Reise durch die Sonnenwelt

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Zweites Kapitel
Dessen letzten Wort dem Leser lehrt, was er ohne Zweifel schon vorher errathen halte.

So verlief also der 19. April. Während ihre Vorgesetzten sich in dieser Weise besprachen, betrieben die Kolonisten ihre gewohnten Arbeiten. Das unerwartete Erscheinen des Professors auf der Scene der Gallia vermochte sie keineswegs besonders zu erregen. Die Spanier, bei ihrer natürlichen Sorglosigkeit, und die Russen, bei dem felsenfesten Vertrauen zu ihrem Herrn, beunruhigten sich weder über sichtbare Wirkungen, noch über deren Ursachen. Ob die Gallia jemals nach der Erde zurückkehrte, oder ob sie auf derselben leben, d.h. auch hier sterben sollten, das bekümmerte sie nicht im Geringsten. Auch während der folgenden Nacht ließen sie sich um keine Stunde Schlaf bringen und schlummerten wie Philosophen, welche nichts zu beunruhigen vermag.

Der zum Krankenwärter umgewandelte Ben-Zouf verließ das Lager des Professor Rosette nicht einen Augenblick. Er hatte die Sache zur seinigen gemacht und sich einmal in den Kopf gesetzt, jenen wieder auf die Füße zu bringen. Seine Ehre war hierbei im Spiele. Wie pflegte er ihn aber auch! Welch' gewaltige Quantitäten seiner Herzstärkungen flößte er ihm bei der geringsten Gelegenheit ein! Wie zählte er seine Seufzer! Wie lauschte er auf jedes Wort, das von seinen Lippen kam! Um wahr zu sein, müssen wir hier bemerken, daß der Name »Gallia« in Palmyrin Rosette's unruhigem Schlummer häufig, und bezüglich seiner Betonung von der einfachen Unruhe bis zum Zorne wechselnd, wiederkehrte. Träumte vielleicht der Professor, daß man ihm seinen Kometen stehlen, die Entdeckung der Gallia bestreiten, ihm die Priorität seiner Beobachtungen und Berechnungen ableugnen wollte? – Das konnte wohl sein. Palmyrin Rosette gehörte zu den Leuten, welche selbst im Schlafe wüthend werden.

Trotz seiner schärfsten Aufmerksamkeit gelang es dem Krankenwärter doch nicht, aus jenen unzusammenhängenden Worten etwas zu verstehen, was das große Problem seiner Lösung näher gebracht hätte. Uebrigens schlief der Professor die ganze Nacht hindurch, anfänglich noch mit leisen Seufzern, später aber mit lautem Schnarchen von bester Vorbedeutung.

Als die Sonne sich schon über dem westlichen Horizonte der Gallia erhob, schlummerte Palmyrin Rosette noch immer, und Ben-Zouf erachtete es für angemessen, seine Ruhe nicht zu stören. Uebrigens wurde die Aufmerksamkeit der Ordonnanz gerade jetzt durch einen kleinen Zwischenfall abgeleitet.

Es klopfte nämlich Jemand wiederholt an die starke Thür, welche die Hauptgalerie des Nina-Baues abschloß. Diese Thür diente nicht etwa zur Abhaltung unliebsamer Besucher, sondern nur zum Schutz gegen die Kälte.

Ben-Zouf verließ seinen Pflegebefohlenen auf einen Augenblick; bald aber glaubte er, unrecht gehört zu haben, und kehrte wieder um, da er sich nicht als Portier betrachtete, und Andere da waren, welche, minder beschäftigt als er, den. Riegel entfernen konnten. Er verhielt sich also ganz still.

Im Nina-Bau lag Alles noch in tiefem Schlafe. Das Geräusch wiederholte sich. Offenbar rührte es von einem lebenden Wesen her, das mit irgend einem Instrumente gegen die Thür schlug.

»In drei Teufels Namen, das ist zu arg! fuhr Ben-Zouf auf. Wer zum Kuckuck mag das sein?«

Er ging nach der Hauptgalerie zu.

Bei dieser Thür angelangt, fragte er ärgerlich:

»Wer da?

– Ich bin's, erklang die Antwort mit süßlicher Stimme.

– Wer ist ›Ich‹?

– Isaak Hakhabut.

– Und was begehrt Ihr, Astaroth?

– Daß Sie mir die Thür öffnen, Herr Ben-Zouf.

– Was wollt Ihr hier? Eure Waaren verkaufen?

– Sie wissen ja, daß Niemand Luft hat, sie zu bezahlen.

– Nun, so scheert Euch zum Teufel!

– Mein Herr Ben-Zouf, fuhr der Jude in fast bittendem Tone fort, ich möchte Seine Excellenz den Herrn General-Gouverneur sprechen.

– Er schläft noch.

– Ich warte, bis er erwacht.

– Gut, so wartet da, wo Ihr jetzt seid, Abimelech.«

Ben-Zouf wollte eben wieder nach seinem Posten zurückkehren, als Kapitän Servadac, den das Geräusch geweckt hatte, dazu kam.

»Was giebt's, Ben-Zouf?

– O, nichts, oder doch so gut wie nichts. Der Kerl, der Hakhabut ist draußen und will Sie sprechen.

– Nun gut, so öffne ihm, antwortete Hector Servadac. Ich muß doch erfahren, was ihn heute hierher führt.

– Jedenfalls nur sein eigenes Interesse.

– Oeffne die Thür, sag' ich Dir!«

Ben-Zouf gehorchte. Sofort drängte sich Isaak Hakhabut, in seinen alten, langen Ueberrock gehüllt, herein. Kapitän Servadac ging nach dem Hauptsaale und der Jude folgte ihm mit den devotesten Ehrenbezeigungen.

»Was wollt Ihr, fragte Kapitän Servadac und sah Isaak Hakhabut gerade in's Gesicht.

– O, Herr General-Gouverneur, wissen Sie denn seit einigen Stunden gar nichts Neues?

– Wie, Ihr denkt hier Neuigkeiten zu erfahren?

– Gewiß, Herr Gouverneur, und ich hoffe, Sie werden haben die Güte, sie mir mitzutheilen.

– Ich werde Euch gar nichts mittheilen können, Meister Isaak, denn ich weiß selbst nichts.

– Nun, es ist doch gekommen noch ein Mann gestern hierher nach Warm-Land? ...

– Also das wißt Ihr schon?

– Was sollt' ich's nicht, Herr Gouverneur? Von meiner armseligen Tartane aus hab' ich den You-You wegsegeln sehen auf eine weite Reise, und habe gesehen, daß er wieder gekommen ist. Mir schien, man lud daraus mit großer Vorsicht ...

– Nun, was oder wen?

– Nun, Herr Gouverneur, verhielt es sich nicht so, daß Sie gestern hätten aufgenommen hier einen Fremden? ...

– Der Euch bekannt wäre?

– O, das sage ich ja nicht, Herr Gouverneur, indeß, ich möchte ... ich wünschte ...

– Was?

– Jenen Fremden zu sprechen, denn vielleicht kommt er ...

– Von wo?

– Von der nördlichen Küste des Mittelmeeres, und es wäre zu hoffen er brächte ...

– Nun, er brächte?

– Nachrichten aus Europa!« sagte der Jude mit einem bezeichnenden Blicke auf den Kapitän Servadac.

Der Starrkopf verweilte also, trotz dreiundeinhalbmonatlichen Aufenthaltes auf der Gallia, bei seinen früheren Ansichten. Bei seinem Temperament fiel es ihm gewiß schwerer als jedem Anderen, sich geistig als von der Erde getrennt anzusehen, obwohl er es buchstäblich war. Mußte er auch das Auftreten abnormer Erscheinungen zugestehen, wie die Verkürzung der Tage und Nächte, die Verkehrung der Hauptpunkte des Himmels bezüglich des Auf- und Unterganges der Sonne, so vollzog sich seiner Meinung nach das Alles eben auf der Erde selbst. Das Meer hier blieb für ihn immer noch das Mittelmeer. War auch ein Theil Afrikas durch irgend eine Katastrophe unzweifelhaft verschwunden, so existirte nach ihm doch das ganze Europa, einige hundert Meilen im Norden, unverändert weiter. Seine Bewohner lebten gewiß wie zuvor und auch er würde dort umherziehen, kaufen und verkaufen, mit einem Worte schachern können. Die Hansa würde in Ermanglung des afrikanischen Ufers den Küstenhandel längs des europäischen Ufers betreiben und bei diesem Tausche wahrscheinlich nichts einbüßen. Deshalb war Isaak Hakhabut spornstreichs herbeigeeilt, um im Nina-Bau Nachrichten von Europa zu erhalten.

Diesen Juden aufklären und seine starr festgehaltenen Ansichten brechen zu wollen, schien eine vergebliche Mühe. Kapitän Servadac dachte auch nicht im Geringsten daran, mit diesem Renegaten, der ihn anwiderte, neue Beziehungen anzuknüpfen, und begnügte sich, als Antwort auf dessen Gesuch nur mit den Achseln zu zucken.

Wer aber auch noch mehr als mit den Achseln zuckte, das war Ben-Zouf. Die Ordonnanz hatte das Begehren des Juden gehört und antwortete nun Isaak Hakhabut an Stelle des Kapitän Servadac, der ihm den Rücken zugekehrt hatte.

»Ich habe mich also nicht geirrt, fuhr der Jude mit lebhafter erglänzenden Augen fort. Gestern ist ein Fremder hier angekommen?

– Ja wohl, antwortete Ben-Zouf.

– Lebend?

– Man hofft es.

– Und kann ich erfahren, Herr Ben-Zouf, von welchem Orte ist gekommen dieser Reisende?

– Von den Balearen, belehrte ihn Ben-Zouf, der beobachten wollte, welche Wirkung das auf Isaak Hakhabut äußern würde.

– Von den Balearen! rief der Jude. O, das ist ein herrlicher Platz zum Handeln! Was hab' ich sonst dort gemacht für ein seines Geschäft! Die Hansa ist gar wohl bekannt auf jenen Inseln.

– Nur zu bekannt.

– Sie liegen aber blos entfernt fünfzehn Meilen von der spanischen Küste, und jedenfalls wird der Herr Reisende bringen können Nachrichten von Europa.

– Gewiß, Manasse, er wird Euch so manches Interessante mittheilen können.

– Ist das wahr, Herr Ben-Zouf?

– Natürlich.

– Ich werde nicht ansehen ... fuhr der Jude zögernd fort ... nein ... gewiß ... ich bin zwar nur ein armer Mann ... ich werde nicht ansehen ein Paar Realen, um mit ihm sprechen zu können.

– Oho, Ihr werdet sie doch ansehen!

– Ja, das werde ich ... aber ich werde sie geben trotzdem, wenn ich ihn sprechen kann sogleich.

– Aha! ließ sich Ben-Zouf vernehmen. Leider ist unser Reisender sehr abgespannt und schläft jetzt noch.

– Aber wenn man ihn weckte ...

– Hakhabut, fiel da Kapitän Servadac ein, wenn Ihr Euch unterfangt, hier irgend Jemand zu wecken, so weis' ich Euch die Thür!

– Herr Gouverneur, entschuldigte sich der Jude im unterwürfigsten Tone, ich möchte ja nur wissen ...

– Ihr werdet Alles erfahren, unterbrach ihn Kapitän Servadac. Ich bestehe sogar darauf, daß Ihr zugegen seid, wenn unser neuer Gefährte seine Nachrichten aus Europa mittheilt.

 

– Und ich auch, Ezechiel, fügte Ben-Zouf hinzu, denn ich möchte Euer fröhliches Gesicht dabei sehen.«

Isaak Hakhabut brauchte nicht lange zu warten. Eben ließ sich die ungeduldig rufende Stimme Palmyrin Rosette's vernehmen.

Bei diesem Rufe eilten Alle nach dem Lager des Professors, Kapitän Servadac ebenso wie Graf Timascheff, Lieutenant Prokop und Ben-Zouf, dessen kräftige Hand Mühe hatte, den Juden Hakhabut etwas zurückzuhalten.

Der Professor war offenbar nur erst halb munter und rief, wahrscheinlich unter der Nachwirkung eines Traumes: »He, Joseph! den Kerl soll der Teufel holen! Wirst Du bald kommen, Joseph!«

Dieser Joseph war gewiß der Diener Palmyrin Rosette's; erscheinen konnte er ohne Zweifel deshalb nicht, weil er wohl noch die alte Welt bewohnte.

Der Stoß der Gallia hatte auch die Wirkung gehabt, plötzlich, und wohl für immer, Herrn und Diener zu trennen.

Inzwischen erwachte der Professor vollständig und rief von Neuem:

»Joseph! Vermaledeiter Joseph! Wo ist meine Thür?

– Hier, erwiderte Ben-Zouf, Ihre Thür ist sorgfältig verwahrt.«

Palmyrin Rosette öffnete die Augen weiter und sah die Ordonnanz stirnrunzelnd scharf an.

»Du bist Joseph? fragte er.

– Zu dienen, Herr Palmyrin, erwiderte seelenruhig Ben-Zouf.

– Schön, Joseph, fuhr der Professor fort, meinen Kaffee, aber schnell!

– Den gewünschten Kaffee!« rief Ben-Zouf nach der Küche eilend.

Unterdessen half Kapitän Servadac Palmyrin Rosette sich halb empor zu richten.

»Verehrtester Professor, begann er, Sie haben also Ihren alten Schüler von der Charlemagne wieder erkannt?

– Gewiß, Servadac, gewiß! bestätigte Palmyrin Rosette. Ich hoffe, Sie werden sich binnen zwölf Jahren etwas geändert haben?

– Von oben bis unten, erwiderte Kapitän Servadac lachend.

– Schön, das ist gut! sagte Palmyrin Rosette. Aber meinen Kaffee möcht' ich haben. Ohne Kaffee keine klaren Gedanken, und diese braucht man heutzutage nothwendig.«

Zum Glück brachte Ben-Zouf eben das ersehnte Labsal – eine große Tasse schwarzen, dampfenden Kaffees.

Palmyrin Rosette leerte diese, erhob sich vollends, verließ das Lager, trat in den Hauptraum der Wohnung ein, sah sich zerstreut ein wenig um und ließ sich endlich in einen der besten Lehnstühle aus dem Salon der Dobryna nieder.

Dann ging der Professor, wenn auch mit etwas sauertöpfischem Gesicht, aber doch mit einem Tone, der an das »all right«, »va bene« und »nil desperandum« seiner Nachrichtsblätter erinnerte, auf die brennende Frage ein.

»Nun, meine Herren, was denken Sie von der Gallia?«

Kapitän Servadac wollte darauf vor Allem selbst die Frage stellen, was diese Gallia sei, als sich Isaak Hakhabut vordrängte.

Beim Anblicke des Juden runzelten sich des Professors Augenbrauen von Neuem und er rief mit dem Tone eines Mannes, der sich durch eine unziemliche Begegnung beleidigt fühlt:

»Und was hat das zu bedeuten?

– Lassen Sie sich den da nicht kümmern!« erwiderte Ben-Zouf, während der Gelehrte Isaak Hakhabut mit der Hand abzuwehren suchte.

Es war aber weder leicht, den Juden zurück zu halten, noch ihn am Sprechen zu verhindern. Er nahm immer und immer wieder einen Anlauf, ohne der anderen Anwesenden zu achten.

»Mein Herr, sagte er, im Namen des Gottes Abraham's, Isaak's und Jakob's, geben Sie uns Nachricht von Europa!«

Palmyrin Rosette sprang, wie von einer Feder emporgeschnellt, aus seinem Sessel auf.

»Nachrichten von Europa! rief er. Er will Nachrichten von Europa haben!

– Ja ... ja ... antwortete der Jude, der sich an den Lehnsessel des Professors klammerte, um dem ihn zurückdrängenden Ben-Zouf zu widerstehen.

– Und wozu das? fuhr Palmyrin Rosette fort.

– Um dahin zurückzukehren.

– Dahin zurückkehren! – Welches Datum haben wir doch heute? fragte der Professor nach seinem früheren Schüler gewendet.

– Den zwanzigsten April, antwortete Kapitän Servadac.

– Gut; also heute am zwanzigsten April, erklärte Palmyrin Rosette, dessen Stirn sich wie von leichtem Nachdenken furchte, heute ist Europa nahezu dreiundsiebzig Millionen Meilen von uns entfernt!«

Isaak Hakhabut sank zusammen, als hätte man ihm das Herz aus dem Leibe gerissen.

»Ah, wie mir scheint, weiß man hier noch nichts? fragte Palmyrin Rosette.

– Einiges doch!« antwortete Kapitän Servadac.

Mit kurzen Worten theilte er dem Professor Alles mit. Er erzählte, was sich seit der Nacht des 31. Decembers zugetragen, wie die Dobryna eine Entdeckungsreise unternommen und aufgefunden habe, was noch von den alten Continenten übrig war, nämlich einige Punkte von Tunis, Sardinien, Gibraltar und Formentera; ferner daß seine Documente in drei Fällen in ihre Hände gekommen seien, und endlich, daß man die Insel Gourbi verlassen, um nach Warm-Land überzusiedeln und den alten Wachtposten gegen den Nina-Bau zu vertauschen.

Palmyrin Rosette hatte diesem Berichte nicht ohne einige Zeichen von Ungeduld zugehört. Als Kapitän Servadac geendet hatte, fragte er:

»Nun, meine Herren, wo glauben Sie sich denn augenblicklich zu befinden?

– Auf einem neuen Asteroïden, der durch die Sonnenwelt kreist, erwiderte Kapitän Servadac.

– Und dieser neue Asteroïd wäre Ihrer Ansicht nach? ...

– Ein ungeheures Bruchstück, das aus der Erde gerissen ward.

– Herausgerissen, ah so, herausgerissen! Ein Fragment der Erdkugel! Und durch wen, durch was herausgerissen?

– Durch den Anprall eines Kometen, dem Sie, lieber Professor, den Namen ›Gallia‹ gegeben haben.

– Nun, Sie irren sich doch, meine Herren, erklärte Palmyrin Rosette aufstehend. Die Sache verhält sich noch weit besser!

– Noch weit besser! wiederholte lebhaft Lieutenant Prokop.

– Gewiß, fuhr der Professor fort, gewiß. Es ist ganz richtig, daß ein bisher unbekannter Komet in der Nacht vom 31. December zum 1. Januar, um zwei Uhr siebenundvierzig Minuten und fünfunddreißig Secunden die Erde getroffen hat, aber er hat sie dabei sozusagen nur gestreift und die kleinen Bruchstückchen mit entführt, welche Sie bei Ihrer Entdeckungsfahrt auffanden.

– Und folglich, rief Kapitän Servadac, befinden wir uns ...

– Auf dem Gestirn, welches ich ›Gallia‹ genannt habe, antwortete Palmyrin Rosette triumphirenden Tones. Sie leben jetzt auf meinem Kometen!«

Drittes Kapitel
Einige Variationen über das längst bekannte Thema von den Kometen und anderen Wanderern der Sonnenwelt.

Wenn Professor Palmyrin Rosette einen Vortrag über Kometographie hielt, so definirte er, in Uebereinstimmung mit den hervorragendsten Astronomen, die Kometen folgendermaßen:

»Gestirne mit einem leuchtenden Centralpunkte, dem sogenannten Kerne, mit einer Nebelhülle, welche man auch als Strahlenkranz bezeichnet, und einem schwächer leuchtenden Anhängsel, dem Schweife, wobei diese Gestirne in Folge der großen Excentricität ihrer Bahn für die Bewohner der Erde nur zeitweilig und im Vergleich zur Dauer ihres Umlaufes nur sehr kurze Zeit sichtbar sind.«

Palmyrin Rosette unterließ es auch niemals, hinzuzusetzen, daß seine Definition eine vollkommen treffende sei – freilich mit den Ausnahmefällen, daß diese Gestirne wohl auch ohne Kern und Schweif und ohne Nebelhülle auftreten könnten und dennoch als Kometen zu betrachten seien.

Auch setzte er, nach Arago, stets noch hinzu, daß ein solches Gestirn, um den Ehrennamen eines Kometen zu verdienen, noch: 1. eine eigene Bewegung besitzen und 2. eine sehr verlängerte Ellipse beschreiben müsse, in welcher es sich so weit entferne, um von der Erde und der Sonne aus unsichtbar zu werden. Bei Erfüllung jener ersten Bedingung konnte dann ein solcher Wandelstern nicht mehr mit einem Fixsterne und bei Erfüllung der zweiten auch nicht mit einem Planeten verwechselt werden. War es dann endlich nicht unter die Klasse der Meteore zu bringen, so mußte ein solches Gestirn, das weder ein Fixstern noch Planet war, nothwendig ein Komet sein.

Wenn Professor Palmyrin Rosette in der Art von seinem bequemen Lehnstuhl aus docirte, wiegte er sich immer in dem Glauben, einmal noch von einem Kometen fortgerissen und durch die Sonnenwelt geführt zu sehen.

Unentwegt bewahrte er für diese behaarten oder unbehaarten Gestirne eine ausgesprochene Vorliebe. Ahnte er vielleicht voraus, was ihm die Zukunft wirklich gewähren sollte? In der Kometographie war er, wie man sich leicht denken kann, denn auch ganz besonders sattelfest. Nach dem Zusammenstoße hatte er auf Formentera gewiß nur das Eine schmerzlich vermißt, keinen Zuhörerkreis um sich zu haben; denn in diesem Falle hätte er bestimmt sofort einen Eilcursus über die Kometen begonnen und sein Lieblingsthema in folgender Ordnung abgehandelt:

1 Wie groß ist die Zahl der Planeten im Weltraume?

2 Welche sind die periodischen Kometen, d.h. die, welche nach einer gewissen Zeit wiederkehren, und welche sind die nichtperiodischen?

3 Wie verhält es sich mit der Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes zwischen der Erde und irgend einem jener Kometen?

4 Was würde die Folge eines solchen Stoßes sein, je nachdem der betreffende Komet einen harten Kern besäße oder nicht?

Mit der Beantwortung dieser vier Fragen hätte Palmyrin Rosette gewiß auch die anspruchsvollsten seiner Zuhörer befriedigt.

Eben das wollen wir an seiner Stelle in diesem Kapitel versuchen.

Also die erste Frage lautete: Wie groß ist die Zahl der Planeten im Weltraume?

Keppler nahm an, die Kometen am Himmel seien ebenso zahlreich wie die Fische im Wasser.

Arago hat, unter Zugrundelegung derjenigen dieser Gestirne, welche zwischen Merkur und Sonne gravitiren, die Zahl der übrigen, welche den Raum unseres Sonnensystems berühren, auf siebzehn Millionen berechnet.

Lambert nimmt allein bis zum Saturn, also innerhalb eines Rayons von etwa zweihundertneunzehn Millionen Meilen, deren gegen fünfhundert Millionen an.

Andere Berechnungen ergeben gar vierundsiebzig Millionen Milliarden dieser Himmelskörper.

Die Wahrheit ist, daß man nichts Bestimmtes über die Anzahl der Haarsterne weiß, daß man sie niemals gezählt hat und niemals wird zählen können, aber daß sie jedenfalls sehr zahlreich vorhanden sind. Um den Vergleich Keppler's zu verdeutlichen und zu erweitern, könnte man sagen, daß ein auf der Sonnenoberfläche stehender Fischer seine Angel gar nicht auswerfen könnte, ohne einen Kometen zu fangen.

Und das ist noch nicht Alles. Eine große Anzahl schweift durch das Universum, welche sich dem Einflusse der Sonne vollständig entzieht. Es giebt darunter viele so weit und so regellos umherirrende Gestirne, daß sie scheinbar ganz nach ihrem Belieben von einem Attractions-Centrum zu einem anderen übergehen. Sie vertauschen unsere Sonnen- (d.h. unsere specielle Fixstern-) Welt mit bedauerlicher Leichtigkeit gegen eine andere, wobei am Horizonte der Erde solche erscheinen, welche man früher hier niemals erblickte, während andere dafür auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Um aber nur von denen zu sprechen, die unserem Sonnensysteme zweifellos angehören, haben diese wenigstens eine unveränderlich vorherbestimmte Bahn, wodurch ein Zusammenstoß entweder zwischen ihnen selbst oder mit der Erde zur Unmöglichkeit würde? – Leider nein! Ihre Bahnen sind fremden Einflüssen nicht ganz und gar entzogen. Aus Ellipsen können dieselben zu Parabeln oder Hyperbeln werden.

Um nun vom Jupiter zu reden, so ist dieser Planet der hervorragendste »Ordnungsstörer« der Bahnen vieler Weltkörper. Nach der Beobachtung der Astronomen scheint er vorzüglich auf der Heerstraße der Kometen zu wandeln und übt auf die schwächlichen Weltkörper oft einen verderbendrohenden Einfluß, der sich freilich durch seine mächtige Anziehungskraft er klärt.

Das ist also in groben Zügen die Kometenwelt, welche Millionen zu ihr gehörender Gestirne zählt. –

Die zweite Frage. Welche sind die periodischen Kometen und welche die nichtperiodischen?

Durchblättert man die astronomischen Jahrbücher, so finden sich zwischen fünf- und sechshundert Kometen, welche zu verschiedenen Zeiten der Gegenstand eingehender Untersuchung geworden sind. Hierunter sind aber nur vierzig, deren Umlaufszeiten genau bekannt sind.

Diese vierzig Gestirne zerfallen wiederum in periodische und nichtperiodische Kometen. Die ersteren erscheinen für die Erde in mehr oder weniger langen, aber fast ganz regelmäßigen Zeiträumen wieder. Die anderen entfernen sich von der Sonne in wahrhaft unmeßbare Weiten.

 

Unter den periodischen Kometen kennt man zehn mit sogenannter »kurzer Umlaufszeit«, deren Bewegungen mit äußerster Genauigkeit berechnet sind. Es sind das die Kometen Halley's, Encke's, Gambart's, Faye's, Brörsen's, d'Arrest's, Tuttle's, Winnecke's, de Vico's und Tempel's.

Einige Worte über die Geschichte derselben dürften hier nicht am unrechten Orte sein, denn einer derselben befand sich einmal in demselben Verhältnisse zur Erde, wie unlängst der Komet Gallia.

Der Halley'sche Komet ist schon am längsten bekannt. Man nimmt an, daß er in den Jahren 134 und 52 v. Chr., und dann 400, 855, 930, 1006, 1230, 1305, 1380, 1456, 1531, 1607, 1682, 1759 und 1835 sichtbar war.

Er bewegt sich von Osten nach Westen, d.h. in umgekehrter Richtung wie die Planeten um die Sonne. Der Zeitraum zwischen zwei Erscheinungen desselben beträgt fünfundsiebzig bis sechsundsiebzig Jahre, je nachdem er auf seiner Bahn durch die Nähe des Jupiter oder Saturnus mehr oder weniger gestört wurde, wodurch eine Verzögerung bis zu sechshundert Tagen entstehen kann. Der weitberühmte Herschel befand sich zur Zeit seines Erscheinens im Jahre 1835 am Cap der guten Hoffnung, und damit in günstigeren Verhältnissen als die Astronomen der nördlichen Halbkugel der Erde, so daß er den Kometen bis zum März 1836 zu verfolgen vermochte, zu welcher Zeit er, wegen allzu großer Entfernung von der Erde, unsichtbar wurde. Zur Zeit seines Perihels nähert sich der Halley'sche Komet der Sonne bis auf 13 1/5 Millionen Meilen, also bis auf eine geringere Entfernung als die der Venus – was bezüglich der Gallia ganz ebenso der Fall gewesen zu sein schien. Zur Zeit seines Aphels entfernt er sich bis auf 780 Millionen Meilen, d.i. über die Kreisbahn des Neptun hinaus.

Der Encke'sche Komet ist derjenige, welcher seinen Umlauf im kürzesten Zeitraume vollendet, denn er braucht dazu im Mittel nur 1203 Erdentage, also weniger als drei und ein halbes Jahr. Er bewegt sich in directer Richtung von Westen nach Osten. Zuerst entdeckt am 26. November 1818, erkannte man doch nach Berechnung seiner Bahnelemente, daß er mit einem schon im Jahre 1805 gesehenen identisch sei. Wie es die Astronomen schon damals voraussagten, erschien er in den Jahren 1822, 1825, 1829, 1832, 1835, 1838, 1842, 1845, 1848, 1852 u.s.w. regelmäßig wieder, und hat überhaupt niemals ermangelt, zur bestimmten Zeit über dem Horizonte der Erde sichtbar zu werden, wobei seine Umlaufszeit sich merkwürdiger Weise jedesmal um 6 Stunden verkürzte, ein Umstand, welcher trotz Encke's eigener und Bessel's späterer Hypothese noch keine allgemein angenommene Erklärung gefunden hat. Seine Bahn liegt noch innerhalb der des Jupiter. Er entfernt sich von der Sonne somit nicht weiter als höchstens 93 1/2 Millionen Meilen, und nähert sich ihr bis 7.8 Millionen Meilen, d.h. mehr als der Merkur. Wie schon durch die Verminderung der Umlaufszeit angedeutet, vermindert sich die große Achse seiner elliptischen Bahn allmälig, und verkleinert sich demnach seine mittlere Entfernung von der Sonne. Es ist folglich gar nicht unwahrscheinlich, daß der Encke'sche Komet endlich in die Sonne stürzt, die ihn jedenfalls absorbiren wird, im Fall er nicht schon vorher durch die mit der Annäherung an dieselbe steigende Hitze verflüchtigt wurde.

Der Gambart'sche oder Biela'sche Komet ward in den Jahren 1772, 1789, 1795 und 1805 schon beobachtet, seine Bahnelemente aber erst am 28. Februar 1826 genau bestimmt. Auch er besitzt eine directe Bewegung. Seine Umlaufszeit beträgt 2410 Tage, also fast sieben Jahre. Zur Zeit seines Perihels kommt er an der Sonne in der Entfernung von 19,626,000 Meilen, also ein wenig näher als die Erde vorüber, und entweicht bei seinem Aphel bis auf 141,222,000 Meilen, also bis jenseit der Bahn des Jupiter. Eine merkwürdige Erscheinung bot dieser Himmelskörper im Jahre 1846. Er erschien über dem Erdhorizonte in zwei Theilen; er hatte sich also unterwegs, jedenfalls unter dem Einflusse eigener, innerer Kräfte, getrennt. Die beiden Theile bewegten sich gemeinschaftlich, aber mit einem Zwischenraume von 36,000 Meilen weiter: im Jahre 1852 betrug diese Entfernung schon 350,000 Meilen. Zuletzt wurde der Biela'sche Komet – ob vollständig in Auflösung begriffen, ist noch nicht festgestellt – am 28. November 1872 als ein unerhört starker Sternschnuppenfall beobachtet. Die Erde ist an jenem Tage also wahrscheinlich durch jenen Haarstern hindurchgegangen.

Faye's Komet, mit directer Bewegung, wurde zuerst am 22. November 1843 bemerkt. Auf die Berechnung seiner Elemente gründete man die Vorhersage, daß er 1850 und 1851, nach siebenundeinhalb Jahren oder 2718 Tagen, wieder erscheinen würde. Diese Prophezeiung ging in Erfüllung: das Gestirn zeigte sich zur damals bestimmten und für später berechneten Zeit, wobei es in 38,790,000 Meilen Entfernung seine Sonnennähe passirte, dem Centralsterne also nicht ganz so nahe kam wie der Mars, und sich dann bis auf 135,936,000 Meilen, d.i. weiter als der Jupiter, von ihm entfernte.

Brörsen's Komet wurde am 26. Februar 1846 in Kiel entdeckt. Er vollendet, in directer Bewegung, seinen Kreislauf binnen circa fünfundeinhalb Jahren oder 2042 Tagen. Sein Perihel-Abstand beträgt 14,768,400 Meilen; seine Aphel-Entfernung 129,600,000 Meilen.

Was die anderen Kometen mit kurzer Umlaufszeit betrifft, so vollendet der von d'Arrest seine Bahn binnen etwa sechsundeinhalb Jahren, und schweifte derselbe 1862 gegen 6,500,000 Meilen jenseit des Jupiter; der von Tuttle beschreibt seine Ellipse in dreizehn und zwei drittel Jahren; jener von Winnecke in fünfundeinhalb Jahren; der Tempel'sche Komet fast in derselben Zeit, dagegen scheint sich der de Vicosche in ungemessene Himmelsfernen verloren zu haben. Die letztgenannten Haarsterne wurden noch nicht so eingehend untersucht wie die ersten fünf.

Wir hätten nun noch die Kometen von »mittlerer oder langer Umlaufszeit« anzuführen, von denen vierzig mehr oder weniger eingehend studirt worden sind.

Der von 1556, der sogenannte »Komet Karl's V.«, wurde zwar 1860 erwartet, ist aber nicht erschienen.

Den von Newton 1680 beobachteten Haarstern, welcher nach Whiston durch zu große Annäherung an die Erde deren Untergang herbeiführen sollte, müßte man im Jahre 619 und 43 v. Chr. gesehen haben, später 531 und 1116. Seine Umlaufszeit beträgt gegen fünfhundertfünfundsiebzig Jahre und streift er in seinem Perihel so dicht an der Sonne vorüber, daß er von derselben eine achtundzwanzigtausendmal stärkere Wärme erhält als die Erde, d.h. zweitausendmal die Hitze des schmelzenden Eisens!

Der Komet von 1586 ließ sich, der Lebhaftigkeit seines Glanzes nach, mit einem Fixsterne erster Größe vergleichen.

Der Komet von 1811, der seinen Namen (»das Kometenjahr«) dem Jahre seines Erscheinens gegeben, besaß einen Ring (Kern) von 103,000 Meilen Durchmesser, eine Nebelhülle von 270,000 Meilen und einen Schweif von 27 Millionen Meilen Länge.

Der Komet von 1843, den man mit dem von 1668, 1494 und 1317 identificiren zu sollen glaubte, wurde von Cassini beobachtet, doch stimmen die Astronomen bezüglich seiner Revolutionsperiode keineswegs überein. Er geht an der Sonne in einer Entfernung von nur 7200 Meilen und mit einer Schnelligkeit von 8000 Meilen in der Secunde vorüber. Die Wärme, welche er dabei empfängt, gleicht derjenigen, welche 87,000 Sonnen der Erde in ihrem mittleren Abstande zustrahlen würden. Sein Schweif war sogar am hellen Tage sichtbar.

Der Donati'sche Komet, der seiner Zeit zwischen den Sternbildern des nördlichen Himmels in so lebhaftem Glanze schimmerte, hatte eine etwa siebenhundertmal geringere Masse als die Erde.

Der mit heller leuchtenden Strahlenbüscheln geschmückte Komet von 1861 glich einer ungeheuren, phantastischen Muschel.

Der Komet von 1864, dessen Umlaufszeit nicht weniger als 280,000 Jahre beträgt, verliert sich also sozusagen im Weltraume.

Die dritte Frage: Wie verhält es sich mit der Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes zwischen der Erde und irgend einem jener Kometen?

Wenn man die Bahnen der Planeten und die der Kometen auf Papier zeichnet, so schneiden sich dieselben an vielen Punkten. In der Wirklichkeit liegt das aber anders. Die Ebenen dieser Bahnen stehen gegen die Ekliptik, d.i. die Kreisbahnebene der Erde, in sehr verschiedenen Winkeln geneigt. Kann es nun aber trotz dieser »Vorsichtsmaßregeln« des Schöpfers, bei der ungeheuren Anzahl der Kometen nicht einmal vorkommen, daß einer derselben gegen die Erde anstößt?

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