Geschichte Südtirols erleben

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Geschichte Südtirols erleben
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Josef Rohrer

Geschichte Südtirols erleben


Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Abteilung Deutsche Kultur der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol


© Folio Verlag, Wien – Bozen 2021

Lektorat: Hermann Gummerer

Wissenschaftliche Beratung: Hans Heiss

Korrektur: Joe Rabl

Grafik und Illustrationen: no.parking, Vicenza

Druckvorstufe: Typoplus, Frangart

Printed in Italy

ISBN 978-3-85256-843-0

eISBN 978-3-99037-125-1

www.folioverlag.com

Inhalt


Vorwort

Wo kommen all die Berge her?

Tod eines Grenzgängers

Wenn fast alle nur Bahnhof verstehen

Drusus, Augustus und der Fußball

Leben in der Falllinie

Wie Tirol zu Tirol wurde

Land der Klöster, Land des Weins

Ein Wirt als Volksheld

Und plötzlich bei Italien

Mussolini und die Bilderstürmer

Land der Bunker

Als fast alle gehen wollten

Südtirol und seine Schutzmacht

Ein Marsch, dann Bomben

Ein Land geteilt durch drei

Absurdes Theater in zwei Sprachen

Diesseits und jenseits des Grabens

Arme Brüder, reiches Land

Wie in der Piefke-Saga

Marienkäfer, flieg

Heilige Kühe im Grünen

Über den Brenner

Tiroler sind

Disagio

Und tschüss


Vorwort


Südtirols Geschichte gäbe natürlich sehr viel mehr her als 25 kurze Kapitel. In diesem Landstrich am strategisch wichtigen Alpenübergang, wo der deutsche und italienische Kulturraum ineinander übergehen und eine Grenzänderung bis heute spürbare Nachwehen auslöste, war immer einiges los. Die Bücher darüber füllen lange Regale.

Die Reduktion auf 25 Betrachtungen ist der Versuch, mit wenigen groben Strichen ein Bild dieser Geschichte und von uns Südtirolerinnen und Südtirolern zu zeichnen. Die Auswahl der Themen ist bewusst subjektiv: Ich wollte über das schreiben, was mich selbst an diesem, meinem Land besonders interessiert. Die Texte aber wollte ich möglichst objektiv halten, jedenfalls frei von der ideologischen Schwere, die auf der Südtiroler Geschichte oft lastet.

Die Kapitel sind zwar chronologisch angeordnet. Jedes steht aber für sich und erzählt eine eigene Geschichte. Jede sollte, das war eines der Kriterien, von Ereignissen oder Erscheinungen handeln, die man im Land auch wahrnehmen kann. Zudem sollten sie einen Bogen spannen, der möglichst bis ins Heute reicht.

Und so erzählt dieses Buch nicht nur von der Geschichte Südtirols, sondern auch einiges über seine Gegenwart.

Josef Rohrer


Schlern (2563 m)

Geoparc Bletterbach, Aldein. Die 400 m tiefe Bletterbach-Schlucht zeigt wie ein Schnitt viele der Gesteinsschichten, aus denen die südlichen Dolomiten bestehen. In einem Besucherzentrum am Einstieg zur Schlucht gibt es eine informative Ausstellung. Die anspruchsvolle Wanderung durch die Schlucht dauert ca. vier Stunden. Zu empfehlen: von Geologen geführte Touren. www.bletterbach.info

Rosengarten (2981 m)

Sellagruppe. Höchster Gipfel ist der Piz Boè (3152 m).

Latemar (2842 m)

Naturparkhaus Toblach. Eine Ausstellung über das UNESCO-Weltnaturerbe versucht, die Entstehung der Dolomiten zu erklären. Das Naturparkhaus befindet sich im ehemaligen Südbahnhotel. Es wurde 1878 von der österreichischen Südbahngesellschaft gebaut, die den Rothschilds gehörte. Sie betrieb unter anderem die Pustertalbahn, die Franzensfeste an der Brennerlinie mit Maribor auf der Linie Wien–Triest verband. 1939 stellte das Hotel den Betrieb ein, heute ist der ausgedehnte Bau ein Kulturzentrum. https://naturparks.provinz.bz.it/drei-zinnen/naturparkhaus.asp

Drei Zinnen (2973, 2999 und 2857 m)

Wo kommen all die Berge her?


Der Schlern ist zwar nur 2563 Meter hoch, hat es aber doch zum Südtiroler Wahrzeichen gebracht. Wegen seiner markanten Form – ein flacher Rücken mit zwei vorgesetzten Felsspitzen – und der Mythen und Hexengeschichten, die sich um diesen Berg ranken. Noch spannender ist, wo der Schlern früher stand.

Vor rund 280 Millionen Jahren befand sich seine unterste Schicht ungefähr dort, wo heute das Horn von Afrika in den Indischen Ozean ragt. Sie war Teil der uralten Erdkruste des Superkontinents Pangäa. Als dieser von Osten her zu zerbrechen begann, traten an einer der Bruchstellen gewaltige Mengen Lava aus. Sie erstarrte zu jenem Porphyr, der im Etschtal zwischen Bozen und Meran gut zu erkennen ist und sich weit unter die Dolomiten hinein fortsetzt.

Unter dem Gewicht des neuen Gesteins senkte sich die Erdkruste, wurde vom Meer überflutet, Sedimente der Erosion füllten die Mulden mit einer ersten Schicht aus Sandstein. Während sich der Riss immer weiter öffnete und Pangäa im Lauf von einigen Millionen Jahren in die heutigen Kontinente zerbrach, setzte sich ein kleineres Bruchstück mit dem Porphyr ab und machte sich auf eine Reise durch Raum und Zeit.

 

Als Teil der Adriatischen Platte driftete es geschätzte zwei Zentimeter pro Jahr Richtung Norden. Mal ragte es für einige hunderttausend Jahre aus dem Meer, mal lag es unter Wasser. Und mit jedem Auf und Ab bildete sich eine weitere Schicht aus Sedimenten. In der spektakulären Bletterbach-Schlucht sind diese Schichten besonders gut zu sehen.

Als einige Stellen wieder einmal knapp bis unter den Meeresspiegel angehoben wurden, setzten sich dort Korallen fest und bauten nach und nach einen Archipel aus Atollen. Während der folgenden, lange andauernden Phasen der Absenkung mussten die Korallen immer höher bauen, um nahe am Sonnenlicht zu bleiben. So entstanden rund tausend Meter hohe Riffe. Der Rosengarten , die Gebirgsstöcke von Sella und Latemar und eben auch der Schlern sind Überbleibsel dieser Atolle. Wer heute dort wandert, bewegt sich auf ehemaligen Tiefseebecken zwischen Korallenriffen.

Ungefähr auf der Höhe des heutigen Mittelmeers stellten die Korallen ihr Wachstum ein. Aus den Riffen gespülte Kalkpartikel füllten allmählich die Becken auf, das einst tropische Meer wurde zum Watt. Da die Erdplatte immer noch weiter sank, überdeckten die Sedimente mit der Zeit auch die Atolle, zuletzt mit einer tausend Meter dicken Schicht aus gepresstem Schlamm. Er ist heute zu Kalkstein und Dolomit verwandelt.

Die Fortsetzung dürfte aus dem Geografieunterricht bekannt sein. Die Afrikanische Platte schob sich in die Eurasische, der Druck faltete den Alpenbogen auf. Er wächst noch immer um rund fünf Millimeter pro Jahr. Hätte nicht gleichzeitig die Erosion eingesetzt, wäre der Ortler, mit 3905 Metern der höchste der Südtiroler Berge, mittlerweile ein Achttausender.

Eingeklemmt zwischen Afrikanischer und Eurasischer Erdplatte, türmte sich ein Teil der Adriatischen zu den Dolomiten auf. Deren Zacken und bizarre Formen – Star-Architekt Le Corbusier nannte die Dolomiten die schönste Architektur der Welt – sind gewissermaßen eine Momentaufnahme. Die Erosion hat sie aus den einstigen Schichten des Watts herausgefräst und fräst immer weiter. Was abgetragen wurde, liegt bis in die Adria hinein verstreut. Was von den Dolomiten heute noch steht, wird irgendwann auch dort landen. Wegen der einzigartigen Geschichte dieses Gebirges hat es die UNESCO 2009 zum Weltnaturerbe erklärt.

Mindestens einmal in der jüngeren Erdgeschichte waren viele der Berge übrigens für eine Weile verborgen. Auf dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit vor ca. 15.000 Jahren – im erdgeschichtlichen Zeitmaß also gerade eben – füllte Eis fast alle Alpentäler aus, nur die höchsten Spitzen ragten heraus. Über dem heutigen Etschtal war es rund 2000 Meter dick.

In den westlichen Dolomiten trug die Erosion inzwischen die oberste Schicht aus gepressten Sedimenten fast vollständig ab und schälte darunter die früheren Riffe frei: die Steilwände von Schlern und Rosengarten. Die Drei Zinnen , 60 Kilometer weiter östlich gelegen, haben das noch vor sich. Weil die einst abgebrochene Erdplatte leicht nach Osten abfällt, ihr östlicher Teil deshalb später an die Oberfläche kam und die Erosion dort noch nicht so lange wirksam war, ist von der obersten Schicht aus Kalkstein noch einiges erhalten. Die 500 Meter hohen Wände der Drei Zinnen bestehen aus jenem Kalkgestein, das einst auch auf den Schlern draufgepackt war. In seiner heutigen Form ist der Schlern den Drei Zinnen schlicht um einige Millionen Jährchen voraus.



Similaun (3599 m). Die Gletschermumie Ötzi lag etwas unterhalb des Gipfels, auf dem 3208 m hohen Tisenjoch.

Ganglegg liegt auf einem kleinen Hügel oberhalb von Schluderns. In Schluderns stellt ein kleines Museum unter anderem die Funde aus der gut erforschten prähistorischen Siedlung Ganglegg aus. www.vintschgermuseum.com

Archeoparc in Unser Frau in Schnals. Das Freilichtmuseum zeigt eine auch für Kinder konzipierte Rekonstruktion von Ötzis Lebensraum und von einer Siedlung seiner Zeit. www.archeoparc.it

Burgruine Hauenstein bei Seis. In der Burg aus dem 12. Jahrhundert wohnte um 1420 der für sein abenteuerlustiges Leben bekannte Minnesänger Oswald von Wolkenstein. Das sogenannte Hauensteiner Schwert wird im Stadtmuseum Bozen verwahrt, vgl. S. 20.

Südtiroler Archäologiemuseum Bozen. Die Funde, die ein Archäologiemuseum gemeinhin zeigt, sind ins Depot verbannt. Ötzi und die Ergebnisse der Forschung nehmen das gesamte Museum in Beschlag. Ein eigenes Gebäude für ihn, seit Jahren im Gespräch, scheiterte bislang an der Frage, wo es gebaut werden soll. www.iceman.it

Tod eines Grenzgängers


Über den Mord ist inzwischen einiges bekannt. Das Opfer war ein rund 45 Jahre alter, drahtiger Mann. Seinem Zahnschmelz nach zu schließen stammte er aus der Gegend. Seine Gelenke sind nur wenig abgenützt, ein Zeichen, dass er nicht schwer arbeiten musste. Vielleicht jemand von besserem Stand. Dafür sind seine Bandscheiben nicht mehr die besten, und Gallensteine deuten auf einen hohen Cholesterinspiegel hin. Möglicherweise die Folge einer fleischlastigen Kost. Etwa eine Stunde vor seinem Tod gönnte er sich noch eine ordentliche Mahlzeit: Brot sowie ein Stück Steinbock und Hirsch. Der ungefähre Todeszeitpunkt: Frühling, zwischen 3359 und 3105 v. Chr.

Seit Ötzi 1991 hoch über dem Schnalstal aus dem Gletscher taute, machen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vieler Disziplinen an ihm rum. Trotz des hohen Alters der Mumie finden sie erstaunlich viel über den „Mann aus dem Eis“ und seine Zeit heraus: über sein Y-Chromosom eine entfernte Verwandtschaft mit jenem Schlag, der heute in Korsika und Sardinien zu Hause ist; dass sich mit seinen Pfeilen und dem selbstgebauten Bogen ein Reh noch aus 50 Metern Entfernung erlegen lässt; dass sein Kupferbeil aus einem Erz der südlichen Toskana geschmolzen wurde.

Doch was wollte er so hoch oben am Similaun , am Übergang ins Ötztal? Und wer hat ihm jenen Pfeil mit einer Spitze aus Feuerstein in den Rücken geschossen, an dem er schließlich starb? Trotz aller Forschung ist über die frühen Menschen im heutigen Tirol noch vieles Spekulation.

Die allerersten, die sich hier herumtrieben, waren wohl Neandertaler – vor vielleicht 120.000 Jahren, als zwischen einer Kaltzeit und der anderen das Klima für eine Weile erträglicher war. Die ersten noch vorhandenen menschlichen Spuren sind ca. 30.000 Jahre alte Reste von Wurfspeeren aus Bärenknochen. Sie sind bereits ein Werk des Homo sapiens. Er dürfte in einer erneuten Warmphase von Süden her in die Alpen vorgedrungen sein, bis ihn die vorerst letzte Kaltzeit wieder vertrieb.

Sie endete vor rund 12.000 Jahren. Die Gletscher zogen sich in größere Höhen zurück, Flora und Fauna breiteten sich wieder aus, und irgendwann war auch Homo sapiens wieder da. Vorerst als Jäger in kleinen Gruppen, mit inzwischen besseren Waffen: mit Speerspitzen und Dolchen aus messerscharfem Feuerstein, wie auch Ötzi noch einen bei sich trug.

Zu seiner Zeit, am Übergang von der Stein- zur Kupferzeit, hatten die Menschen auch im Alpenraum begonnen, sesshaft zu werden und Ackerbau zu betreiben (ohne je ganz von der Jagd zu lassen; noch heute gibt es in Südtirol über 6000 Jäger, mehr als Weinbauern). An sonnigen Hügeln entstanden erste Siedlungen. Ganglegg im Vinschgau zum Beispiel, wo ungefähr zu Ötzis Lebzeiten erste Siedler Hütten bauten und sich an Nutzpflanzen versuchten. Forschungen an diesen prähistorischen Siedlungen und an Ötzi selbst, an seiner im Eis konservierten Kleidung, seinen 61 Tätowierungen, seinen Waffen und seinem Feuerzeug ermöglichen eine ungefähre Rekonstruktion des Lebens in dieser Epoche.

Aus Resten von Mauerwerk, aus Werkzeugen und Schmuck ist zu schließen, dass es dann in der Bronzezeit schon recht viele Siedlungen gab – bewohnt von einzelnen Stämmen, die man später als Räter bezeichnete. Allein auf dem bewaldeten Plateau an der Westseite des Schlern, zwischen den heutigen Ortschaften Völs und Kastelruth, gab es ein halbes Dutzend Siedlungen. Die Bewohner trafen sich oben auf dem Schlern zu Festen und rituellen Opfern. Das jedenfalls wollen Archäologinnen und Archäologen aus Knochenresten, Aschen und Keramikscherben herausgelesen haben. Und am Fuß des Schlern, bei Hauenstein , hat jemand ein verziertes Bronzeschwert liegen lassen, vielleicht ebenfalls ein ritueller Akt. Das alles ist natürlich kein Vergleich zum sensationell gut erhaltenen Ötzi. An die 300.000 Besucherinnen und Besucher kommen Jahr für Jahr in sein Museum in Bozen, um ihn durch ein kleines Fenster in seiner Tiefkühlkammer zu bestaunen.

Oben am Similaun lag Ötzi nur 92,56 Meter vor der Grenze zu Österreich. Zum Glück für Südtirol und sein Tourismusmarketing spannte der Mörder seinen Bogen nicht etwas später. Einige Schritte weiter, und Ötzi wäre jenseits der Demarkationslinie umgefallen, die seit 1919 die Staatsgrenze zwischen Italien und Österreich markiert. Dann wäre die älteste bekannte Mumie der Welt heute im Besitz von Nordtirol und läge nicht in Bozen, sondern in Innsbruck. Nicht auszudenken.



Gröden

 

Gadertal

Museum Ladin, St. Martin in Thurn. Das Museum in einem mittelalterlichen Schloss erzählt in einer sehenswerten Ausstellung die Geschichte der Dolomiten-Ladiner und beleuchtet ihre heutige Rolle in Südtirol. In einer Außenstelle in St. Kassian sind Knochenfunde des Höhlenbären Ursus ladinicus zu sehen, eingefügt in eine Ausstellung über die Entstehung der Dolomiten. www.museumladin.it

Wenn fast alle nur Bahnhof verstehen


Desparé. Das ist Ladinisch, vier Prozent der Bevölkerung in Südtirol sprechen es im Alltag, immerhin gut 20.000. Und schuld sind die Römer.

Um 20 v. Chr. waren sie wieder mal auf Eroberung aus. Ein Stiefsohn von Kaiser Augustus, Nero Claudius Drusus, drang mit einem Heer von der Po-Ebene über Reschen- und Brennerpass bis an die Donau vor. In den folgenden fast 500 Jahren reichte das Imperium Romanum über die Alpen bis weit in das Land der Germanen hinein.

Der Vorstoß überrollte die verstreut in den Alpen lebenden Völker – Räter, wie die Römer sie alle der Einfachheit halber nannten. Deren Gebiet erstreckte sich von der heutigen Zentralschweiz bis Venetien, von Oberbayern bis zu den südlichen Ausläufern der Alpen. Spuren ihrer Siedlungen sind noch zu finden, auch in Stein geritzte Schriftzeichen. Ob die Räter allerdings eine gemeinsame Sprache hatten, ist umstritten. Sicher ist: Sie arrangierten sich zwangsläufig mit den Besatzern der römischen Staatsmacht und fügten deren Vulgärlatein in ihre eigenen Idiome ein. So entstand mit der Zeit eine neue Sprache. Rätoromanisch dürfte in den Zentral- und Ostalpen samt dem Vorland verbreitet gewesen sein, allerdings mit großen regionalen Unterschieden.

Nach dem Zerfall des Weströmischen Reichs drangen nach und nach bajuwarische und alemannische Stämme ins heutige Südtirol vor. Sie setzten sich zunächst in den Tälern von Eisack und Etsch fest, dann auch in höheren Lagen. Ihre germanischen Dialekte verdrängten die Sprache der Räter („Deutsch seit 1200 Jahren“ prahlen deutschtümelnde Aufkleber auf den Autos einiger Südtiroler) und von Süden her setzte ihr das neue Italienisch zu.

Am Ende blieben dem Rätoromanischen nur einige Sprachinseln: in der Ostschweiz, im Friaul und in sechs Dolomitentälern, davon zwei – Gherdëina (Gröden ) und Val Badia (Gadertal ) – in Südtirol. In Gröden und im Gadertal sprechen noch heute 90 Prozent der Talbewohner untereinander Ladin, wie das Rätoromanische in den Dolomiten heißt. Die Deutsch- und Italienischsprachigen verstehen dann nur Bahnhof.

Der italienische Nationalismus des 20. Jahrhunderts hatte für das Ladinische trotz seiner romanischen Wurzeln wenig übrig. Erst die für Südtirol erkämpfte Autonomie von 1972 sah Minderheitenrechte auch für die hier lebenden Ladiner vor. In ihren beiden Tälern besuchen sie ladinische Schulen, Ladinisch ist als Amtssprache anerkannt, RAI Ladinia sendet täglich in Radio und Fernsehen, und wenn die öffentliche Verwaltung Arbeitskräfte einstellt, ist nach dem Proporzsystem ein Kontingent der ladinischen Sprachgruppe vorbehalten. Sie hat auch ein eigenes Museum . Während viele andere Minderheiten in der Welt verschwinden, können sich die Ladiner Südtirols gut behaupten. 1981 gaben 4,2 Prozent der Bevölkerung Südtirols an, ladinisch zu sein, inzwischen sind es 4,5 Prozent. In Venetien und im Friaul hingegen, wo die Ladinerinnen und Ladiner diesen Schutz nicht genießen, sinken die Zahlen.

Die regionalen Unterschiede aus der Römerzeit haben sich über die Jahrhunderte noch verstärkt. Je kleiner die Sprachinseln und je loser der Kontakt untereinander, umso eigenständiger entwickelten sich Wortschatz und Aussprache. Heute klingen für die Engadiner andere Varianten des nahen Bündner-Rumantsch ähnlich fremd wie das fernere Dolomiten-Ladinisch. Und selbst Grödner und Gadertaler sprechen ein unterschiedliches Ladin und verstehen einander oft schwer, obwohl nur ein Pass, das Grödner Joch, sie trennt.

In den 1980ern hat ein Professor in Zürich zwar das Ladin dolomitan entwickelt, eine gemeinsame Schriftsprache für alle Dolomiten-Ladiner. Aber durchsetzen konnte sie sich noch nicht, auch weil es sie im Mündlichen nicht gibt. So bleibt jedes Tal bei seinem Idiom. Auch RAI Ladinia sendet mal auf Grödnerisch, mal auf Gadertalerisch – wer eben gerade am Mikrofon ist.

Desparé ist übrigens Gadertalerisch und bedeutet Schnee schaufeln. Auf Grödnerisch heißt es palé. Aber wenn es schneit, wissen sie in Ladinien eh, was zu tun ist.


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