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Der Schut

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Noch trauriger sahen die beiden anderen Bauwerke aus. Hätten sie sich nicht gar so innig an das Haus gelehnt, so wären sie augenblicklich umgefallen.

Die Frau verschwand in einem dieser Schuppen, ohne uns einen Blick zugeworfen zu haben. Wir stiegen vor dem Hause ab. Die Türe war verriegelt. Der Konakdschi schlug mit dem Gewehrkolben dagegen.

Erst nach längerer Zeit wurde geöffnet, und die Frau trat in die Spalte.

Es gibt ein Märchen von einer alten Zauberin, welche – tief im Wald lebend – einen Jeden, der sich zu ihr verirrt, in den Backofen steckt, um ihn zu braten und dann zu verspeisen. An diese Hexe mußte ich unwillkürlich denken, als ich jetzt die Frau erblickte. Sollte ihr Name Guszka, Gans, für ihre Individualität bezeichnend sein, so war sie doch nur mit einer jener steinalten Gänse zu vergleichen, welche auf jeden Fremden wie bissige Kettenhunde losfahren und nur darum nicht mit Borsdorfer Aepfeln und Beifußzweigen in Berührung kommen, weil ihr Fleisch zu hart geworden ist.

Sie war erschrecklich lang und ebenso erschrecklich dürr. Um uns durch die Tür betrachten zu können, mußte ihr Ober – zu dem Unterkörper fast einen rechten Winkel bilden. Ihr Gesicht war auch sehr in die Länge gezogen; es war überhaupt alles an ihr lang. Die scharfe, sichelförmig gebogene Nase, das spitze, von unten nach oben strebende Kinn, der breite, lippen – und zahnlose Mund, die großen, lappenartigen Ohren, die eng beisammenstehenden kleinen, wimperlosen und rot geränderten Augen, die tiefen Falten, in denen der Schmutz zu greifen war: das alles wirkte so abstoßend wie möglich. Den Kopf trug sie unbedeckt. Das dünne Haar, dessen Boden fischschuppenartig durchschimmerte, war nicht geflochten. Es hing in wirren, verfilzten Strähnen herab. Denkt man sich dazu ein unsäglich schmutziges Hemd und eine ebenso saubere, unten am Knöchel zusammengebundene Frauenhose und zwei nackte, skelettartige Füße, welche noch nie mit einem Tropfen Wasser in Berührung gekommen zu sein schienen, so wird man glauben, daß diese unvergleichliche Guszka ganz das Aussehen einer aus dem klassischen Altertum übrig gebliebenen Gorgo oder Furie hatten.

Und als sie jetzt zu reden begann, zuckte ich beinahe zusammen. Das klang ganz genau wie die heisere Stimme einer Krähe, die sich über irgend etwas erbost.

»Was wollt ihr? Wer seid ihr? Warum haltet ihr an?« krähte sie. »Reitet weiter!«

Sie tat, als ob sie die Türe verriegeln wollte; unser Führer aber schob sich dazwischen und sagte:

»Weiter reiten? Nein, das tun wir nicht. Wir bleiben hier.«

»Das geht nicht! Das kann nicht gehen! Ihr habt hier nichts zu suchen. Ich nehme keine Fremden bei mir auf!«

»Ich bin dir doch nicht fremd. Du wirst mich ganz gewiß kennen!«

»Aber die Andern nicht.«

»Es sind meine Freunde.«

»Die meinigen nicht.«

Sie schob ihn hinaus und er sie hinein, natürlich nur zum Schein.

»So doch verständig, Guszka!« bat er. »Wir verlangen von dir ja nichts umsonst. Wir werden dir alles gut und ehrlich bezahlen.«

Das schien zu wirken, wenigstens sollten wir so denken. Sie nahm eine weniger abwehrende Haltung an und fragte:

»Bezahlen wollt ihr? Ja, das ist was anderes! Dann kann ich es mir wenigstens überlegen, ob ich euch hier bei mir bleiben lasse.«

»Da gibt es ja gar nichts zu überlegen. Wir verlangen von dir nur ein Obdach und etwas zu essen.«

»Ist das etwa nicht genug?«

»Das ist mehr als genug; das ist zu viel,« sagte ich. »Speise und Trank verlangen wir nicht von dir und einen Platz zum Schlafen werden wir uns selbst suchen. Hast du keinen Platz im Hause, so schlafen wir im Freien.«

Etwas aus diesen krallenähnlichen, von Schmutz starrenden Fingern zu essen, das war ein Ding der Unmöglichkeit. Und da drinnen schlafen? Um keinen Preis! Die Stube sah ganz so aus, als ob sie sich jener springenden, wibbelnden und kribbelnden, stechenden, nagenden und beißenden Einquartierung erfreue, welche selbst im vornehmsten Hause des Orients immer vorhanden ist. Hier aber in dieser Bude hüpften, krochen, zappelten und marschierten jene blutdürstigen Myrmidonen jedenfalls in unzählbaren Scharen und Schwadronen umher.

Die Beschreibung einer Reise durch den duftumflossenen, sagenumwobenen, sonnigen Orient mag wohl angenehm zu lesen sein; aber diese Reise selbst machen, das ist etwas ganz Anderes. Das Schicklichkeitsgefühl verbietet oft, grad von den eigenartigen, charakteristischen Zügen zu sprechen. Der Orient gleicht Konstantinopel, welches der »Wangenglanz des Weltangesichtes« genannt wird. Von außen bietet es einen herrlichen Anblick; aber tritt man in die engen Straßen selbst, so ist's mit der schönen Täuschung vorüber. Der Orient hat alles, ja alles, nur darf man ja nicht Aesthetiker sein!

Der Reisende braucht den Osten gar nicht um hervorragender Abenteuer willen zu besuchen; er findet Abenteuer übergenug, täglich, ja stündlich. Aber was sind das für Abenteuer! Sie beziehen sich nicht auf große Ereignisse, sondern auf die kleinen Verhältnisse des alltäglichen Lebens. Freilich ist keineswegs Uhlands Wort auf sie an zuwenden:

»Doch schön ist nach dem großen

Das schlichte Heldentum «

Dem Erzähler ist es verboten, von diesen Abenteuern zu sprechen. Die zahlreichsten derselben erlebt er im Kampf gegen die oft aller Beschreibung spottende Unreinlichkeit der dortigen Bevölkerung. Ich habe mit einem berühmten Scheik gespeist, welcher während des Essens sich einige allzu lebhafte Tierchen aus dem Nacken holte, sie vor aller Augen zwischen den Nägeln seiner Daumen guillotinierte und dann mit den Händen, ohne sie vorher abzuwischen, in den Pillaw fuhr und von demselben eine Kugel rollte, um sie mir als »el Lukme esch Scharaf« (* Ehrenbissen.) in den Mund zu schieben.

Wenige werden glauben, daß dies zwar ein kleines, aber dennoch lebensgefährliches Abenteuer gewesen sei. Die Zurückweisung dieses Ehrenbissens ist eine Beleidigung, welche in der Wüste nur mit dem Tod gesühnt werden kann. Ich hatte also eigentlich nur die Wahl zwischen einer Kugel oder einem Messerstich und dem Verspeisen dieser schrecklichen Reiskugel. Links von mir saß der Scheik, welcher mir den Bissen reichte und erwartete, daß ich den Mund aufsperre. Rechts saß Krüger-Bey, der bekannte Oberst der Leibscharen des Herrschers von Tunis. Er – ein geborener Deutscher – hatte die Hinrichtung der kleinen Wesen ebenso bemerkt, wie ich. Er wußte genau, in welch großer Verlegenheit ich mich in diesem Augenblick befand, und in seinem Gesicht war die große Spannung zu lesen, ob ich die Reis – oder die Bleikugel wählen werde. In solcher Lage gilt es, geistesgegenwärtig zu sein. Ich sagte im Ton größter Höflichkeit zu dem Scheik:

»Ma binsa dschamihlak kull umri – ich werde all mein Lebtage an deine Güte gedenken.«

Den Bissen aus seiner Hand nehmend, fuhr ich fort:

»Ridd inna'sar, ja m'allmi – entschuldige mich, o Herr!«

Und mich nun schnell rechts zu Krüger-Bey wendend, schloß ich:

»Dachihlal, ent kaïn haun el muhtaram – ich bitte dich, hier bist du der Ehrwürdige!«

Der brave Kommandant der Leibwache erschrak. Er ahnte meine Absicht und war so unvorsichtig, den Mund zu öffnen, um mir abwehrend zu antworten. Aber dieser eine Augenblick genügte mir. Ehe er ein Wort hervorbrachte, hatte er den Reiskloß im Mund und durfte ihn nicht wieder herausgeben.

Er war der Aelteste. Daß ich ihm den Ehrenbissen gegeben hatte, war nun nicht eine Beleidigung, sondern ein allgemein sehr wohl aufgenommener Beweis, daß ich das Alter achte. Der arme Ehrwürdige machte freilich ein Gesicht, als hätte er den ganzen Jammer des Erdenlebens zwischen den Zähnen gehabt. Er drückte und drückte und schlang und schlang, bis er rotblau geworden und der Bissen hinunter war. Noch nach Jahren rühmte sich der Undankbare, daß er mir diesen Streich nicht vergessen habe.

Solche Erlebnisse sind häufiger, als einem lieb sein kann. Man darf wohl eine Andeutung geben, sie aber nicht ausführlich beschreiben. Der Kampf gegen Schmutz und Ungeziefer ist ein wahrhaft schrecklicher und kann einem die höchsten Genüsse verleiden.

Frau Guszka ahnte nicht, was mich zu meinen Worten veranlaßte. Es war wohl gegen die ihr zugeteilte Rolle, uns abzusondern; darum sagte sie schnell:

»Platz habe ich wohl für euch, Herr. Wenn ihr es gut bezahlt, so habe ich ein Bett für dich; deine Gefährten aber können neben dir auf ihren Decken schlafen.«

»Wo ist das Bett?«

»Komm herein; ich werde es dir zeigen!«

Ich folgte ihr, nicht in der Absicht, das Bett zu prüfen, sondern nur um einen Einblick in die Häuslichkeit der »Gans« zu bekommen.

Aber welch ein Loch betrat ich da! Es gab die vier rohen Wände. Rechts in der Ecke lagen die Steine des Feuerherdes, und links in der andern Ecke sah ich einen unordentlichen Haufen von dürrem Farn, Laub und Lumpen. Auf diesen deutete die Frau, indem sie sagte:

»Dort ist das Bett. Und hier ist der Herd, auf welchem ich euch das Fleisch braten werde.«

Es herrschte ein wahrer Höllendunst in diesem Loch, brandig und nach allen möglichen Gestänken riechend. Von einem Schornstein war keine Rede. Der ätzende Rauch fand seinen Abzug durch die Fenster. Die Gefährten waren mit eingetreten. Daß sie grad wie ich dachten, sah ich ihnen deutlich an.

»Was für Fleisch meinst du?« erkundigte ich mich.

»Pferdefleisch.«

»Woher habt ihr das?«

»Von unserem eigenen Pferd,« antwortete sie, indem sie mit beiden Händen nach den Augen griff.

»Habt ihr es geschlachtet?«

»Nein; es ist uns zerrissen worden.«

»Ah! Von wem?«

»Mein Mann sagt, daß es ein Bär gewesen sein müsse.«

»Und wann hat er das Pferd getötet?«

»In letzter Nacht.«

»Allah 'l Allah!« rief Halef. »So frißt dieser Bär also nicht nur Himbeeren! Habt ihr ihn getötet?«

»Wie kannst du so fragen! Um einen Bären zu erlegen, müssen sehr viele Männer beisammen sein.«

 

»Willst du mir sagen, wie es zugegangen ist,« forderte ich sie auf.

»Das wissen wir freilich selbst nicht genau. Wir bedürfen des Pferdes zu unserm Handel. Es muß uns den Kohlenwagen ziehen und . – «

»Ich habe doch keinen Wagen stehen sehen!«

»Wir können ihn gar nicht hier haben, denn es gibt keinen Weg, auf welchem wir ihn zu dem Hause bringen könnten. Er steht also stets bei dem Köhler. Das Pferd aber befindet sich hier, wenn wir daheim sind. Es bleibt des Nachts im Freien, um das Gras abweiden zu können. Heute früh nun, als wir aufstanden, sahen wir es nicht, und als wir es suchten, fanden wir seine Leiche drüben bei den Felsen liegen. Es war zerrissen worden, und als mein Mann die Spuren sah, sagte er, ein Bär sei es gewesen.«

»Wo befindet sich jetzt das übrig gebliebene Fleisch?«

»Draußen im Schuppen.«

»Zeige es mir.«

»Herr, das darf ich nicht,« sagte sie erschrocken. »Mein Mann hat mir verboten, fremde Leute da hinein zu lassen.«

»Welchen Grund hat er dazu?«

»Das weiß ich nicht.«

»Wo ist er denn jetzt?«

»Er wollte nach dem Lager des Bären suchen.«

»Das ist aber höchst gefährlich! Ist denn dein Mann so ein mutiger Jäger?«

»Ja, das ist er.«

»Wann kommt er zurück?«

»Wohl bald.«

»So! Sind etwa heute Fremde hier bei euch gewesen?«

»Nein. Warum fragst du nach ihnen?«

»Weil dein Mann dir verboten hat, Fremde in den Schuppen zu lassen.«

»Es war niemand da, kein Mensch, heute nicht und gestern nicht. Wir leben so einsam, daß nur höchst selten einmal jemand zu uns kommt.«

In diesem Augenblick ertönte ein schriller, in die Ohren gellender Schrei. Die Frau sprach schnell weiter, um unsere Aufmerksamkeit abzulenken; ich aber sagte:

»Horch! Wer hat da geschrieen?«

»Ich habe nichts gehört.«

»Aber ich hörte es sehr deutlich.«

»So wird es ein Vogel gewesen sein.«

»Nein, das war ein Mensch. Ist wirklich niemand bei dir?«

»Ich bin ganz allein.«

Dabei aber winkte sie dem Konakdschi nach der Türe. Ich sah es, drehte mich um und ging hinaus.

»Herr!« rief sie hinter mir. »Wohin willst du gehen?«

»In den Schuppen.«

»Das darfst du nicht!«

»Pah! Will doch sehen, wer geschrieen hat.«

Da stellte sich der Konakdschi mir in den Weg und sagte:

»Bleibe da, Effendi! Du hast ja gehört, daß kein Fremder – «

Er sprach nicht weiter. Der Schrei war wieder erklungen und zwar noch lauter und unheimlicher als vorher.

»Hörst du?« antwortete ich ihm. »Das klingt ganz so, als ob jemand sich in Lebensgefahr befinde. Wir müssen nachsehen.«

»Aber du darfst doch nicht . – «

»Schweig! Es soll mich niemand hindern, zu tun, was mir beliebt.«

Er machte noch einen Versuch, mich zurück zu halten; die Frau tat dasselbe, aber ich ging dennoch. Meine drei Begleiter folgten mir. Hinterher kam der Konakdschi mit der Frau. Beide wisperten angelegentlich miteinander. So viel ich sehen konnte, machte er ein sehr betroffenes Gesicht.

Ich riegelte den einen Schuppen auf: – er enthielt nichts, als allerlei Gerümpel. Als wir dann auf den andern zuschritten, ertönte wieder der Schrei und zwar aus diesem zweiten Schuppen. Das klang wirklich ganz entsetzlich. Nun öffneten wir und traten ein. Es war fast dunkel im Innern.

»Ist jemand da?« fragte ich.

»O Allah, Allah!« antwortete eine Stimme, welche ich gleich erkannte. »Der Scheïtan, der Scheïtan! Er kommt! – Er greift nach mir! – Er holt mich in die Hölle!«

»Das ist ja der alte Mübarek!« raunte mir Halef zu.

»Allerdings. Entweder sind auch die Andern in der Nähe, um uns einen Hinterhalt zu legen, oder sie haben ihren Weg zum Köhler fortgesetzt und waren gezwungen, ihn hier zurückzulassen. Er hat das Fieber.«

»Herr, gehe nicht hinein!« sagte die Frau. »Es ist ein Kranker drin.«

»Warum hast du mir das verschwiegen?«

»Er soll nicht gestört werden.«

»Was fehlt ihm denn?«

»Er hat das Hawa ils far' (* Cholera.). Geh' ja nicht hinein! Er steckt dich sonst an, und dann bist du verloren.«

»Die Cholera? Jetzt? Hier im tiefen Wald? Hm! Das glaube ich nicht.«

»Es ist wahr, Herr!«

»Wer ist er denn?«

»Ein Bruder von mir.«

»So! Ist er ein alter Mann?«

»Nein, ein noch ganz junger Bursche.«

»Weib, du lügst! Den Mann, welcher hier liegt, den kenne ich. Er mag dein Bruder sein, denn ihr beide seid Geschwister des Teufels, aber jung ist er nicht. Es ist der alte Mübarek, den ich mir genauer ansehen will. Hast du eine Lampe?«

»Nein.«

»Aber Späne?«

»Auch nicht.«

»Höre, jetzt holst du Späne, um Licht zu machen, und wenn du binnen einer Minute nicht zurück bist, bekommst du Hiebe, daß dir das schmutzige Fell zerspringt.«

Ich hatte die Peitsche in die Hand genommen. Das wirkte.

»Effendi,« sagte der Konakdschi, »du hast kein Recht, zu tun, als wärest du hier der Herr und Gebieter. Wir sind hier Gäste und – — «

»Und werden so zahlen, wie man es verdient, nämlich entweder mit Piastern oder mit Hieben,« fiel ich ihm ins Wort. »Da drin liegt der Mübarek. Wo der ist, da befinden wir uns in Gefahr, und ich werde genau so handeln, wie unsere Sicherheit es erfordert. Willst du mich irre machen, so muß ich annehmen, daß du es heimlich mit unsern Feinden hältst. Grund dazu ist bereits genug vorhanden, wie du weißt. Also nimm dich in acht!«

Da war er still und wagte kein weiteres Wort. Die Frau brachte Kienspäne, von denen einer bereits brannte. Wir zündeten mehrere an, nahmen sie in die Linke, die gespannten Revolver oder Pistolen in die Rechte und machten uns an die Untersuchung des Schuppens.

Da gab es nun freilich nur zweierlei zu sehen, nämlich den Mübarek, welcher besinnungslos in der Ecke lag, und den Pferdekadaver in dem andern Winkel. Von letzterem stieg ein Heer von ekelhaften Fliegen auf, als wir uns näherten.

»Bist du denn toll?« fragte ich die Frau. »Dort befindet sich einer, welcher das Wundfieber hat, und dabei liegt eine Pferdeleiche, von welcher tausend Insekten zehren. Und von diesem Fleisch sollten wir essen! Weißt du denn nicht, wie gefährlich das ist?«

»Was soll das schaden?«

»Das Leben kann es kosten. Du hast uns belogen. Dieser Mensch dort ist unser Todfeind, welcher uns nach dem Leben trachtet. Indem du ihn uns verheimlichen wolltest, hast du bewiesen, daß du mit ihm verbündet bist. Das kannst du teuer bezahlen müssen!«

»Herr,« antwortete sie, »ich weiß kein Wort von alledem, was du sagst.«

»Ich glaube dir nicht.«

»Ich kann es beschwören.«

»Auch deinem Schwure schenke ich keinen Glauben. Wie ist der Alte zu dir gekommen?«

Sie warf einen fragenden Blick auf den Konakdschi. Dieser nickte ihr zu. Ich verstand, was er ihr damit sagte, tat aber, als hätte ich nichts gesehen.

»Es kamen Reiter hier vorbei,« erklärte sie mir. »Einer von ihnen war krank; er konnte nicht weiter, und so baten sie mich, ihn hier zu behalten, bis er stärker geworden sei, oder bis sie ihn abholen würden. Sie versicherten, daß ich eine sehr gute Bezahlung dafür erhalten werde.«

»Kanntest du sie?«

»Nein.«

»Warum sagtest du, daß dieser alte Sünder dein Bruder sei?«

»Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht. Sie baten mich, so zu sagen und niemand zu ihm zu lassen, da er von Feinden verfolgt werde.«

»Haben sie dir diese Feinde beschrieben?«

»Ja.«

»Diese Beschreibung paßt auf uns?«

»Ganz genau. Darum wollte ich dich nicht zu ihm lassen.«

Da ertönte vom Eingang her eine zornige Stimme:

»Was geht denn hier vor? Wer wagt es, ohne meine Erlaubnis hier einzudringen?«

Ich trat dem Frager mit dem Kienspane näher. Die Frau eilte auf ihn zu und begann leise mit ihm zu flüstern. Ich ersah keinen Grund, sie darin zu stören. Als beide fertig waren, wandte er sich an mich:

»Herr, meine Frau erzählt mir, daß ihr sie bedroht habt. Das darf ich nicht dulden. Wir haben, indem wir diesen Kranken bei uns aufnahmen, ein Werk der Barmherzigkeit getan, und ihr habt kein Recht, uns das vorzuwerfen.«

»Wer hat einen Vorwurf ausgesprochen?«

»Du!«

»Das ist nicht wahr. Sie hat ihn uns verheimlicht.«

»Was geht das euch an? Können wir nicht tun, was uns beliebt?«

»Das könnt ihr wohl; aber wenn ich den Schrei eines Menschen höre und es wird mir auf meine Frage gesagt, daß niemand da sei, so muß ich wohl argwöhnisch werden. Ich muß glauben, daß ein Mensch sich in Gefahr befinde, und um ihn zu retten, bin ich hier eingetreten, obgleich deine Frau es mir nicht erlauben wollte.«

»Weil du sein Todfeind bist!«

»Auch das ist erlogen. Wir haben ihn geschont, obgleich er uns nach dem Leben trachtete. Ich habe ganz und gar nicht die Absicht, ihm Böses zu erweisen. Ich bin sogar erbötig, ihm beizustehen, wenn es noch möglich ist. Schafft ihn in die Stube! Dort ist es leichter, ihn zu pflegen. Ich werde seine Wunde untersuchen. Kann ihm noch geholfen werden, so soll es mich freuen. Ich raube keinem Menschen das Leben, wenn es nicht in Verteidigung meines eigenen Lebens geschehen muß.«

»Du wirst ihn ehrlich untersuchen und ihm keine Medizin geben, die ihn vollends umbringt?«

»Er empfängt gar keine Medizin. Nur kunstgerecht verbunden soll er werden. Also tragt ihn sofort hinein. Ich warte hier auf dich, denn ich habe dann wegen des Pferdes mit dir zu sprechen.«

Erst jetzt, als er von den Spänen mehr beleuchtet wurde, sah ich, daß er ein Päckchen in der Hand hatte. Ich erkannte es sogleich und machte Halef auf dasselbe aufmerksam, indem ich ihm einen heimlichen Wink gab.

Der Konakdschi, der Kohlenhändler und dessen Frau hoben den Mübarek vom Boden auf und trugen ihn an uns vorüber. Der Verwundete war ohne Besinnung, schien aber die ihm verursachten Schmerzen zu fühlen, denn er schrie jämmerlich.

»Herr,« sagte Halef zu mir, »wie nun, wenn der Mübarek sich nicht allein hier befindet!«

»Ich bin überzeugt, daß die Andern wirklich fort sind, werde aber trotzdem die Maßregeln so treffen, als ob sie sich hier versteckt hätten.«

»Und was hast du mit dem Kohlenhändler wegen des Pferdes zu besprechen?«

»Ich will es ihm abkaufen, wenigstens einen Teil des Kadavers.«

»Bist du des Teufels? Meinst du, daß wir von diesem Fleische essen sollen?«

»Nein, wir nicht, sondern ein Anderer.«

»Wer?«

»Ein Gast von uns. Du wirst ihn hoffentlich noch heute kennen lernen.«

Halef schwieg.

»Jetzt leuchtet einmal her und schaut euch den Kadaver des Pferdes an,« sagte ich zu den Gefährten. »Da werdet ihr sehen können, welche Kraft ein Bär in seinen Zähnen und Tatzen hat.«

Das gewaltige Raubtier hatte dem Pferd die Hirnschale aufgebrochen. Die Schädelhöhle, welche den größten Leckerbissen des Bären, das Gehirn, enthält, war so rein geleert, als sei sie mit einem Schwamm ausgewischt worden. Dann hatte er den Leib angeschnitten. Es fehlten die Eingeweide, welche er verzehrt hatte. Das Backenfleisch war seinem Gelüste zur Beute geworden, und zuletzt wohl hatte er sich die Brust genommen. Dann war er gesättigt gewesen.

Das Pferd – ein starkknochiges und wohlgenährtes Tier – hatte wohl Kräfte genug gehabt, eine schwere Last zu ziehen. Darum sagte Halef:

»Aber wie kann ein Bär ein solches Pferd bewältigen? Es vermag doch zu fliehen oder sich mit den Hufen zu wehren!«

»Das weiß der Bär so genau wie du und richtet seinen Angriff danach ein. Uebrigens ist er ein alter Kerl, der gewiß ein gutes Quantum Erfahrung besitzt.«

»Aber denke dir, das Pferd ist ein so schnelles Tier, während der Bär ungelenk und täppisch sein soll.«

»Wer das denkt, der kennt ihn nicht. Ja, für gewöhnlich scheint es, als ob er die Behaglichkeit mehr liebe, als die Eile; aber ich sage dir, daß ich dabei war, als ein grauer Bär einen Reiter einholte, der sich alle Mühe gab, zu entkommen. Ist der Bär angeschossen, so entwickelt er eine Wut und eine Schnelligkeit, die ihn höchst gefährlich machen.«

»Nun, wie mag es da diesem Bären gelungen sein, sich des Pferdes zu bemächtigen?«

»Zunächst hat er die Klugheit gehabt, sich gegen den Wind anzuschleichen, um nicht durch die Nüstern bemerkt zu werden. In der Nähe seiner Beute angekommen, hat er einige weite schnelle Sprünge gemacht und dann das Pferd von vorn angenommen. Du siehst es an den Wunden, die es trägt, daß er es vorn niedergerungen hat. Schau die zerrissenen Vorderbeine und die beiden Risse rechts und links im Hals. Er hat mit den Vordertatzen das Pferd am Hals gepackt und ihm die Hinterpranken an die Vorderbeine gestemmt. Bei seiner Bärenkraft, welche ja auch sprichwörtlich ist, bedurfte es nur eines Ruckes, um es vorn niederzubringen. Dann hat er ihm einen Wirbel des Genickes zerknirscht. Das siehst du an den deutlichen Wunden. Wünschest du auch jetzt noch, von ihm umarmt zu werden?«

 

»O Beschützer! O Bewahrer! Das fällt mir nicht ein. Den Brustkasten könnte ich ihm nicht eindrücken, wie ich vorhin sagte. Aber fürchten würde ich mich doch nicht vor ihm, wenn es zum Kampf zwischen ihm und mir käme. Nur müßte ich meine Flinte bei mir haben. Das ist doch das Sicherste?«

»Ja, doch gibt es Jäger, welche dem Bär bloß mit dem Messer zu Leibe gehen.«

»Ist das möglich?«

»Gewiß. Nur gehört ruhiges Blut, Körperkraft und ein sicherer Stoß dazu. Trifft das Messer das Herz nicht, so ist es gewöhnlich um den Mann geschehen. Bedient man sich der Büchse, so kann man ihn auf verschiedene Weise erlegen. Nie aber schieße ich auf weite Distanz. Am sichersten ist es, man geht dem Burschen mit dem angelegten Gewehr entgegen. Er richtet sich auf, um den Schützen zu empfangen. Auf zehn Schritte gibt man ihm den tödlichen Schuß grad ins Herz. Da er gewöhnlich den Rachen weit aufreißt, kann man auch da eine tödliche Stelle treffen, indem man ihm die Kugel durch den oberen Teil des Rachens ins Gehirn jagt. Doch selbst dann, wenn er stürzt und ohne Bewegung liegt, ist noch Vorsicht geboten. Bevor man sich bei einem getroffenen Bären häuslich niederläßt, muß man sich ganz genau überzeugen, daß er auch wirklich getötet worden ist.«

Ich gab diese oberflächliche Belehrung nicht ohne Absicht, denn ich hoffte, den Bären noch am Abend kennen zu lernen.

Jetzt kehrten die beiden Männer zurück. Die Frau war bei dem Kranken geblieben. Der Kohlenhändler fragte:

»Was wolltest du wegen des Pferdes mit mir sprechen?«

»Ich wollte wissen, ob du das ganze Fleisch desselben für dich verwenden willst.«

»Ja. Ich will es aufheben.«

»So nimm das beste. Die geringeren Stücke kaufe ich dir ab.«

»Du? – Wozu?«

»Für den Bären.«

»O! Der hat schon genug erhalten. Willst du ihn noch dafür beschenken, daß er mich um mein Pferd gebracht hat?«

»Nein; ein Geschenk soll es freilich nicht sein. Weißt du vielleicht, ob das Raubtier sich schon seit längerer Zeit in dieser Gegend befindet?«

»Ich habe noch keine Spur von ihm gesehen. Die Nachbarn wohnen hier weit auseinander, aber wenn er schon einen ähnlichen Raub ausgeführt hätte, so wäre es mir sicher zu Ohren gekommen, da ich als Handelsmann die Ortschaften fleißig besuche.«

»So ist er also hier fremd und kennt noch nicht die Gelegenheiten, auf leichte Weise seinen Appetit zu stillen. Darum denke ich, daß er heute abend wieder kommen wird, um den Rest des Pferdes an sich zu nehmen. Liegt die Stelle, an welcher er dasselbe tötete, weit von hier?«

»Gar nicht weit. Ich hörte von meiner Frau, daß sie grad dort gestanden sei, als ihr ankamt. Das Pferd hat zwischen dem Felsgeröll an der Spitze der Waldzunge gelegen.«

»So beabsichtige ich, einen Teil des Fleisches dorthin zurückzuschaffen, um den Bären an dem Ort seiner Mordtat zu erwarten.«

»Herr, was fällt dir ein!«

»Doch nichts Ungewöhnliches?«

»Sage das um Gottes willen nicht! Du willst ein solch riesiges Tier am dunklen Abend erwarten? So etwas hat man noch nie gehört. Wenn einmal der höchst seltene Fall eintritt, daß sich ein Bär in diese Gegend verirrt, so treten alle mutigen Männer der Gegend zusammen und bringen auch ihre Hunde mit, oder es wird nach Militär geschickt. Dann gibt es eine Schlacht, in welcher viele Hunde und wohl auch mehrere Menschen umkommen, während der Bär als Sieger den Kampfplatz verläßt, bis er endlich in einer zweiten, dritten oder vierten Schlacht überwunden wird.«

»Da tut man dem Tier doch gar zu große Ehre an. Ein einzelner Mann, der eine gute Büchse hat, genügt vollständig.«

»Herr, willst du etwa ganz allein hinaus zu ihm?«

»Willst du etwa mich begleiten?«

»Um alle Schätze der Erde nicht!« schrie er, alle zehn Finger steif von sich streckend.

»Nun, ich werde nicht allein gehen, sondern einen meiner Begleiter mitnehmen.«

»Mich natürlich, mich!« rief Halef, dessen Augen funkelten.

»Ja, du, Hadschi. Du sollst dabei sein, um Hanneh, der herrlichsten der Beglückerinnen, davon erzählen zu können.«

»Hamdullillah! Preis und Dank sei Allah! Ich werde Hanneh den Schinken des Bären bringen und ihr lehren, ihn zu pökeln und zu räuchern, wie – wie . – hm, o Glück, o Seligkeit!«

Beinahe hätte er in seinem Entzücken das Geheimnis seiner Uebertretung des Kurans verraten. Sein Gesicht strahlte vor Wonne. Osko und Omar aber blickten unzufrieden drein.

»Effendi,« meinte Osko, »denkst du etwa, daß wir uns vor dem Bären fürchten würden?«

»Nein, denn ich kenne eure Tapferkeit.«

»So bitten wir dich, auch uns mitzunehmen.«

»Das geht nicht. Zu viele dürfen wir nicht sein. Wir würden das Tier vertreiben, denn der Bär ist schlau, obgleich man oft das Gegenteil von ihm sagt. Uebrigens vertraue ich euch einen sehr wichtigen Posten an, und es ist sehr leicht möglich, daß auch ihr euren Mut beweisen könnt, da der Bär auf den Gedanken kommen kann, auch euch einen Besuch abzustatten.«

»Wieso?«

»Ihr sollt unsere Pferde bewachen, welche wir hier einriegeln. Wir dürfen sie heute nicht im Freien lassen, da es das Raubtier nach frischem Pferdefleisch gelüsten könnte. Jetzt streicht nämlich die Luft von hier nach der Stelle hinüber, wo wir auf ihn warten werden. Seine Nase ist fein genug, um zu riechen, daß sich hier Pferde befinden. Er ist im stande, das tote Fleisch liegen zu lassen, um zu versuchen, ob hier lebendiges zu bekommen sei. Also müssen wir, Halef und ich, uns immerhin darauf gefaßt machen, daß er sich vor uns gar nicht sehen läßt und sich vielmehr hier nach dem Schuppen wendet. In diesem Fall würden uns eure Schüsse wissen lassen, woran wir sind.«

»Ich danke dir, Effendi. Ich sehe, daß du doch Vertrauen zu uns hast. Wir werden treu auf unserm Posten stehen. Er mag nur kommen; unsere Kugeln werden ihn begrüßen.«

»Aber nicht so, wie ihr vielleicht denkt. Ihr werdet euch hier im Innern bei den Pferden befinden und ihn nicht etwa draußen erwarten. Dazu habt ihr die nötige Erfahrung nicht, und es hieße euer Leben tollkühn auf das Spiel setzen.«

»Sollen wir uns gegen ein solches Tier hinter Brettern verschanzen?«

»Ja, denn auch wir werden uns hinter die Felsen verstecken. Eure Flinten sind nicht zuverlässig genug, und selbst wenn ihr den Bären träft, wäre es nur Zufall, wenn eine Kugel ihm in das Leben dränge. Fände er euch draußen, so müßte wenigstens einer von euch das Leben lassen; davon bin ich überzeugt.«

»Aber was können wir gegen ihn tun, wenn er draußen steht, und wir sind hier, ohne ihn sehen zu können?«

»Ihr werdet ihn desto deutlicher hören. Dieser Schuppen ist nur sehr leicht gebaut, und ihr habt keine Ahnung, welchen Scharfsinn der Bär in dieser Beziehung zu entwickeln vermag. Er weiß ganz genau, was eine Türe ist; er versucht, sie einzudrücken oder mit seinen mächtigen Tatzen aufzureißen. Gelingt das nicht, so streicht er um das ganze Gebäude und untersucht jedes einzelne Brett, ob er es loszusprengen vermag. Hat er erst eine kleine Oeffnung, dann ist es ihm bei seiner ungeheuren Körperkraft leicht, sich mit Gewalt durchzubrechen. Da ist nun eure Aufgabe klar. Wenn er wirklich zu dem Schuppen kommen sollte, so hört ihr an seinem Kratzen, wo er sich draußen befindet, und gebt ihm durch die dünnen Bretter eine Kugel. Wir draußen hören die Schüsse, und das Uebrige ist dann unsere Sache.«

»So kann es also doch nicht zu einem wirklichen Kampf zwischen uns und ihm kommen!«

»Sehr leicht sogar. Aus einer leichten Verwundung macht sich der Bär sehr wenig; aber seine Wut verdoppelt sich. Er ist im stande, trotz eurer Schüsse die dünnen Bretter loszureißen oder durchzudrücken. Dann seid ihr die Ueberfallenen und habt euch eurer Haut zu wehren. Zum Schießen gibt es da keine Zeit, weil nicht geladen werden kann. Kolbenschläge auf die Nase, aber nicht etwa auf den harten Schädel, weil an demselben der Kolben zersplittern würde, und Messerstiche in das Herz, das ist dann das Einzige, womit ihr euch halten könnt, bis Halef und ich herbeikommen. Uebrigens sind wir noch gar nicht so weit. Ich werde euch später noch nähere Weisungen geben.«

»Aber,« sagte Halef, »es ist jetzt bereits dunkel, und unsere Pferde sind im Freien. Wenn er jetzt käme und deinen Rih tötete?«

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