen die Pläne zu zeigen und dann hinauf in die Berge zu gehen.«

»So wird er dennoch vorher mit mir nach Tucuman müssen. Ich kann meinen Besuch in dieser Stadt nicht aufgeben, da ich einen Bekannten dort treffen will. Verlangt der Sendador, daß ich mit ihm gehe, so kann ich auch fordern, daß er mich vorher nach Tucuman geleite.«

Während dieses Gesprächs waren wir in den Parana gelaufen und hielten quer abwärts über denselben hinüber. Auch weiter oben mußte es außerordentliche Regengüsse gegeben haben, denn die Fluten des Stromes waren noch gelber und dicker als gewöhnlich. Dieser Fluß ist sehr fischreich, aber wegen seines schlammigen Wassers ist es unmöglich, jemals einen schwimmenden Fisch zu sehen. Auch hier wurde er durch einige lang gestreckte Inseln in mehrere Arme geteilt, was die Überfahrt wesentlich erschwerte. Gomarra war ein guter Führer. Wir erreichten das jenseitige Ufer gerade an der Mündung des kleinen Flüßchens, dem wir aufwärts folgen sollten. Hier konnten wir die Segel nicht mehr benutzen. Wir griffen daher zu den Rudern und Stangen und arbeiteten alle so fleißig, daß wir bei Anbruch des Abends eine ganz bedeutende Strecke zurückgelegt hatten.

Als es dunkel geworden war, landeten wir und machten es uns teils in den beiden Fahrzeugen, teils auch am Ufer so bequem wie möglich. Essen gab es in Hülle und Fülle, da man uns auf das reichlichste versorgt hatte. Ebenso reichlich bescherte uns der Fluß dichte Schwärme von Stechmücken, gegen welche wir uns nur durch große Feuer schützen konnten, in welche wir nasses Schilf warfen. So wurden die Mückenwolken durch die Rauchwolken bekämpft und unschädlich gemacht.

Am andern Morgen ruderten und stakten wir uns zeitig weiter, bis um die Mittagszeit das Flüßchen so schmal und seicht wurde, daß wir nicht weiter fahren durften, wenn wir nicht auf den Grund geraten wollten. Wir schifften uns also aus, bezahlten die Bootsleute und verabschiedeten uns von ihnen, da von hier an die Reise zu Pferde fortgesetzt werden mußte.

Gomarra hatte ganz richtig vorher gesagt, daß wir hier die Region der Sümpfe hinter uns haben würden. Nachdem wir eine schmale, mit dünnem Buschwerke bestandene Strecke zurückgelegt hatten, sahen wir den freien Camp vor uns.

Unsere Pferde hatten sich gut ausgeruht; wir durften sie also anstrengen, und so ging es bis zum Abende fast stets im Galoppe über die Ebene. Bis Mitternacht ritten wir langsamer; dann lagerten wir, brachen aber bereits beim Morgengrauen wieder auf, denn es kam uns natürlich darauf an, die vor uns ziehende Gesellschaft zu erreichen, bevor der Indianer Gomez an ihr vorüberkommen und die Indianer warnen konnte.

 

Heute bekam die Gegend ein anderes Gesicht. Sie bot weit mehr Abwechslung als gestern. Es gab kleinere Camps, welche durch hübsche Waldungen von einander getrennt wurden. Hier und da kamen wir auch über eine sandige Strecke, welche wenig Spuren von Pflanzenwuchs zeigte und mich an die nordmexikanische Sonora erinnerte. Dann gelangten wir an eine Lagune, deren Ufer flach im Sande verliefen und mit dichtem Schilfe besetzt waren. Ganze Scharen von Wasservögeln flogen bei unserem Nahen auf, und wenn der Schilfkranz sich einmal öffnete, so daß wir einen Blick über das Wasser gewannen, so sahen wir die knorrigen Köpfe der Krokodile aus demselben ragen.

Die Wälder, durch welche oder an denen wir vorüber kamen, bestanden meist aus Quebrachos, Mistols, Vinals, Channars und sehr hohem Kaktus. Einen schönen Anblick gewährte es, wenn diese Bäume von Schlingpflanzen überwuchert waren, in denen zahlreiche Vogelnester hingen.

Auch heute machten wir erst spät am Abende Halt, brachen aber am nächsten Morgen später auf, da die Pferde doch mehr als gestern der Ruhe bedurften.

Wir befanden uns nun in Mitten des so berüchtigten Gran Chaco. Aber ich fand nichts, was den schlechten Ruf dieser abgelegenen Gegend erklärt hätte. Nur unter dem Übelstande eines großen Temperaturwechsels hatten wir zu leiden. Während die Tage schon sehr warm waren, brachten uns die Nächte eine fast winterliche Kälte, welche durch den starken Luftstrom erhöht wurde, der frei über den offenen Camps streichen konnte.

An Speise hatten wir keinen Mangel; selbst als unser Fleischvorrat zur Neige ging, fanden wir Wild mehr als genug. Leider wurde mein sehnlichster Wunsch, einen Jaguar zu sehen oder gar zu erlegen, nicht erfüllt.

Die meisten Lagunen, an denen wir vorüber kamen, führten salziges Wasser. Dies und die Krokodile waren schuld, daß es keine Fische gab.

Da sonst nichts Ungewöhnliches über die Gegend zu erwähnen ist und uns auch nichts Außerordentliches passierte, so erwähne ich nur, daß wir acht Tage lang fast immer gerade gegen Westen ritten und die Strecken, welche wir zurücklegten, von Tag zu Tag immer kleiner wurden, eine Folge der steigenden Ermüdung der Pferde, denen wir nur die allernötigste Ruhe gönnten.

In diesen acht Tagen hatten wir nach Aussage Gomarras zehn gute Tagesritte zurückgelegt und näherten uns nun den Ansiedelungen. Der Führer meinte, daß wir sie morgen gegen Abend erreichen würden. Gomez hatte also die Entfernung nicht richtig geschätzt, als er sie auf zehn Tagesstrecken angegeben hatte.

Noch war uns keine Spur zu Gesicht gekommen, weder von Gomez noch von der Wagenkarawane. Am heutigen Tage aber sollten wir auf die erstere treffen.

Ich ritt mit dem Bruder und unserem Führer voran. Wir befanden uns auf reich bewachsenem Prärieboden, dessen Gras den Pferden fast bis an den Leib reichte. Da war eine frische Fährte schon von weitem zu erkennen.

Und wirklich erblickten wir im Süden, also links von uns, einen dunklen Strich, welcher sich parallel mit unserer Richtung durch das Gras zog. Natürlich suchten wir ihn auf, um ihn zu untersuchen. Er stammte von zwei Pferden her, welche hier neben einander geritten waren.

»Sollte das Gomez mit seiner Mutter gewesen sein?« fragte der Frater.

»Möglich,« antwortete ich.

»Ich halte es für unmöglich. Bedenken Sie nur, wie wir geritten sind, wie wir unsere Pferde angestrengt haben. Das kann er nicht ebenso getan haben. Er muß also hinter uns und kann nicht vor uns sein.«

»Hm! Wer weiß, welcher Hilfsmittel er sich bedient hat. Er ist hier bekannt.«

»Ehe er nur über den Fluß gekommen ist!«

»Jedenfalls hat er auch ein Boot gehabt.«

»Aber der Proviant hat ihm gefehlt. Um nicht zu hungern, hat er also jagen müssen, und das hält auf.«

»Kann er sich nicht auch auf irgend eine Weise mit Fleisch versehen haben?«

»Das ist möglich, mir aber gar nicht sehr wahrscheinlich.«

»Ich halte es für sehr möglich,« erklärte Gomarra. »Gomez ist ein höchst umsichtiger und kluger Mensch, dem man seinen Scharfsinn nicht so leicht ansieht.«

»Das habe ich erfahren,« stimmte ich bei.

»Nicht wahr, Sennor! Leider kann man solchen Pferdespuren nicht ansehen, wen die Tiere getragen haben.«

»Sie irren sich.«

»Sie halten es für möglich, dieser Fährte abzulesen, wer hier geritten ist? Bitte, tun Sie es!«

Er sprach diese Aufforderung mit einem Lächeln aus, welches seinen Unglauben deutlich zu erkennen gab. Ich antwortete:

»Das braucht nicht gleich zu sein. Eine Fährte ist lang, und was sie hier an dieser Stelle nicht verrät, das wird sie uns später sagen, wenn wir ihr folgen. Einstweilen genügt es mir, zu wissen, daß die beiden Pferde sehr ermüdet gewesen sind.«

»Woraus schließen Sie das?«

»Daraus, daß sie die Füße geschleppt haben. Zwei Pferde, und zwar ganz abgemattet, genau in der Richtung nach den Ansiedelungen, das macht es freilich sehr wahrscheinlich, daß wir Gomez und seine Begleiterin vor uns haben.«

»Es können auch andere sein. Ich gebe dem Frater ganz recht. Gomez hatte nur wenige Stunden Vorsprung vor uns. Wie sollte er sich also noch immer vor uns befinden?«

»Warten wir es ab!«

Wir folgten von jetzt an natürlich genau der Fährte, welche immer die gleiche Deutlichkeit behielt, aber auch kein einziges Merkmal zeigte, aus welchem zu schließen gewesen wäre, wer die Reiter gewesen seien. Erst nach langer Zeit, als wir eine der bereits erwähnten Lagunen vor uns liegen sahen, gab es eine Abwechslung, und zwar eine ganz bedeutende. Es kam nämlich von links herauf eine breite, tief eingegrabene Spur, welche aus vielen Wagengeleisen bestand. Hier an der Lagune hatten die Fuhrwerke angehalten; es war da Rast gehalten worden.

Wir untersuchten den Platz. Es hatten da mehrere Feuer gebrannt. Die durstigen Pferde und Ochsen waren in das Wasser gestiegen, um zu saufen, denn man sah die Spuren deutlich im Uferschlamme.

Das war aber auch alles, was wir bemerkten. Besondere Merkmale fanden wir nicht.

»Das ist die Karawane, welche wir suchen,« sagte Gomarra. »Wann mag sie hier gewesen sein?«

»Vorgestern,« antwortete ich, »wie ich aus verschiedenen Anzeichen sehe, welche ich kennen gelernt habe. Die Spuren alle sind nicht von gestern, sondern von einem Tag früher.«

»So hätten diese Leute ihre Ochsen außerordentlich angetrieben!«

»Ja, aber das Terrain war ein gutes. Es hat ihnen fast gar keine Hindernisse geboten. Gestern früh sind sie von hier fortgereist.«

»Und wann sind die beiden Reiter hier gewesen, deren Fährte wir bisher folgten?«

»Heute am Vormittage. Da es jetzt erst Mittag ist, so befinden sie sich also nur wenige Stunden vor uns.«

»Vielleicht können wir sie erreichen?«

»Nein, denn auch unsere Pferde sind ermüdet, wenigstens ebenso wie die ihrigen. Wir holen sie nun nicht vor den Ansiedelungen ein.«

»Das ist schade!«

»Allerdings. Es gibt freilich ein Mittel, sie zu erreichen, indem ich ihnen allein nachreite. Mein Pferd ist das beste und hält noch eine gute Strecke aus. Wenn ich mich jetzt von Ihnen trenne, bin ich überzeugt, die beiden Reiter noch vor Abend zu erreichen.«

»Das werden Sie nicht tun, Sennor. Sie dürfen sich nicht von uns trennen. Man weiß nicht, was Ihnen widerfahren kann.«

»Was könnte mir geschehen?«

»Fühlen Sie sich ja nicht zu sicher! Wir kommen nun in das Gebiet der Aripones. Sie könnten leicht auf einige von diesen Leuten stoßen.«

»Ich halte sie nicht für gefährlich. Ich wünsche sogar, die Leute kennen zu lernen. Leider aber verstehe ich ihre Sprache nicht.«

»Das ist ein höchst triftiger Grund, sich von ihnen fern zu halten, wenigstens solange Sie keinen Dolmetsch bei sich haben. Nein, wir können Sie nicht fort lassen.«

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