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Der Schut

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Nachdem uns dieser Gentleman lange genug angestarrt hatte, rannte er wie rasend von dannen, schwang den Säbel rund um den Kopf und schrie aus Leibeskräften:

»Jabandschylar, jabandschylar – Fremde, Fremde! Reißt die Fenster auf, reißt die Fenster auf!«

Dieser schlagende Beweis, mich in einem hoch zivilisierten Ort zu befinden, imponierte mir ungeheuer. Welch eine hohe Disziplin hier herrschte, ersah ich aus der Schnelligkeit, mit welcher sämtliche männliche und weibliche, alte und junge Einwohner des Dorfes dem Zeterruf Folge leisteten.

Wo sich ein Loch in einem Hause befand – mochte es nun Türe oder Fenster heißen oder mochte es ein wirkliches, wahres, buchstäbliches Loch in der morschen Mauer sein – da ließ sich ein Gesicht oder so etwas Aehnliches sehen. Wenigstens glaubte ich Gesichter zu erkennen, wenn ich auch nur ein Kopftuch, zwei Augen, einen Bart und zwischen diesen drei Dingen etwas Unbeschreibliches, jedenfalls aber Ungewaschenes konstatieren konnte.

Dasjenige, was der von dem Alphabet und dessen Folgen beleckte Mensch hinter seinem Hause anbringt, damit es sich dort in ruhiger und ungestörter Sammlung zur Goldgrube des Landwirtes entwickeln könne, war hier an der Vorderseite der Hütten angebracht, und zwar mit großer Beharrlichkeit grad da, wo die Schutzgeister des Hauses gezwungen waren, lieblich ein und aus zu schweben.

Man konnte das ganze Dorf überblicken. Ich weiß nicht, wie ich auf den baukünstlerischen Gedanken kam, nach einem Schornstein zu suchen; kurz und gut, ich kam darauf, doch war das eine ganz überschwengliche Idee: ich sah nicht die Spur einer Feueresse.

Ein Häuschen stand auf hohem Rand. Rechts und links, vorn und hinten war das Dach eingefallen. Der Giebel hatte einen Riß, welcher die Haustüre vollständig überflüssig machte. Vom Dorfweg führte eine Steintreppe hinauf; aber von dieser Treppe war nur die oberste und die unterste Stufe vorhanden. Wer da hinauf wollte, der mußte entweder Alpenjäger mit Steigeisen oder Akrobat mit Sprungstange sein.

Läden und Holztüren schien es nicht zu geben, und so offen, wie die Gebäude, waren auch die Bewohner derselben, denn ich sah nicht eine einzige Person, welcher nicht vor Erstaunen über uns der Mund sperrangelweit aufstand. Wäre der Spötter Heinrich Heine an meiner Stelle gewesen, so hätte er zu seinen geographischen Reimen noch den einen hinzugefügt:

»Glogovik ist die Blume des Orientes;

Wer's mit Schaudern gesehen hat, der kennt es!«

Unser Führer hielt vor dem ansehnlichsten Gebäude der Ortschaft an. Zwei mächtige dunkle Tannen beschatteten es; darum hatte der Besitzer es für überflüssig gehalten, das halb eingestürzte Dach zu reparieren. Das Haus lag nahe am Bergabhang. Ein Wässerlein floß von da herab bis vor die Türe und fand dort in der bereits erwähnten Goldgrube Gelegenheit, sich mit einer chemisch anders gearteten Flüssigkeit zu vereinigen. Hart am Rand dieses »Bassins ästhetischer Anschauungen« lagen einige Baumklötze, von denen uns der Konakdschi sagte, daß sie das Amphitheater der öffentlichen Versammlungen bildeten, an welchem Ort schon manche welterschütternde Frage erst mit Worten, dann mit Fäusten und endlich gar mit Messern behandelt worden sei.

Wir nahmen auf diesen Klötzen der Politik Platz und ließen unsere Tiere aus dem Wässerlein trinken, aber oberhalb der erwähnten Vereinigungsstelle. Unsern Führer schickten wir auf Entdeckung in das Haus, denn Halef hatte die Kühnheit, zu behaupten, daß er Hunger habe und irgend etwas essen müsse.

Nachdem wir ein aus dem Hause schallendes Duett angehört hatten, welches aus dem Kreischen einer weiblichen Fistelstimme und aus den fluchenden Baßtönen des Konakdschi bestand, erschienen die beiden Tonkünstler vor der Türe, und zwar in der Weise, daß der Baß den Diskant an einem Fetzen herausgezogen brachte, welcher hierzulande von den Besitzern einer großen Einbildungskraft und unter ganz besonders günstigen Umständen vielleicht Schürze genannt werden konnte.

Wir sollten den zwischen ihnen ausgebrochenen Streit mit einem Machtwort entscheiden. Der Baß behauptete noch immer im tiefen C, daß er etwas zu essen haben wolle, und der Sopran erklärte mit Bestimmtheit und im drei gestrichenen B, daß absolut gar nichts vorhanden sei.

Halef schlichtete den Zwiespalt, indem er in seiner Weise die höhere Stimme des Duetts beim Ohr nahm und mit ihr im Innern des Hauses verschwand.

Es dauerte fast eine halbe Stunde, bevor er wieder erschien. Während dieser Zeit herrschte eine fast beängstigende Stille in den innern Gemächern der Gastlichkeit. Als er dann zum Vorschein kam, wurde er von der Wirtin begleitet, welche unter unheilverkündenden Gestikulationen in einer Mundart schimpfte, von welcher ich kein Wort verstand. Sie gab sich Mühe, ihm eine Flasche zu entreißen; er aber hielt sie heldenhaft fest.

»Sihdi, es gibt etwas zu trinken!« rief er triumphierend. »Ich habe es entdeckt.«

Er hielt die Flasche hoch empor. Die Wirtin suchte dieselbe mit der Hand zu erreichen und schrie dabei etwas, wovon ich nur die Silben »Bullik jak« verstehen konnte. Aber, obgleich ich mit meinem Türkischen überall so leidlich ausgekommen war, was >Bullik jak< bedeutete, wußte ich noch nicht.

Der Hadschi zog endlich, um sich von der Anhänglichkeit der widerwilligen Hebe zu befreien, die Peitsche aus dem Gürtel, worauf sie um mehrere Schritte zurückwich und dann stehen blieb, um sein Beginnen mit entsetztem Blick weiter zu verfolgen.

Er zog den Stöpsel heraus, welcher aus einem alten Kattunwickel bestand, winkte mir verführerisch mit der Flasche zu und setzte sie an den Mund.

Die Farbe des Getränkes war weder hell noch dunkel. Ich konnte nicht erkennen, ob dieser Raki dick oder dünn war. Jedenfalls hätte ich vor dem Trinken die Bouteille erst einmal gegen das Licht und dann an die Nase gehalten. Halef aber war über seinen Fund so erfreut, daß er an eine solche Prüfung gar nicht dachte. Er tat einen langen, langen Zug – —

Ich kannte den kleinen Hadschi schon eine sehr geraume Zeit; aber das Gesicht, welches er jetzt machte, hatte ich noch nie bei ihm gesehen. Er hatte plötzlich einige hundert Falten bekommen. Man sah, daß er sich bemühte, die Flüssigkeit auszuspucken, aber der Schreck hatte dem untern Teil seines Gesichtes alle Fähigkeit der Bewegung geraubt. Der Mund war zum Erschrecken weit offen und blieb eine ganze, lange Weile so; ich befürchtete schon, es sei ein Kinnbackenkrampf eingetreten, der bekanntlich nur mit einer kräftigen Ohrfeige geheilt werden kann.

Nur die Zunge hatte einen geringen Teil ihrer Beweglichkeit behalten. Sie schwamm auf dem langsam und fett über die Lippen rinnenden Raki hin und her wie ein in saure Milch gelegter Blutegel. Dazu hatte der Hadschi die Brauen emporgezogen, daß sie den Rand des Turbans erreichten, und die Augen so fest zu gekniffen, als ob er all seine Lebtage das Licht der Sonne nicht mehr sehen wolle. Die beiden Arme hielt er ausgestreckt und alle zehn Finger so weit wie möglich auseinander gespreizt. Die Flasche hatte er im ersten Augenblick des Entsetzens von sich geschleudert. Sie war in die vereinigte Flüssigkeit gefallen, aus welcher sie von der fast bis an die Kniee in derselben watenden Frau mit Lebensgefahr gerettet wurde. Dabei hatte dieses weibliche Wesen die Stimme wieder erhoben und schimpfte aus Leibeskräften. Von dem, was sie sagte, verstand ich abermals nur die edlen Runen des bereits erwähnten »Bullik jak«.

Da Halef zögerte, das ergreifende »lebende Bild«, welches er gegenwärtig stellte, zu Ende zu bringen, so trat ich zu ihm und fragte:

»Was ist's denn? Was hast du getrunken?«

»Grrr – g – gh!« lautete die gurgelnde Antwort, welche zwar keiner artikulierten Sprache angehörte, aber von allen verstanden wurde.

»So komm doch zu dir! Was war es denn für Zeug?«

»Grrr – g – gh – rrr!«

Er brachte den Mund noch immer nicht zu und hielt die Arme und die Finger noch ausgespreizt. Die Augen aber öffneten sich und sahen mich mit einem trostlos ersterbenden Blick an.

»Bullik jak!« rief die Frau als Antwort auf meine Frage.

Ich durchflog im Geist alle Wörterbücher, welche mir jemals im Leben zu Gebot gestanden hatten; doch vergeblich. »Bullik« verstand ich absolut nicht. Und >jak<? Es konnte doch nicht etwa ein tibetanischer Yak oder Grunzochse gemeint sein!

»Mach doch den Mund zu! Spuck' das Zeug aus!« riet ich ihm.

»Grrrr!«

Da näherte ich mich seinem offenen Mund – und der Geruch sagte mir alles. Ebenso schnell verstand ich nun auch die beiden Worte der Wirtin. Diese bediente sich der Mundart ihres Dorfes. Anstatt »Bullik jak« sollte es heißen >Balyk jaghi<, wörtlich ins Deutsche übersetzt: Fischöl, also Fischtran. Der kleine Hadschi hatte Fischtran getrunken.

Als ich das meinen Begleitern erklärte, brachen sie in ein schallendes Gelächter aus. Diesen Ausdruck eines aller Hochachtung baren Gefühles gab dem stets so selbstbewußten Hadschi augenblicklich sein früheres Wesen zurück. Er zog die ausgestreckten Arme ein, sprudelte den Inhalt seines Mundes von sich, sprang wütend auf die Lacher zu und schrie:

»Wollt ihr still sein, ihr Kinder des Teufels, ihr Söhne und Vettern seiner Großmutter! Wenn ihr über mich lachen wollt, so fragt erst, ob ich es euch erlaube! Ist es euch so lächerlich zu Mut, so laßt euch doch einmal die Flasche geben und trinkt von diesem Oel der Verzweiflung! Wenn ihr dann noch lacht, so will ich es gelten lassen.«

Ein noch lauteres Gelächter war die Antwort. Sogar die Wirtin stimmte mit ein. Da aber fuhr der Hadschi grimmig auf sie los und holte mit der Peitsche aus. Glücklicherweise schlug er durch die Luft, denn die Frau war blitzschnell mit einem fast lebensgefährlichen Sprung durch die Türe verschwunden.

Halef aber legte sich, ohne weiter ein Wort zu sagen, an dem Wässerchen auf die Erde, hielt das Gesicht hinein und spülte den Mund aus. Dann holte ich aus meinem Beutel drei tüchtige Fingerspitzen Rauchtabak und schob ihm denselben in den Mund. Er mußte ihn kauen, um den schrecklichen Geschmack los zu werden. Die Folgen dieses verhängnisvollen Schluckes waren um so außerordentlicher gewesen, als der Fischtran ein greisenhaftes Alter besaß, wie ich nachher von der Frau erfuhr.

 

Sie hatte sich zuerst über den gewaltsamen Raub des vermeintlichen Raki erbost. Durch die Wirkung des ungewöhnlichen Getränkes aber fühlte sie sich ausgesöhnt, und nun brachte sie, was sie vorher verheimlicht hatte – eine halbvolle Flasche wirklichen Raki, welcher der Hadschi mit großer Hingebung zusprach, denn es war selbst dem Tabak nicht gelungen, den ranzigen Fischtran vollständig zu überwältigen.

Dann schlenderte er wie absichtslos beiseite, aber bevor er hinter dem Gasthof verschwand, gab er mir einen heimlichen Wink, ihm zu folgen. Nach einer kleinen Weile spazierte ich ihm nach.

»Sihdi, ich habe dir etwas mitzuteilen, wovon die Andern nichts wissen dürfen,« sagte er. »Die Frau behauptete, weder eine Speise noch ein Getränk zu haben; ich aber schenkte ihr keinen Glauben, denn in einem Konak muß stets etwas vorhanden sein. Darum suchte ich überall, obgleich sie das nicht dulden wollte. Zuerst fand ich die Flasche des Unheiles und der Umstülpung des Magens. Sie wollte sie mir nicht geben, aber ich nahm sie mit Gewalt, denn ich verstand nicht die Worte, welche sie sagte. Dann kam ich an einen Kasten. Ich öffnete ihn und fand ihn mit Kepek (* Kleie.) gefüllt. Aber diese Kepek roch so eigentümlich, so verlockend! Diesen Geruch habe ich noch nicht vergessen, weil ich ihn erst gestern richtig kennen gelernt habe.«

Er holte Atem. Ich wußte bereits, was kommen würde. Er hatte einen Schinken entdeckt; das war sicher.

»Glaubst du wirklich, Sihdi, daß der Prophet den Erzengel richtig verstanden hat in Beziehung auf das Schweinefleisch?« hob er wieder an.

»Ich glaube, daß Mohammed entweder nur geträumt oder sich die Erscheinung des Engels nur eingebildet hat. Durch sein eigenartiges Leben und sein regelloses Grübeln ist seine Phantasie in krankhafter Weise erregt worden. Er hat Chajalar (* Halluzinationen.) gehabt, die ihm Dinge vorspiegelten, welche nicht vorhanden waren. Er sah Erscheinungen, die es in Wirklichkeit nicht gab; er hörte Stimmen, die seinem eigenen Gehirn entstammten. Und übrigens bin ich überzeugt, daß er das Verbot des Schweinefleisches nach dem Vorbild Musas (** Moses.) ausgesprochen hat.«

»Herr, du machst mir das Herz leicht. Denke dir: durch den Geruch verleitet, griff ich tief in die Kleie. Ich fühlte harte Gegenstände, große und kleine, und zog sie hervor. Es waren Würste und ein Schinken. Ich tat sie in den Kasten zurück, denn die Frau klagte, daß ich sie berauben wolle, und sagen, daß ich sie dafür bezahlen würde, das durfte ich doch nicht. Du würdest meine Seele mit Dankbarkeit erfüllen, wenn du jetzt zu ihr gehen wolltest, um ihr eine Wurst und auch ein Stück von dem Schinken abzukaufen. Wirst du mir heimlich diesen Gefallen tun? Die Andern dürfen natürlich nichts wissen und ahnen.«

Man denke, daß der kleine Hadschi sich mit großer Vorliebe einen Sohn oder Anhänger des Propheten zu nennen pflegte. Und jetzt verlangte er von mir, Schinken und Wurst heimlich für ihn einzukaufen! Dennoch war mein Erstaunen über seinen Wunsch keineswegs sehr bedeutend. Hätte ich ihm während der ersten Monate unserer Bekanntschaft zugemutet, von dem Fleisch eines Chansir el hakihr, eines »verächtlichen Schweines« zu essen, so hätte ich jedenfalls die Ausdrücke seines höchsten Zornes zu hören bekommen und auf seine fernere Begleitung verzichten müssen. Die Berührung einer einzigen Schweinsborste verunreinigt den Moslem und verpflichtet ihn zu sorgfältigen Waschungen. Und jetzt wollte Halef das Fleisch des verachteten Tieres gar in seinem Körper aufnehmen! Ohne es zu ahnen, war er durch sein Zusammenleben mit mir nicht nur in bezug auf seine Anschauungen, sondern auch betreffs der Befolgung vorgeschriebener Regeln ein sehr lässiger Bekenner des Islam geworden.

»Nun?« fragte er, als ich nicht gleich antwortete. »Muß ich zweifeln, ob du meine Bitte erfüllen wirst, Sihdi?«

»Nein, Halef. Wenn der Drache Ischtah (* Appetit.) in deinem Körper wütet, so muß ich dich, da ich dein Freund bin, von diesem Uebel erlösen. Du sollst nicht ewig die Qualen erdulden, welche er dir bereitet. Ich werde also mit der Frau sprechen.«

»Tue das, ja tue es! Denn es steht geschrieben, daß Allah jede Wohltat, welche ein Mensch dem andern erweist, tausendfach vergelten wird.«

»So meinst du, daß Allah mich tausendfältig belohnen werde dafür, daß ich dir von dem Fleisch des Schweines kaufe?«

»Ja, denn er hat dem Propheten nicht den Befehl gegeben, den Genuß dieser Speise zu verbieten, und wird sich also darüber freuen, daß ich diesem unschuldigen Tier die wohlverdiente Ehre erweise.«

»Ich glaube aber nicht, daß das Schwein es als eine große Ehre empfinden wird, zu Wurst und Schinken verarbeitet zu werden.«

»Das ist ja aber seine Bestimmung, und jedes Geschöpf, welches seine Bestimmung erfüllt, ist glücklich zu preisen. Der Prophet sagt, das Sterben sei Glück; also ist das Schlachten des Schweines das Beste, wonach es sich sehnen kann. Nun gehe zur Frau; laß aber die Andern ja nicht sehen, was du bringst. Ich werde von der andern Seite des Hauses zu ihnen zurückkehren, denn sie brauchen gar nicht zu wissen, daß wir hier miteinander gesprochen haben.«

Er ging. Ich sah, daß das Haus auch von hinten eine Türe hatte, und trat durch dieselbe ein.

Es hatte bisher den Anschein gehabt, daß sich die Wirtin allein daheim befände. Darum wunderte ich mich, als ich jetzt zwei Stimmen vernahm. Ich blieb stehen, um zu horchen. Der Konakdschi war es, welcher mit der Frau sprach, und zwar verstand ich alles ziemlich genau. Die Wirtin bediente sich zwar ihrer Mundart, gab sich aber Mühe, von ihm verstanden zu werden, was natürlich auch mir zu gute kam.

»Also sie sind hier eingekehrt,« sagte er. »Haben sie dir nicht gesagt, daß auch wir kommen würden?«

»Ja, doch nicht, daß du auch dabei sein würdest. Sie erzählten mir, daß deine Begleiter sehr böse Menschen seien. Darum wollte ich ihnen nichts zu trinken geben.«

»Das war falsch von dir. Grad weil sie so gefährliche Leute sind, muß ich mit ihnen freundlich sein, und auch du darfst nicht merken lassen, daß du sie durchschaust. Hast du vielleicht einen Auftrag an mich auszurichten?«

»Ja. Du sollst durchaus nicht hier übernachten, selbst dann nicht, wenn ihr erst spät hier ankommen würdet. Du sollst vielmehr mit ihnen bis zu Junak reiten.«

»Wird dieser daheim sein?«

»Ja. Er war erst vorgestern hier und erzählte, daß er sein Haus für einige Zeit nicht verlassen werde.«

»Befanden sich die Reiter alle wohl?«

»Nein. Der alte Mann, welcher den Arm gebrochen hatte, wimmerte unaufhörlich. Sie mußten ihm den Verband abnehmen, um den Arm mit Wasser zu kühlen. Als er wieder zu Pferd stieg, hatte er das Sowuk sarsmaki (* "Kaltes Schütteln", Fieber.) und wankte im Sattel. Wirst du mit diesen Fremden lange hier rasten?«

»Wir werden gleich wieder aufbrechen. Sie dürfen auch nicht wissen, daß ich mit dir von den Reitern und von Junak gesprochen habe; darum will ich gehen.«

Ich hörte, daß er sich entfernte, und trat selbst auch für eine Minute aus dem Hause. Das Weib sollte nicht denken, daß ich etwas gehört habe.

Wer war dieser Junak? Der Name ist serbisch und bedeutet so viel wie das deutsche Wort Held, welches ja auch als Name gebraucht wird. Wahrscheinlich war der Kohlenhändler gemeint, welcher mit den Erzeugnissen des Köhlers Scharka hausieren zu fahren pflegte!

Als ich dann lauten Schrittes wieder eintrat, kam mir die Frau entgegen, und ich teilte ihr meinen Wunsch mit. Sie zeigte sich zur Erfüllung desselben bereit, erkundigte sich jedoch, indem sie mich mißtrauisch betrachtete:

»Aber, Herr, hast du auch Geld? Verschenken kann ich nichts.«

»Ich habe Geld.«

»Und wirst du mich bezahlen?«

»Natürlich!«

»Das ist nicht so natürlich, wie du meinst. Ich bin eine Christin und darf dieses Fleisch essen. Auch an Andere, wenn sie Christen sind, darf ich davon verkaufen. Aber wenn ich einem Moslem davon ablasse, begehe ich einen Fehler und werde Strafe anstatt des Geldes erhalten.«

»Ich bin kein Mohammedaner, sondern ein Christ.«

»Und doch bist du ein so schlech–«

Sie hielt inne. Sie hatte wohl sagen wollen: »schlechter Kerl«, besann sich aber noch zur rechten Zeit und fügte schnell hinzu:

»Ich will es wagen, dir zu glauben. Komm also mit, und schneide dir selbst so viel ab, wie du haben willst.«

Ich nahm eine Wurst von vielleicht dreiviertel Kilo und dazu ein Stück Schinken, welches ein halbes Kilo wiegen mochte. Sie verlangte fünf Piaster dafür, also ungefähr neunzig Pfennige. Als ich ihr drei Piaster mehr gab, sah sie mich höchst verwundert an.

»Das soll ich wirklich behalten?« fragte sie zweifelnd.

»Ja. Dafür werde ich mir aber irgend etwas erbitten, in das ich diese Sachen einwickeln kann.«

»Ja, was soll das sein? Etwa ein Kiaghad (* Papier.)?«

»Das paßt am besten dazu; aber es darf nicht schmutzig sein.«

»Es ist nicht schmutzig, denn wir haben keins. Wo soll hier im Dorfe ein Stück Papier zu finden sein? Ich werde dir etwas anderes geben. Wir haben da ein Gömlek (** Hemd.) meines Mannes liegen, welches er nicht mehr trägt. Davon will ich dir ein Stück abreißen.«

Sie langte in eine Ecke, in welcher allerlei Gerümpel lag, und zog ein Ding hervor, welches wie ein Lappen aussah, mit dem man lange Jahre hindurch rauchige Lampenzylinder und schmutziges Topfgeschirr geputzt hat. Davon riß sie einen Fetzen ab, wickelte Wurst und Schinken hinein und reichte mir dann das Paket mit den Worten hin:

»Hier nimm, und labe dich daran. Ich bin in der ganzen Gegend als die geschickteste Tuzlama (* Einpöklerin.) bekannt. Du wirst wohl selten so etwas Wohlschmeckendes gegessen haben.«

»Das glaube ich dir,« antwortete ich verbindlich. »Alles, was ich hier sehe, hat die Farbe und den Geruch des Pökelfleisches, und du selbst bist so appetitlich, als hättest du mit dem Schinken in der Salzlake gelegen und dann in der Esse gehangen. Ich beneide den Gefährten deines Lebens.«

»O, Herr, sage nicht gar zu viel!« rief sie geschmeichelt. »Es gibt noch Schönere im Lande, als ich bin.«

»Dennoch scheide ich von dir mit dem Bewußtsein, daß ich mich gerne deiner erinnern werde. Möge dein Leben duftig und glänzend sein, wie die Schwarte deines Schinkens!«

Als ich nun wieder hinaustrat, beeilte ich mich, das Päckchen los zu werden, indem ich es in Halefs Satteltasche steckte. Niemand außer dem Hadschi bemerkte es. Die Andern hatten ihr Augenmerk auf die Bewohner des Dorfes gerichtet, welche neugierig nach und nach herbeigekommen waren.

Der Mensch, welcher bei unserm Nahen aufgesprungen und schreiend davongelaufen war, stand bei einem Andern, der sich ein sehr würdevolles Aussehen gab. Beide sprachen eifrig miteinander. Eben als ich meine Eßwaren glücklich geborgen hatte, trat der Erstere zu dem Konakdschi, unserm Führer, und begann mit ihm eine leise, aber sehr eifrige Verhandlung. Dann wendete er sich an mich, stemmte die Spitze seines Säbels auf die Erde, stützte die Hände auf den Griff, schnitt die Miene eines Pascha von drei Roßschweifen und fragte:

»Du bist ein Fremder?«

»Ja,« antwortete ich freundlich.

»Und reitest bei uns durch?«

»Ich beabsichtige es allerdings,« sagte ich noch viel freundlicher.

»So kennst du deine Pflicht?«

»Welche meinst du?«

Das klang geradezu herzlich. Der Mann machte mir Spaß. Aber je freundlicher ich wurde, desto grimmiger ward sein Gesicht. Er gab sich die größte Mühe, einen imponierenden Eindruck zu machen.

»Du hast die Abgabe zu entrichten,« erklärte er mir.

»Eine Steuer? Wie so denn?«

»Jeder Fremde, welcher durch unser Dorf kommt, hat sie zu zahlen.«

»Warum? Machen Fremde euch einen Schaden, den sie zu vergüten haben?«

»Du hast gar nicht zu fragen, sondern zu zahlen.«

»Wie viel denn?«

»Für die Person zwei Piaster. Ihr seid vier Fremde, denn der Konakdschi kann nicht gerechnet werden, da er uns bekannt und ein Kind des Landes ist; du aber bist der Anführer dieser Leute, wie er mir sagte, und hast also acht Piaster zu zahlen.«

»So sage mir doch einmal, wer du bist!«

»Ich bin der Feriki ameje daïr eminlikün (* "Chefgeneral der öffentlichen Sicherheit.") dieses Ortes.«

»Da bist du freilich ein bedeutender Mann. Aber wie dann, wenn ich mich zu zahlen weigere?«

»So pfände ich euch.«

 

»Wer aber hat den Befehl gegeben, von jedem Fremden diese Steuer zu erheben?«

»Ich und der Kiaja.«

»Befindet er sich auch hier?«

»Ja, dort steht er.«

Er deutete auf den Würdevollen, mit welchem er vorhin gesprochen hatte und der jetzt seinen Blick erwartungsvoll auf mich gerichtet hielt.

»Rufe ihn einmal her!« gebot ich.

»Wozu? Was ich sage, das hat zu geschehen und zwar sofort, sonst – — «

Er machte mit dem Säbel eine drohende Bewegung.

»Still!« antwortete ich ihm. »Du gefällst mir außerordentlich, denn du hast denselben Grundsatz, wie ich: Was ich sage, das hat zu geschehen. Ich zahle die Steuer nicht.«

»So nehmen wir euch so viel von euren Sachen, daß wir gedeckt sind!«

»Das würde euch schwer werden.«

»Oho! Wir haben erfahren, wer ihr seid. Wenn ihr euch nicht fügt, so bekommt ihr die Peitsche!«

»Halte deine Zunge im Zaum, denn ich bin gewohnt, mit Achtung und Ehrerbietung behandelt zu werden. Die Steuer zahle ich nicht; aber ich sehe, daß du ein armer Teufel bist, und so will ich dir aus Güte zwei Piaster schenken!«

Ich griff schon in die Tasche, um ihm dieses Bakschisch zu geben, zog aber die Hand wieder zurück, denn er hob den Säbel empor, fuchtelte mir mit demselben vor dem Gesicht herum und rief:

»Ein Bakschisch etwa? Mir, der ich der Bekdschi und Kajyrdschy (* Bewahrer und Behüter.) dieser Gemeinde bin? Das ist eine Beleidigung, welche ich auf das strengste bestrafen muß. Die Steuer wird verdoppelt werden. Und wie soll ich dich behandeln? Mit Achtung und Ehrerbietung? Du bist ein Tschapkyn (** Lump.), vor dem ich nicht eine Spur von Achtung haben darf. Du stehst so tief, so tief unter mir, daß ich dich gar nicht sehe, denn . – «

»Schweig!« unterbrach ich ihn. »Wenn du mich nicht sehen kannst, so wirst du mich fühlen. Hebe dich von dannen, sonst erhältst du die Peitsche!«

»Was?« brüllte er. »Die Peitsche? Das sagst du mir, dem Mann von Geltung und Gewicht, während du eine tote Ratte und eine verhungerte Maus bist gegen mich. Hier stehe ich, und hier ist mein Säbel! Wer verbietet es mir, dich zu erstechen? Es würde ein Spitzbube weniger auf der Erde sein. Du samt deinen Begleitern – — «

Er wurde abermals unterbrochen. Halef legte ihm die Hand auf die Achsel mit den Worten:

»Schweig nun endlich, sonst macht der Effendi ernst, und du bekommst die Steuer dorthin ausgezahlt, wo du sie nicht wegnehmen kannst.«

Da versetzte der »Ortswachtmeister« dem Hadschi einen Stoß, daß dieser einige Schritte zurücktaumelte, und schrie ihn an:

»Wurm! Wagst du es wirklich, den obersten Beamten dieser Ortschaft zu berühren? Das ist ein Verbrechen, welches augenblicklich bestraft werden muß. Nicht ich bin es, sondern du bist es, der die Peitsche erhalten wird. Herbei, Kiaja, herbei, ihr Männer! Haltet dieses Männlein fest! Er soll die Hiebe mit seiner eigenen Peitsche empfangen.«

Der Kiaja hob schon den Fuß, um näher zu kommen, aber er zog ihn schnell zurück. Der Blick, welchen ich ihm zuwarf, schien ihm nicht zu gefallen. Sein Beispiel bewirkte, daß auch keiner der Andern der Aufforderung des »Chefgenerals der öffentlichen Sicherheit« gehorchte.

»Sihdi, soll ich?« fragte Halef.

»Ja,« nickte ich ihm zu.

Es genügte ein Wink von ihm zu Osko und Omar. Im nächsten Augenblick lag der Mann an der Erde, mit der Rückseite nach oben. Osko hielt ihn an den Schultern nieder, und Omar kniete ihm auf den Beinen. Der Bursche schrie, aber Halef überschrie ihn:

»Seht her, ihr Männer und Frauen, wie wir diesem Besitzer großer Worte die Steuer bezahlen! Er erhält sie zunächst; dann aber wird jeder drankommen, der es wagen sollte, ihm beizuspringen; der Kiaja gleich zuerst! Wie viel soll er erhalten, Effendi?«

»Acht Piaster hat er verlangt.«

Ich setzte nichts hinzu, doch ersah Halef aus meiner Miene, daß er gnädig verfahren solle. Er verabreichte ihm also acht Hiebe, und zwar nur der Form wegen. Schmerzen konnten diese acht gelinden Streiche gar nicht erwecken; dennoch machten sie einen gewaltigen Eindruck. Gleich beim ersten Hieb war der »Chefgeneral« still geworden. Jetzt, als die beiden ihn losließen, stand er langsam auf, rieb sich den rückwärts liegenden Pol seines Körpers und klagte:

»O Gesetz, o Gerechtigkeit, o Großsultan! Der treueste Diener des Jakyschyk memleketin (* Wohlstand des Landes.) wird mit der Peitsche beleidigt! Meine Seele zerfließt in Tränen, und aus meinem Herzen rinnen die Bäche der Wehmut und der Traurigkeit. Seit wann erhalten verdiente Männer den Nischani iftichar, den Orden des Ruhmes, mit der Kurbatsch dorthin gehängt, wo er bei einer Begegnung von vorn gar nicht zu sehen ist? Mich ergreifen die Schmerzen des Lebens, und ich empfinde die Qualen des vergänglichen Daseins. O Gesetz, o Gerechtigkeit, o Großsultan und Padischah!«

Er wollte sich von dannen schleichen, aber ich rief ihm zu:

»Warte noch ein wenig! Ich halte stets Wort. Da ich dir zwei Piaster versprochen habe, so sollst du sie auch bekommen. Und damit die Schmerzen des Daseins dir nicht allzu schwer werden, will ich dir sogar drei Piaster geben. Hier hast du sie!«

Er traute seinen Augen nicht, als ich ihm das Geld hinstreckte. Erst nachdem er mich prüfend angeschaut hatte, griff er zu und fuhr dann mit der Hand in die Tasche. Diese schien aber ein Loch zu haben, denn er zog die Hand wieder zurück und schob das Geld unter den Riesenturban. Dann ergriff er meine Hand, drückte sie an seine Lippen und sagte:

»Herr, die Qualen der Erde und die Unannehmlichkeiten dieser Welt sind vergänglich, wie die ganze Schöpfung. Deine Gnade träufelt Melhem (** Balsam.) in mein Gemüt und Sarmessak suju (*** Knoblauchsaft.) in die Tiefen meiner Gefühle. Möge das Schicksal dafür sorgen, daß dein Beutel nie ohne silberne Piaster ist!«

»Ich danke dir! Nun sende uns auch den Kiaja her.«

Der Genannte hörte meine Worte und kam herbei.

»Was befiehlst du, Herr?« fragte er.

»Wenn der Khawaß des Dorfes von mir ein Bakschisch erhält, so soll der Kiaja natürlich auch eins erhalten. Ich hoffe, daß du damit einverstanden bist.«

»Wie gern!« rief er aus, indem er mir die Hand entgegenstreckte. »Dein Mund hat Worte des Segens, und deine Hand teilt Gaben des Reichtums aus!«

»So ist es. Natürlich willst du nicht weniger empfangen, als dein Untergebener erhalten hat?«

»Herr, ich bin der Vorgesetzte. Mir gebührt noch mehr als ihm.«

»Richtig, er hat acht Streiche und drei Piaster bekommen, folglich lasse ich dir fünf Piaster und zwölf Hiebe geben.«

Da legte er schnell seine beiden Hände dorthin, wo selbst beim größten Gelehrten der Sitz der Geisteskräfte nicht gesucht werden darf, und schrie:

»Nein, nein, Herr! Nicht die Hiebe, sondern nur die Piaster!«

»Das wäre ungerecht. Keine Piaster ohne Hiebe. Entweder alles oder gar nichts. Wähle!«

»Dann lieber nichts!«

»So ist es deine Schuld, wenn deine Hand nicht empfängt, was ich ihr zugesprochen hatte.«

»Nein, nein!« wiederholte er. »Beides zu empfangen, das ist zu viel!«

Er wollte sich entfernen, kehrte aber nach einigen Schritten wieder um, sah mich bittend an und fragte:

»Herr, könnten wir es nicht anders machen?«

»Wie denn?«

»Gib mir die fünf Piaster, die zwölf aber meinem Khawassen. Er hat die Peitsche bereits gekostet, so daß sie ihn nicht mehr erschrecken kann.«

»Wenn er will, so bin ich einverstanden. Also her mit dir, du General der öffentlichen Sicherheit!«

Halef streckte die Hand nach dem Khawassen aus; dieser aber sprang schleunigst zur Seite und rief:

»Allah göstermessin – Gott behüte und bewahre! Die sanften Gefühle meines Sitzes sind bereits genugsam aufgeregt. Wenn du wirklich beschlossen hast, zu teilen, so gib mir die Piaster und dem Kiaja die Hiebe! Dir kann es ja ganz gleichgültig sein, wer sie bekommt, mir aber keineswegs.«

»Das glaube ich. Aber ich sehe, daß ich weder das Eine noch das Andere los werde; darum gebe ich euch die Erlaubnis, euch zu entfernen.«

»Basch üstüne, tschelebim – mit Vergnügen, Herr! Reite getrost weiter! Vielleicht findest du anderwärts eine Seele, welche nach den Hieben schmachtet, ohne die Piaster zu begehren.«

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